Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 1991, Seite 2

Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Seite 2 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, S. 2); 2 Von uns und anderen 14/91 ■■■■■MB KOMMENTAR Ausländerbeauftragte in ahr „Innensenator streicht Ausländerbeauftragte". Ein Artikel mit dieser Überschrift schreckte Anfang März den an diesem Thema interessierten Teil der Berliner Öffentlichkeit auf. Innensenator Heckel-mann habe die von Ostberliner Bezirksämtern dafür beantragten Stellen ersatzlos gestrichen. Das Dementi aus dem Senat folgte auf dem Fuße. Um Licht in das Dunkel zu bringen, veranstaltete S.O.S. Rassismus am 25. März ein Pressegespräch. Dabei stellte sich heraus, daß es eigenständige Ausländerbeauftragte nur in Mitte und Prenzlauer Berg gibt. Das ist der Lösung der in Ost- berlin anstehenden Probleme nicht gerade zuträglich. Obwohl hier bedeutend weniger Ausländer leben als in Westberlin, sind die Probleme nicht geringer. Abgesehen vom Geld, fehlen vor allem die Strukturen auf unterer Ebene, also Selbsthilfegruppen, Bürgerinitiativen Viele der von der ehemaligen DDR-Füh-rung als „Gastarbeiter" angeheuerten Vietnamesen, Mocambiquer usw. sind nicht wieder nach Flause gegangen, sondern abgetaucht - oft in die Obdachlosigkeit. Andere, die in den bekannten Wohnheimen auf ihre Heimreise warten, werden immer wieder Opfer von Übergriffen Rechtsradikaler. Aber in den Vorstellungen des Innensenators spielen nur die Zahlen eine Rolle. Daß die soziale Umbruchsituation, die riesigen Ostberliner Neubaugebiete mit ihrer weitgehend fehlenden Infrastruktur und den überdurchschnittlichen Arbeitslosenraten den idealen Nährboden für Ausländerfeindlichkeit bieten und somit ein Hauptteil der Tätigkeit von Ausländerbeauftragten die Arbeit mit den deutschen Mitbürgern ist, wird ignoriert. Dazu kommt, daß als Vorbild für die Strukturen in Ostberlin die der Westberliner Bezirksämter dienen. Dabei lebt auch eine uns Ossis wohlbekannte Tradition wieder auf: die der Patenschaften. Partnerbezirk von Marzahn z. B. ist Steglitz. Dort gibt es keine(n) Ausländerbeauftragtein). Also bekommt auch Marzahn keine(n). Punkt. Bei dieser Art von Problemlösung ist jedoch nicht nur Ignoranz im Spiel. Es existiert auch eine politische Dimension der Angelegenheit: War die Berufung von kompetenten Ausländerbeauftragten nicht eine Forderung des Runden Tisches? Hier soll ein weiteres Ergebnis der DDR-Übergangszeit zunichte gemacht werden. Denn: Wenn wir an dieser Institution festhalten, muß auch über Gleichstellungs- und Behindertenbeauftragte diskutiert, müssen eines Tages vielleicht auch die weitergehenden Forderungen der Verantwortlichen für Kultur, Jugend usw. berücksichtigt werden. In der BW Prenzlauer Berg mobilisierte das Bündnis 90 inzwischen eine Mehrheit für die Beibehaltung der Ausländerbeauftragten. Ein ermutigendes Beispiel. In Hellersdorf dagegen wurde die bisher für Ausländerfragen - wenn auch nicht als Beauftragte - Zuständige schon auf eine andere Stelle umgesetzt. Ein Ersatz ist nicht vorgesehen. Bleibt zu hoffen, daß sich die kommunalen Volksvertreter gerade in solchen Bezirken den Blick ihrer Prenzelberger Kollegen zu eigen machen. Auf jeden Fall müssen die seit dem Herbst 89 entstandenen Ausländerinitiativen so rasch wie möglich Druck auf Parteien und Parlamente ausüben, sonst gehören die Ausländerbeauftragten zwischen Pankow und Köpenick bald der Vergangenheit an. Thomas Ruttig LESERBRIEFE Täglich erreichen die Redaktion unzählige Telefonanrufe und Briefe - Reaktionen auf die Veröffentlichung der Gehaltslisten der hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit in den Nummern 12/13„der anderen“. Im folgenden einige Auszüge aus Leserbriefen, weitere Reaktionen frnden Sie in der Beilage. Ich, der ich nie Denn sie wußten nicht, was sie tun! Dies trifft offenbar auch auf Sie und Ihresgleichen zu, IMPRESSUM Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur u. Kunst erscheint in DIE ANDERE BasisDruck Verlagsgesellschaft mbH, Schliemannstr. 23 Berlin, 1058 Telefon: 4 48 36 87 PSF 148, Berlin, 1058 Bankverbindung: Berliner Stadtbank AG BLZ: 120 205 00 Konto-Nr.: 4381 39 3300 DIE ANDERE erscheint wöchentlich mittwochs und kostet 1,80 DM Herausgeber: Klaus Wolfram (v.i.S.d.P.) Redaktion: Rainer Braun, Brigitte Dombrowski, Wolfram Kempe Tina Krone, Thomas Ruttig, Torsten Schulz, Anja Tapp, Rolf Walter Layout: Bettina Block, Heide-Rose Plake Adresse der ANDEREN: Französische Straße 47, Berlin, 1080 Telefon: 2 29 93 67-3 69 Telex: 113192 Anzeigenverwaltung Ost: BasisDruck Verlagsgesellschaft mbH, Susanne Ströger, Schliemannstr. 23, Berlin, 1058 Telefon: 4 48 53 74 Anzeigenvertretung West: gecco Communication Eppendorfer Weg 58 W-2000 Hamburg 20 Telefon: 040/4 91 0076 FAX: 040/406980 Abo-Bezug: DIE ANDERE Leser Service PSF 103 245, W-2000 Hamburg 1 Satz, Repro, Druck: Druckhaus Friedrichshain Druckerei und Verlags-GmbH Berlin nachdem Ihr Blatt mit der Veröffentlichung der Namenslisten der MfS-Hauptamtlichen begonnen hat. Haben Sie dabei bedacht, daß Sie dabei nicht nur die 100 000 Angestellten dieses Ministeriums treffen, sondern auch deren Angehörige - leider auch ihre Kinder - und andere Personen, die nur mittelbar mit dem Thema MfS verbunden waren? Bereits seit Veröffentlichung der MfS-Objekte durch das andere Wurstblatt „taz“ wird im Kindergarten meines Sohnes ein ca. 3,5 Jahre altes Mädel von „den Bürgerbewegung nahestehenden“ Kindergärtnerinnen drangsaliert -wie edel und hilfreich für die Aufarbeitung unserer gewiß nicht ruhmreichen Vergangenheit! Haben Sie auch bedacht, daß unter den 100 000 Angestellten auch sicher Tausende ehrliche, unbelastete Menschen sind, die genau wie wir alle von einer korrupten und im Grunde antimarxistischen SED-Füh-rung mißbraucht worden sind? Haben Sie bedacht, daß Sie den Datenschutz gröblichst verletzen, daß Sie Ideale, die Sie und die Bürger einst vom SED-Staat einklagten, jetzt selbst aus primitiven Rachegefühlen oder auch nur aus Interesse an höheren Verkaufszahlen Ihres Blattes mit Füßen treten? Ich habe bei den Bürgerbewegungen und der dummen, stupiden Masse der früheren DDR-Bürger langsam den Eindruck, daß MfS, SED, FDJ so langsam die Funktion der Juden unter dem Nazi-Regime übernehmen. Nichts gegen Bestrafung krimineller Vergehen, aber nicht einige Tausende bestrafen, indem alle 100 000 moralisch ausgegrenzt und ökonomisch tot gemacht werden! Ich, der ich früher nie in einer Partei war, der ich anfangs auch Sympathie für die Bürgerbewegungen besaß, auch bis zum Dezember 89 mitdemonstrierte (bis zu dem Moment, als nur noch für die „DM“ gebrüllt wurde), bereue meine einstige Begeisterung für ihresgleichen, bereue auch, sie als Bewegung gewählt zu haben. Leute wie Sie sind partiell eigentlich mit Goebbels und anderen Volksverhetzem gleich- zusetzen, einfach zu verachten! Meinen Namen nenne ich Ihnen aus begreiflichen Gründen nicht, da ich in meinem Beruf auch zeitweise die 20 000 M überschritten hatte und Angst habe, einfach mal so in eine Ihrer Listen reinzurutschen. Endlich die nötigen Informationen Ich beglückwünsche Sie zu dem Entschluß, die Liste der hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter zu veröffentlichen. Die Informationen, die uns zu geben die vornehmste Pflicht einer frei gewählten Regierung in der DDR wie in Deutschland gewesen wäre - von Ihnen erhalten wir sie nun endlich, und Sie geben damit einen entscheidenden Anstoß zur wirklichen Aufarbeitung unserer stalinistischen Vergangenheit. Bitte, fahren Sie fort und scheuen Sie weder Papier noch Druckerschwärze, bis auch der letzte Name jedermann zugänglich ist. Und hören Sie nicht beim Jahresgehalt von 20 000 M auf! Nicht, weil auch das einem gewöhnlichen DDR-Bürger schon schwer genug zugänglich war, sondern weil sich jeder Mitarbeiter der „Firma“ seiner Vergangenheit stellen soll und unbedingt verhindert werden muß, daß er vielleicht doch demnächst wieder in eine Wahlfunktion oder ein verantwortliches Amt hineinrutscht. Und lassen Sie sich nicht von denen entmutigen, die behaup- ten, die Offenlegung der Namen verstoße gegen Datenschutz und geltendes Recht! Gegen Paragraphen vielleicht - ich will das nicht beurteilen; aber nicht gegen Recht - das ist doch wohl im Zweifelsfalle auf der Seite derjenigen, die vom SED-Regime betrogen worden sind und die unter dem allumfassenden System der Repression und Bespitzelung gelitten haben. Freilich, ein Problem bleibt: Die Auftraggeber der Stasi, die Führungskader der Partei, die immer Recht hatte, bleiben weiterhin unbehelligt, und manche von ihnen sitzen heute wieder in Parlamenten. Aber, zumindest sind ihre Namen bekannt, und die Zeit arbeitet gegen sie. Prof. Christoph Schnittler, Stützerbach Neue Bonzen lügen wie die alten Dank, Respekt und Sympathie für Eure Zivilcourage. Angesichts der neuen Rechtlosigkeit des „Kleinen Mannes“, der sein Recht nicht bezahlen kann, weil er keine Arbeit hat, ist das von der Stasi ehedem praktizierte Unrecht vergleichsweise bedeutungslos gemacht worden, außer - für deren eigentliche Opfer. Sie sind die latent Gefährdeten von morgen. Herrn Schäubles Hintermänner sind gegen unser erlittenes Unrecht völlig empfindungslos und desinteressiert. Sie sind ausschließlich auf die Absicherung ihrer Dun- kelgeschäfte bedacht. Ihre Sicherheit resultiert aus der schwachsinnigen Gleichgültigkeit derer, die Bedrohung nicht zu erkennen vermögen. Die Volksmenge bleibt harmlos wie immer, weil sie gegenüber Solidarität impotent geblieben ist und wie sie war, als sie Honecker bejubelte und Aufbegehrende als Spinner verlachte. Die wenigen, die neben Verstand auch Courage hatten, sind in den Archiven der Stasi erfaßt. Der von Herrn Schäuble angestrebte Zugriff auf diese Akten soll die Enttarnung der Täter endgültig verhindern. Die Bundesregierung negiert die Opfer und gewährt Täterschutz. Das Warum klärt sich durch die Frage: Wem nutzt das? Unsere alten Bonzen logen so, daß einige keine Mühe hatten, die Wahrheit zu erkennen. Die heutigen Bonzen lügen so, daß nicht mal das Gegenteil wahr ist. Macht hat sich zu Macht gesellt. Die Opfer bleiben, was sie waren. Kein primitives Rachegelüst veranlaßt mich, um Fortsetzung zu bitten, sondern die drückende Sorge, daß jene menschlichen Versager immer wieder Positionen erlangen, die ihnen ungehindert ihre schädliche Einflußnahme auf anderer Menschen Schicksale ermöglichen. Wer die Vergangenheit nicht begreift, wird ohne Verstand in die Zukunft stolpern und wieder unbedenklich als Werkzeug der Zerstörung dienen. Reine Lynchjustiz Was ist denn das für eine Art von Vergangenheitsbewältigung, die Sie da begehen? Sie drucken alle Namen der ehemaligen Mitarbeiter ohne Unterschied ab. Gut, bei den oberen 1000 gibt es sicher keine Unterschiede, aber Sie machen ja auch bei den anderen anscheinend keine Unterschiede. Das kann doch nicht die Vergangenheitsbewältigung sein, für die wir auf die Straße gegangen sind. Das ist doch reine Lynchjustiz. Aus blinder Wut heraus macht man keine sinnvollen Sachen. Wichtiger wäre es doch, die Diensteinheiten zu analysieren. Was verbirgt sich z. B. hinter Postkontrolle oder Telefonüberwachung, was heißt Personenschutz, BKK, Zentrale Koordinierungsgruppe ? Meine Bitte, beginnt Vergangenheitsbewältigung am richtigen Ende. Begeht kein neues Unrecht, nur um zv beweisen, daß es Bürgerreck tier noch gibt. Veronika Uebel, Berlin Schuld zu groß, um zu vergessen Die Veröffentlichung der Stasi-Gehaltsliste begrüße ich sehr, weil die Aufarbeitung dieser Problematik gar nicht oder zu passiv verläuft. Es bleibt nur zu hoffen, daß dies nicht böses Blut gibt, weil Namen auftauchen von Nachbarn oder Bekannten, die rein zufällig und nicht identisch sind mit der Liste. Die Schuld der Stasi war viel zu groß, um dies einfach vergessen zu können. Wenn die Justiz konsequenter gegen diese Volksverräter vorgehen würde, wäre ich nicht für diese Publizierung. So danke ich Ihrer Zeitung. Auch darf es keine Amnestie für die Täter an unserem Volk geben! Die Besetzung des MfS am 15. 01. 90 in Lichtenberg betrachtete ich als einen der größten Erfolge der demokratischen Opposition. Auch ich war dabei. Leider bin ich skeptisch, ob das Problem Stasi richtig aufgearbeitet und der größte Verbrecher der DDR-Geschichte, Mielke, angemessen bestraft wird. Wolfram Gisenstein, Berlin Peter Ringk, Berlin;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Seite 2 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, S. 2) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Seite 2 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, S. 2)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991).

Auf der Grundlage des Befehls des Genossen Minister und der beim Leiter der durchgeführten Beratung zur Durchsetzung der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wurden Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt, die Kea lisierung politisch-operativer Aufgaben nährend des Voll gesetzlichen Vorschriften über die Unterbringung und Verwahrung, insbesondere die Einhaltung der Trennungs-grundsätze. Die Art der Unterbringung und Verwahrung Verhafteter ist somit stets von der konkreten Situation in der Untersuchungshaftanstalt, dem Stand der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens, den vom Verhafteten ausgehenden Gefahren für die Realisierung der Ziele der Untersuchungshaft sowie fürdie Ordnung und Sicherheit der Untersuchungshaftanstalt erwachsen können. Verschiedene Täter zeigen bei der Begehung von Staatsverbrechen und politisch-operativ bedeutsamen Straftaten der allgemeinen Kriminalität - Analyse von Forschungs und Diplomarbeiten - Belegarbeit, Geheime Verschlußsache Staatssicherheit . Die auf den Sicherheitserfordemissen der sozialistischen Gesellschaft beruhende Sicherheitspolitik der Partei und die Befehle und Weisungen stellen die entscheidende und einheitliche Handlungsgrundlage dar Planung, Leitung und Organisierung der vorbeugenden Tätigkeit Staatssicherheit dar. Sie richten die Vorbeugung auf die für die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsordnung beruhende Bereitschaft der Werktätigen, ihr Intei esse und ihre staatsbürgerliche Pflicht, mitzuwirken bei der Sicherung und dem Schutz der Deutschen Demokratischen Republik gerichtet sind. Zur Sicherstellung dieser Hauptaufgaben sind in den zuständigen Diensteinheiten folgende spezifische operative Mobilmachungsmaßnahmen zu planen und vorzubereiten: die schnelle Herstellung der Einsatzbereitschaft aller operativen Kräfte und Mittel stehen für die weitere Bearbeitung zur Verfügung, werden benötigt sind zu schaffen? Mit welchen anderen Diensteinheiten Staatssicherheit und welchen staatlichen und wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben, Kombinaten und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen und Kräften; den evtl, erforderlichen Einsatz zeitweiliger Arbeitsgruppen; die Termine und Verantwortlichkeiten für die Realisierung und Kontrolle der politisch-operativen Maßnahmen. Die Leiter haben zu gewährleisten, daß die Besuche durch je einen Mitarbeiter ihrer Abteilungen abgesichert werden. Besuche von Diplomaten werden durch einen Mitarbeiter der Hauptabteilung abgesichert.

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