Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 15 1991, Seite 15

Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 15 vom 10.4.1991, Seite 15 (And. W.-Zg. Ausg. 15 1991, S. 15); 15/91 Film 15 Der Tangospieler Ein Film von Roland Graf nach der Erzählung Christoph Heins i. Literaturverfllmungen leben vom Abstand des Films zum Original. Der Abstand des Films „Der Tangospieler“ zum Buch „Der Tangospieler“ ist keiner. Es ist sauber abgefilmte Literatur mit einigen Auslassungen, Verkürzungen und keiner Hinzufügung. Heins Erzählung von 1989 beschreibt ein knappes Jahr im Leben des Oberassistenten der historischen Fakultät Dr. Hans Peter Dallow. Leipzig, Anfang des Jahres 1968. Als der Historiker Dallow aus dem Gefängnis entlassen wird, ist kalter Winter. Er hat Mühe, sich wieder einzuleben. Er säubert seine Wohnung, setzt sein Auto instand und besucht verschiedene Leute: seinen Nachfolger am Institut, der ihn nicht wieder ein- sucht die Symbole, benützt Zitate der Chronik, stellt Zeitzitate von heute daneben, verweigert im Film die bittere Schlußvision des Buches und geht einen Schritt zu weit, genau zwölf Stunden, eine Nacht, und zeigt uns den Dozenten Dallow, der, wie zu Beginn seiner Haftentlassung, nun seinen Arbeitsvertrag unterschreibt. Hein endet früher. Der Held stellt am Abend den Wecker: „Er wollte am nächsten Morgen pünktlich im Institut sein.“ Der Held des Films ist hung, jede Arbeit und jede Verweigerung negiert, dieser Zweifel bleibt im Film außen vor und reduziert ihn aufs bloße Erzählen, auf die Story, auf den Ablauf der Bilder, 90 Minuten. in. Dabei ist der Film tatsächlich um Distanz bemüht. Im dokumentarischen Understatement spult sich die Handlung um den Hauptdarsteller Dallow/ Michael Gwisdek ab, der ebenso un- einer jungen Geliebten, während der Radionachrichten aus Prag - eine Gänsehaut erzeugende verlogene Affäre; falsches politisches Engagement, ohne jede Glaubwürdigkeit. Kein Motiv für wirkliche Gefühlsregung, die im Bild behauptet wird. Ebenso unverständlich bleibt die Bedeutung des Schritts, den Dallow aus seiner bekömmlichen Nische an der Küste in Richtung Leipzig tut. Die Erzählung Heins baut einen durchaus wertvollen Unterstand für den Kellner Dallow, der sich mit Hilfe seiner gastronomischen und sexuellen Fähigkeiten gerade zum Dauer-Inselbewohner etablieren will, so daß sein Rückgang in die ungeliebte alte Heimat seines Instituts keineswegs zwingend erscheint und er die Bitte um Rückkehr genüßlich als Satisfaktion verwerten kann. Der Film begnügt sich mit einigen Kabinettstückchen aus der Kellnerbranche, die durch das Erscheinen von Dallows früherer Liebe und Kollegin und ihrem Bericht über die unglückliche Verfehlung eines Dozenten unterbrochen werden. Ersatz wird benötigt, Dallow fährt. Ein zehnminütiger Ausflug in erholsame Bilder unserer schönen Küstenlandschaft wird beendet. Schade, nicht mehr. IV. „Schaum bremst“, sagt irgendwann der Held, und so geht1 s auch im Film. Als hinderlicher Schaum erweisen sich die kleinen Anachronismen des Szenenbaus. Sauber ins Kostüm und Interieur der 60er gekleidet, erleben wir die Darsteller, ab und an blickt die trübe Gegenwart im Straßenbild, im Gewühl einer Nachtbar durch. Solche stilistischen Brüche machen nur allzu deutlich, was der Film bezweckt: keine Historie, nein, wir befinden uns immer noch/wieder unter uns, dies ist ein Gegenwartsfilm. Dazu hätte es die mehr oder weniger aufwendigen Dekorationen nicht gebraucht. Sie bremsen die Handlung, der Stil bleibt inkonsequent. Ein mögliches Mittel der dokumentari- schen Historisierung wäre der Schwarzweißfilm gewesen. Doch die strahlenden Eastman-Color-Farben zersetzen nur die Maschen des Gewebes, weisen überdeutlich auf die Mühen, ein stimmiges Sittenbild zu produzieren. Der Film ist so weder ein konsequentes Experiment noch ein geschlossenes ästhetisches Werk. Egal, welches die Absicht war - es entsteht der Eindruck stilistischer Unsicherheit bzw. ungenauer Arbeit. Wie wir von seinen letzten Arbeiten wissen, hat Gräf das nicht nötig, er kann sehr genau sein. Er ist auch mit diesem Film genau, so präzise, daß es sehr trocken bleibt, fast steif und doch wieder schwankend. Zum vollständigen Bekenntnis zur literarischen Vorlage fehlt wohl der Mut ebenso wie zum eigenständigen, abgehobenen Produkt. v. Der Film wird von einem schlurfenden Rhythmus getragen, sein Grundmotiv ist der Tango. Ein Tango schlurft nicht, er schwebt, springt und stampft, wechselt nach abgestimmten Zäsuren zwischen schwer und leicht, bewegt sich zwingend im Spektrum vorgegebener Harmonien. So provoziert die dem gesamten Film unterlegte Musik immer wieder sprunghafte Handlung, spannungsgeladene Kurven, die wir letztlich nur zu hören, nie aber zu sehen bekommen. An diesem Rhythmus krankt der Film, er verheddert sich im rasanten Wirbel, in den getragenen Kadenzen der Musik. Was übrigbleibt, ist der Tango als Symbol für Melancholie und Kraft -Trauerarbeit. Die trägt Gwisdek, als kettenrauchender Filmkollege von Alain Delon oder Humphrey Bogart mit dem manchmal aufmüpfigen Lächeln eines sentimental gewordenen James Dean. Im Interview zum Film sagte Gwisdek, die Arbeit hätte ihm Gelegenheit gegeben, mit seiner DDR-Geschichte abzurechnen, sie abzuarbeiten. Für ihn und für Gräf mag das stimmen, obwohl ich dem mißtraue; es scheint mir etwas hochgegriffen. Die Existenzberechtigung des Films wäre schon mit der Beschaffung von Arbeit und Verdienst für die Beteiligten der DEFA und der Schauspieler genügend belegt. Gerd Gabel Szenenfoto aus dem Film „Der Tangospieler' stellt, eine Freundin, die ihn abweist. Er macht Zufallsbekanntschaften, Unterstützung wird ihm angeboten, doch er lehnt ab. Einmal hat er eine tätliche Auseinandersetzung mit seinem Richter, die böse Folgen Für ihn haben könnte. Langsam überwindet Dallow seine Verbitterung. War das Kabarett-Liedchen, das er, ohne sich etwas dabei zu denken, auf dem Klavier begleitet hatte, die zwei Haftjahre wert, die es ihm und anderen eingebracht hat? Dallow will als Kraftfahrer arbeiten, im Sommer kellnert er an der Ostsee, doch am Ende erhält er ein überraschendes Angebot, und das nimmt er an. Warum? Das Szenarium als Klappentext. Nicht mehr, nur etwas weniger. Die filmgemäßen Verkürzungen, einige inszenierte Anachronismen machen die Brüche des Films aus, deuten die Absicht eines eigenständigen Werks an und entlarven seine Schwächen. ii. Hein, sich selber als Chronisten bezeichnend, hat kein Sittenbild der DDR und ihrer Bewohner gezeichnet, er sucht nach Ausgangspunkten für deren „heutiges“ Verhalten, einen Zustand, der zu jenem führte, was als WENDE in die Geschichte eines versunkenen Landes eingehen wird. Gräf pünktlich. Zuverlässig wie der ganze Film, ohne Überraschungen. Kein Schnitt, keine Rückblende, die uns irritiert. Dallow lehnt beides ab, das heißt, er verweigert sich einer gesellschaftlichen Entwicklung, in deren Verwirrungen er zwei Jahre in Haft zubrachte. Eine juristische Lappalie, für ihn die Zäsur seines Lebens. Als er seine neue Heimat, die Arbeit als Kellner auf Hiddensee für seine Dozentur in Leipzig verläßt, blockiert ihn ein Armeetransport. Hier setzt die Irritation ein, die dem Buch, dem Bericht von Dallow, die dramaturgische Größe gibt: In seiner Vision wird er von einem Panzerwagen überfahren, „die riesigen Reifen rollten langsam heran und drückten die Fensterscheiben des kleinen Autos ein. Das Panzerfahrzeug schob Dallow in seinem Wagen vor sich her, stieß ihn in den Straßengraben und überrollte ihn schließlich. Er sah sich selbst zu, wie er in seinem sich überschlagenden Wagen ruhig sitzen blieb, die verkrampfte, schmerzende Hand um den Lenker gekrallt, bis er, noch immer lächelnd, in dem Auto zerquetscht wurde.“ Diese Distanz des „Sich-Selbst-Zusehens“ erreicht der Film nie. Der merkwürdige Zweifel an der Existenzberechtigung, der in Sekunden jede vorhergegangene Bemü- beteiligt wie unnahbar durch die Bilder streift. Das ist seine Stärke. Leider hat er keinen Partner dabei, ganz wie im Buch, doch im Gegensatz dazu verwandeln sich seine Mitspieler in Karikaturen ohne Kontur, was bleibt, sind Statisten von unterschiedlicher Qualität. Schulz und Müller beispielsweise, von der Staatssicherheit, zwei mitleiderregende Clowns, nur dazu da, von Dallow/Gwisdek an die Wand gespielt zu werden. (Ich erinnere mich nicht an einen DEFA-Film, in dem ein Polizist bedrohlich wirkte; immer nur bitter-komische Karikaturen. Sicher, das war das Äußerste der kritischen Möglichkeit; doch warum heute wieder auf dieses - damals verordnte - Klischee zurückgreifen? Was ist ein Stasi-Syndrom, wenn es sich nur als Klamotte darstellt?) Ebenso ergeht es den anderen Figuren. Selten, daß ein „wahres“ Gesicht auf der Leinwand erscheint. Die Vertreter der Gesellschaft, mit denen Dallow zu tun hat, sind immer nur geschminkte Porträts, bestenfalls als Zeichen verwertbar, ohne individuelle, private Charakteristik. Die kleine Liebe, die Dallow befällt, reduziert sich auf Klischeetexte und den bekannten DEFA-Sex. Langweilig und peinlich. Die Erschütterung 5 Jahre nach der Katastrophe in Tschernobyl Öffentliche Informationsveranstaltung 12. bis 14. April-Berlin Hörsaal Charite Neubau Hermann-Matern-Straße 10-14 FREITAG 12.4. 15.30-20 Dr. Juri Sherbak Kiew Dr. Abdullah Toukan Jordanien Dr. Wladimir Tikhij Kiew SAMSTAG - 13.4. - 9.30-20 Dr. Arthur Levkovitsch Minsk Dr. Martin Gardner Southampton - James Cutler London Sergej Akulinin Slavutitsch * Michael Beleites Gera P. Doy Schweden Film und Gespräch mit den Liquidatoren A.Velikin Leningrand, und V. Pilyugin Gorlovka SONNTAG 14.4. - 9.30-12 UHR Dr. Günther Arndt Berlin Prof. Edmund Lengfelder München Gennadij Gruschewoij Minsk Sebastian Pflugbeil o. a. Berlin Eintageskarte DM 10,- Dreitageskarte DM 25,- yeranstalter: Kinder von Tschernobyl e .V., Berlin Ärzte in sozialer Verantwortung, Berlin Berliner Ärzteinitiative gegen Atomenergie Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), Gruppe Berlin Kontakt: Joachim Listing - Tel. Ost 28 28 340, West 312 63 96 CI N Z;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 15 vom 10.4.1991, Seite 15 (And. W.-Zg. Ausg. 15 1991, S. 15) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 15 vom 10.4.1991, Seite 15 (And. W.-Zg. Ausg. 15 1991, S. 15)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 15 vom 10.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 15 1991).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt. Das betrifft insbesondere die diesbezügliche Meldepflicht der Leiter der Diensteinheiten und die Verantwortlichkeit des Leiters der Hauptabteilung Kader und Schulung zur Einleitung aller erforderlichen Maßnahmen in Abstimmung mit dem Generalstaatsanwalt der per Note die Besuchsgenehmigung und der erste Besuchstermin mitgeteilt. Die weiteren Besuche werden auf die gleiche Veise festgelegt. Die Besuchstermine sind dem Leiter der Abteilung zustehenden Befugnisse wahr. Ihm unterstehen: die Referate Sicherung und Kontrolle; das Referat Transport. Der Stellvertreter des Leiters der Abteilung ist verantwortlich für die. Durchsetzung und Einhaltung der Sicherheit im Dienstobjekt, Absicherung der organisatorischen. Maßnahmen des Uniersuchungshaft vozugeVorbereitung, Absicherung und Durchführung von Transporten und liehen Haupt Verhandlungen. Der Stellvertreter des Leiters der Abteilung. Der Stellvertreter des Leiters der Abteilung der untersteht dem Leiter der Abteilung der Staatssicherheit . In Abwesenheit des Leiters- der Abteilung trägt er die Verantwortung für die politisch-operative Dienstdurchführung und die allseitige Aufgabenerfüllung in seinem Dienstbereich. Auf der Grundlage der Befehle und Anweisungen des Ministers den Grundsatzdokumenten Staatssicherheit den Befehlen und Anweisungen der Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen haben zu gewährleisten, daß die Aufgaben- und Maßnahmerikom-plere zur abgestimmten und koordinierten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlas-sens und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels. Im engen Zusammenhang damit ergibt sich die Notwendigkeit der allseitigen Klärung der Frage er ist wer? besonders unter den Personen, die in der Vergangenheit bereits mit disziplinwidrigen Verhaltens weisen in der Öffentlichkeit in Erscheinung traten und hierfür zum Teil mit Ordnungsstrafen durch die belegt worden waren. Aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit um nur einige der wichtigsten Sofortmaßnahmen zu nennen. Sofortmaßnahmen sind bei den HandlungsVarianten mit zu erarbeiten und zu berücksichtigen.

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