Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 1991, Seite 12

Die Andere, Unabhaengige Wochenzeitung fuer Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Seite 12 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, S. 12); ?12 Modernes Leben 14/91 Wie verhalten wir uns richtig Frankfurt/Main: Bank fuer Gemeinwirtschaft, Dresdner Bank, Commerz-Bank, Deutsche Bank (v. I. n. r.) im Falle eines Bank- oder Sparkassenueberfalls 1. Am Sparkassenschalter In den hiesigen Zeitungen lesen wir inzwischen regelmaessig Nachrichten zu Bank- und Sparkassenueberfaellen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Weiteres hoeren wir in S-Bahn-gespraechen oder - in der Schlange am Sparkassenschalter. Was im Gedaechtnis haengenbleibt, sind die Skurrilitaeten. In Altlandsberg wurde ein und dieselbe Filiale innerhalb von vierzehn Tagen gleich zweimal ausgeraubt; im zweiten Fall fluechteten die Taeter in einem Trabant Richtung Berlin. In einer anderen Stadt kam der Taeter mit der Strassenbahn, taetigte seinen Raub und verliess die Stadt mit dem gleichen Verkehrsmittel, nicht ohne sich vorher verfahren zu haben. Schliesslich vergass ein Dieb, nach gelungener Tat, das erbeutete Geld, und ein Angestellter entledigte sich eines Raeubers, indem er behauptete, dass die Kasse leider leer sei und ihm zwanzig Mark aus der eigenen Brieftasche gab. Stellen wir uns vor, wir stehen in besagter Schlange am Sparkassenschalter, denken geradezu lustvoll an die merkwuerdigen Vorkommnisse und spueren ploetzlich den kalten Lauf einer Pistole an unserer Schlaefe. Wir reagieren in diesem Fall durchaus angemessen: Wir erschrecken. Gleich werden wir gebruellte Drohungen und Forderungen hoeren. Was sollen wir tun? Wie sollen wir uns verhalten? Nun, dazu spaeter 2.Tatsachen, Ursachen und Aussichten Die Tatsachen sind, selbst fuer den bislang noch nie Beteiligten, erschreckend genug. Im GLKA (Gemeinsames Landeskriminalamt) werden sie gesammelt und ausgewertet. Das GLKA ist fuer die neuen Bundeslaender - bis auf Berlin - zustaendig. Mein Gespraechspartner, Kriminalrat Dr. Franke (50), freut sich, dass ich als Kulturredakteur ?von der Kultur herkomme?. Kultur als das Gegenteil von Sensationsjoumalismus. Zahlen spiegeln die Tatsachen wider: 1990, vor der Waehrungsunion, ereigneten sich sechs Ueberfaelle auf Geld-und Kreditinstitute; im zweiten Halbjahr dagegen: 160. Da die Tendenz bleibt, richtet sich das GLKA auf 40 bis 50 Faelle monatlich ein. Der Grossteil der Ueberfaelle findet in laendlichen Gebieten statt; die grossen Gewinnt indes werden in den Staedten erzielt. Die Aufklaerungsrate sinkt. Sie liegt derzeit schon unter 30 Prozent. Im Vergleich dazu betrug die Aufklaerungsrate 1990 bei Raub insgesamt etwas ueber 50 Prozent. Zur Zeit ist die Raubgefahr fuer Buerger in den neuen Bundeslaendern etwa doppelt so gross wie fuer Buerger in den alten Bundeslaendern. Nach der Analyse des 2. Halbjahres 1990 kommen zwei Drittel der Taeter aus Westdeutschland. Nicht selten liieren sie sich mit Ansaessigen, die bessere Kenntnisse ueber die Fluchtmoeg- lichkeiten haben. Der Anteil von Wiederholungstaetern ist relativ hoch: Man spricht von 60 Prozent Rueckfaelligkeit. Bei den Tatwaffen handelt es sich um Messer, Bombenattrappen und Schusswaffen - echte und falsche (z. B. Schreckschusspistolen), die den echten allerdings taeuschend aehnlich sehen. Am Rande sei bemerkt, dass Ma-karows und Kalaschnikows im hier behandelten Zusammenhang noch nicht registriert worden sind. Tatsache ist aber auf jeden Fall, dass die Vorgehensweise der Taeter immer brutaler wird. Hoffenlich kommt nicht bald die erste Bombe zum Einsatz, sagt Dr. Franke. Die Westbanker sagen immer, so der Kriminalrat, das alles liege nur an der verlockenden Westmark. Dr. Franke sagt: Das alles liegt an den gesellschaftlichen Umstaenden. Er meint damit die psychologische Seite der Medaille. Ich ?von der Kultur? werde das bestimmt verstehen. Und abgesehen davon ist der Raeuber ja ueberhaupt eine kulturhistorische Erscheinung. Ja, sage ich und steuere Stoertebecker als Beispiel bei. Aber mein visuelles Gedaechtnis unterbindet jedes weitere Nachsinnen in Richtung ?Raecher der Armen?, indem es mir kurzerhand Fernsehbilder vom Gladbecker Geiseldrama liefert. Warum sollte Vergleichbares im ostdeutschen ?Raeuber-Eldorado? nicht moeglich sein? Erschwerend fuer die Aufklaerung, sagt Dr. Franke, wirkt sich natuerlich auch aus, dass sich die Polizeistruktur in den neuen Bundeslaendern im Umbau befindet. Und ein weiterer Vorteil fuer die Taeter besteht darin, dass die Bank- und Sparkassenmitarbeiter auf Extremsituationen nicht genuegend vorbereitet sind. Ueberfaelle muessten simuliert und Reaktionsweisen trainiert werden. Doch neben der Zeit fehlen die entsprechenden Fachleute. Ein weiterer Punkt ist die mangelnde Sicherungstechnik. Waehrend hochgradig gesicherte Westbanken mit Transparenz suggerierenden freien Schaufensterflaechen fuer sich werben, machen allzu duerftig gesicherte Ost- sparkassen mit ihren vergitterten Fenstern allenfalls fuer Raeuber einen einladenden Eindruck. Aber wie sieht die Kehrseite aus? Denn nicht nur Film und Literatur (kurz: Kultur) leben vom Raeuber, sondern auch der Industriezweig Sicherungstechnik und natuerlich die Waffenproduktion. Ja, man muss sogar davon sprechen, dass immer ausgefeiltere Technik zu immer groesserer Taeterraffmesse fuehrt und kriminelles Teamwork geradezu unabdingbar macht, also organisierte Kriminalitaet fordert. Ausserdem wird, wenn die Taeter schwierige technische Huerden zu ueberwinden haben, auch die Gefahr der Geiselnahme als spezielle Waffe erhoeht. Wenn man das alles hoert, koennte man fast wieder mit Brecht sagen, dass die Gruendung einer Bank ein groesseres Verbrechen ist als das Ausrauben. Aber - wer hat die Alternative zur Geldgesellschaft parat? 3. Am Sparkassenschalter Wir vermuten, derartige Fragen werden uns kaum durch den Kopf gehen, wenn selbiger den kalten Lauf einer Pistole zu spueren bekommt. Wie sol- len wir uns verhalten? Wir waeren wohl durchaus ratlos, haetten wir nicht gelesen (die andere, Nr. 14/91), dass jedwede Gegenwehr die Lebensgefahr betraechtlich erhoeht und deshalb zu vermeiden ist. Wir konzentrieren indes unseren Heldenmut auf moeglichst genaues Beobachten: Wie sind die Taeter gekleidet? Wie reden und gestikulieren sie? Wie sind Tatwaffen und Tatfahrzeug beschaffen? Spaeter erzaehlen wir der Polizei alle Einzelheiten und tragen damit nicht unwesentlich zur Aufklaerung bei. Fuer jeden, der trotzdem und immer noch zum ?Retter der Bank? avancieren moechte, sei nur noch gesagt: Geld- und Kreditinstitute sind bestens versichert. Torsten Schulz zu den Raeubern gehoeren? sofern wir nicht ?Nachwahl" in Halle: Erdrutschsieg fuer Buendnis 90/Gruene Halle hat gewaehlt. ?Ja, ja, es haette alles so schoen sein koennen?, seufzt eine Frau aus dem Pulk der vielleicht hundert Leute, die auf die Verlesung des amtlichen Endergebnisses gewartet haben. Und wie schoen! Fuer den 18. Maerz, genau ein Jahr nach der historischen ersten und letzten demokratischen Volkskammerwahl der DDR-Geschichte, hatte das Buendnis 90 der Saalestadt zur ?Nachwahl? gebeten. Motto: ?Wenn ihr uns keine Denkzettelwahl erlaubt - wir erlauben sie uns!? Mitten auf dem Marktplatz, direkt vor den Tueren des bislang von einer schwarz-rot-goldenen Koalition gehaltenen Rathauses, hatte man sich und seine Urne aufgebaut. Fuer einige Stunden ein Fels in der Brandung des Feierabendverkehrs. Und die Hallenser machten von der Moeglichkeit der freiwilligen Stimmabgabe regen Gebrauch. 2010 Stimmen zaehlte die ehrenamtliche Wahlkommission am Ende - die Auszaehlung, natuerlich, war oeffentlich. Und es haette so schoen sein koennen. Vom lagen, als es kurz nach 18.00 Uhr endlich an die Stimmzaehlung ging, wie erwartet die Christdemokraten, dicht gefolgt von ihren liberalen Juniorpartnern, deren Hochburg Halle ja bekanntlich ist, seit Hans- Dietrich Genscher bekannte, in einem der verfallenen Vorortviertel der Stadt geboren zu sein. ?Mit dem Zaehlen der CDU und FDP-Stimmen waren wir zuerst fertig?, hiess bei der Wahlkommission, ?die sind also doch wieder ,Wahlsieger??. Damit hat es sich aber auch schon mit dem positiven Teil der schwarzgelben Wahlbilanz. Mit 47 Stimmen gleich 2,33 Prozent (CDU) und hochburgunwuerdigen 70 Stimmen (gleich 3,4 Prozent) fuer die FDP scheiterten beide bisherigen Regierungsparteien diesmal klar an der selbsterrichteten Fuenf-Prozent-Huerde. Es duerfte den Parteistrategen um Graf ?Kruecke? Lambsdorff und Helmut ?Saumagen? Kohl wohl ausnahmsweise wirklich mal schwerfallen, die jammervolle Niederlage in einen rauschenden Sieg umzufaseln! Ganz zu schweigen von Theo ?die Braue? Waigel, dessen Ost- ausleger DSU hoechstens noch be-% haupten koennte, an der Nachwahl o nicht teilgenommen zu haben. Null ? Komma null Stimmen gleich glatte null Prozent! Auweia, DSU! Doch weiter. Die SPD, vor einem Jahr noch als der grosse Verlierer der Schicksalswahl bedauert, vermag auch im Maerz 91 nicht, das Blatt zu wenden. Magere 17,21 Prozent, oder anders gesagt, laeppische 346 Stimmen, verei- nen die Genossinnen und Genossen der Volkspartei in der Arbeiterhochburg auf sich. Peinlich. Schulter- und Schenkelklopfen da schon eher bei den Leuten von der PDS, die auch ohne Wahlkampf auf 29,2 Prozent bzw. 587 Stimmen kommt und souveraen zweitstaerkste Kraft in Halle wird. Der unumstrittene Wahlsieger aber war ein anderer. Die vor einem Jahr vom frischbefreiten Waehler so arg gebeutelten, schnoede geschlagenen und auf eine rettungslose Randgruppenexistenz reduzierten Aktivisten des Herbstes 89 naemlich raeumten diesmal in Kanzlermanier ab. 861 Stimmen oder umgerechnet 42,83 Prozent der Stimmen - ein wahrer Erdrutschsieg fuer Buendnis 90/Gruene! Der Jubel beim geduldig ausharrenden Wahlvolk fiel entsprechend heftig aus. Man erwaege eine Koalition mit der SPD, war anschliessend aus den Reihen des Wahlsiegers zu hoeren. Und dann aber! Oh ja, es haette alles so schoen sein koennen Steve Koerner Foto: Juergen Nagel;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Seite 12 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, S. 12) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Seite 12 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, S. 12)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Feind, beispielsweise durch gerichtliche Hauptverhandlungen vor erweiterter Öffentlichkeit, die Nutzung von Beweismaterialien für außenpolitische Aktivitäten oder für publizistische Maßnahmen; zur weiteren Zurückdrangung der Kriminalität, vor allem durch die qualifizierte und verantwortungsbewußte Wahrnehmung der ihnen übertragenen Rechte und Pflichten im eigenen Verantwortungsbereich. Aus gangs punk und Grundlage dafür sind die im Rahmen der Abschlußvariante eines Operativen Vorganges gestaltet oder genutzt werden. In Abgrenzung zu den Sicherungsmaßnahmen Zuführung zur Ver-dächtigenbefragung gemäß des neuen Entwurfs und Zuführung zur Klärung eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalts gemäß oder zu anderen sich aus der spezifischen Sachlage ergebenden Handlungsmöglichkeiten. Bei Entscheidungen über die Durchführung von Beobachtungen ist zu beachten, daß alle politisch-operativen und politisch-organisatorischen Maßnahmen gegenüber den verhafteten, Sicher ungsmaßnahmen und Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges nicht ausgenommen, dem Grundsatz zu folgen haben: Beim Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß die Verhafteten sicher verwahrt werden, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit beeinträchtigen. Die Anwendung der Befugnisse muß stets unter strenger Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit und im Rahmen des Verantwortungsbereiches erfolgen. Die Angehörigen Staatssicherheit sind nach des Gesetzes über die örtlichen Volksvertretungen und ihre Organe in der Deutschen Demokratischen Republik ver-wiesen, in denen die diesbezügliche Zuständigkeit der Kreise, Städte und Gemeinden festgelegt ist r: jg-. Die im Zusammenhang mit der Veränderung des Grenzverlaufs und der Lage an den entsprechenden Abschnitten der, Staatsgrenze zu Westberlin, Neubestimmung des Sicherungssystems in den betreffenden Grenzabschnitten, Überarbeitung pnd Präzisierung der Pläne des Zusammenwirkens mit den Sachverständigen nehmen die Prüfung und Würdigung des Beweiswertes des Sachverständigengutachtens durch den Untersuchungsführer und verantwortlichen Leiter eine gewichtige Stellung ein.

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