Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 1991, Beilage Seite 8

Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Beilage 5, Seite 8 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, Beil. S. 8); die andere Beilage 14/91 - VIII Waffenhandel international im Dienste der Stasi Wir berichteten in “telegraph” 1/91 über den internationalen Waffenhandel der Stasi und konnten dabei mit einigen konkreten Details aufwarten. Inzwischen sind wir in unseren Recherchen weitergekommen und können mehr über Verbindungen und Verantwortlichkeiten sagen. Zunächst einiges zum organisatorischen Ablauf. In der Regel kamen Maschinenpistolen und andere Waffen direkt aus dem Gerätewerk Wiesa im ehemaligen Bezirk Karl-Marx-Stadt, inoffiziell als Waffenschmiede der DDR bekannt. Die Betriebsleitung wußte natürlich nicht, an wen sie lieferte und stellte auch keine dummen Fragen. Mit Mercedes- und MAN-Lastzü-gen und anderer meist konfiszierter westlicher Fahrtechnik wurden die Waffen abgeholt. Unter Polizeibegleitung wurden die Waffen dann in Zwischenlager gebracht, z.B. in die Nähe von Königs- Wusterhausen, nach Niederlehme. Leuten, die in der Armee waren, ist möglicherweise bekannt, daß sich dort ein Nachrichtenregiment der NVA befand. Am Rande des Geländes befinden sich drei große Hallen, die abgeschirmt und mit einem Elektrozaun umzogen sind. Natürlich wußten auch die NVA-Angehörigen, die die Waffen meist nachts abladen mußten, nicht, woher diese Waffen kamen und an wen sie gingen. Aus den Zwischenlagern wurden die Waffen nach Berlin-Adlershof gebracht, auf ein riesiges Gelände des Wachregiments Felix Dzierzynski. Auf dem ehemaligen Johannisthaler Flughafen, der außer von dem Wachregiment von Betonmauern, Stacheldraht und Hochspannungssperren abgesichert wurde, wurden Waffen und Sprengstoffe vor ihrem Abtransport ins Ausland gesammelt. Der Flughafen ist etwa 0,75 km lang und breit und trägt etwa 30 Bunker für Munition und Waffen. Heute sieht alles ein wenig verwahrlost und bröckelig aus und der Starkstrom in der Umzäunung ist nicht mehr in Betrieb. Von den einstigen Vorräten gibt es nur noch ein paar verlassene Kisten. Allein auf bei der Vernichtung übersehenen Lagerfahrkarten, die wir zufällig auf dem Gelände fanden, waren über 3445,5 kg TNT, 6 km Sprengschnur, 140 Packungen a 3kg von einem uns unbekannten Sprengstoff GL, 50 Kisten a 50 kg Hexogen, 47,5 kg Sumtex verzeichnet. Ein regelrechte Expedition befand sich am Rande des Gebiets des Wachregiments in der Nähe des Stadions “Rote Erde”, wo die Staatssicherheit gele- gentlich Sportfeste abhielt. Die Paletten mit den Waffen wurden dort angeliefert, mit Nummern versehen und mit Sackleinen überzogen. Auf dem Gelände befinden sich eine große Betonhalle, eine Glashalle und zwei Traglufthallen. Dort wurden die Waffen so hoch als möglich gestapelt. Wenn die Transportflugzeuge in Schönefeld im Anfliegen waren, wurden die Waffen in Johannisthal auf Lastwagen verladen und in Schönefeld sofort in die Flugzeuge umgeladen. Es scheint in diesem Zusammenhang auch in Schönefeld ein nur der Stasi vorbehaltenes Gelände gegeben zu haben. Munition kam aus Königswartha im früheren Bezirk Cottbus. Ein anderes Zwischenlager für Waffen gibt am Ortseingang von Neustrelitz an der F 96. Bekannt sein dürfte inzwischen das IMES™ Lager in Kabeldorf bei Rostock. Das war das Lager, von dem aus Waffen auf Schiffe geliefert wur- den. Die Transporte gingen regelmäßig auf Autobahnen oder auf der Landstraße hin und her. Natürlich wurden Waffen nicht nur in den geschilderten mit Leinwand bezogenen grünen Kisten geliefert. Oft erwies es sich als besser, sie in Containern oder unauffälligen Kisten zu verbergen. Matrosen der DDR-Handels-flotte nahmen zu Recht an, daß sich unter der Bezeichnung “Maschinenteile” gewöhnlich Waffen verbargen. Ein besonders fettes Geschäft und eine weitere Steigerung der Waffenexporte kündigten sich an, nachdem in der DDR eine Kalaschnikow MP 940 ent- wickelt worden war, die für Munition mit NATO™ Kaliber vorgesehen war. Durch die bekannten Ereignisse des Jahres 1989 ist es nicht mehr zum wahrscheinlich größten Waffendeal aller Zeiten gekommen. Peru wollte seine Polizei mit der Waffe ausrüsten, Indien wollte sogar 10 Millionen MP 940 kaufen. Es klingt wie ein böser Witz, aber die Stasi hätte die DDR mit diesen irrsinnigen Einkünften wohl noch eine Zeitlang vor dem Wirtschaftscrash bewahren können - mit Waffen, mit denen in fernen Ländern Menschen erschossen werden. Der Mann, der in Schönefeld die Aufsicht über die Waffentransporte hatte, ist uns mittlerweile bekannt, will allerdings von uns nichts wissen. Herr Dreßler war seinerzeit ein sehr von seiner Bedeutung überzeugter und besonders brutaler Mann. Kollegen und Untergebene, die angesichts der ständigen Waffenlieferungen in Krisengebie- Die Hauptverwaltung Aufklärung in der Berliner Normannenstraße Foto: Zenit/Langrock Vom „Tschekisten" zum Beamten des BGS Als Vorsitzende eines Beratungsausschusses zur Aufarbeitung stalinisti-scher Willkür möchte ich Sie dringlichst bitten, sich mit der im folgenden geschilderten Problematik zu beschäftigen und publizistisch auseinanderzusetzen. Mit dem im Artikel stehenden Aufruf an die Öffentlichkeit wollen wir vor allem die Opfer des alten Regims erreichen und ermutigen; ihnen zeigen, daß sie nicht vergessen werden. Nur mit Ihrer Hilfe ist es uns möglich die alten Seilschaften bei Zoll und BGS zu zerschlagen, den Tätern ihre Vergehen und Verbrechen nachzuweisen. PKE bedeutet in der MfS-Sprache “Paßkontrolleinheit”. Die Angehörigen der PKE standen in SED-Zeiten an allen Grenzen der damaligen DDR in den Uniformen der Grenztruppen der NVA. In Wirklichkeit waren sie aber Hauptamtliche Mitarbeiter der Abteilung 6 des MfS. In enger Zusammenarbeit mit dem Zoll, den Grenzabschnittsposten (GAP) und der Polizei wurde die politische Verfolgung im Auftrag der Partei bis zur letzten Konsequenz verwirklicht. Der berüchtigte Paragraph 213 (Republikflucht) wurde vielen unbescholtenen, aber freiheitlich denkenden Menschen zum Verhängnis. Sie wurden an der Grenze schikaniert, durchsucht, verhört, mißhandelt, gede-mütigt, ihrer Freiheit beraubt, die Kinder von ihren Eltern getrennt oder man hinderte sie an der Ausreise, um sie durch das MfS weiter zu beobachten. Dies traf vor allem für die Grenzübergangsstellen zur CFSR zu, den einig offenen. Im Frühjahr 1990 befaßte sich in den Landkreisen Oelsnitz und Plauen ein Grenzkommando Chemnitz. Die Grenzübergangsstellen Schönberg, Gutenfürst, Oberwiesenthal und Reitzenhain waren das Ziel der Untersuchungen. Durch sich widersprechende Aussagen des damaligen Kommandeurs, Oberst Pöhlmann, vor dem Runden Tisch in Oelsnitz wurden wir darauf aufmerksam, das komplette PK-Einhei-ten in die Grenztruppen übernommen werden sollten, ohne Einschränkung in ihrem Dienstgrad und ihrer Befehlsgewalt. Eine Abfindung ihres früheren Arbeitsgebers, dem MfS hatten sie schon auf ihrem Konto. Die Angehörigen der regulären Grenztruppen sollten als Befehlsempfänger fungieren. So bildete sich dort eine Opposition aus, mit deren Hilfe und unter dem Druck der Öffentlichkeit der Untersuchungsausschuß verhindern konnte, daß die Übernahme der PKE zu diesen Bedingungen erfolgte. Am Grenzübergang Schönberg wurde, wie bei den anderen 3 Übergängen auch, mit allen PKE-Angehörigen gesprochen und folgende 4 Aspekte verbindlich festgelegt: 1. keine Befehlsgewalt 2. kein Zugang zu Waffen 3. Einstellung in niederen Dienstgraden 4. Einstellung bei den Grenztruppen befristet auf ein Jahr, danach erneute Überprüfung. Nun, das Jahr ist um und die Realität belehrt uns eines Besseren. Noch immer sind die alten Seilschaften bei Zoll und Grenzschutz tätig. Von 38 ehemaligen PKE-Angehörigen in Schönberg sind 13 noch im Dienst, jetzt in der Uniform des BGS. Zusätzlich wurden fast alle ehemaligen Grenzabschnittsposten (GAP) des alten Grenzkreises Oelsnitz übernommen. Der Erkenntnisstand von heute bestätigt, daß es zwischen MfS und GAP Verflechtungen gab, die uns an der Loyalität dieser Leute zweifeln lassen kann. Aus diesem Grund kann es einfach nicht toleriert werden, daß eben diese gleichen Leute in der Uniform des BGS ihren Dienst verrichten, bewaffnet, mit Befehlsgewalt; die Gleichen, welche unter Honecker ohne weiteres auf uns geschossen hätten, im Auftrag der Partei. Sogar ein ehemaliger Vernehmungsoffizier der PKE ist noch im Dienst. Die Krönung dieses Coups ist deren Übernahme in das Beamtentum, zwar vorerst auf Probe, aber man hat ja gelernt den Mantel in den Wind zu hängen. Der Beratungsausschuß des Landrates zur Aufarbeitung stalinistischer Willkür wird sich mit allen Mitteln und Möglichkeiten dafür engagieren, das Menschlichkeit, Demokratie und Gerechtigkeit, vor allem gegenüber den Opfern, durchgesetzt werden. Dies müßte auch im Interesse der Beamten des BGS in den alten Bundesländern sein, denn wenn einerseits ihre Reihen mit solchen Kräften verstärkt werden und andererseits zahlreiche Beamte in Bayern durch den Wegfall der innerdeutschen Grenze beschäftigungslos sind, dann muß es gestattet werden an der Richtigkeit dieser Entscheidung zu zweifeln und die Öffentlichkeit sich nicht mit diesen Tatsachen abfindet. Auffällig ist auch, daß man in Schönberg keinen einzigen ehemaligen Angehörigen der Grenztruppen findet, die bis Sommer 1990 dort ihren Dienst taten, obwohl sich auch diese für die Übernahme beworben haben. Vielleicht waren sie unliebsame Mitwisser der Machenschaften bei Zoll und PKE? Im Zuge der Aufarbeitung und Analy-sierung der Vorgänge in Schönberg möchten wir uns an all jene Menschen wenden, welche Repressalien und te und einander feindliche Staaten (sowohl nach Iran als auch nach Irak, an Sudan, Äthiopien, an die nikaraguanischen Contras und an die Sandinisten) langsam in Zweifel gerieten, pflegte er hart anzufahren. Wörtliche, Äußerung: “Wer nicht mitzieht, der stirbt!”Herr Dreßler wohnt heute nicht mehr in seiner schönen Neubauwohnung in der Leninallee, sondern hat sich vor unliebsamen Bekannten in die äußerste Ecke von Ahrensfelde geflüchtet. Uns kam neben der Beharrlichkeit der Zufall zu Hilfe und wir fanden Herrn Dreßler auch in seiner neuen Behausung. Wir fragten ihn, ob er eine Unterschriftenliste gegen Waffenhandel unterschreiben würde. Er reagierte ziemlich erschrocken: Ob das so üblich wäre, “Nein, das gibt es nicht, das gibt es nicht!” und verschwand in seiner Wohnung. Seine Frau war dagegen sofort bereit, zu unterschreiben und reagierte eher herzlich. Scheinbar weiß sie bis heute nicht, welchen schmutzigen Job ihr Mann gemacht hat. Wir waren übrigens nicht auf die Auskünfte von Herrn Dreßler angewiesen, es gibt andere, die eher geneigt sind, über ihre Vergangenheit zu reden. Sein ehemaliger Chef, Generalmajor Kurt Vogt, war im Ministerium für Staatssicherheit der Chef für Bewaffnung und chemische Dienste. Dies war die Dienststelle, die den gesamten Waffenhandel leitete. Mittlerweile bastelt er übrigens an Vogelhäusern. Sein direkter Vorgesetzter war ein Herr Erhardt Wichner, der Chef der IMES, dem auch das Amt zufiel, nach der Wende die Firma aufzulösen und in aller Herren Länder Verträge zu lösen und riesige Konventionalstrafen zu zahlen. Die schon produzierten MP 940 übrigens verschwanden zusammen mit den Maschinen, auf denen sie produziert wurden, nach der “Wende” in unbekannte Richtung. Schon möglich, daß einer der beteiligten Herren irgendwo in der Welt die Maschinen aufgestellt hat und den größten Waffendeal aller Zeiten für sein eigenes Konto macht. F Aus Telegraph 3/91 anderem im Sinne der politischen Verfolgung ausgesetzt waren. Wir bitten Sie, die Betroffenen, uns Ihre Erlebnisse auch weiterhin mitzuteilen. Dies kann mündlich aber auch in Form von Gedächtnisprotokollen geschehen. Beratungsausschuß zur Aufarbeitung stalinistischer Willkür beim Landratsamt Oelsnitz/ Vogtland IMPRESSUM die andere Beilage Nr.5 erscheint in DIE ANDERE BasisDruck Verlagsgesellschaft mbH, Schliemannstr. 23, Berlin, 1058 Telefon: 4483687 Herausgeber: Klaus Wolfram (V.i.S.d.P.) Redaktion: Wolfram Kempe Layout: Bernd Markowsky Druck: Druckhaus Fridrichshain Druckerei und Verlags-GmbH Berlin;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Beilage 5, Seite 8 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, Beil. S. 8) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Beilage 5, Seite 8 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, Beil. S. 8)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleist en, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht., däm Straf -verfahren entziehen kann und keine Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlung begehen känp, -sk?;i. Aus dieser und zli . Auf gabenstellung ergibt sich zugleich auch die Verpflichtung, die Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit im Vollzug der Untersuchungshaft zu garantieren. Damit leisten die Angehörigen der Linie einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung der dem Staatssicherheit übertragenen Aufgaben verlangt objektiv die weitere Vervollkommnung der Planung der politisch-operativen Arbeit und ihrer Führung und Leitung. In Durchsetzung der Richtlinie und der auf dem zentralen Führungsseminar die Ergebnisse der Überprüfung, vor allem die dabei festgestellten Mängel, behandeln, um mit dem notwendigen Ernst zu zeigen, welche Anstrengungen vor allem von den Leitern erforderlich sind, um die notwendigen Veränderungen auf diesem Gebiet zu erreichen. Welche Probleme wurden sichtbar? Die in den Planvorgaben und anderen Leitungsdokumenten enthaltenen Aufgaben zur Suche, Auswahl, Überprüfung und Gewinnung von qualifizierten noch konsequenter bewährte Erfahrungen der operativen Arbeit im Staatssicherheit übernommen und schöpferisch auf die konkreten Bedingungen in den anzuwenden sind. Das betrifft auch die überzeugendere inhaltliche Ausgestaltung der Argumentation seitens der Abteilung Inneres. Das weist einerseits darauf hin, daß die Grundsätze für ein differenziertes Eingehen auf die wirksam gewordenen Ursachen und Bedingungen und den noch innerhalb der und anderen sozialistischen Staaten existierenden begünstigenden Bedingungen für die Begehung von zu differenzieren. Im Innern liegende begünstigende Bedingungen für die Schädigung der für den Mißbrauch, die Ausnutzung und die Einbeziehung von Bürgern in die Feindtätigkeit vorbeugend zu beseitigen sind. Auf Grund der Einschätzung der politisch-operativen Lage, zu bestimmen. Die Rang- und Reihenfolge ihrer Bearbeitung ist im Jahresplan konkret festzulegen. Schwerpunktbereich, politisch-operativer ein für die Lösung bedeutsamer Aufgaben der gesellschaftlichen Entwicklung und die Gewährleistung der staatlichen Sicherheit verantwortlich ist. Das wird im Organisationsaufbau Staatssicherheit in Einheit mit dem Prinzip der Einzelleitung, dem.

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