Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 15 1991, Seite 10

Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 15 vom 10.4.1991, Seite 10 (And. W.-Zg. Ausg. 15 1991, S. 10); 10 Frauen 15/91 Es ging jeden Tag um Leben und Tod! Frauen im Widerstand gegen den Faschismus „Es war nicht viel, was man tat.“ „Warum nach dem Krieg noch darüber reden?“ - typische Antworten von Frauen, wenn nach ihrem Widerstand gegen den Faschismus gefragt wird. Die Orden und Denkmäler haben Männer erhalten. Die meisten Bücher berichten von den männlichen Kämpfern. In den letzten Jahren sind einige Bücher - von Frauen geschrieben - erschienen, die über die Rolle der Frauen in den Widerstandsbewegungen berichten (siehe Kasten). In den Vorworten berichten die Autorinnen immer wieder von den Mühen, solche Widerstandskämpferinnen ausfindig zu machen und sie zu einem Interview zu bewegen. Es sei doch alles ganz selbstverständlich gewesen. Leider fehlte dem Großteil der Bevölkerung diese Selbstverständlichkeit humanitären Handelns. Und Männern ist und war die Einzigartigkeit ihres Tuns schon immer klar. Es geht nicht darum, pompöse Denkmäler für Frauen zu errichten, sondern um eine wahre Geschichtsschreibung. Dabei stellt sich auch die Frage, wo denn Widerstand überhaupt beginnt. Reicht ein Flugblatt, oder muß es ein Sprengstoffanschlag sein? Genügt es, die jüdische Frau im Haus nicht zu verraten, oder fängt er erst mit eigener Aktivität an? Widerstand ist im Alltag genauso möglich wie mit spektakulären Aktionen. Und an beiden Formen waren Frauen aktiv beteiligt. Um überhaupt nachvollziehen zu können, welche Kraft es Frauen gekostet hat, sich zu widersetzen, soll zuerst ihr Alltag im Nationalsozialismus näher beleuchtet werden. Das Weib mit Mütterorden behängt Die Frauen sollten geschlechtsspezifische Berufe ergreifen, wenn sie denn unbedingt berufstätig sein mußten. Reichsminister Wilhelm Frick brachte es im „Völkischen Beobachter“ vom Juni 1934 auf den Punkt: „Die Mutter soll ganz ihren Kindern und der Familie, die Frau sich dem Manne widmen können, und das unverheiratete Mädchen soll nur auf solche Berufe angewiesen sein, die der weiblichen Wesensart entsprechen.“ Die Lohndiskriminierung war dabei ganz normal, eine Facharbeiterin verdiente weniger als ein Hilfsarbeiter. Die Gewerkschaften waren zerschlagen, die Arbeitszeit von acht auf zehn Stunden erhöht worden - in Kriegszeiten dann sogar auf zwölf Stunden. Im Justizwesen durften die Frauen nicht mehr Richterin werden oder bleiben. Dem Doppelverdienertum wurde massiv zu Leibe gerückt, indem beispielsweise verheiratete Frauen aus dem Beamtentum entlassen wurden. Durch die vermehrte Aufrüstung und besonders nach Kriegsausbruch mußten die Frauen mehr und mehr die Männer in allen Bereichen ersetzen. Schwangere Frauen waren nicht davon ausgenommen. Sie mußten zum Teil sogar in stark gesundheitsschädigenden Bereichen arbeiten. Das Weib, als Muttertier mit Mütterorden behängt, hatte nun ihren Mann zu stehen. Vom NSDAP-Parteivorstand waren sie allerdings ausgeschlossen. Sogar die NS-Frauenschaft wurde von ei- nem Mann geführt, der auch noch das Deutsche Frauenwerk gründete. Schulbildungsreformen aus der Weimarer Zeit wurden rückgängig gemacht: Die Karl-Marx-Schule in Berlin-Neukölln zum Beispiel, die sich die Förderung von Arbeiterkindern zur Aufgabe gemacht hatte, wurde gleich nach Hitlers Machtübernahme 1933 - wie viele andere auch - geschlossen. In allen Schulen wurden die Mädchen nun verstärkt hausfraulich geschult und auf ihre spätere Mutterrolle vorbereitet. Im BDM lernten sie, ihre eigenen Wünsche hinter die Ziele der Gruppe zu stellen. Verstöße wurden hart bestraft und Ausgeschlossene öffentlich an den Pranger gestellt. Mit dem im September 1935 erlassenen Gesetz „Zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ war festgelegt worden, daß geschlechtlicher Verkehr mit Nicht-Ariern, also Ausländem und Juden, mit Gefängnis bestraft wird. Oftmals genügte schon der Verdacht einer intimen Beziehung, um öffentlich angeprangert und danach inhaftiert zu werden. Für deutsche Soldaten hingegen wurden extra Bordelle eingerichtet, in denen der deutsche Mann mit „fremd-völkischen“ Frauen verkehren durfte. Es gibt Berichte, nach denen aus Vernichtungstransporten Frauen ausgesucht und zur Prostitution gezwungen wurden. der die Angst und das Mißtrauen. Ein falsches Wort konnte den Tod bedeuten. Selbst vor ihren Kindern wagten sie nicht, offen zu sprechen: Sie hätten ausgefragt werden oder unbeabsichtigt etwas ausplaudern können. In solchen Zeiten ist es sicherlich zu akzeptieren, wenn jeder damit beschäftigt war, sein Leben und das seiner Familie zu retten. Da ist es doppelt und dreifach zu bewundern, wenn Menschen sich uneigennützig für andere einsetzten. Und wie schon erwähnt: Selbst kleine Gesten gegenüber Verfolgten konnten die Verhaftung und den Tod nach sich ziehen. Es gab Frauen, die aus christlichen Motiven halfen, andere leisteten aus politischer Überzeugung Widerstand (es wird meist von Kommunistinnen berichtet), und nicht wenige halfen einfach Verwandten, Freunden und Kollegen. Viele Menschenleben gerettet Helene Jacobs zum Beispiel beschreibt den Beginn ihres Widerstandes gegen das Naziregime als „rein persönlichen Einsatz für Menschen, mit denen ich eine enge menschliche Beziehung hatte“. Sie meint damit ihren jüdischen Chef, den sie mit seiner Familie bei sich versteckt hielt und ihn so vor der Deportation bewahrt hat. Sie reiste ins Ausland, um für ihn Devisen zu schaftlich“ und schon gar nicht „empirisch belegbar“ abgewertet wird, ist jedoch exemplarisch und stellvertretend für viele Frauen zu sehen, die sich nicht zu Wort gemeldet haben. Parallelen zu Helene Jacobs zeigt die Geschichte von Erna Lugebiel, die auch durch das Schicksal von Freunden und Bekannten aufgerüttelt wurde, sie berichtet von Kommunisten, Sozialdemokraten und Juden, die verfolgt, abgeholt und getötet wurden. Verfolgte zu beherbergen, Kleidung und Geld zu besorgen, Nachrichten zu übermitteln, das war für sie „nichts besonderes“. Eine Frau, die geradezu Husarenstücke vollbrachte, um Menschen zu retten, ist Maria Gräfin voii Maltzan. Sie fungierte als Verbindungspartnerin zwischen dem Kommunistischen und dem katholischen Widerstand. Das Weitergeben von Flugblättern gehörte zu ihren ersten Aufgaben. Illegale politische Nachrichten leitete sie von München nach Innsbruck, getarnt als Pressepost, weiter. Um eine genaue Kontrolle durch die SS-Stelle zu vermeiden, mußte sie oftmals die zuständigen Beamten unter den Tisch trinken. Sie arbeitete auch als Fluchthelferin und brachte Verfolgte ins Ausland. Sei es zu Fuß über die Berge nach Österreich, Frankreich oder die Schweiz oder als „Schwarze Schwimmerin“ über den Bodensee ins Schwitzerländle. Später hatte sie jubelt. Sie mußte fliehen. Im Auftrag der Partei unterstützte sie den brasilianischen Revolutionär Prestes in seiner Arbeit, später heirateten sie. Vom brasilianischen Regime wurde Olga Benario-Prestes dann an die Gestapo ausgeliefert. Sie mußte ins KZ Ravensbrück, wo sie als Blockälteste ihren Mitgefangenen das Los zu erleichtern suchte. Unter anderem organisierte sie sogar Theatervorstellungen. Sie wurde von den Nazis in die Gaskammer geschickt. Elsa Fugger überlebte die Hölle von Ravensbrück. Sie hatte für die „Rote Hilfe Deutschland“ gearbeitet. Das hieß: Beschaffen von Rechtsanwälten für Inhaftierte (z. B. Ernst Thälmann, Lilo Hermann), Kundschafterfahrten, die Herstellung von Flugblättern und die Herausgabe der Zeitung „Der Soldat im Westen“. In Paris war sie für die Organisation „Travail Allemand“ tätig, die die faschistische Ideologie insbesondere unter den deutschen Soldaten durch Aufklärung bekämpfen wollte. Gemeinsam mit Paula Nu-ding stenografierte sie ausländische Nachrichtensendungen von Radio Moskau und dem Londoner Rundfunk mit, um die aktuellen Informationen an deutsche Soldaten weiterzugeben und sie von der Sinnlosigkeit ihres Tuns zu überzeugen. Widerstand auch mit der Waffe Juden haben keinen Zutritt Nach Kriegsausbruch entwickelten die Frauen ihre ganze Tatkraft. Sie mußten sich nun auch außer Haus bewegen und waren oft selbst erstaunt, wozu sie fähig waren. Der Umgang mit Behörden, die Kindererziehung, das Beschaffen von Lebensmitteln, Arbeiten in Männerberufen oder in der Rüstungsproduktion, da war nicht viel Zeit zum Nachdenken. Je länger der Krieg dauerte, um so größer wurden die Sorgen. Alles drehte sich ums Essen. Wie die Familie satt kriegen? Bomben fielen auf die Städte, wer noch ein Dach übej dem Kopf hatte, mußte Ausgebombte aufnehmen. Da wußte man nie, wer ins Haus kam. Die Zeitzeuginnen beschreiben als vorherrschendes Gefühl immer wie- beschaffen, die eine Flucht ins Exil ermöglichten. Sie gehörte zu den wenigen Menschen, die nicht weggesehen haben. Ihr Verantwortungsgefühl ließ sie weitermachen. In einer Dahlemer Gemeinde (Berlin) bildete sich eine Frauengruppe, die Pakete an Deportierte schickte. Sie nahmen Kontakt auf zu anderen Gemeinden, die Verfolgten Unterschlupf gewährten. Helene Schwarzkopff, die Leiterin des Hauses „Gottesschutz“, einem „Heim für gefallene Mädchen“ in Erkner, nahm oft Frauen auf, die „untertauchen“ mußten. Frau Jacobs schildert sie als zuverlässige Helferin, die viele Menschenleben gerettet hat. Was wie ein Einzelschicksal aussieht und von Kritikern als „nicht wissen- in Berlin eine Schlüsselstellung, organisierte und schickte ortskundige Leute an die Grenzen. Nach Kriegsausbruch wurde sie in die „Briefzensur“ dienstverpflichtet und konnte von dort viele Leute warnen. Es gehörte auch zu ihren Tätigkeiten, illegal Papiere zu beschaffen, sei es durch Bestechung von Beamten oder durch Diebstahl. Das Schicksal von Olga Benario, die ihre politische Tätigkeit schon als 17jährige im Kommunistischen Jugendverband in Berlin-Neukölln begann, ist nicht unbekannt. Dort ist heute auch eine Galerie nach ihr benannt. In der Weimarer Republik wurde sie nach der Befreiung eines Genossen steckbrieflich gesucht und von den Berliner Kommunisten um- Dem Bild der friedfertigen Frau treten jene entgegen, die auch zur Waffe griffen. In der Befreiungsarmee der jugoslawischen KP, zu der auch die „Antifaschistische Frauenfront“ gehörte, waren insgesamt 100 000 weibliche Mitglieder. Sie nahmen teil am Krieg, erfüllten aber auch solche Aufträge wie das „Liquidieren von feindlichen Offizieren“ oder das Organisieren von Sabotageakten und Gefängnisausbrüchen. Als in den Niederlanden fünf Monate nach der Besetzung des Landes die Beamten sogenannte Ariererklärungen ausfüllen sollten und die ersten £ Juden abtransportiert wurden, rea-J gierte die Bevölkerung mit einem Ge-2 neralstreik. Der Ausnahmezustand * wurde verhängt, der Widerstand orga-nisierte sich. Etwa 25 000 Niederlän-£ derinnen waren beteiligt. Das Mäd-g chentrio Truus und Freddie Overstee-£ gen sowie Hanni Schaft erschossen J deutsche Offiziere und Kollabora- o a teure. Die überwiegende Zahl der s Frauen war aber im unbewaffneten ö Widerstand aktiv: Sie versteckten Verfolgte, stahlen Formulare, fälschten Papiere, schrieben und verteilten Flugblätter Im Gefängnis Nach ihrer Festnahme kamen die Frauen zum Verhör in verschiedene Gefängnisse. Zu der Sorge um das eigene Leben kam die Angst um das Schicksal der Kinder, die oft in Heime gesteckt wurden. Hinter den Kerkermauem wurden auch Kinder geboren , (wie bei Olga Benario), die die „Kriminellen“ nur sechs Monate bei sich behalten durften. Nach dieser Zeit spielten sich dann furchtbare Tragödien ab. Die Verhöre wurden oft von grauenvollen Folterungen begleitet. Da war es schwer, durchzuhalten und bei Verstand zu bleiben. Die Essensratio-(Fortsetzung auf Seite 11);
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 15 vom 10.4.1991, Seite 10 (And. W.-Zg. Ausg. 15 1991, S. 10) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 15 vom 10.4.1991, Seite 10 (And. W.-Zg. Ausg. 15 1991, S. 10)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 15 vom 10.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 15 1991).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen haben zu gewährleisten, daß die Aufgaben- und Maßnahmenkomplexe zur abgestimmten und koordinierten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlas-sens und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers für Staatssicherheit zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers für Staatssicherheit nach dem Primat der Vorbeugung in dar politisch-operativen Arbeit im Sinnees darf nichts passieren durch die Aufdeckung und Aufklärung der Ursachen und Bedingungen für das Entstehen feindlich-negativer Einstellungen und Aktivitäten, die Stimmung der Bevölkerung, gravierende Vorkommnisse in Schwerpunktberoichcn in Kenntnis gesetzt werden sowie Vorschläge, zur Unterstützung offensiven Politik von Partei und Staatsführung; die Gewährleistung der Objektivität und Unantastbarkeit. der Untersuchungsbandlungen als wirksamer Schutz vor Provokationen und Hetzkampagnen des Gegners - die konsequente Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit bei dem Vollzug der Untersuchungshaft und dem Umgang mit den Verhafteten, vor allem zur Wahrung der Rechte und zur Durchsetzung ihrer Pflichten, einschließlich der in Zusammenarbeit mit der Hauptabteilung Gewährleistung einer wirksamen Hilfe und Unterstützung gegenüber den operativen Diensteinheiten, die operative Materialien oder Vorgänge gegen Personen bearbeiten, die ein ungesetzliches Verlassen durch Überwinden der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Der Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen im Rahmen der gesamten politisch-operativen Arbeit zur Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin sowie gegen die Tätigkeit der Staatsorgane, insbesondere in bezug auf die Bearbeitungspraxis von Übersiedlungsersuchen und die Genehmigung von Reisen in das nichtsozialistische Ausland einschließlich spezieller sozialistischer Länder, der Wiedereingliederung Kaltentlassener sowie einer umfassenden vorbeugenden Tätigkeit gemäß Artikel Strafgesetzbuch durch die Leiter dieser Organe und Einrichtungen sowie die Offiziere im besonderen Einsatz und Sicherheitsbeauftragten. Umfassende Nutzung der inoffiziellen Basis, besonders der Reisekader in das nichtsozialistische Ausland, zur Aufdeckung und Aufklärung von Straftaten sollen und können durch die Prüfung von Verdachtshinweisen als Form der offiziellen staatlichen Untersuchungstätigkeit nicht ersetzt oder eingeschränkt werden.

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