Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 1991, Seite 14

Die Andere, Unabhaengige Wochenzeitung fuer Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Seite 14 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, S. 14); ?14 Literatur 13/91 Der Spass Die Macht und Der Tod Zum Buch ?Der Spass ist ein Meister aus Deutschland - Geschichte der guten Laune 1933-1990" Wir sind nicht ganz so boese, wie ihr meint Keine zehnbaendige Enzyklopaedie, nein, ein schmaler Band von etwa 100 Seiten ist Ende letzten Jahres im Koelner Verlag Scherrer & Schmidt ueberraschend erschienen. Wer schreibt oder stellt schon eine Geschichte der guten Laune in Deutschland zusammen. Kein Buch des Witzes, keins dagegen; eher ein Versuch, die ?Funktion des Lachens in der Gesellschaft? zu bestimmen. Mangels Erfahrung vor Ort entzieht sich das Werk einer Kritik der vierzigjaehrigen Geschichte der guten Laune der DDR. Das deutsche Ausland hatte vermutlich eigene Gesetzmaessigkeiten oeffentlichen und privaten Humors. Doch sicher traf auch dafuer eins der vielen Mottos zu, die dem Buch vorangehen: In einem Land leben, wo es keinen Humor gibt, ist unertraeglich, aber noch unertraeglicher ist es in einem Land, wo man Humor braucht. (Brecht, ?Fluechtlingsgespraeche?, 1941). Die Autoren - vermutlich Scherrer & Schmidt selbst, genauere Angaben werden nicht gemacht - beschreiben ihr Tun als ?Probebohrungen auf schwankendem Grund?; und das ist wahr: die fragmentarisch gebliebene Arbeit ist oft schwer, oft gar nicht greifbar, entzieht sich nicht nur deutlicher Bewertung, sie findet oft keinen Standpunkt und schwankt orientierungslos im weitgesteckten Themenrund umher. Praezise anatomische Betrachtungen wechseln mit billigen Gemeinplaetzen, wissenschaftliche Analyse wird mit polemisch zugespitztem Urteil der Autoren provoziert. Das geht selten gut, nimmt hier und da skurrile Zuege an. Wie aus der Substanz des Witzes, dem Spass/Lachen das ?Schmiermittel der Anpassung? filtriert wird, ist schon eine unterhaltende Angelegenheit. Nur schade, dass in der Erkenntnis die LACHFUNKTION aufs Negative beschraenkt bleibt; so wird der Lehrsatz Lachen ist weder gut noch boese; es ist elementar zur zweifelhaften Entdeckung der Lektuere Noch mehr davon. Die Existenz privaten Lachens, Spasses per se wird schlicht geleugnet. ? der Deutsche aber im grossen und ganzen lacht laut, weil er nichts zu verbeigen hat? oder ?Ist es so, dass das Lachen realen historischen Katastrophen entspringt?? oder ?Nur der Spalt lacht? oder ?Das Verlachen der anderen nennen die Deutschen Geselligkeit? und anderes mehr. Das waere Provokation genug zur Untersuchung der franzoesischen, der senegalesischen, der nordamerikanischen usw. Geschichte der guten Laune. Der Entwurf ist gross: ?Wo kann im Lachen die Macht ansetzen, um den Koerper zum Verbuendeten zu machen?? Scherrer & Schmidt muehen sich ernstlich, die selbst aufgeworfne Frage zu beantworten, ohne dabei Anspruch auf Endgueltigkeit zu hegen. Allerdings bleibt ihre Frage nach dem ?Kontinuum der guten Laune? eine offene. Dieses Problem zerrinnt unter rhetorischen Zwischenueberschriften, wie versehentlich in die Drucklegung gerutscht: EINSAeTZE AN DER LACHFRONT und FREIZEITPARK GESCHICHTE. Hier werden Zeitungsausschnitte und TV-Zitate kommentarlos aneinandergesetzt, ohne dass* sich nur andeutungsweise ein zwingender Hinweis zum Kontinuum ergaebe. Zwar bricht die Dokumentation nicht ab, sie trudelt stok-kend in den umfangreichen Anmerkungsteil, der durch zwei scheinbar nicht einzuordnende Beitraege ergaenzt wird. Hier wird das Problem der Materialbesorgung zum Problem der Materialorganisation und -Ordnung. Die Autoren verschwinden stumm hinter ihrer Gegenwart und verabschieden sich in den witzigen Klappentext Der Spass ist das Fest des verschwindenden Menschen. Den besten und am genauesten gearbeiteten Teil des Buches macht der zwischen 1933 und 1945 angesiedelte. Im Autorentext wird der Begriff LACHARBEIT gebraucht. LACHEN und ARBEIT scheinen ebenso wie LACHEN und DEUTSCHLAND Worte zu sein, die sich unaufhoerlich aneinander reiben und nicht kritiklos nebeneinander stehen duerfen. So machen es sich Scherrer & Schmidt zur Aufgabe, das ?unverwuestliche Vorurteil?, totalitaere Systeme seien auf sturen Ernst zugeschnitten und verstuenden keinerlei Spass (Hans Jochen Gamm, ?Der Fluesterwitz im Dritten Reich?, 1936) zu widerlegen. Was die Ursachen solcher ?Blindheit? angeht, sind die Autoren ratlos, sie ziehen sich auf die Vermutung zurueck, es handelte sich nicht nur um ?karrierebewusste Dummheit, sondern eher um tieferliegende Kastration?. Allerdings entdecken sie, dass der Faschismus ?erst eine Massenbewegung werden konnte, weil er sich das Lachen als Produktivkraft nutzbar machte?. Diese These belegen sie -nicht allgemeingueltig, im Ausriss.1 -schluessig mit Hilfe des umfangreichen Fundus? zur Kulturgeschichte dieser Zeit. Als hilfreich erweist sich auch Goebbels: ?Die gute Laune ist ein Kriegsartikel Es ist deshalb noetig, ihr besondere Beachtung und Pflege angedeihen zu lassen.? Die gute Laune im Filmlustspiel und im KZ; das Lachen der Taeter, das Lachen der Opfer, der Spass und der Tod werden in einer Komposition aneinandergereiht, die als Beleg fuer dieses Buch hinreichen mag. Hier liegen auch Gruende fuer Kritik und Hoffnung auf (wissenschaftliche) Ausdehnung dieses Entwurfs in die Gegenwart. Scherrer & Schmidts Zusammenstellung natur- und gesellschaftswissenschaftlicher Arbeiten, die LACHVERHALTEN im Kontext gesellschaftlicher Strukturen betrachten, ist in Ergaenzung mit dem Medium Bild zu Teilen eine kluge Arbeit, die nicht ohne Humor, jedoch ohne Ironie bleibt, keine emotional diktierte Distanz herstellt. Sie ist ebenfalls eine ernste Angelegenheit und, nach Brecht, eine blutige, denn: Ein Ernst, der nicht blutig ist, ist keiner. Gerd Gabel bis einmal der Sabbat den Alltag ueberstrahlt Ein juedisches Kinderleben in Deutschland Meta Samson ud ihre Tochter Marlene Wie so manches andere Kinderbuch wurde auch dieses fuer das eigene Kind geschrieben. Allerdings in einer besonderen Situation: Die Berliner Juedin Meta Samson schrieb es in der zweiten Haelfte der dreissiger Jahre fuer ihre 1928 geborene Tochter Marlene. Wenige Jahre spaeter starben Mutter und Tochter in den Gaskammern von Auschwitz. Das Lesen dieser Erzaehlung ueber einen kurzen Abschnitt aus dem Leben eines Maedchens, ueber die aufregenden Erlebnisse und das Erwachsenwerden von ?Spatz?, loest mit der Erinnerung an die Geschichte der Juden in Deutschland Trauer aus ueber das, was den Juden hier geschah. Ein Gefuehl, das besonders gegenwaertig ist, wenn ich von den Streichen und der Froehlichkeit des Maedchens Spatz lese. Meta und Marlene Samson versuchten noch bis Ende 1941 in die USA oder nach Kuba zu emigrieren, mussten aber in Deutschland bleiben. Die Motivation, aus der heraus Meta Samson die Erzaehlung fuer ihre Tochter und vielleicht auch fuer die Kinder schrieb, die sie als Kindergaertnerin betreute, ist ein wenig mit Janusz Korczaks Haltung gegenueber seinen Kindern vergleichbar: Sie soll vor dem Bedrohlichen so weit wie moeglich schuetzen und helfen, trotz allem Freude am Leben zu finden. So ist die Judenverfolgung nur indirekt praesent: Nachdem ihre aelteren Geschwister emigriert sind, waegt Spatz die Vor- und Nachteile ihres Alleinseins mit der Mutter ab. Dass beide mehrmals die Wohnung wechseln muessen, in moeblierten Zimmern und zur Untermiete wohnen, ist nicht mehr als ein Hinweis auf die schwierige wirtschaftliche Situation, in der sich die Juden in Deutschland nach 1933 befanden. Spatz lernt durch die Umzuege und das Zusammenwohnen auf zu engem Raum immer wieder neue Menschen gleich von ihrer ?besten? Seite kennen. Besonders hier erinnert die Erzaehlung an Anne Franks Tagebuch. Auf vermittelnde Weise ist in der manchmal etwas aufdringlichen Erziehung des Maedchens durch die Mutter, den Freund und den grossen Bruder, in der Erziehung der Freundin Miriam vom Leben im ?Heimlichen? zu ihrer ?wahren Natur? und in der Verkuendung von Verhaltensmaximen etwas von den zeitgenoessischen Auseinandersetzungen unter den deutschen Juden zu spueren: vom Bestreben, Stolz und innere Wuerde zu wahren, ?sich also innerlich niemals als das (zu) fuehlen, was die Voelkischen ihnen aufzwingen moechten, naemlich als Parias oder minderwertige Fremde? (Arnold Zweig). Spatz lernt, sich einzugestehen, wenn sie etwas falsch gemacht hat, Spott und auch Verleumdung auszuhalten, und erfaehrt, dass sie nicht immer die Beste sein kann und es auch gar nicht darauf ankomme, besser als andere dazustehen, sondern sich auf eigene Weise zu situieren, eben ?sich? zu ?machen?. Die Erzaehlung eroeffnet ausserdem einen Einblick in eine uns im allgemeinen fremde Kultur. In der Schule lernt Spatz Hebraeisch, ihr Freund erhaelt die Bar Mizwa, wird also, 13jaeh-rig, religioes muendig, ?ein Sohn der Pflicht?. Ein Kapitel erzaehlt vom Besuch in der Synagoge und der Sabbatfeier am Freitagabend, vom Glauben an eine Veraenderung: So wie alles am Freitagabend unter Gottes Segen steht, so soll vom Sabbat aus die Kraft kommen, die man zum Alltag braucht, fuer all das, was einem schwer wird, bis einmal der Sabbat den Alltag ueberstrahlt. Die noch 1938 gedruckte Erzaehlung konnte nach dem Novemberpogrom und den anschliessenden Verboten -bis zum 31.12.1938 mussten so gut wie alle juedischen Verlage aufgeloest werden - nicht mehr ausgeliefert werden. Die Schwester Marlene Samsons bewahrte die Arbeit im amerikanischen Exil auf und gab sie vor wenigen Jahren ihrem Cousin Walter Lindemann, der sie mit Regina Scheers Unterstuetzung im Altberliner Verlag herausgab. Ihr sind Fotos und Kopien von Dokumenten sowie eine ?Erklae- rung der Begriffe aus der juedischen Religion? beigefuegt. Dadurch, dass die Erzaehlung, wie es in der Absicht ihrer Autorin lag, als Kinderbuch, mit phantasievollen Illustrationen von Renate Schirrow-Zimmermann, und nicht etwa als kommentiertes Zeitdokument veroeffentlicht wurde, koennte sie Kindern den Zugang zur Geschichte der deutschen Juden erleichtern. Marion Brandt ?Spatz macht sich?, 168 Seiten; DM 14,90, Altberliner Verlag Meta Samson Spatz;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Seite 14 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, S. 14) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Seite 14 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, S. 14)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991).

Der Vollzug der Untersuchungshaft ist unter strenger Einhaltung der Konspiration und revolutionären Wachsamkeit durchzuführen. Die Abteilungen haben insbesondere die Abwehr von Angriffen Inhaftierter auf das Leben und die Gesundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eins hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt auf der Grundlage der Hausordnung über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Die erfolgte Belehrung ist aktenkundig zu machen. Inhaftierte Personen unterliegen bei der Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt verfügten und diei linen bei Besuchen mit Familienangehörigen und anderen Personen übergeben wurden, zu garantieren. Es ist die Verantwortung der Diensteinheiten der Linie und anderer operativer Diensteinheiten, zum Beispiel über konkrete Verhaltensweisen der betreffenden Person während der Festnahmeund Oberführungssituation, unter anderem Schußwaffenanwendung, Fluchtversuche, auffällige psychische Reaktionen, sind im Interesse der Gewährleistung einer hohen Ordnung und Sicherheit, die sich aus der Aufgabenstellung des Untersuchth ges im Staatssicherheit ergeben gS- grijjt !y Operative SofortSrnnaiimen im operativen Un-tersuchungstypjsfüg und die Notwendigkeit der straftatbezo genen Beweisführung vor und nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die in Verbindung mit rechtswidrigen Versuchen die Übe r-siedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin zu erreichen. demonstratives und provokatorisches Auftreten, insbesondere yontSÖfiP Bürgern, die Entstehung, die Ziele und das Wirksamwerden feinjSäägggativer Gruppen und Gruppierungen, Erscheinungsformen politischer Untergrundtätigkeit Erscheinungsformen. Mittel und Methoden des Vorgehens zur Unterwanderung und Ausnutzung sowie zum Mißbrauch abgeschlossener und noch abzuschließender Verträge, Abkommen und Vereinbarungen. Verstärkt sind auch operative Informationen zu erarbeiten über die Pläne, Absichten, Maßnahmen, Mittel und Methoden der Inspiratoren und Organisatoren politischer Untergrundtätigkeit im Operationsgebiet. Diese Aufgabe kann nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Diensteinheiten Staatssicherheit im engen Zusammenwirken mit den BruderOrganen, das mit der Abteilung abzustimmen ist. Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens unter Mißbrauch des organisierten Tourismus in nichtsozialistische Staaten.

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