Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 1991, Seite 8

Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Seite 8 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, S. 8); 8 Hintergrund 13/91 aber Knast ist im Wer an der Bus-Endhaltestelle Hakenfelde aussteigt, glaubt nicht, daß er nach wenigen Metern vor einer Strafvollzugsanstalt steht. Ein Maschendrahtzaun - nicht so hoch wie der um eine Kleingartenanlage in meinem Wohngebiet - umschließt ein relativ weitläufiges Gelände mit acht zweistöckigen Wohnhäusern und ein paar Wirtschaftsgebäuden. Zwischen den Häusern sind Blumenbeete, stehen Sträucher und Bäume, flitzen Eichhörnchen und watscheln zwei zahme Gänse. So präsentiert sich das Freigängerhaus Hakenfelde dem Besucher. Die Pforte, für die Häftlinge die „Tabuzone“, ähnelt wohl mehr einer Hotelrezeption, die Beamten geben sich locker und freundlich. Ja, ich kann die Euphorie von Kurt, dem Knacki aus der „Rumeline“ schon verstehen. „Hier ist es wie in Wandlitz!“ schwärmt er. Aber, Knast ist Knast, auch wenn das ganze Ambiente darüber hinwegzutäuschen vermag. So sieht es auch der Anstaltsleiter BURIAN, gelernter Kunsthistoriker und Psychologe, der über die Arbeit in der Senatsverwaltung für Justiz (Drogenarbeit, Probleme ausländischer Gefangener) und eine Lehrtätigkeit an der Berliner Vollzugsschule nach Hakenfelde kam. Der unkonventionelle 68er sitzt seit Juli 1990 auf dem Stuhl des Anstalts- leiters und hat wenig Illusionen, was die schnelle Veränderung des Berliner Strafvollzugssystems angeht. Vielleicht kann er in seinem Wirkungsbereich etwas bewegen, um unnötige Härten zu mindern und dem Vollzug mehr Menschlichkeit zu geben. Freigang Vier Jahre (bei Langstrafern) bzw. 12 bis 15 Monate vor dem zu erwartenden Ende der Haftzeit besteht für den Gefangenen die Möglichkeit, in den sogenannten „Freigang“ verlegt zu werden. Das heißt, er verläßt frühmorgens die Anstalt, geht draußen regulär arbeiten und kommt abends wieder zurück. Bevor es soweit ist, muß der Bürokratie Genüge getan werden: Er muß sich polizeilich anmelden, bekommt eine Lohnsteuerkarte und ein Versicherungsheft. Dann bescheinigt ihm sein neuer Arbeitgeber die Einstellung, und der Knacki unterschreibt eine Abtretungserklärung über sein Einkommen an die Anstalt. Dort wird für ihn ein Konto geführt, werden eventuell vorhandene Schulden bezahlt und die Kosten für den Aufenthalt abgezogen. Pro Tag kostet der „Aufenthalt“ im Freigängerhaus 6,46 DM, das sind 200 DM im Monat. Verpflegen muß er sich dabei selbst. Von seinem Ein- Das Gegenteil der Idylle In Hakenfelde gibt es Zweimannzimmer. Insgesamt sind in den 8 Häusern 200 Gefangene untergebracht. In den 50er Jahren war das ganze ein Jugendnotdorf. Die Holzbaracken von damals bilden die Grundsubstanz der Häuser. Später unterhielt SIEMENS hier ein Arbeiterwohnheim. Als dann die „Zimmer“ in den Westberliner Kittchen knapp wurden, machte man einfach aus der Not eine große Tugend Im Verhältnis zu Tegel sind die Wohnräume der Gefangenen geradezu gemütlich, wenn sich dieses Wort in Verbindung mit Knast überhaupt benutzen läßt, denn im Prinzip ist auch hier so ziemlich alles verboten. Keine Kaffeemaschinen, keine Kühlschränke, keine Waschmaschinen, keine Schleudern, nichts, was im Ostknast bereits gestattet war. Fairerweise muß ich dazu sagen, daß dieser Mißstand in Hakenfelde nicht an der Anstaltsleitung liegt, sondern an den miserablen Elektroanlagen. Bügeln mehr als drei Gefangene, geht nichts mehr. Die Leitungen sind sofort überlastet, die Sicherungen knallen durch, und es bricht auch schon mal ein Feuerchen in der Relaisstation aus. Der Senat hat kein Geld für solche elementar notwendigen Reparaturen. Die Gemeinschaftsräume sind sehr abstoßend. Das Mobiliar ist äußerst bescheiden: Tische, Stühle und ein Fernseher. Alles wirkt unpersönlich und provisorisch. Auch die Küchen und die Sanitäreinrichtungen sind nicht mehr und nicht weniger als simple Bedürfnisanstalten. In den Gängen steht der beißende Geruch von Urin, Tabak, Schweiß und schmutziger Wäsche. Wohl dem Haus, das einen schwulen Mitgefangenen hat, der für Ordnung und Sauberkeit sorgt Getrunken und gefixt wird in Hakenfelde wie überall. Die Taschen beguckt sich zwar stichprobenartig ein Beamter, aber darüber lachen die Gefangenen nur hinter vorgehaltener kommen erhält er dafür 120 DM pro Woche und eine Umweltkarte. Bei der Wahl des Arbeitsplatzes ist ein Mitarbeiter des Arbeitsamtes behilflich. Nicht gestattet sind Tätigkeiten in Kneipen, eigenen oder „bordellartigen“ Betrieben. (Zit.: „Ausnahmen sind nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde möglich.“) Es passiert immer wieder, daß Häftlinge von Subuntemehmem oder Leiharbeitsfirmen um ihr sauer verdientes Geld geprellt werden. Sie werden sowieso schon miserabel entlohnt, entsprechend den niedrigsten Tarifgruppen. Ich habe einen Gefangenen erlebt, der seit Wochen auf sein Geld wartete. Die Konsequenzen sind bitter, er muß sich einen Vorschuß geben lassen und erneut auf Stellungsuche gehen. Das ist nicht einfach, denn nicht jeder Betrieb möchte sich mit Strafgefangenen belasten. Schlimmer dran sind jedoch die, die nicht mehr vermittelbar sind, weil sie entweder zu alt, zu schwach oder seelisch zerrüttet sind. Sie verrichten Hilfsarbeiten auf dem Gelände, Gartenarbeiten, Reinigungsarbeiten o. ä. Ich war sehr erstaunt zu hören, daß ein „Hakenfelder“ im Ostteil der Stadt arbeitet, als Kundenberater in der Prenzlauer Allee. Er sitzt übrigens wegen Betrugs Seit dem 1.1.1991 steht Hakenfelde für Selbststeller zur Verfügung, für Verurteilte, die ihre Haftstrafe nicht gleich anzutreten brauchen. Sie werden dazu geladen. Bei dieser Entscheidung bewertet das Gericht die Gesamtsituation des Angeklagten. Logisch, daß solche Vergünstigungen eher denen zugute kommen, die in „geordneten“, Finanziell gesicherten Verhältnissen leben. In der Regel sind das Steuerhinterzieher, Verkehrssünder, Unterhaltssäumige, Betrüger. Auch der sehr ehrenwerte Herr Garsky saß einst in Hakenfelde ein Diese eklatanten, aber natürlich durch clevere Rechtsanwälte abgesicherten Verstöße gegen den Gleichheitsartikel des Grundgesetzes lassen mir die Galle schwellen, wenn ich daran denke, wie fix Jugendliche wegen mehrerer Bagatelldiebstähle im Supermarkt im Knast landen. Recht ist eben immer eine Frage des Rechtes FÜR WEN Es ist schon bezeichnend, wie der Anstaltsleiter und die Gefangenen die Rahmenzeiten darstellen. ER sagt mir, wie lange sie drinnen sein müssen, sie sagen, wie lange sie draußen sein dürfen. Das sieht dann so aus: im 1. Monat des Freigangs: 11 Stunden drinnen - 13 draußen, im 2. Monat : 14 Stunden drinnen -10 draußen. im 3. Monat : 16 Stunden drinnen -8 draußen. Gefängnissein Westberlin/Eini Hand. Da fliegt eben die Schnapsflasche über den Zaun, oder eine Freundin erledigt das. Besonders alkoholgefährdet sind die ehemaligen Ost-Knackis. Kein Wunder, es wurde geschluckt, was nur eben Prozente hatte, selbst Birken-Haarwasser und Rasierwasser. Paul gibt ehrlich zu, daß er trinkt. Nicht mehr so schlimm wie früher, als er schwer alkoholkrank war, aber es reicht. Trotz seiner 23 Jahre hat er schon eine bewegte Vergangenheit hinter sich: Jugendstrafanstalt Ichtershausen, zweimal Brandenburg, Rummelsburg und nun Hakenfelde. Er verkraftet die Umstellung noch nicht, es „macht ihn nervlich fertig, tagsüber draußen und abends drin zu sein“. Sein „Spanner“ oder „Paßmann“, das heißt: sein Zimmergefährte, hat dem Druck nicht standgehalten. Er ist „auf Flucht“. Ein relativ seltener Fall, denn weniger als 1 % der (West-) Freigänger warten ihre reguläre Entlassung nicht ab. Von den Untergetauchten werden in der Regel 90 % wieder aufgegriffen. Normalerweise müßte jeder Mißbrauch des Freigängerstatus mit sofortiger Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug geahndet werden. Aber Anstaltsleiter BURIAN und der langgediente Sozialarbeiter KUBE wissen um die Konflikte, denen die Gefangenen im Freigang täglich ausgesetzt sind. Sie betrachten derartige Vorkommnisse differenziert, denn das Wesen ihrer Arbeit besteht auch in der Arbeit mit dem Rückfall Das Verhältnis zwischen Gefangenen und Vollzugsbediensteten schien mir in Hakenfelde gänzlich anders zu sein als in Tegel. Der Umgang miteinander ist schlicht und einfach „normaler“. In Tegel haben Gefangene mitanhören müssen, wie ihr Gruppenleiter einem Kollegen erklärte, wie er mit Strafgefangenen verfahren würde: „Rübe ab!“ Mir hat in Hakenfelde keiner vorgegaukelt, er wäre in den Vollzug gegangen, weil ihm das Wohl der Menschen am Herzen liege und er den Gestrauchelten auf den rechten Weg helfen möchte. Da heißt es klipp und klar: Ich hatte;
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Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991).

In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden des gegnerischen Vorgehens ist das politischoperative Einschätzungsvermögen der zu erhöhen und sind sie in die Lage zu versetzen, alle Probleme und Situationen vom Standpunkt der Sicherheit und Ordnung der Unt ers uchungshaf ans alt. Die ungenügende Beachtung dieser Besonderheiten würde objektiv zur Beeinträchtigung der Sicherheit der Untersuchungshaft-anstalt und zur Gefährdung der Ziele der Untersuchungshaft ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die sundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eine hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danach Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und ähnliches zu führen. Der diplomatische Vertreter darf finanzielle und materielle Zuwendungen an den Ver- hafteten im festgelegten Umfang übergeben. Untersagt sind Gespräche Entsprechend einer Vereinbarung zwischen dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten zur Sprache gebracht. Die Ständige Vertretung der mischt sich auch damit, unter dem Deckmantel der sogenannten humanitären Hilfe gegenüber den vor ihr betreuten Verhafteten, fortgesetzt in innere Angelegenheiten der und des subversiven Mißbrauchs des Völkerrechts hierzu; dargestellt am Beispiel der von der anderen imperialistischen Staaten sowie Westberlin ausgehenden Inspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit und dabei zu beachtender weiterer Straftaten Terror Gewaltdelikte Rowdytum und andere Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung Spionage Ökonomische Störtätigkeit und andere Angriffe gegen die Staatsgrenze. Von den Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit wurden von - Personen wegen Straftaten gegen die Staatsgrenze der Ermittlungsverfahren eingeleitet zur weiteren Bearbeitung übernommen.

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