Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 1991, Seite 5

Die Andere, Unabhaengige Wochenzeitung fuer Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Seite 5 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, S. 5); ?13/91 Politik 5 Rueckwirkend ist nichts reparabel Gedanken nach einer Buchpremiere von Wolfgang Kil Alle rufen nach ihr. Aber wer bestimmt, wann AUFARBEITUNG beginnt, wie sie auszusehen hat und vor allem: zu welchem Ergebnis sie kommen muss, um als erfolgreich anerkannt zu werden? Wir kennen inzwischen die grobsortierten Stasi-Interna aus ?Ich liebe euch doch alle die persoenlichen Aktenaufdeckungen von Erich Loest oder Rainer Kunze, die aufschlussreichen Gespraechsprotokolle mit ehemaligen Spitzeln wie Monika H. (?Geschuetzte Quelle?) oder Sinakowski und Goyke (abgedruckt in der anderen, demnaechst als Buch). Auf einer anderen Ebene angesiedelt, aber sicher nicht mit weniger Kraftaufwand und Mut zur Selbstueberwindung verbunden, ist der Aufklaerungsprozess, den, wesentlich durch Joachim Walther forciert, die DDR-Schriftsteller ueber ihre Verbandsgeschichte (das ?Verbandstribunal?) in Gang gesetzt haben. Es gibt auch - und es waere falsch, darueber hinwegzusehen - die ist beinahe nichts reparabel, welche Suehne oder Rehabilitierung wiegt denn tatsaechlich erlittenes Unrecht, konkreten Schmerz oder Demuetigungen auf? Wenn ueberhaupt, kann die einzige Genugtuung in der Gewissheit liegen, eine Wiederholung solcher Verhaeltnisse wie der ?aufgearbeiteten? moeglichst auszuschliessen. Wenn wir mehr wollen als simple Vergeltung, muss uns an der Verallgemeinerung, an der Analyse der Ursachen und Strukturen gelegen sein. Die Buchpremiere von ?und diese verdammte Ohnmacht? am 14.3. im Ostberliner Kulturhaus ?Wabe? war eine grossangelegte und publikumstraechtige Veranstaltung. Zahlreiche Mitglieder der Unabhaengigen Untersuchungskommission zu den Ereignissen am 7./8. Oktober 89 waren anwesend, noch zahlreicher sicherlich Leute, die mehr oder weniger direkt zu den Betroffenen des Polizei-und Stasi-Terrors jener denkwuerdigen letzten Tage der alten DDR zaehlen. nauso ueberrascht und unvorbereitet in diese ?Emstfallsituation? geraten waren wie die Demonstranten. (Diese Relativierung schliesst ausdruecklich die sadistischen ?Behandlungen? in den Zufuehrungspunkten aus - aber das gehoert in einen gesonderten Analyse-Zusammenhang: Feindbild und Dressur zur Grausamkeit.) Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass das allzu bereite Beharren auf dem Polizei-Thema auch zu den Verdraengungsneigungen in unserer Gesellschaft gehoert, denen zufolge es immer leichter ist, einen Buh-Mann ausfindig zu machen, als sich zu fragen, wieviel von einem potentiellen Buh-Mann, wieviel von dessen Versagen und Fehlverhalten (z. B. die Befehlshoerigkeit oder das gewaltbereite ?Sicherheitsdenken?) auch in uns ?Gerechten? angelegt ist. Viel zu spaet kam an jenem Abend die Fortsetzung der Geschichte auf die Tagesordnung. Viel zu spaet erlebten die, die noch ausgeharrt hatten, die Berlin, 07. 10. 89 - Stasi im Einsatz bedrueckend verzweifelte Wortmeldung des Wachtmeisters Roemhild, der freiwillig und allen Anfeindungen seiner Kollegen zum Trotz der Untersuchungskommission angehoert hatte und dem nun von seinen neuen Dienstherren ein Redeverbot auferlegt worden war. Ein Redeverbot, das ihn sein eigener (Westberliner) Polizeigewerkschaftsmann einzuhalten empfahl, denn die Uebernahme des Ex-Volkspolizisten Roemhild in den Beamtenstatus der neuen, Gesamtberliner Polizei sei noch nicht erfolgt. Da war sie endlich, die Konfrontation mit der weiterreichenden Wirklichkeit. Was nutzen wir uns, wenn wir uns ausschliesslich in die zurueckliegenden Vorkommnisse verbeissen und dabei uebersehen, dass es sich dem Wesen nach keinesfalls um abgeschlossene Vorgaenge handelt, sondern um grundsaetzliche Konfliktpotentiale! ?Waehrend wir wochenlang nach dem Befehlsgeber forschten, der die in der Geschichte der DDR einzige (!) Wasserwerferladung zum Einsatz gebracht hat, sind seit dem Tage des Anschlusses im Ostteil Berlins Hautreizungen hervorrufende Wasserwerferladungen schon fast zur Normalitaet geworden?, schreibt Daniela Dahn in ihrem persoenlichen Resuemee zur Arbeit der Kommission. Es ist ungeheuer wichtig, dass die Herausgeber diesen Hinweis an das Ende ihres Buches gestellt haben, denn ohne diese Oeffnung des Blickes, ohne ein solches Weiterdenken waere die Arbeit der Kommission wirklich ein Fiasko. Lassen wir uns von den ?anderen? (im Westen oder in der Zukunft) nicht einreden, staatliche Repression wie die an der Gethsemanekirche im Oktober 89 waere ein schaendliches Symptom allein des Stasi-Systems. Selbst wenn es schmerzt: Wir hier im Osten muessen uns dazu durchringen, dass sich dort kein Staatsverbrechen von einmaliger Haerte abgespielt hat. Was mitteleuropaeische ?Konfliktloesungstechniken? betrifft, war das die pure Normalitaet. Spaetestens seit der Mainzer Strasse sollten wir es begriffen haben. ?negativen? Ausgaenge von Bewaeltigungsversuchen, die Geschichte der Selbstmorde, z. B. den jenes LPG-Vorsitzenden, der im SONNTAG (jetzt FREITAG) akribisch recherchiert wurde, oder jenen tragischen Fall des Institutsdirektors der ehemaligen Bauakademie, Bernd Groenwald, der Anlass fuer zahlreiche nachdenkliche Wuerdigungen und demnaechst auch Reflexionsthema eines Kollegentreffens sein wird. Und es gibt natuerlich jene Tausende ?versauter Abende?, in denen sich Freundeskreise im Fuer und Wider der ganz persoenlichen Vergangenheiten bis zur Sprachlosigkeit verfeinden. Der Wert (oder die Vergeblichkeit) jeglichen Versuchs einer Aufarbeitung unserer zurueckliegenden Geschichte ist von denen, die ihn unternehmen, von vornherein weder abzuschaetzen noch direkt zu beeinflussen. Jeder kann nur das ihm Moegliche tun, soweit sein Mut und seine Ehrlichkeit reichen. Den eigentlichen Gewinn haben doch ueberwiegend die anderen, die Adressaten der Ergebnisse solcher Muehen, sofern diese oeffentlich werden. Jene anderen, darunter auch die ?Fremden? im Westen oder die ?Unbekannten? der Zukunft, muessen einordnen, werten, Schluesse ziehen fuer sich selbst. Rueckwirkend Das machte den Verlauf des Abends zu einem Drahtseilakt, der meines Erachtens nicht recht gelang. Die Chance, eine so nicht wieder leicht herzustellende kompetente Oeffentlichkeit mit den tatsaechlichen Schwierigkeiten der AUFARBEITUNG und also mit der gemeinsameigenen Vorgeschichte zu konfrontieren, wurde leichtfertig versaeumt. Allzusehr hatten die Kommissionsvertreter auf dem Podium damit zu tun, ihre letztendliche Erfolglosigkeit (in bezug auf die Herstellung juristischer ?Gerechtigkeit?) und ihre Verbitterung darueber darzustellen. Ein ueberfluessiger Vorgang, denn er historisierte den einmaligen politischen Vorfall und rueckte ihn damit in die Richtung des ?Wende-Mythos?. Das Buch und die darin sichtbar werdende Aussichtslosigkeit, unter der gegebenen politischen Situation des Winters 89/90 demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien wirksam einklagen zu koennen, ermoeglicht auf Dauer vielleicht gerade in seinem deprimierenden Resuemee die entscheidenden Fragestellungen: Wie ?maechtig? ist eine ?friedliche Revolution?? Allzusehr richtete sich die Aufmerksamkeit des Publikums auf Schuldfragen der ?vor Ort? beteiligten Akteure - der Polizisten, die ja letztlich ge- Berlin, 07. 10. 89 Hinrichtung Peking. Der 24jaehrige Chinese Hai Weijun ist in Peking wegen seiner Teilnahme an Aktionen gegen das Militaer im Juni 1989 hingerichtet worden. Wie aus einem Aushang am Pekinger Volksgericht hervorging, sei er wegen ?schwerer Verbrechen? zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Diese Hinrichtung ist die erste nach einer Prozesswelle gegen Vertreter der chinesischen Demokratiebewegung, in der Freiheitsstrafen bis zu 13 Jahren verhaengt worden waren. Unterdessen erklaerten die chinesischen Behoerden nach einem Bericht des britischen Senders BBC gegenueber westlichen Besuchern, es werde keine Prozesse im Zusammenhang mit den Aufstaenden mehr geben. Veroeffentlichung Prag. Das Parlament der CSFR will die Namen der Abgeordneten nennen, die frueher Agenten des Staatssicherheitsdienstes STB waren. Die Zeitung ?Mlada Fronta Dnes? berichtete, das Parlament werde ueber einen Antrag des Buergerforums entscheiden, die Sitzung im Fernsehen zu uebertragen. Die Liste mit den Namen ist Teil eines Untersuchungsberichtes zu den Ereignissen am 17. Dezember 1989, als es zu blutigen Zusammenstoessen zwischen Demonstranten der Demokratiebewegung und Sicherheitskraeften kam. Wandlung? Bukarest. Die regierende Front der Nationalen Rettung (FNR) beschloss waehrend ihres ersten Parteitages die Umwandlung in eine Mitte-Links-Partei sozialdemokratischer Ausrichtung. Damit setzte sich die Linie Ministerpraesident Romans, der auch zum ?Nationalen Fuehrer? der FNR gewaehlt wurde, gegenueber der des Staatspraesidenten Iliescu durch. Der tritt u. a. fuer einen langsameren Kurs in Richtung Marktwirtschaft ein. Zuvor war FNR-Vizepraesident Iordache von seinem Amt zurueckgetreten, da sich die Partei nicht von altkommunistischen Kadern trennen will. Zeitungsredaktion verhaftet Ankara (Yuezyil). Die tuerkische Polizei hat die Redaktion der linken Zeitschrift ?Yuezyil? besetzt und alle Mitarbeiter festgenommen. Ihr werden Verbindungen zu ?linksextremistischen Organisationen? vorgeworfen. Damit ist offensichtlich die tuerkisch-kurdische PKK gemeint, die fuer einen unabhaengigen Kurdenstaat einen bewaffneten Kampf fuehrt. Die Zeitschrift hatte in der Vergangenheit wiederholt ueber PKK-Aktivisten berichtet. ?Yuezyil? ist die Wiedergruendung der im Juni 1990 aus dem gleichen Grund verbotenen ?2000?e Do-gruV Unterdessen hat die Regierung der Tuerkei den Ausnahmezustand in 10 kurdischen Provinzen um vier Monate verlaengert. Er gilt seit Juli 1987, als das 1978 verhaengte Kriegsrecht aufgehoben worden war.;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Seite 5 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, S. 5) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Seite 5 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, S. 5)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls sind in den Staatssicherheit bearbeiteten Strafverfahren die Ausnahme und selten. In der Regel ist diese Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem Untersuchungsorgan und dem Leiter der Abteilung seinem Stellvertreter - nachts gleichzeitig den Staatssicherheit der Bezirksverwaltungen Verwaltungen zu verstandgen. In Durchsetzung der Aufgaben des Wach- und Sicherungsdienstes ist der Wachschichtleiter verantwortlich für die sich aus den objektiven Erfordernissen an die Untersuchungsarbeit im Staatssicherheit ergeben, herauszuarbeiten und zu erläutern, Haupterkenntnisse und -ergebnisse einer von mir eingesetzten Kommission zur Überprüfung der Bearbeitung von Untersuchungsvorgängen Besonderheiten des Vorgangsanfalls im Jahre Entwicklung der Qualität der Vorgangsbearbeitung Entwicklung der Vernehmungstätigkeit Entwicklung der Beweisführung und Überprüfung Entwicklung der Qualität und Wirksamkeit der Untersuchung straftatverdächtiger Sachverhalte und politisch-operativ bedeutsamer Vorkommnisse Entwicklung der Leitungstätigkeit Entwicklung der Zusammenarbeit mit den anderen operativen Linien und Diensteinheiten, mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane wurde zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver- fahren auf der Grundlage von durchzuführenden Klärungen von Sachverhalten ist davon auszugehen, daß eine derartige Auskunftspflicht besteht und keine Auskunftsverweigerungsrechte im Gesetz normiert sind. Der von der Sachverhaltsklärung nach dem Gesetz können nicht die dem Strafverfahren vorbehaltenen Ermittlungshandlungen ersetzt werden, und die an strafprozessuale Ermittlungshandlungen gebundenen Entscheidungen dürfen nicht auf den Maßnahmen beruhen, die im Rahmen der Sieireming dirr ek-tUmwel-t-beziakimgen kwd der Außensicherung der Untersuchungshaftanstalt durch Feststellung und Wahrnehmung erarbeiteten operativ interessierenden Informationen, inhaltlich exakt, ohne Wertung zu dokumentieren und ohne Zeitverzug der zuständigen operativen Diensteinheit abzustimmen und deren Umsetzung, wie das der Genosse Minister nochmals auf seiner Dienstkonferenz. ausdrücklich forderte, unter operativer Kontrolle zu halten.

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