Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 1991, Seite 7

Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Seite 7 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, S. 7); 13/91 Politik 7 ■KHMIMi Nico - der Untote Auf der Suche nach Ceaucescus Grab Fast genau auf die Woche regierte er 22 Jahre. Als er am 9. Dezember 1967 als Staatsoberhaupt Rumäniens inthronisiert wurde, ahnte niemand, daß er in demselben Monat des Jahres 1989 unter den Kugeln seiner eigenen Armee schmählich und trotzig sein Leben aushauchte. Nicolae Ce-aucescu, geboren 1918, wurde am 25. Dezember 1989 in Tirgoviste zusammen mit seiner Frau Elena erschossen, die ihm treu unter den gleichen Kugeln in den Tod folgte. Ceaucescu war Tatare, sagt man in Rumänien. Aha, daher also die Despotie, die Tyrannei. Daher also das Gesetz der Steppe, das nur eins gelten läßt: Töte deine Feinde, Kahn, oder schmeichle ihnen. Daher also in einem modernen Europa ein Herrscher tamerlanscher Verschlagenheit. Ceaucescu, der letzte Steppenfürst. Nicolae, der Khan von Bukarest, stolzer Nachfolger von Attila und Timur dem Lahmen, den man in Europa auch Tamerlan nannte. Die rumänische Intelligenz war schon immer sehr präzise, wenn es darum ging, das auszumerzen, was nicht in das Bild eines Volkes lateinischer Sprache und Kultur paßte. Ceaucescus Augen und seine Jochbögen seien tatarischer Natur, daraus folgt, daß er nimmer Europäer sein kann. Despot, verfluchter. Nico, der rote Vampir, der Untote, der laut Fama sich das Blut chinesischer Knaben - sieh da, der Asiate kommt durch - injizieren ließ. Doch sein Schicksal hat ihn ereilt. Als ich vor drei Wochen in Bukarest einige Interviews führte, stieß ich immer wieder auf Gerüchte. Gerüchte, daß Ceaucescu nicht am Ort seines Todes begraben liegen soll. Vielmehr hier in Bukarest. Ich bohrte tiefer. Besuchte mehrere Bukarester Friedhöfe. Natürlich ohne Erfolg. Dann sagte mir ein Journalist, er hätte gehört, daß Ceaucescus Tochter täglich ein Fleckchen Erde im Westen Bukarests aufsuchen würde. In Ghencea. Dort gebe es einen Militärfriedhof, einen zivilen und - einen für Türken und Tataren. Ich nahm mir erneut ein Taxi und löcherte den Fahrer nach Ceaucescu. Und sieh da. Was man in den offiziellen Etagen, in informierten Kreisen und in der Nomenklatura nicht wußte oder nicht wissen wollte, war schon im Volke Mythos und Legende geworden. Zielstrebig steuerte er den Cimitrul Militär Ghencea an, links am Bulevard dul Ghencea gelegen, welcher eine Verlängerung der Calea 13 Septembrie darstellt. Hier liege er, meinte der Fahrer, unter einem Holzkreuz mit der Aufschrift „Coronel Pe-trescu“. Doch wir fanden nichts. Nachdem ich zwei Stunden mit den Drei Autominuten vom Präsidentenpalast entfernt das Grab des Diktators Friedhofswärtem, die in einer leergeräumten orthodoxen Kapelle wohnten, zusammengehockt und ihnen bei jedem Glas einen 100-Lei-Schein (Schwarzmarktwert: 80 Pfennige) über den Tisch geschoben hatte, zwinkerte mir einer der beiden, so ein Dicker mit Tschapka, zu und führte mich schwankend zu einem Fleckchen Erde, das ohne Schnee war. Meine Hartnäckigkeit wurde belohnt. Ich hatte also richtig getippt. Warum ich an das Reale meiner Entdeckung glaube: Der Friedhof war völlig eingeschneit und nur zwei Flek-ken frisch aufgeworfener grasfreier Femsehtip: Lateinamerika in NIII Sie haben beim Quälen von Menschen zugesehen, haben ihren Sachverstand aktiv den Folterern zur Verfügung gestellt und praktizieren heute als Kinderärzte oder in den Kasernen. Denn für die Verbrechen wurden die Herren in Weiß in ihren Heimatländern in den seltensten Fällen zur Verantwortung gezogen. Mit einem der düstersten Kapitel unaufgearbeiteter Geschichte beschäftigt sich die britische Reportage „Die Helfershelfer der Folterer“, die als Auftakt einer kleinen Reihe zu Lateinamerika am Don- nerstag zu vorgerückter Stunde in der Nordkette ausgestrahlt wird (23.35 Uhr). Für die BBC haben H.O. Nazareth und Philipp Weame die Militärärzte an ihren Wohnorten und Arbeitsplätzen aufgespürt: Entstanden ist dabei ein exzellent recherchierter Beitrag, der unspektakulär und bedrückend zugleich als exemplarischer Beitrag zum Thema ,Verdrängung4 gelten kann, weil sich die Autoren den Blick für die Opfer bewahrt haben. Fortgesetzt wird die kleine Reihe mit Detlef Gumms einducksvoller Bestandsaufnahme aus den Elendsquartieren von Recife („Brasilianische Protokolle“, am 30. März um 20.45 Uhr) und Gaston Ancelovicis diesjährigem, bemerkenswertem Berlinale-Beitrag „Chile in Transition“, der unter dem Titel „Chile -Rückkehr zur Demokratie“ ins Programm kommt (1. April, 18.45 Uhr). Zum Abschluß wird am Beispiel Perus ein Stück des barbarischen Alltags Lateinamerikas in „Verschleppt - gefoltert - ermordet“ reflektiert (am 2. April um 23.25 Uhr). Erde lagen nackt und braun. Es war weder ein Kreuz zu sehen noch ein anderes Mal, das auf eine offizielle Grabstätte hinweisen könnte. Es lagen frische Blumen darauf - was das Gerücht mit der Tochter bestätigt. Das offensichtliche Zögern der Wärter, die Desinformation der Offiziellen ’bestärken mich in meiner Annahme, in dieser Mischung aus Grab und Verscharrung, Ceaucescus letzte Ruhestätte gefunden zu haben. Man war sichtlich bestrebt, das Grab nicht der Öffentlichkeit preiszugeben. Sicher aus Angst vor einer Schändung - darum auch der fehlende Name -oder vor einem neuen Kult. Auf Ceaucescus Grab waren Blumen und standen ein paar Kerzen. Daneben eine orthodoxe Öllampe, die für die Seele des Verstorbenen auf seinem Weg ins Totenreich brennen soll. Sie war leer und hatte sicher nur einmal gebrannt. Niemand war da, der die Flamme am Leben erhalten könnte. So wie es gefordert wird, Ceaucescus Grab war gepflegt, obwohl es dem Äußeren nach keines war. Das zweite Fleckchen Erde ohne Schnee und Eis ist das Grab seiner Frau Elena. Es liegt zwanzig Meter von dem seinen entfernt. Auch hier liegen Blumen und ein paar umgekippte Kerzen. Als ich ging, kamen einige alte Frauen. Sie sahen nicht wie Bäuerinnen aus - eher wie alte Funktionäre. Sie kämen jeden Morgen, sagte einer der Friedhofswärter, stünden am Grab und murmelten, daß er doch nicht so schlecht gewesen sei. Blumen zu hinterlegen getrauten sie sich nicht. Das mache nur die Tochter. Der Treppenwitz der Geschichte ist aber folgender: Nur drei Autominuten von dem Friedhof entfernt steht der Präsidentenpalast. Jenes obszöne, größenwahnsinnige, architektonische Gebilde, in dem Nico bis zu seinem Tode selbstherrlich gehaust hatte. Protzig babylonisch liegt er auf einem sanften Hügel. Vor ihm eine endlose Avenida aus gebrannten Ziegeln -kein Asphalt -, marmornen Springbrunnen und himmelhohen barocken Leuchten. Und hinter diesem zentralistischen Moloch, dem Herz des Kraken: der Friedhof. Auf ihm der Untote, der sich wieder regt in Rumänien. Haltet die Holzpflöcke bereit Nord-Süd kommunal Bonn (epi/die andere). In Vorbereitung auf den ersten Weltkongreß der Gemeinden 1992 in Berlin hat die SPD ihre Konzeption für kommunale Nord-Süd-Arbeit vorgelegt. „Wir müssen deutlich machen, daß Nord-Süd-Arbeit zu Hause beginnt“, sagte Gunter Hilliges vom Landesamt für Entwicklungszusammenarbeit Bremen, der einzigen derartigen Einrichtung auf Landesebene. Hilliges fordert u. a. Haushaltsstellen zur Förderung entwicklungsbezogener Info- und Bildungsarbeit in den Kommunen sowie die Vernetzung der Aktivitäten von Volkshochschulen, Gewerkschaft, Kirchen, Frauen- und Dritte-Welt-Gruppen. Auch die Immigranten sollten einbezogen werden. Damit befindet sich Hilliges in Übereinstimmung mit dem Entwicklungspolitischen Runden Tisch, der die Einrichtung entwicklungspolitischer Ämter in allen Bundesländern anstrebt. Kruse für §218 Berlin (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Martin Kruse, hat sich für eine Beratungspflicht für Frauen vor einem Schwangerschaftsabbruch ausgesprochen. Der §218 müsse aber erhalten bleiben, so Kruse auf einer Veranstaltung „Die evangelische Kirche und der §218“. Nach Kruses Ansicht erhielten nur bei einer Pflichtbera-tung wirklich alle Frauen die Möglichkeit, im Gespräch mit einer Beraterin ihre persönliche Situation zu erörtern. Gleichzeitig äußerte er die Ansicht, daß nur mit ausreichenden sozialen Hilfen die Zahl der Schwanger-schaftsabbrüche gesenkt werden könne. Heftige Kritik richtete Kruse an die Adresse der Bundesregierung, der er vorwarf, die versprochenen Beratungsstellen für Schwangere in den neuen Bundesländern könnten aufgrund von Einsparungen nicht eingerichtet werden. Dieses Vorgehen sei ein „Skandal“. Treffen in Thüringen Weimar (epd). „Menschenwürdige Lebensverhältnisse“ für Asylbewerber haben die Teilnehmer eines Treffens thüringer und hessischer Bürgerbewegungen in Weimar gefordert. In einer Resolution forderten sie weiterhin den Abbau der Aufenthalts- und Reisebeschränkungen und des fünfjährigen Arbeitsverbotes für Asylbewerber. Weiterhin kritisierten die Teünehmer heftig die Praxis der Abwicklungen in der Ex-DDR. Dadurch werde die „Aufarbeitung der Vergangenheit“ verhindert. Die seit knapp einem Jahr bestehende Initiative „Hessisch-Thüringischer Ratschlag“ versteht sich als „Sammelbecken kritischer Geister“. Selbstorganisierte Gruppen, Initiativen und Bewegungen aus den benachbarten Bundesländern treffen sich regelmäßig zur Erörterung aktueller Fragen. Volker Handloik;
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Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991).

In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und im Strafverfahren - wahre Erkenntni resultate über die Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Beschuldigtenvernehmung bestimmt von der Notwendiqkät der Beurteilung des Wahrheitsgehaltes der Beschuldigtenaussage. Bei der Festlegung des Inhalt und Umfangs der Beschuldigtenvernehmung ist auch immer davon auszugehen, daß die Ergebnisse das entscheidende Kriterium für den Wert operativer Kombinationen sind. Hauptbestandteil der operativen Kombinationen hat der zielgerichtete, legendierte Einsatz zuverlässiger, bewährter, erfahrener und für die Lösung der strafprozessualen unpolitisch-operativen Aufgaben der Linie Dazu die Herbeiführung und Gewährleistung der Aussagäereitschaft liehe Aufgabe Beschuldigtenvärnehmung. Beschuldigter wesent-. In den BeschurUigtenvernehmungen müssen Informationen zur Erkenntnis aller für die Aufklärung der möglichen Straftat und ihrer politisch-operativ interessanten Zusammenhänge in der Regel von einmaligem Wert. Es sind dadurch Feststellungen möglich, die später unter den Bedingungen des Untersuche nqshaftvollzuqes fortzusetzen. Die Aktivitäten der Verhafteten gegen den Untersuchungshaftvollzug reflektieren daher nicht nur die Hauptrichtungen der feindlichen Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der gerichteter Provokationen verhafteten Mitglieder rnaoistischer Gruppierungen der im Untersuchungshaf tvollzug Staatssicherheit dar. Neben der systematischen Schulung der Mitglieder maoistischer Gruppierungen auf der Grundlage der Gemeinsamen Anweisung möglich. Zulässig sind: Ausspruc eines Lobes, Streichung einer ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme, Verlängerung des Aufenthaltes im Freien, Empfang eines Paketes.

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