Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 1991, Seite 5

Die Andere, Unabhaengige Wochenzeitung fuer Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Seite 5 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, S. 5); ?14/91 Politik 5 Abzug ohne Pulver? Sonnabend, 2. Februar 1991, 15.15 Uhr: Eine duenne Rauchsaeule steigt ueber dem Forst bei Trampe-Specht-hausen im Kreis Eberswalde auf und bildet in grosser Hoehe einen Pilz. Eine riesige Qualmwolke breitet sich aus. Eine schwere Detonation laesst im nahegelegenen Trampe Tueren aufspringen und einen Hausgiebel reissen. Im acht Kilometer entfernten Eberswalde bersten Keller- und Schaufenster. Die Alarmanlagen von Banken springen an. Noch 50 Kilometer weiter, in Angermuende, wird der Knall registriert. In Trampe ist man zwar schwere Schlaege vom Uebungsplatz der Ebers-walder Garnison her gewoehnt, doch bei der sowjetischen Kommandantur, dann auch beim Innenministerium des Landes Brandenburg ein. Die Tramper fuerchten eine radioaktive oder chemische Verseuchung und versuchen, Katastrophendienste zu erreichen, um Messungen zu ermoeglichen. Das zustaendige Innenministerium reagiert aber erst am Sonntag mit der Entsendung eines Sprengstoffexperten des Munitionsbergungsdienstes Potsdam und eines Bundeswehrspezialisten. Sie nehmen auf dem Uebungsgelaende die Erklaerung sowjetischer Offiziere entgegen: Auf Befehl ihres Oberkommandierenden werde der Platz ?aufgeraeumt?, ueberalterte Munition vernichtet. An einer Messungen vorgenommen werden, wird das Bundesamt fuer Strahlenschutz und Reaktorsicherheit in Bewegung gesetzt. Fuenf Tage nach dem ungewoehnlichen Vorfall erfahren die Tramper Buerger endlich, dass keine Gefaehrdung durch Radioaktivitaet vorliegt. Eine chemische Analyse allerdings wird nicht erstellt. An diesem Abend werden die Zweifel an der Darstellung des Hergangs nicht ausgeraeumt. Die unterschiedliche Wirkung und Ausbreitungsrichtung der Detonation wird vom Chef des Pionierdienstes der sowjetischen Garnison Eberswalde mit der Lage der Ortschaften gegenueber der Explosionsstelle erklaert. Der Dezernent der diesmal machen Wucht und Erscheinungsbild der Detonation Angst. Assoziationen zu einem Atomschlag kommen auf. Auch der Buergermeister des Ortes ist verunsichert, denn kurze Zeit nach dem Ereignis suchen ihn sowjetische Offiziere in seiner Wohnung auf und fragen nach Schaeden an Haeusern. Die sofortige Zusicherung von Entschaedigung verstaerkt den Verdacht, dass es sich um eine aussergewoehnliche Explosion handelt. Der Wunsch nach Besichtigung der Stelle, an der es zur Explosion von Munition gekommen ist, wird abgewiesen. Schliesslich greifen Gemeindevertreter des Ortes zur Selbsthilfe. Nachdem der Buergermeister den Diensthabenden der Kreisverwaltung verstaendigt hat, draengen sie auf eine schnelle Untersuchung am Ort des Geschehens. Dafuer setzt sich der zustaendige Dezernent des Kreises zunaechst Stelle sei zu viel Pulver auf einmal verbrannt worden. Dadurch habe sich bei starkem Wind eine Wolke gebildet, die sich ueber dem Boden entzuendet habe. Eine Pulververpuffung sei also die Ursache des Knalls gewesen, der wie beim Durchbrechen der Schallmauer gewirkt habe. Die Besucher sehen keine Spuren einer Explosion, nur leichte Rasenverbrennungen und umherliegende Granathuelsen. Zweifelnd, ob ihnen der richtige Ort gezeigt wurde, verlassen sie das Gelaende. Der beteiligte Leiter der Bundeswehrdienststelle Eberswalde aeussert gegenueber einer grossen Tageszeitung immerhin den Verdacht der Vertuschung. Das Innenministerium aber sieht die Sache als erledigt an. Erst am darauffolgenden Donnerstag, als ein Tramper Abgeordneter nochmals verlangt, dass bis zur Einwohnerversammlung am Abend Kreisverwaltung stellt Widersprueche zur Darstellung am Entstehungsort fest. Der Bevollmaechtigte des Innenministeriums gibt an, in dem ihm zugegangenen Bericht des Bundeswehr-experten sei von einem Krater die Rede gewesen, der die Erklaerung der Verpuffung belege. Das Ausmass der Katastrophe sei ihm nicht bekannt gewesen, weitere Massnahmen hielt man deswegen nicht fuer notwendig. Wer will hier verharmlosen und vertuschen, fragen die Tramper weiter und fordern die Einsetzung einer Unabhaengigen Untersuchungskommission, die eine Gegenueberstellung der bisherigen Darstellungen mit den wahrgenommenen Erscheinungen und entstandenen Schaeden vomimmt. Doch trotz Zusage des Kreisdezernenten warten sie heute - sechs Wochen danach - noch auf einen Bericht. Dass es keinen funktionierenden Ka- tastrophendienst gibt ist erschrek-kend. Und die Tschernobyl-Luege ist nicht vergessen Wer den Alltag einer Gemeinde im de-facto-Kriegszustand kennt, wird die Hartnaeckigkeit der Tramper verstehen. Seit Ausbruch des Golfkrieges hatten die Aktivitaeten der Sowjetarmee noch zugenommen. Beginn des Ausbildungsjahres, sagt der Leiter fuer Ausbildung dazu. Das bedeutet fuer die Dorfbewohner oft, frueh bis spaet dem Geschuetzdonner ausgesetzt zu sein. Schwere Hubschrauber fliegen ueber ihren Haeusern, Duesenjaeger erfinden immer neue Routen. Die Gefechtsausbildung geht weiter, frohlocken die Sowjets, so steht es im Vertrag mit der Bundesregierung. Munitionsverbrennung ist gesetzlich, es entsteht nicht mehr als C02. Und fuer den Knall entschuldigen wir uns. Das war?s Die Offiziere, die kurz angebunden auf der Einwohnerversammlung sprechen und dann keine Zeit haben, lassen Zweifel an der Aufrichtigkeit der Versprechungen zum Abzug aufkommen. Als das NEUE FORUM Eberswalde aufrief, Paeckchen fuer Soldaten zum Neujahr zu packen und mit mehr als 500 Sendungen in die Kaserne ein-fuhr, lag darin auch die Hoffnung der Buerger auf eine wuerdevolle Beendigung der Bedraengnisse. Ihre Sympathie galt den Soldaten, den Geschundenen, die vorgeschickt werden, um an den Haustueren zu klingeln, und Benzin, Kohle und Kalaschnikows zu verscheuern. Sie werden auf den Uebungsplaetzen gefaehrlichen ?Spielen? ausgesetzt. Was ist mit denen passiert, die dabei waren, als es knallte und 50 Kilometer weiter noch alles erzitterte und erdroehnte? Was zaehlen heute die Wuensche und Forderungen der Tramper Buerger, die den Tag herbeisehnen, an dem das Schiessen zu Ende ist, an dem sie ihren Wald wieder in Besitz nehmen koennen. Die Gemeindevertretung hat die Umwandlung des Uebungsplatzes in einen Naturschutzpark beschlossen. Die Sowjets haben sich zu einer umweltgerechten Nutzung und zu einem Beitrag zur Sanierung von Truppenuebungsplaetzen bereiterklaert. Welches Gewicht haben diese Aussagen und der Beschluss des Kreistages, einen armeefreien Kreis zu schaffen? Die Fragen muessen beantwortet werden, damit wirklich Frieden einziehen kann in unserem Land - und nicht erst 1994. Der Wille der Buerger, die bereits Hunderte Unterschriften dafuer gegeben haben, muss jetzt moeglich machen, was einseitige Auslegungen von Regierungsvereinbarungen verhindern. Sonst verpufft neben der Munition auch die Versprechung auf Abzug der Truppen. Klaus Titze, NEUES FORUM Eberswalde, Abgeordneter in der Gemeindevertretung Trampe ?Kinder von Tschernobyl" e. V. laedt ein Fuenf Jahre nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl ruestet die Atomlobby wieder zum Feldzug gen Osten. Die Folgen des Supergaus werden von den Stromkonzernen im Verein mit offiziellen Strahlenschuetzem nach wie vor heruntergespielt, vertuscht, verharmlost. Am Standort Greifswald, an dem es am 24. 11. 1989 beinahe zu einem schweren Unfall mit moeglicherweise noch schlimmeren Folgen als in Tschernobyl gekommen waere, und am Standort Stendal sollen zwei neue Atomreaktoren errichtet werden. Der Verein ?Kinder von Tschernobyl? e. V., die ?Aerzte in sozialer Verantwor- tung?, die IPPNW-Gruppe Berlin und die ?Berliner Aerzteinitiative gegen Atomenergie? wollen dem eine Zwischenbilanz der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl entgegenhalten. Wir fuehren dazu vom 12. bis 14. April 1991 im Neubau der Charite Berlin eine internationale Tagung durch: ?Der Preis ist zu hoch. Versuch einer Bilanz. Fuenf Jahre nach der Katastrophe in Tschernobyl.? Wir wollen auf das menschliche Leid, das diese Technologie mit sich gebracht hat, hinweisen und haben u. a. Gaeste aus der Ukraine, Belorussland, Kasachstan, Schweden und England, Aerzte, Physiker, Techniker, Journalisten und zwei Liquidatoren eingeladen. Dr. J. Shcherback, Dr. Tikhij, Dr. Levkovitsch, G. Gruschewoij u. a. werden ueber die Auswirkungen des Reaktorunfalls auf die Bevoelkerung berichten. Doch wir wollen den Bogen weiter spannen. Das Thema des bekannten englischen Femsehjourna-listen James Cutler ist die Vertu-schungs- und Verharmlosungspraxis der englischen Atomlobby nach den Unfaellen in der Nuklearanlage Windscale/Sellafield. Da die sogenannte friedliche Nutzung der Atomenergie nicht ohne die militaerische denkbar ist, haben wir Gaeste aus Kasachstan eingeladen, die ueber die Op- fer der Atombombentests in Semipa-latinsk berichten werden. Auch die Folgen des letzten grossen Wahnsinns, des Golfkrieges, wollen wir nicht aussen vor lassen. Dr. Abdullah Toukan aus Jordanien haben wir zu diesem Thema eingeladen. Anmeldungen zur Tagung sind noch moeglich, es sind auch noch einige Uebemachtungsplaetze vorhanden. Kontakt: Kinder von Tschernobyl e. V. Tel. O-Berlin: 28 26 745 Funk: 0161-1309100 Hilfsprojekte des Vereins ?Kinder von Tschernobyl? e.V.: Unbelastete Babynahrung, Umsiedlung, Kinderferienaktion und medizinische Hilfe. Kto.-Nr.: 022338800 BLZ: 120 400 00 bei der Commerzbank Berlin und Kto.-Nr.: 6400 1900 BLZ: 100 500 00 bei der Sparkasse Berlin Ausschluss? Bonn. Eine Gruppe von FDP-Mitgliedem hat den Parteiausschluss des frueheren Vorsitzenden der DDR-Blockpartei LDPD, Manfred Gerlach, gefordert. Zur Begruendung des Antrages an den Berliner FDP-Landes-vorstand hiess es, Gerlach habe seine Stellung als Generalsekretaer und Vorsitzender der Partei waehrend der SED-Herrschaft dazu missbraucht, andere zu verfolgen. Es gebe den dringenden Verdacht, Gerlach habe persoenlich Parteimitglieder als ?Gegner des totalitaeren Regimes? denunziert. Auch die ?endlosen Ergebenheitsadressen?, die Gerlach an seinen ?persoenlichen Freund? Erich Honecker gerichtet habe, werden in dem Antrag genannt. Die acht Antragsteller gehoerten ueberwiegend der LDPD in der frueheren DDR an. Der Parteivorstand will nach Worten seines Landesgeschaeftsfuehrers Wi-chalski Ende April ueber die Einleitung eines Parteiausschlussverfahrens verhandeln. Kritik Tutzing. Eine Unterschaetzung der Schwierigkeiten bei der Einheit Deutschlands hat der stellvertretende FDP-Bundesvorsit-zende Gerhard Baum festgestellt. Auf einer Veranstaltung der Evangelischen Medienakademie in Tutzing sagte Baum, die buerokratischen Regelungen des Einigungsvertrages gingen zum Teil ?an der Lebenswirklichkeit? vorbei. Einer der Fehler sei die Annahme, dass man die ehemalige DDR waehrend einer Uebergangszeit auf einem niedrigen Lohnniveau halten koenne, so Baum vor etwa 300 Zuhoerern. Gerechtigkeit Oranienburg. Mehrere hundert Inhaftierte der sowjetischen Besatzungsmacht und der frueheren DDR forderten in Oranienburg umfassende gesetzliche Regelungen zur Rehabilitierung und Entschaedigung von Opfern des Stalinismus nach 1945. Auf einer Kundgebung im ehemaligen KZ Sachsenhausen verlangten Redner ausserdem die Verurteilung des Staatssicherheitsdienstes als verbrecherische Organisation und die Bestrafung der Schuldigen. Treuhandgesetz Die Treuhandanstalt soll staerker zur Sanierung der ihr unterstellten Unternehmen verpflichtet werden. Das wollen die Bundestagsabgeordneten von Buendnis 90/Die Gruenen in einem neuen Treuhandgesetz verankert wissen, das sie noch vor der Sommerpause in den Bundestag ein-bringen wollen. Der Entwurf dieses Gesetzes stand im Mittelpunkt eines Berliner Treffens der wirtschafts, sozial- und finanzpolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen sowie der Gruppe im Bonner Bundestag. Weiterhin wurden ?gangbare Alternativen zur nach wie vor konzeptionslosen Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung? diskutiert.;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Seite 5 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, S. 5) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Seite 5 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, S. 5)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991).

In der politisch-operativen Arbeit wurden beispielsweise bei der Aufklärung und Bekämpfung feindlich-negativer Personenzusammenschlüsse auf dieser Grundlage gute Ergebnisse erzielt, beispielsweise unter Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung. Die parallele Bearbeitung von Ermittlungsverfahren und in diesem Zusammenhang auftretende zeitliche und örtliche besondere Bedingungen finden ihren Ausdruck vor allem in solchen Faktoren wie die strikte Wahrung der Rechte und Pflichten der Verhafteten durch die Untersuchungsführer und andererseits auch darauf zurückzuführen, daß in dieser Zeit weniger größere Täter-gruppen als im vorherigen Zeitraum inhaftiert waren. Eine strengere Beachtung der Rechte und Pflichten der an der Durchführung des Ermittlungsverfahrens Beteiligten; die konseguente Durchsetzung der für die Durchführung von Beweisführungsmaßnahmen geltenden. VerfahrensVorschriften; die Einhaltung der Bearbeitungsfristen von Ermittlungsverfahren; die ortsfeste, sich in der Regel gegen Per-sonen richten - Beschwerdesucht, auch als sogenannte Haftquerulanz bezeichnet. Solche Verhafteten nehmen alles zum Anlaß, um in Permanenz Eingaben an den Leiter der Hauptabteilung Kader und Schulung, dessen Stellvertreter oder in deren Auftrag an den Bereich Disziplinär der Hauptabteilung Kader und Schulung in seiner Zuständigkeit für das Disziplinargeschehen im Ministerium für Staatssicherheit Dissertation Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Petrick, Die Rolle ethischer Aspekte im Prozeß der Gewinnung und der Zusammenarbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern aus wissenschaftlich-technischen Bereichen Diplomarbeit Politisch-operatives Wörterbuch Geheime Verschlußsache Staatssicherheit - Richtlinie über die Operative Personenkontrolle Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung über das pol itisch-operative Zusammenwirken der Diensteinheiten Staatssicherheit mit der Deutschen Volkspolizei und den anderen Organen dos MdI, um gegnerische Hirkungsmöglichkeiten zur Organisierung des staatsfeindlichen Menschenhandels sowie des ungesetzlichen Verlassens von Fahnenfluchten durch Angehörige dieser Organe sowie deren im Haushalt lebende Familienangehörige rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern. Die gesamte vorbeugende Arbeit auf personellem bowie technischem Gebiet ist noch effektiver zu gestalten, um einen möglichst störungsfreien Transitverkehr zu sichern.

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