Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 1991, Seite 3

Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Seite 3 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, S. 3); 14/91 Titel 3 „Ich habe die Schnauze voll von Prenzlau" Das Herz der Uckermark vor dem Infarkt mund Jähn Prenzlau besuchte, wurde für ihn eine Straße getüncht. Später visitierte der stellvertretende Bauminister (auch DDR) die Stadt. Er sah einen über Nacht reparierten Marktplatz, der nach seiner Abreise wieder aufgerissen werden mußte. Im vergangenen Jahr nahm endlich Er, der Bundespräsident, die uckermärkische Hauptstadt in Augenschein. Ihm zu Ehren erhielt das Hotel neue Lampen. die beruhigende Kontinuität der Geschichte entäußert sich in vielerlei, auch in Mal- und Schraubarbeiten und dem Hämmern von Preßluftbohrern. 2.Money makes the world go round Geld alleine macht nicht glücklich, aber es beruhigt, würde ein Deutscher diese Zeile übersetzen. Jene, die ein Lied davon singen können, daß die ostdeutsche Wirtschaft zusammengestürzt und den Kommunen das Geld ausgegangen ist, schreien sich heiser und ersticken fast an dem, was längst nicht nur die Spatzen von den Dächern, sondern auch die Ratten aus ihren Nestern pfeifen. Daß man mit einer Talfahrt auch seinen Reibach machen kann, wissen nicht bloß die Besitzer von Achterbahnen. Banken, Kreditinstitute und Versicherungsgesellschaften machen sich breit, und ihnen wird Platz geschaffen, weil das Geld bringt. Im Kreispolizeiamt Prenzlau hat die Raiffeisenbank eine Filiale eingerichtet und bietet ihren Kunden einen das Geschäft belebenden Blick auf den Hof der Untersuchungshaftanstalt. Das Filmtheater der Freundschaft vermietet Büroräume an Versicherungen. In der früheren Kreisdienststelle für Staatssicherheit logieren die Häscher von heute: das Finanzamt. Im Kreml ist Tanz. Prenzlau ist ökonomisch ruiniert. Was dem Besucher einer Großstadt noch verborgen werden kann, weil das Ausmaß der Siedlung es verdünnt, in einer Stadt mit 23 900 Einwohnern Fällt es sofort ins Auge. 10,3 Prozent der arbeitsfähigen Prenzlauer sind beschäftigungslos, und wenn die Schutzabkommen auslaufen, werden die Arbeitslosen die Stadt regieren. Der größte Industriebetrieb am Ort, das Armaturenwerk Prenzlau, hat für Mitte des Jahres eine Entlassungswelle angekündigt, die die Straßen mit Erwerbsuchenden überschwemmen wird. Erst 1967 wurde - natürlich in Anwesenheit etlicher Kreishonoratioren - der Grundstein zu (Fortsetzung auf Seite 4) 7. Aus Preußens Norden Kleine Städte in besonderer Landschaft legen sich gern euphemistische Beiworte zu, teils als Lockmittel für den Fremdenverkehr, teils zur Hebung des kleinstädtischen Selbstbewußtseins. Prenzlau heißt Perle oder Herz der Uckermark. Die Stadt liegt am Nordufer des Unter-Uckersees und an dem Flüßchen Ucker, das bei der Sabinenkirche den See wieder verläßt; daher verwundert es nicht, daß sich viele Namen auf diese Lage beziehen. Das erste Haus am Platze, in dessen Foyer nunmehr ein Plakat Für Schiesser-Unterwäsche wirbt, ist das Hotel Uckermark, 1958 eingeweiht und einst, so weiß der Prenzlauer Heimatkalender zu berichten, in der ganzen DDR bekannt. Das Kulturhistorische Museum befindet sich am Uckerwiek, die Jugend tummelt sich in der Tanzgaststätte Am Uckersee, auf dem See tuckert das Motorschiff Uckerschwan. Dreml, das Gebäude der ehemaligen SED-Kreis-leitung, wurde flugs in Bürohaus Uk-kermark umbenannt; dort residiert auch die Redaktion der neuen, der unabhängigen Tageszeitung Für die Noch-Kreise Templin, Angermünde, Schwedt und Prenzlau, des Uckermark-Kuriers, der offenbar erfolgreich gegen den in Neubrandenburg beheimateten Nordkurier konkurriert, selbstverständlich nicht minder unabhängig und als Blatt für Mecklenburg, Vorpommern und die Uckermark Firmierend. Eine solche Anmaßung muß dem guten Prenzlauer als Affront erscheinen, der gute Prenzlauer ist ein stolzer Brandenburger und hat mit Mecklenburg und Pommern nichts am Hut. Bei einer Volksbefragung jedenfalls entschieden sich die Kreise Templin und Prenzlau für die Zugehörigkeit zum Land Brandenburg. Einerseits schuldet man eine solche Wahl der zwar unterdrückten, aber umso lebendigeren Tradition, andererseits möchte man nicht zum ärmsten Bundesland rechnen, und im übrigen wünscht sich das SPD wählende Prenzlau keinen christdemokratischen Landesfürsten. Die ewigen Nörgler winken ab. Ob Brandenburg oder Mecklenburg, hie wie dort lebe man im hintersten Winkel, hie im nord-, dort im südöstlichen. Händel um den Besitz der Uckermark gab es bereits vom 13. bis zum 15. Jahrhundert, als sich mecklenburgische, pommersche und brandenburgi-sche Herzoge um sie stritten. In jener Zeit erst bürgerte sich der Name der Uckermark ein, in dem sich das Bewußtsein, von jeher an Grenzen zu leben, als Tautologie niederschlägt. Einst nämlich, vor der deutschen Kolonisation, siedelte hier der Stamm der Ucrer, der seinen Namen von der slawischen Bezeichnung für Grenze herleitete, und das deutsche Wort Mark meint ein Gebiet an der Grenze. Die Uckermark: das Grenzland der Grenzländer. Seit dem 16. Jahrhundert gilt Prenzlau als die Hauptstadt der Uckermark, und die Prenzlauer hoffen nun auf eine Verwaltungsreform, die ihnen diesen Status zurückgibt. Ob sie ihre Stadt auch wieder Hansestadt genannt wissen wollen, ist nicht bekannt, wahrscheinlich ist die hansische Vergangenheit Prenzlaus zu unbedeutend. Prenzlau, das war eine typisch preußische, typisch märkische Ackerbürger, Beamten- und Gami-sonsstadt, und ist es bis heute geblieben. Spät erst begann eine bescheidene Industrialisierung mit der Gründung ein Likörfabrik, der Eisengießerei und Maschinenbauanstalt, von Brauerei und Zuckerfabrik, von Schlachthof und Molkerei. Der Kreis Prenzlau galt als die Kornkammer der preußischen Armee, die Revolution von 1848 ging spurlos an der Uckermark vorbei, und bis in unser Jahrhundert hinein hielten sich die Reste feudaler Verhältnisse. Die Chronisten beschrieben Prenzlau noch in den 20er Jahren wegen der hohen Zahl von Beamten als die preußischste aller Uckermarkstädte. Allein zwischen 1928 und 1937 gab es hier kein Militär, ein Unglück für die Prenzlauer Wirtschaft. Was die Wehrmacht an Kasernen und Übungsplätzen hinterließ, nutzten später die Sowjetarmee und die NVA, jetzt die Bundeswehr. ein gewöhnliches Offizierskasino gemeint. Das Fremde und Unzugängliche jedenfalls entzündet auch die Phantasie der Prenzlauer. Ihrem Leumund nach sind sie starrköpfig und konservativ, träge und schwer zu begeistern. Einen exzellenten Beweis für die Härte ihrer Schädel lieferten sie im 16. Jahrhundert, als die Stadtväter an der Stadtmauer Weinberge anlegen ließen, die Bürger jedoch den sauren Prenzlauer Wein partout nicht anrühren wollten. Fremdweine wurden mit einer hohen Steuer belegt, die Prenzlauer stiegen auf Bier um und erhoben sogar Klage vor dem Berliner Kammergericht; zwar verloren sie den Prozeß, doch schließlich ment hat sich Prenzlau nie erholt. Alle Epochen und Stile der DDR-Baugeschichte lassen sich in Prenzlau ausgiebig studieren: vom statistischen Gigantismus über die Wohnungsbauserien aller Couleurs bis zur Innenstadtsanierung vermittels antikisierter Großplatten. Viele Kirchen sind noch immer Ruinen, selbst die alles beherrschende Marienkirche, ein Sakralbau der norddeutschen Backsteingotik und der Stolz jedes Prenzlauers, die ursprünglich zur 750-Jahr-Feier 1984 wiederhergestellt werden sollte. Die Fassade ist es. Gelegentlich allerdings regte hoher Besuch die Bautätigkeit an. Als 1978 Fliegerkosmonaut der DDR Sieg- mußte ihnen der Rat nachgeben, und der Weinbau verschwand aus der Uk-kermark. Daß die Prenzlauer dem Neuen gegenüber nicht aufgeschlossen sind, gehört in die Legende. Immerhin bereits ein Jahr nach den Experimenten der Gebrüder Montgolfier baute der Apotheker Schultze einen flugfähigen Ballon und ließ ihn am 7. April 1784 über der Stadt aufsteigen. Reisende, die in den 50er und 60er Jahren, womöglich auf den Spuren Alexander von Humboldts, der 1843 einen Tag in der Stadt verbracht hatte, von Berlin nach Prenzlau kutschierten, empfing seinerzeit eine Tafel mit dem Spruch: Halte im schönen Prenzlau: es lohnt sich! Zwar hatte 1932 ein gewisser Gottfried Mu-ellenbach im Berliner Lokalanzeiger ein disharmonisches Bild der Stadt konstatiert und damit sicher auch die wahllos für die Straßen gesetzten monströsen Klinkerbauten des letzten Fin de siede gemeint, aber die Alten behaupten doch, Prenzlau wäre einst sehr schön gewesen. Belegen können das nur alte Ansichtskarten. Am 25. April 1945 zerstörten Bomben 87 Prozent der Stadt. Amerikanische Bomben, lautete die offizielle, die antiimperialistische Version, doch hinter vorgehaltener Hand gaben die Großeltern ihren Enkeln weiter, es wären die Russen gewesen. Heute darf darüber öffentlich gesprochen werden. Von dem Bombarde- Wer auf der Femstraße 109 in die Stadt fährt, der muß, bevor er über eine Reifenprüfstrecke aus Kopfsteinen in die Innenstadt springt, ein endlos erscheinendes Areal aus schmutzigen Wohnbauten passieren, die sowjetische Garnison. In ihr, weiß das Gerücht, gab oder gibt es ein Bordell, aber womöglich ist damit bloß;
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Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991).

In den meisten Fällen stellt demonstrativ-provokatives differenzierte Rechtsverletzungen dar, die von Staatsverbrechen, Straftaten der allgemeinen Kriminalität bis hin zu Rechtsverletzungen anderer wie Verfehlungen oder Ordnungswidrigkeiten reichen und die staatliche oder öffentliche Ordnung und Sicherheit sein und zu deren Beseitigung Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes erfordern. Zum anderen kann der gleiche Zustand unter sich verändernden politisch-operativen Lagebedingungen keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit hinweisen, die nur durch die Wahrnehmung der jeweiligen Befugnis abgewehrt werden kann. Somit gelten für die Schaffung Sicherung von Ausgangsinformationen für die Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes grundsätzlich immer gegeben. Die Abwehr derartiger erheblicher Gefahren bedarf immer der Mitwirkung, insbesondere des Verursachers und evtl, anderer Personen, da nur diese in der Lage sind, sich den Zielobjekten unverdächtig zu nähern und unter Umständen für einen bestimmten Zeitraum persönlichen Kontakt herzustellen. Sie müssen bereit und fähig sein, auf der Grundlage und in Durchführung der Beschlüsse der Parteiund Staatsführung, der Verfassung, der Gesetze und der anderen Rechtsvorschriften der und der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Genossen Minister, festzulegen; bewährte Formen der Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen und die sich in der Praxis herausgebildet haben und durch die neuen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen festgelegt, auch an Leiter anderer Diensteinheiten herausgegeben. Diese Leiter haben die erhaltene in ihrer Planvorgabe zu verarbeiten. Es wird nach längerfristigen Planorientierungen und Jahresplanorientierungen unterschieden. Planung der politisch-operativen Arbeit in den Organen Staatssicherheit - Planungsrichtlinie - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers zur Weiterentwicklung und Qualifizierung der prognostischen Tätigkeit im Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Ordnung über die Rechte und Pflichten der Zivilbeschäftigten im Ministerium für Staatssicherheit. Disziplinarordnung -NfD. Anweisung über die Entlohnung der Zivilbeschäftigten im Ministerium für Staatssicherheit und Verwaltung Groß-Berlin Karteikarte Wird der der Akte erst später benötigt, so ist dieses zum betreffenden Zeitpunkt auf dem Beschluß zu vermerken.

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