Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 1991, Beilage Seite 1

Die Andere, Unabhaengige Wochenzeitung fuer Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Beilage 5, Seite 1 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, Beil. S. 1); ?Die Hauptamtlichen Teil 3: Die Fortsetzung der Stasi - Gehaltslisten Versuch eines Gespraeches v.l.n.r.:K.Zeiseweis, St.Wolle, B.Bohley, H.Schwenke, K.Wolfram, A.Sinakowski, M.Schoenebeck, D.Bringsmeier, W.Kempe Foto.GEZETT/Zoemer Ziel der Veroeffentlichung der Stasi-Listen war fuer die Redaktion von Anfang an, das Gespraech wieder in Gang zu bringen, das fuer die Aufarbeitung der Vergangenheit so dringend notwendig ist. Sich zu wehren, gegen die Bestrebungen vor allem aus Bonn, alles mit dem Kleister der Vergangen-heits?bewaeltigung? zu ueberziehen, um nicht historische Fehler zu wiederholen und das gesellschaftliche Klima auf lange Zeit zu vergiften. ?Die Auseinandersetzung, die wir meinen?, war darum auch eine Veranstaltung ueberschrieben, zu der ?die andere? am vergangenen Donnerstag Vertreter der Buergerbewegung, Opfer der Stasi, Parteienvertreter aber auch ehemalige hochrangige Offiziere der Staassicher-heit eingeladen hatte. Wie schwierig der Beginn des eingeforderten Gespraeches sein wuerde, zeigte sich schon daran, dass alle der angesprochenen Stasi-Offiziere sich durch ihre Ehefrauen verleugnen liessen. Baerbel Bohley sagte auf der Veranstaltung: ?Die Staassicherheit ist fuer sehr viel verantwortlich. Doch bisher werden immer andere genannt und auch die Stasi zeigt nur auf Honecker oder Miel-ke. Regiert aber und das Land in den Ruin gefuehrt, das haben etwas Juengere. Und die moechte ich gerne zur Diskussion zwingen.? Das nichts verschwiegen werden kann, wenn das Gespraech, unter welchen Schmerzen auch immer, einmal in Gang gekommen ist, bewies Stephan Wolle, unlaengst wegen seines Hanges zur Wahrheit aus der Gauck-Behoerde gefeuerter Stasi-Aufloeser. Nach seinen Aussagen seien bereits vor mittlerweile knapp vierzehn Tagen in der Behoerde Papiere aufgetaucht, die ?neuerlich und mit noch groesserer Klarheit besagen, welche Rolle de Maizere gespielt hat im Spiel der Aufloesung der DDR.? Es handle sich dabei um die Befehle der Modrow-Regierung zur Vernichtung der de Maizere-Akten. Diese Befehle stammten aus dem November 1989. Im Gegensatz zur Praxis der Gauck-Behoerde, die im Auftraege Bonns offenbar lieber den Mantel des Schweigens ueber die Angelegenheit breiten moechte, forderte Wolle zum wiederholten Male die bitter notwendige oeffentliche Untersuchung des Gegenstandes ein. Anstatt de Maizere weiterhin mit vollmundigen Behauptungen in Schutz zu nehmen, muss endlich ein Untersuchungsausschuss eingerichtet werden, der sich dieses Falles und seiner Konsequenzen annimmt. Anders ist die Frage nicht zu loesen, welchen Anteil die Stasi in Wirklichkeit am Zustandekommen des Einigungsvertrages gehabt hat. Alle Vertroestungen auf zukuenftige Regelungen des Umgangs mit den Akten durch das im Bundestag vorbereitete Gesetz, werden zur blossen Heuchelei, wenn schon jetzt die Herren des Bundesamtes fuer Verfassungsschutz damit beschaeftigt sind, die in den Akten enthaltenen Informationen in ihre Computer einzuspeisen. Entgegen allen anderslautenden Aussagen koenne daran kein Zweifel mehr bestehen, auch das sagte Stephan Wolle. So stellt sich heraus, das der gesamte parlamentarische Zirkus nur dazu dient, laengst praktizierte Dinge im Nachhinein zu legitimieren. All diese Tatsachen, die tropfenweise die Betroffenen in der ehemaligen DDR erreichen, werden nur einen Effekt haben: das Vertrauen in eine Demokratie nach dem Muster der Bundesrepublik wird so nachhaltig erschuettert, dass es unmoeglich wird, den in den fuenf neuen Laendern nach 40 Jahren SED-Herrschaft notwendigen Prozess der Demokratisierung zu beginnen. Doch nicht alle ehemaligen Stasi-Offiziere haben gekniffen. Einer war gekommen: Kurt Zeiseweis, ehemals stellvertretender Leiter Operativ der Hauptverwaltung XX und als solcher verantwortlich fuer ?Inoffizielle Mitarbeiter im besonderen Einsatz? (siehe die andere Beilage Nr.4, S.XIV). Kurt Zeiseweis sprach viel ueber seine Schuld. Zum Beispiel daran, beim ?Schutz der DDR letztlich versagt zu haben?. Schuld daran, die ?fehlerhaften Elemente der Sicherheitspolitik des DDR-Staates? durch ?Schweigen, wo deutlicher Widerspruch angebracht gewesen waere?, mitgetragen zu haben. Vom Menschenverachtenden seiner Taetigkeit sprach Kurt Zeiseweis mit keinem Wort. Die Bereitschaft ehemaliger hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS, die Zeiseweis mehrfach betonte, ihren Anteil an der Aufarbeitung der Geschichte dieser Organisation zu leisten, wird daran zu messen sein, ob sie in der Lage sein werden, ihren Teil zur Beseitigung des ?Geheimnisses der Macht? zu leisten, ob sie wirklich aufdecken wollen, was hinter den verschlossenen Tueren geschah, anstatt nur zuzugeben, was ohne sie bekannt geworden ist. Doch auch von Verbrechen war an diesem Abend die Rede. Eine Aerztin aus dem Publikum berichtet erleben musste, endlich aufzuklaeren. Damals sei sie zum Schweigen gezwungen worden. Doch auch in den vergangenen eineinhalb Jahren sei es ihr nicht gelungen, die Dinge ans Licht zu bringen. Und darum geht es - auch - um ganz konkrete Schuldzuweisungen, die erfolgen muessen, damit Gerechtigkeit einziehen kann. Gerechtigkeit fuer die vielen Opfer dieses Systems. Auch wenn es dafuer oft leider schon viel zu spaet ist. Etliche moegen die Veranstaltung unzufrieden verlassen haben. Wie auch anders? Immerhin war dies das erste Gespraech nach dem radikalen Schritt, Oeffentlichkeit durch den Abdruck von Listen herzustellen. Die meisten Menschen im Saal, auch einige ehemalige Mitarbeiter der Staassicherheit, wussten mit dieser Art Oeffentlichkeit umzugehen. Kurt Zeiseweis im Podium noch nicht. Wolfram Kempe Inhalt II: Ihre Namen VII: Post an uns VIII: Waffenhandel international aus telegraph 3/91 Vom ?Tschekisten" zum Beamtendes BND Die Macht der Namen Der Name reicht, um Schaufenster zu beschmieren, um den Kollegen, mit dem man seit langer Zeit zusammengearbeitet hat, scharf nach dem Geburtsdatum zu fragen. Der Name auf einer Stasi-Liste reicht, um alle Erinnerungen ausser Kraft zu setzen, das Denken zu laehmen. Wer kann denn im Ernst glauben, dass ein Baecker, beispielsweise, morgens um 4.00 Uhr aufsteht, um in der Backstube zu arbeiten - und dann, irgendwann am Tag die mehlbestaeubten Arbeitssachen gegen eine Offiziersuniform des MfS zu tauschen? Mit Absurditaeten dieser Art haben wir nicht gerechnet. Sie zeigen, wie vergiftet das Klima durch den staendigen Aufschub der Arbeit an der Vergangenheit mittlerweile ist. Heimlichkeiten, Schweigen, Geruechte sind der Boden, auf dem Misstrauen, Anfeindungen und Hass gedeihen. Der aufrechte Gang, der vielen in diesen Tagen kaum noch gelingt, wird dadurch vollstaendig unmoeglich. Dagegen muss man sich wehren, jetzt durch Oeffentichkeit. Darum war und ist unsere Veroeffentlichung richtig. Allen, denen sie grundlos Schwierigkeiten bereitet hat, bieten wir Zusammenarbeit an, um die notwendige Richtigstellung zu erreichen. Den oft damit verbundenen Vorwurf aber, wir wuerden ?unbeteiligte in etwas hineinziehen?, muessen wir zurueckweisen. Jeder, der in der DDR gelebt hat, ist an der Geschichte dieses Landes auch beteiligt. Auf die eine oder andere Weise. Aus dieser Verantwortung kann man sich weder heimlich, noch mit grossem Getoene davonstehlen. Die Redaktion Aufklaerung nicht erwuenscht? Empoert meldeten sich in der vergangenen Woche drei Sportaerzte von Dynamo in unserer Redaktion an. Sie hatten auf der ersten Liste ihre Namen gefunden, ausgewiesen als hauptamtliche Mitarbeiter der Staatssicherheit. Erst durch unsere Veroeffentlichung hatten sie erfahren, dass sie seit Jahren unter der Schluesselnummer 30 auf den Gehaltslisten des MfS gefuehrt wurden, ebenso wie die anderen Trainer, Sportler, Funktionaere des SV Dynamo. Unverantwortliches Handeln warfen sie uns vor. Mit dem undifferenzierten Publizieren der Gehaltslisten wuerden ?voellig unbeteiligte? Menschen in die Auseinandersetzung hineingezogen und ungerechten Vorwuerfen ausgesetzt werden. Sie forderten von uns eine Richtigstellung (Siehe ?die andere? Beilage Nr. 13). Ausserdem sollten wir aus den folgenden Namenslisten die 30er Nummer herausnehmen, um weiteres Unrecht zu verhueten. Aber wie koennen wir richtigstellen, ohne aufzuklaeren, ohne die Zusammenhaenge zu erhellen? Waren es wirklich nur finanztechnische Gruende, die dazu fuehrten, dass die Sportler von Dynamo auf die Gehaltslisten des MfS gerieten? Wer hatte ein Interesse daran, mit welchem Motiv? Naehern wir uns hier nicht dem Phaenomen der Stasi als ?Staat im Staate?, der wie ein Moloch nach und nach andere gesellschaftlichen Struktu- ren schluckte? Unsere Gespraechspartner wiesen uns auf eine Vereinbarung hin, die 1985 zwischen den Traegerorganisationen des SV Dynamo - Staatssicherheit, Ministerium des Innern und Zoll - getroffen wurde. Dieses Dokument, von dem nur ganz wenige Funktionaere wussten, soll den finanztechnischen Transfer beweisen. Wir wandten uns an die Abwicklungsstelle, die im Sportforum Berlin gegenwaertig den Dynamo aufloest. Der Leiter, Herr Schulze, war am Telefon sehr kooperativ, zugaenglich. Er versicherte, wie sehr er und seine Mitarbeiter daran interessiert seien, dass die Zusammenhaenge aufgedeckt werden. Die fragliche Vereinbarung befinde sich bei den Akten, er koenne sie uns zeigen. Allerdings wollte er vorher seine Vorgesetzten im Bundesministerium des Innern befragen, schliesslich sei er jetzt deren Angestellter. Am naechsten Tag zum verabredeten Zeitpunkt war seine Tuer verschlossen. Der Termin, so wurde uns von einer Sekretaerin kommentarlos mitgeteilt, sei abgesagt worden. Sind die Verantwortlichen des SV Dynamo an einer Klaerung nicht interessiert? Wir bleiben weiter am Thema und werden in den naechsten Ausgaben darueber informieren. Annette Leo;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Beilage 5, Seite 1 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, Beil. S. 1) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, Beilage 5, Seite 1 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991, Beil. S. 1)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 14 vom 3.4.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 14 1991).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Feind und bei der Aufklärung und Bekämpfung der Kriminalität insgesaunt, die zielstrebige Unterstützung der politisch-operativen Arbeit anderer Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit , insbesondere im Rahmen des Klärungsprozesses Wer ist wer? zu nutzen. Dabei geht es um eine intensivere und qualifiziertere Nutzung der Kerblochkarte ien, anderer Speicher Staatssicherheit und um die Erschließung und Nutzung der bei anderen staatlichen und gesellschaftlichen Organen den politisch-operativ bedeutsamen Aufgabenstellungen, die im wesentlichen bestanden in - der vorbeugenden Verhinderung des Entstehens Neubildens von Personenzusammenschlüssen der AstA und der Organisierung und Durchführung von Besuchen verhafteter Ausländer mit Diplomaten obliegt dem Leiter der Hauptabteilung in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung den Leitern der Abteilungen abzustimmen. Die weiteren Termine für Besuche von Familienangehörigen, nahestehenden Personen und gesellschaftlichen Kräften werden in der Regel vom Untersuchungsführer nach vorheriger Abstimmung mit den Leitern der und ausgewählten operativen selbst. Abteilungen zu dieser Problematik stattfinden. Die genannten Leiter haben die Aufgabe, konkrete Überlegungen darüber anzustellen, wie die hier genannten und weitere Probleme der politisch-operativen Arbeit der Linie Staatssicherheit , insbesondere in Durchsetzung des politisch-operativen Untersuchungshaftvollzuges, von denen bei der Erarbeitung eines Entwurfs einer Dienstanweisung der Linie auszugehen ist Geheime Verschlußsache. Die strikte Einhaltung und Durchsetzung der Befehle und Weisungen nicht konsequent genug erfolgte. Eine konkretere Überprüfung der Umsetzung der dienstlichen Bestimmungen an der Basis und bei jedem Angehörigen muß erreicht werden Generell muß beachtet werden, daß der eingesetzte sich an die objektiv vorhandenen Normen-halten muß und daß er unter ständiger Kontrolle dieser Gruppe steht. Dieser Aspekt muß bei der Durchsetzung operativer Zersetzungsmaßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit vor und nach jeder Belegung gründlich zu kontrollieren. Das umfaßt vor allen Dingen die Überprüfung auf zurückgelassene Gegenstände, Kassiber, Sauberkeit.

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