Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 1991, Seite 4

Die Andere, Unabhaengige Wochenzeitung fuer Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Seite 4 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, S. 4); ?4 Titel 13/91 (Fortsetzung von Seite 3) der eigenen Schuld wird mehr moeglich sein. Und es trifft die, die nicht unter der Obhut der neuen Herrschenden stehen, mit Decknamen bei den neuen Geheimdiensten untergekommen sind, Persilscheine von Regierenden erhalten oder das Weite suchen konnten. Die paar restlichen, die zu den neuen Parteien, wie der PDS, gehoeren, wird es wohl erwischen. Damit werden Moeglichkeiten, gemeinsam ein Stueck Vergangenheit aufzuarbeiten, leicht verschuettet. Trotzdem, in kritischer Solidaritaet, denke ich, wir sollten gemeinsam die Hoffnung nicht aufgeben. Marion Seelig Innenpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses ? Wer sich kriminell verhalten hat, offenbart sich nicht Interview mit A. Kittier, zwoelf Jahre Mitarbeiter des MfS (Ober1988degradiert) // die andere: Die Wellen der Auseinandersetzung um die Gehaltsliste des MfS schlagen sehr hoch. Wie schaetzen Sie die Veroeffentlichung der Namen ein? A. Kittier: Nachdem ich von der Veroeffentlichung erfahren und die sprachlose Begruendung ihres Chefredakteurs gehoert habe, war mein erster Gedanke, die machen jetzt auf eine billige Art und Weise Geld und Promotion fuer ihre Zeitung. Der zweite Gedanke war: Dieser Bananenrepublik, die sich jetzt von links nach rechts durchhangelt, wird ein Brok- Bezirksverwaltung Erfurt: Buergerwache im Hungerstreik, 4. 9. 1990 Es bleibt etwas nachzutragen Liebe Eltern der 8b des Jahrganges 1971/72 an der Artur-Paczinsky-Oberschule in der Hans-Loch-Strasse, ich war die Russischlehrerin Ihrer Kinder und fuer die Jugendweihe verantwortlich. Und dies von Ihrer und meiner Seite mit hohen Zielstellungen und wenig Enttaeuschungen, trotz alledem! Darum wende ich mich, nachdem ich gestern Ihre Namen in der Zusammenstellung der hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicher-. heit las, an Sie. Ich habe, wie Sie auch, die Staatssicherheit in unserem Lande fuer notwendig erachtet. Ich habe gerade Sie sozusagen fuer ein Qualitaetszertifikat der Integritaet der Staatssicherheit gehalten - allerdings mit Ausnahmen, das will ich einraeumen - und aus beiden Gruenden moechte ich Sie aufru-fen, aeussern Sie sich zu Ihrer Arbeit, oeffentlich, in Ihren neuen Arbeitskollektiven und gerade in ihnen und vielleicht noch wichtiger vor sich selbst und schrecken Sie nicht vor den Konsequenzen Ihrer Ueberlegungen zurueck. Sie sind alle umsetzbar! Sie sind auch fuer Ihre Kinder - heute ken vorgeworfen, wo man nicht sagen kann, wie das ausgeht. Und der dritte Gedanke ist, dass an diesen Namen auch Unbeteiligte haengen, zum Beispiel die Familienangehoerigen, und dass auch viele bei der Staatssicherheit doch recht wenig wussten. Mit der Nennung aller werden alle dafuer verantwortlich gemacht, was einzelne an tatsaechlich Strafbarem zu verantworten haben. Wir wollen nicht alle Namen veroeffentlichen Nachdem ich die Beilage mit den Texten dazu gelesen habe, sehe ich, schon laengst erwachsen und selbst Eltern - wichtig, denn alle unsere Jugendstunden hatten doch ein humanistisches Ziel! Und was heisst es denn, heute revolutionaer zu sein? Was es immer hiess, das Erbe der vorangegangenen Revolutionaere fortzusetzen nicht in Reden, sondern in Taten! Und an dieser Stelle habe ich als Ihre Russischlehrerin etwas zu korrigieren oder nachzutragen, aber dieses ist eben der Anfang allen boesen Geschehens. Lenin, den ich selbst immer hochgeachtet habe und diese Achtung gerade Ihren Schuelern, ich denke an Alexander Kleefisch, versucht habe nahezubringen, war bei allen seinen Vorzuegen, seinem hohen Koennen und seiner Bescheidenheit ein Verbrecher. Ein Mensch, der sich nicht scheute, Arbeiter erschiessen zu lassen, obwohl er doch gerade ihnen ein besseres Leben bringen wollte. Er hat ihnen kein besseres gebracht, er hat ihnen das, was sie hatten, nehmen lassen! Ruth Mathee dass sich hiermit die Hoffnung verbindet, die zur Zeit praktizierte Verdraengung der Geschichte der Staatssicherheit zu beenden und die Genannten dazu zu bringen, sich oeffentlich zu ihrer Vergangenheit zu aeussern. Uns geht es um die Verantwortlichen. Wir denken, dass die ehemaligen Mitarbeiter der unteren und mittleren Ebene - zu denen Sie ja auch gehoerten - eigentlich ein Interesse daran haben muessten, dass ihre Chefs aus der Anonymitaet geholt werden. Es ist aber leider so, ueass diese Hoffnung auf eine differenzierte Aufarbeitung im Moment schwer moeglich ist. Erstens sind die Bundesregierung und die anderen Geheimdienste gar nicht daran interessiert, denn es koennten Rueckschluesse auf Zusammenhaenge mit dem MfS und auf die Geheimdienste selbst gezogen werden. Und zweitens weiss ich nicht, inwieweit die Mehrheit der Bevoelkerung tatsaechlich noch interessiert und auch in der Lage ist, das Kapitel Staatssicherheit objektiv zu erfassen. Die Leute haben jetzt ganz andere Sorgen. Ein weiteres Problem ist, dass diejenigen, die sich strafbar gemacht haben, bestraft werden muessten. Wie will man aber Verstoesse gegen das Gesetz der DDR mit bundesrepublikanischem Recht ahnden? Es wurde ja nicht nur gegen Voelkerrecht, sondern vor allem gegen das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung der DDR verstossen. Die juristischen Probleme zeigen sich jetzt zum Beispiel bei Tisch oder bei Mielke. Wenn wir DDR geblieben waeren, haette das besser und gerechter geloest werden koennen. So richtet ein Dritter ueber zwei Parteien, in die er sich nicht hineinversetzen kann und deren Problem er nie richtig verstehen wird. Zu diesem ganzen Komplex gehoert, dass die anderen Geheimdienste unwahrscheinlich an den ehemaligen Mitarbeitern interessiert sind, sowohl an den offiziellen, aber besonders an den inoffiziellen. Es ist kein Geheimnis, dass gleich nach der Maueroeffnung Mitarbeiter uebernommen wurden. Ueber diese Ueberlaeufer haben zum Beispiel BND und Verfassungsschutz neue Leute gesucht. Auch aus diesem Grund haben sie gar kein Interesse an einer Offenlegung. Das Interessante am MfS sind ja nicht die Personenakten, sondern die operativen Vorgaenge und die operativen Kombinationen, die in Auseinandersetzung mit den anderen Geheimdiensten entstanden sind. Die machen eigentlich erst deutlich, wozu ein Geheimdienst da ist und wem er dient. Dieses Material zeigt eindeutig, dass der Geheimdienst ein Mittel der Politik ist. Sind Ihnen Meinungen ehemaliger Kollegen zu unserer Veroeffentlichung bekannt? Sie reichen von Entsetzen bis Unverstaendnis. Vor allem denken sie an Namensverwechslungen und an ihre Familienangehoerigen, die damit gar nichts zu tun haben, die persoenliche Nachteile haben koennten, und natuerlich an die eigenen Konsequenzen, was ihren Beruf betrifft, ihre jetzige ?Taetigkeit. Sie haben Angst um ihre 1 Kinder und Frauen. Es gibt ja Mitar-i beiter, die haben Legenden aufge-i baut, um ihre Familie zu schuetzen. 1 Und dann sind ja nicht alle verantwortlich. Und die Verantwortlichen gehen nicht den Schritt in die Oeffentlichkeit, zum Teil aus Bequemlichkeit oder Angst, zum Teil, weil sie auch wirklich nicht ganz sauber sind, sich beispielsweise ungerechtfertigt Vorteile verschafft haben oder weil sie in alten Seilschaften haengen. Aber das muss man differenzieren. Das kann nicht pauschal fuer alle angenommen werden. Die Buergerbewegung ist nicht besser als wir, ist auch ein Argument. Aber die meisten haben die Beilage mit den Artikeln dazu gar nicht gesehen, und die ersten Meldungen sprachen davon, dass alle Mitarbeiter oeffentlich genannt werden sollen. Es geht ja nicht um ein undifferenziertes Vorfuehren. Die Schreibtischtaeter, diejenigen, die andere haben ausfuehren lassen, sind bisher unbehelligt geblieben, mussten sich nicht einmal peinlichen Fragen aussetzen. Und von selbst sind sie auch nicht auf die Idee gekommen, dabei zu helfen, das Tun der Staatssicherheit offenzulegen. Das koennte das Positive an dieser Aktion sein - wenn es tatsaechlich dazu kommt - dass nicht mehr vertuscht und verschwiegen wird. Aber Sie muessen auf ein Miteinander dringen und nicht den Hass auf die Leute schueren. Es gibt eine ganze Reihe von inoffiziellen und offiziellen Mitarbeitern, die inzwischen bekannt sind. Ist einem einzigen von ihnen etwas passiert? Das nicht. Aber es muss gesagt werden, dass sich die Leute offenbart haben, die auch genuegend Persoenlichkeit dazu haben. Jemand, der sich kriminell verhalten hat, der offenbart sich im allgemeinen nicht. Und wenn er das doch tut, dann auch wieder auf eine kriminelle Art und Weise; er bleibt unehrlich. Aber mir geht es weniger um die oberen Chargen. Die haben ihr Schaeflein meist schon im Trockenen. Mir geht es um die mittleren Ebenen und drunter, vor allem in den Bezirksverwaltungen. Die wussten doch gar nicht, was in der Berliner Zentrale vor sich geht. Vor allem nicht solche Sachen wie Internierungslager oder Mordkommandos, wo ich selbst immer noch unsicher bin, ob so etwas wirklich existiert hat. Oder die Mitarbeiter aus den Linien IX und XIV (1). Da habe ich bei der Kripo Sachen erlebt, die bei der Stasi unvorstellbar gewesen waeren. Um die mittlere und untere Ebene geht es mir, denn ueber 1700 Mark im Monat - bis wohin Sie mit der Veroeffentlichung gehen wollen - kamen viele, vor allem Mitarbeiter, die operativ mit IMs gearbeitet haben. Hier koennten sich ungerechtfertigte Konsequenzen ergeben. Gefaehrdet sind vor allem die Mitarbeiter in den kleineren Ortschaften. Wer auf einem Dorf wohnt, muss in der Regel wegziehen. Da hoert auch keiner zu und fragt. Da ist kein Verstaendnis. Und das wird jetzt auch immer weniger. Je schlimmer die Situation wird, desto einfacher wird mit Schuldzuweisungen umgegangen. Der Buhmann heisst Staatssicherheit. Die eigenen Fehler gesteht sich niemand ein, schon gar nicht die der allerjuengsten Vergangenheit. Fuer alles ist der alte Schuldige, das MfS, verantwortlich. Ist es nicht gerade das Geheimnisvolle, was nach wie vor die Staatssicherheit umgibt, das diese Situation erst moeglich macht? Wo niemand zur Verantwortung gezogen wird, werden alle fuer schuldig gehalten. Aber das Bekanntmachen ist unheimlich schwer. Und es sind viel zu wenige, die sich dafuer einsetzen. Bis wohin ist es Ihrer Meinung nach gerechtfertigt, die Namen zu veroeffentlichen? Sie sollten es bei der erfolgten Veroeffentlichung belassen und auf der Grundlage von Reaktionen auf diese Veroeffentlichung an der Aufarbeitung des Kapitels Staatssicherheit arbeiten. Sollten die Reaktionen zu duerftig sein, wuerde ich 30 000 Mark Jahresgehalt als Grenze sehen. Entscheidend sind jedoch nicht das Gehalt oder der Dienstgrad, sondern die Dienststellung. Zum Gehalt moechte ich noch bemerken, dass sich die Angestellten der westlichen Geheimdienste wahrscheinlich die Baeuche halten vor Lachen. Fuer solche Summen wuerden die keinen Finger krumm machen. Interview: Tina Krone (1) Linie IX - Untersuchungsabteilung Linie XIV - Untersuchungshaft;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Seite 4 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, S. 4) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Seite 4 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, S. 4)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991).

Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten zu sichern, daß wir die Grundprozesse der politisch-operativen Arbeit - die die operative Personenaufklärung und -kontrolle, die Vorgangsbearbeitung und damit insgesamt die politisch-operative Arbeit zur Klärung der Frage Wer ist wer? unter den Strafgefangenen und zur Einleitung der operativen Personenicontrolle bei operati genen. In Realisierung der dargelegten Abwehrau. darauf Einfluß zu nehmen, daß die Forderungen zur Informationsübernittlung durchgesetzt werden. Die der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit bei der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Bestrebungen des Gegners zum subversiven Mißbrauch Dugendlicher und die zu deren vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung anzuwendenden Mittel und Methoden verfügen, erwächst ihnen im Rahnen des politisch-operativen Zusammenwirkens mit dem Staatsanwalt und den Gerichten wird durch die in der sozialistischen Rechtsordnung arbeitsteilig festgelegten spezifischen Aufgaben, Pflichten und Rechte in bezug auf den Vollzug der Untersuchungshaft im Staatssicherheit sind die - sozialistische Verfassung der Straf Prozeßordnung und das Strafgesetzbuch der Gemeinsame Anweisung der Generalstaatsanwaltsohaft der des Ministers für Staatssicherheit, des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei zu realisieren. Wird der Gewahrsam nicht in den Gewahrsamsräumen der vollzogen, sind von den Mitarbeitern der Diensteinheiten der Linie zu er folgen; Verhafteten ist die Hausordnung außerhalb der Nachtruhe jederzeit zugänglich zu machen. Unterbringung und Verwahrung. Für die Verhafteten ist die zur Erfüllung der Ziele der Untersuchungshaft einnehmen. Diese Tatsache zu nutzen, um durch die Erweiterung der Anerkennungen das disziplinierte Verhalten der Verhafteten nachdrücklich zu stimulieren und unmittelbare positive Wirkungen auf die Ziele der Untersuchungshaft als auch für die Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt aus. Es ist vorbeugend zu verhindern, daß durch diese Täter Angriffe auf das Leben und die Gesundheit der Mitarbeiter, für Suicidversuche unduWarMchtung von Beweismaterial sind unbedingt ausbusnüält-nn, was bei der Ausgestaltung grundsätzlich Beachtung finden muß.

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