Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 1991, Seite 9

Die Andere, Unabhaengige Wochenzeitung fuer Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Seite 9 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, S. 9); ?14/91 Hintergrund 9 mmm lassung einiger kompromittierter Se-curitate-Leute. Der offene Brief eines Offiziers des neuen Nachrichtendienstes, den die oppositionelle Bukare-ster Zeitschrift ?22? (Nr. 46/1990) veroeffentlicht hatte, ist aufschlussreich fuer die Restaurationsbestrebungen des postkommunistischen Regimes. Der Nachrichtendienstoffizier behauptet in seinem Brief, dass die alte Securitate keineswegs aufgeloest wurde, sondern bloss einen neuen Namen erhalten habe. Die ehemaligen ?Direktionen? sollen jetzt in ?Divisionen? (diviziuni) umbenannt worden sein, wobei die alte Ermittlungsabteilung, im Gegensatz zu offiziellen Erklaerungen, nicht ganz abgeschafft, sondern ebenfalls einsatzbereit sei. Auch der Ueberwachungsdienst des Femmelde- und Briefverkehrs arbeitet auf Hochtouren. In letzter Zeit mehrten sich auch die Ueberfaelle auf Oppositionelle. Nachdem in Bukarest die Schriftsteller Banu Radulescu und Petre Cretia auf offener Strasse zusammengeschlagen wurden, sorgte der Ueberfall auf den Iliescu-Gegner Dumitru Mazilu in Genf fuer Schlagzeilen. Auf den pogromartigen Einsaetzen der Bergarbeiter gegen demonstrierende Studenten im vergangenen Juni war der neue Nachrichtendienst ebenso beteiligt wie an den Diversionskampagnen waehrend des Wahlkampfes. Gruppen von Buergerrecht-lem, die, nach dem Vorbild des Komitees zur Aufloesung der DDR-Stasi, gleich nach der Revolution die Securitate-Archive kontrollieren wollten, scheiterten. Ausser zwei Persoenlichkeiten der Uebergangsregierung, Silviu Brucan, die ehemalige ?graue Eminenz? der Front, und Gelu Voi-can Voiculescu, Ex-Vizepremier, ist es niemandem gelungen, seine Secu-ritate-Akte einzusehen. Nur in der ?Romania Mare? werden immer wieder Auszuege aus Securitate-Dossiers veroeffentlicht, um Oppositionelle zu kompromittieren. Woher die Informationen und Dokumente stammen, ist ein offenes Geheimnis. Ueber die Verbindungen der Securitate zu den Geheimdiensten der Bruderlaender ist kaum etwas bekannt. Als im Herbst 1989 laut Presseberichten zahlreiche Akten der Stasi nach Bukarest gebracht worden sein sollen, sah sich das ?Neue Deutschland? genoetigt, jegliche ?Beziehungen? abzustreiten. ?Weder das ehemalige Ministerium fuer Staatssicherheit noch das aufgeloeste Amt fuer Nationale Sicherheit? haben, so das ND vom 28.12. 1989, jemals Beziehungen zum rumaenischen Geheimdienst unterhalten?. Ueber das Personal der rumaenischen Botschaft in Ostberlin, und vor allem ueber die Rolle von Botschaftsrat Lupu waehrend der Protestaktionen und Mahnwachen, wurde nach der Revolution kaum berichtet. Ebenso wurde von niemandem die Tatsache registriert, dass als neuer Konsul in Westberlin der ehemalige Dolmetscher von Ceau-sescu, Constantin Girbea, eingesetzt wurde, der laut Antonia Rados angeblich Mitglied der alten Securitate gewesen sein soll. Girbea wurde gleich nach der Revolution Sprecher des Aussenministeriums in Bukarest und tauchte im Sommer 1990 als neuer Konsul in Westberlin auf. Dutzende derartiger postrevolutionaerer Karrieren praegen den Kurs des Iliescu-Re-gimes, das mit Hilfe seines Nachrichtendienstes, der altneuen Securitate, die Restauration vorantreibt. William Totok Das Phantom der Oper Ungarns Stasi offenbart sich Wir leben in einer Zeit der Gestaendnisse. Gestaendig werden vor allem die ehemaligen Verhoeren Als erster stellte sich ein junger einstiger Obser-vierer der ungarischen Oeffentlichkeit, spaeter rueckte ein Generalmajor der Staatssicherheit a. D. mit seinen Erinnerungen heraus. Beide gaben sich zutiefst enttaeuscht am Kommunis- nen Dezembertagen angeblich vierzig Tonnen Geheimmaterial vernichtet hat, muss sich die Nachwelt nun mit einigen Kilo Top-Secret-Informatio-nen zufriedengeben. Die wenigen hundert Gramm davon, die dank Major Vegvaeri unser historisches Bewusstsein bereichern sollen, erscheinen mir offen gesagt nicht wichtig Aussagen wie ?ich habe alles selbstlos und fuer mein Land getan? nicht verbergen laesst. Ueber die Kunstgriffe seiner Arbeit spricht der Major offen und mit einer gewissen Aufschneiderei. Wie z. B. machte man in den siebziger, achtziger Jahren aus einem ungarischen Kuenstler einen Polizeispitzel? Der Budapest 1. Mai 1988 mus und erzaehlten recht wenig ueber ihre eigene Taetigkeit. Dabei haette die Palme dem dritten Stasimann gehoert, der erst jetzt seine Memoiren in Form eines langen Interviews publizierte. Denn dieser Autor, Major Joezsef Vegvaeri, hatte seinerzeit, Ende Dezember 1989, der demokratischen Opposition geheime Akten der Staatssicherheit zugespielt und dann oeffentlich die Machenschaften seiner Organisation an den Pranger gestellt. Im uebrigen hatte er von 1965 bis 1989 als Verantwortlicher fuer das musikalische Leben des Landes gearbeitet, und es gehoerte zu seiner Funktion, Institutionen wie die staatliche Oper oder die Philharmonie geheimdienstlich zu beaufsichtigen. Die von ihm initiierte Enthuellungsaffaere zog bald unter dem Stichwort ?Donaugate? in die ungarische Zeitgeschichte ein, fuehrte zur Abdankung des Innenministers und schadete der damals noch herrschenden Sozialistischen Partei erheblich. Vegvaeri wurde inzwischen - eher der Form halber - vor Gericht gestellt, das ihn angesichts der ?mangelnden sozialen Gefaehrlichkeit? seiner Tat aber freisprach. Seine Erinnerungen lesen wir nun ohne das Fieber der Aktualitaet. Angesichts dessen, dass die ?Firma? in je- genug. Das Buch entstand ausserdem allem Anschein nach in einer geradezu panischen Eile. Um ein paar Beispiele zu nennen: Der Besitzer der Wohnung, in der Vegvaeri ?in der Zeit der Illegalitaet? -d. h. der Flucht vor seinen Genossen nach den grossen Entlarvungen -wohnte, wird an einer Stelle nur mit Initialen, an einer anderen mit vollem Namen genannt. Ebenso treten einige beruehmte Komponisten, Saengerinnen und Pianistinnen bei ihm mit Monogramm auf, andere werden benannt. Die Namen von hohen Stasioffizieren unterhalb der Ministerebene werden fast alle verschwiegen; eine aehnliche Vorsicht zeigt er bei den Repraesentanten der Opposition nicht. Vor allem nennt Vegvaeri keinen der zahlreichen Spitzel beim Namen, die er im Kuenstlermilieu selbst angeworben hat und mit deren Zahl sich zu ruehmen er nicht aufhoert. Namentlich erwaehnt er nur zwei Personen, die er als Stasiagenten bezeichnet - beide sind seit Jahren tot. Umso mehr erzaehlt er von den Methoden, mit denen einzelne Kuenstler gezwungen wurden, ihre Kollegen zu bespitzeln. Und hier entpuppt sich seine eigentliche Natur, die sich durch pathetische Fachmann schreibt: ?Meine lieben Kuenstlerlein sind zerstreut: Sie wissen nie, wie viele hundert Dollar sie in welche Tasche gesteckt haben. Einem Star ist so etwas gleichgueltig. Gestern ist er aus Los Angeles gekommen, morgen faehrt er bereits nach Paris weiter. Er geht durch die gruene Tuer (hat also keine Zollwaren anzumelden - Gy. D.) und wird dort mit den Dollars geschnappt. Was geschieht dann? Telefonate kommen zustande, dann ein persoenliches Treffen, ein winziges Versprechen, dass er nicht seine Kumpel, sondern nur Auslaender, Emigranten, Fremde beobachten soll. Als guenstigen Ausgangspunkt fuer Anwerbung betrachtet Vegvaeri auch Verkehrsdelikte wie Geschwindigkeitsueberschreitungen, die oefters zu Fahrverboten fuehren. Ein Kuenstler aber, das weiss man bei der ?Firma? wohl, kann ohne Auto nicht auskommen und ist somit auf die Hilfe der Staatssicherheit angewiesen. Ein anderer Fall: Im Zusammenhang mit Ermittlungen zum Mord an einem Homosexuellen stoesst die Polizei in einer oeffentlichen Toilette auf zwei bekannte Musiker. ?Es gibt da kein Pardon?, sagt der Major, ?wir muessen mit den gefaehrdeten Kuenstlern reden?, und aus demselben Grund ?muss ich sofort erfahren, dass zum Beispiel der fuehrende Schauspieler eines Theaters mit minderjaehrigen Jungen Unzucht treibt.? Diese peinlichen Faelle werfen die Frage auf, worauf solche Aktionen zielten. Man koennte glauben, diejenigen, die menschliches Unglueck, Schuld oder einfach Schwaechen im Interesse einer Staatsmacht missbrauchen, Leute erpressen oder korrumpieren, sollten sich ueber die Politik dieses Staates im klaren gewesen sein. - Nichts dergleichen. Wir erfahren zwar einige Einzelheiten. So zeigte der Ideologiechef der Partei, Gyoergy Aczel, des oefteren gesteigertes Interesse an den Geheimakten einzelner Kuenstler. Fuer die Protestbewegung gegen das Wasserkraftwerk Nagymaros gab es bei der ungarischen Staatssicherheit einen hauptberuflichen Sachbearbeiter. Hunderttausend Forint Praemie verteilte man an die Firmenmitarbeiter fuer die Beschlagnahme einer groesseren Menge Samisdatliteratur. v Aber was die Staatssicherheit ueber die Stimmung im Lande dachte, wie sie die Kraft der demokratischen Opposition einschaetzte und inwieweit Institutionen wie die Staatsoper von imperialistischer Diversion tatsaechlich bedroht waren, das erfahren wir nicht. Statt dessen lesen wir Anekdotisches ueber gelegentliche Kontakte mit dem Mossad, Unwesentliches zu diversen Massenveranstaltungen, die Major Vegvaeri zu ?sichern? hatte, und allerlei Erinnerungssplitter aus den Jugendjahren. Die Erklaerung fuer diese Wortkargheit auf zweihundert Seiten scheint auf der Hand zu liegen. Die Staatssicherheit war nicht, wie oft irrtuemlich gemeint wird, das Hirn oder Herz, sondern vielmehr das Nervensystem des Staates, und die Mitarbeiter waren die Endungen dieser Nerven. Sie fingen die Regungen der Gesellschaft auf und vermittelten sie der Staatsmacht. Diese aber konnte herzlich wenig mit den Informationen anfangen. Sie war - vor allem aufgrund der Erfahrung des Oktoberaufstands 1956 - aufgeklaert genug, hinter jeder Unzufriedenheit und Unruhe die Wuehlarbeit westlicher Geheimdienste zu vermuten, aber nicht sachlich genug, aus der jeweiligen Situation sie selbst gefaehrdende Konsequenzen zu ziehen. So mochte der einzelne Staatssicherheitsoffizier korrekt oder korrupt, klug oder beschraenkt, fanatisch oder zynisch sein, er diente in jedem Fall einer ideologisch hohl gewordenen und - vor allem in oekonomischen Dingen - voellig ratlosen Staatsmacht. Und an der Schwelle des physischen Systemkollaps hing es nur vom Zufall ab, an welchem Punkt der erste Nerv den Dienst quittieren wuerde. Deshalb erscheint die Frage, ob Major a. D. Joezsef Vegvaeri ein Verraeter, ein Held, beides gleichzeitig oder keines von beidem war, nebensaechlich. Das Beklemmende der Erinnerungen des Phantoms der Oper ist, dass aus ihnen keinerlei moralische oder sonstige Lehren zu ziehen sind. Sie bieten nicht einmal die Gewissheit, dass die ungarische Demokratie in Zukunft gaenzlich ohne diese hauptberuflichen Gespenster auskommen wird. Gyoergy Dalos (Deutsche Bearbeitung R. Weisshuhn);
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Seite 9 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, S. 9) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Seite 9 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, S. 9)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt ist verpflichtet, zur Erfüllung seiner Aufgaben eng mit den am Strafverfahren beteiligten Organen zusammenzuarbeiten, die Weisungen der beteiligten Organe über den Vollzug der Untersuchungshaft im Staatssicherheit sind die - sozialistische Verfassung der Straf Prozeßordnung und das Strafgesetzbuch der Gemeinsame Anweisung der Generalstaatsanwaltsohaft der des Ministers für Staatssicherheit, des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Aufklärung von Brandstiftungen und fahrlässig verursachten Bränden sowie die Entstehungsursachen von Bränden vom Anweisung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Aufklärung von Brandstiftungen und fahrlässig verursachten Bränden sowie die Entstehungsursachen von Bränden vom Anweisung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über Maßnahmen zum schnellen Auffinden vermißter Personen und zur zweifelsfreien Aufklärung von Todesfällen unter verdächtigen Umständen vom Ouli Anweisung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Auferlegung von Kosten und die Durchführung der Ersatzvornahme. zu regeln. Im Befehl des Ministers für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher. Die Diensteinheiten der Linie haben entsprechend den erteilten Weisungen politisch-operativ bedeutsame Vorkommnisse exakt und umsichtig aufzuklären, die Verursacher, besonders deren Beweggründe festzustellen, die maßgeblichen Ursachen und begünstigenden Bedingungen für derartige Angriffe sowie die dabei angewandten Mittel und Methoden vertraut gemacht werden, um sie auf dieser Grundlage durch die Qualifizierung im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Tätigkeit des Untersuchungsführers in der Vernehmung, insbesondere bei der Protokollierung. Es ist Anliegen der Ausführungen, die ErfOrdermisse der Wahrung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlih-keit und Gesetzlichkeit die Möglichkeit bietet, durch eine offensive Nutzung der gesetzlichen Bestimmungen den Beschuldigten zu wahren Aussagen zu veranlassen.

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