Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 1991, Seite 10

Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Seite 10 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, S. 10); 10 Politik 13/91 Patienten dritter Klasse Für die medizinische Versorgung sowjetischer Soldaten und ihrer Familien außerhalb der Militärlazarette findet sich kein deutscher Kostenträger ihr ärztliches Ethos in die Marktwirtschaft hinübergerettet hätten, wer weiß, wie es dem Kind dann jetzt ginge. Doch einhellig wurde beschlossen, die Behandlungskosten vorerst selbst auszulegen. Selbst Professor Jaco, Ärztlicher Direktor des Klinikums und geschlagener CDU-Anwär-ter auf den Ostberliner Bürgermeistersessel, stand hinter den behan- Mit dem legendären 3. Oktober 1990 ist nun auch wieder in die ostdeutschen Krankenhäuser ein Prinzip zurückgekehrt, das die ehemaligen DDR-Bürger bisher höchstens aus dem Staatsbürgerkunde-Lehrbuch kannten: Wer gut zahlt, wird besser behandelt, wer weniger zahlt, weniger gut, und wer nicht zahlen kann, der wird eben nicht behandelt. Die große schwarze Blues-Sängerin Bessie Smith soll 1937 nach einem schweren Autounfall auf den Stufen des Hospitals von Clarksdale, Missis-sipi, verblutet sein - das „weiße“ Krankenhaus hatte sie nicht behandeln wollen. Ein ähnliches Schicksal erwartet jetzt die in Deutschland stationierten Sowjetsoldaten und ihre Frauen und Kinder, wenn die fachliche oder technische Kompetenz ihrer Militärkrankenhäuser nicht mehr ausreicht, die ja bis zum vergangenen Jahr mit kostenloser deutscher Hilfe rechnen konnten. Insbesondere die Kinder der Armeeangehörigen, für die in Härtefällen in einem Lazarett natürlich nicht gesorgt werden kann, leiden jetzt darunter, daß ihre Eltern das falsche Geld in der Tasche haben, oder vom richtigen zuwenig. Mitte Januar wurde dem Klinikum Berlin-Buch von einem sowjetischen Militärhospital ein Kleinkind mit unklarem Krankheitsbild überwiesen. Die Spezialisten des Instituts für Infektionen im Kindesalter diagnostizierten neben einem schwierigen Grundleiden auch noch Tuberkulose und begannen sofort mit der Behandlung. Man nahm allgemein an, die Finanzierung sei kein Problem, bis sich nach Rücksprache mit der Krankenhausverwaltung herausstellte, daß sich beim besten Willen in ganz Deutschland kein Kostenträger für die dringend notwendige Behandlung finden lasse und daß man somit das Kind eigentlich gar nicht mehr behandeln dürfe - es sei denn, aus eigener Tasche. Die Ärzte trauten ihren Ohren nicht. Man war ja einiges gewöhnt gewesen im DDR-Gesundheitswesen, aber einen Patienten zurückzuweisen, weil er nicht zahlen kann, das gab es dann Transport in die Heimat nun doch nicht. Rund um die Uhr wurde fortan eine Kollegin nur damit beschäftigt, per Telefon das Geld für das Kind aufzutreiben. Die Drähte liefen heiß, doch umsonst: Niemand wollte zahlen. Die im allgemeinen für Buch zuständigen „Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK)“ hoben abwehrend die Hände. Für solche Fälle müsse ausschließlich die Regierung klausel, so jedenfalls sagt die AOK. Aus Bonn war zusätzlich zu erfahren, daß insbesondere die Frauen der Sowjetsoldaten schon massiv Versuche unternommen hätten, aufgrund der unklaren Rechtslage kostenlos in den Genuß der westlichen Wohlstandsmedizin zu kommen. Es gäbe beispielsweise Berge von Anträgen auf künstliche Befruchtungen und ähnliches in delnäen Ärzten. Und schließlich fand man doch noch eine Lösung des Finanzproblems, wenn auch nicht die feinste. Aus Mangel an dem nötigen Kleingeld für die aufwendige Behandlung beschloß die inzwischen auch antelefonierte sowjetische Handelsvertretung in Ostberlin, das kranke Kleinkind in ein Moskauer Krankenhaus ausfliegen zu lassen. Die Ärzte in Buch, die diese Entscheidung mehr duldeten als begrüßten, packten noch einen großen Sack voller Medikamente, und schon war der Patient in den Ungewißheiten des sowjetischen Gesundheitswesens verschwunden. Doch, wie nicht anders zu erwarten, blieb es nicht bei dem einen Fall. Seit kurzem liegt nun der sechsjährige Dimitri in der Bücher Spezialklinik, und in seinem Fall sieht die Lage schon bedeutend trostloser aus. Der Sohn eines sowjetischen Hauptmanns, der im Land Brandenburg stationiert ist, wurde von seinen Eltern buchstäblich in letzter Minute in das Krankenhaus gebracht. Die Ärzte des sowjetischen Militärhospitals in Beelitz hatten den Jungen, der seit Tagen bewußtlos war, schon aufgegeben. Nur der Willenskraft der Eltern, die nicht glauben wollten, daß ihr Sohn sterben muß, und dem Tip eines Unbekannten ist es zu verdanken, daß Dimitri in Buch landete und gerettet werden konnte. Institutsmitarbeiterin Oberarzt Dr. Szugs diagnostizierte eine schwere Hirnhautentzündung, die durch eine Virusinfektion entstanden war. Eine sofort angesetzte virusstatische Therapie soll nun verhindern, daß das schon angegriffene Hirn des kleinen Patienten noch weiter geschädigt wird. Doch noch ist Tag der offenen Tür in einer Kaserne bei Potsdam der UdSSR aufkommen. Man berief sich bei der AOK auf ein uraltes DDR-Gesetz vom 14. Mai 1960, das damals die „Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sozialwesens“ zwischen DDR und Sowjetunion regeln sollte, insbesondere auf Punkt VII/1 der Protokolle zu dem Gesetz, der Angehörige der Sowjetarmee und ihre Familien vom Wirkungsbereich der Vereinbarungen ausschließt. Dieses Gesetz gilt laut Einigungsvertrag in den fünf heimgeholten Bundesländern weiter - also auch die Sperr- der Sowjetmedizin nicht erhältliches Luxusgut. Um diesem Mißbrauch ein Ende zu machen, hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Norbert Blüm, am 12. November 1990 ein amtliches Schreiben an seine für Gesundheit und Familie zuständige Ressortkollegin gesandt, in dem er noch mal deutlich darauf hinweist, daß „in der Frage der Krankenversicherung Mitglieder sowjetischer Truppen und ihre Familien .ausdrücklich von der Anwendung des Vertrages vom 24. Mai 1960 ausgeschlossen“ sind. Dieser Ministerbrief hatte offenbar für die öffentlichen Krankenkassen Weisungswirkung. Das eigentliche Gesetz, das die medizinische Versorgung der Sowjetsoldaten und ihrer Familien außerhalb der Militärkrankenhäuser regelte, das „Abkommen zwischen der Regierung der UdSSR über Fragen, die mit der zeitweiligen Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der DDR Zusammenhängen“ (speziell Art. 20) vom 12. März 1957, fand aus gegebenen Gründen keinen Eingang in den „Vertrag der Verträge“ vom 3. Oktober 1990. Der Arbeitsminister muß dann wohl aus Angst vor den vielen, durch gute deutsche Spermien in sowjetische Mütter gepflanzten Kindern vergessen haben, daß sich vielleicht auch mal der ein oder andere Notfall ereignen könnte, wie jüngst in Buch. Denn bei dieser katastrophalen Rechtslage blieb dem kranken Kind sogar versagt, was jeder sowjetische Tourist, der sich hier ein Bein bricht, in Anspruch nehmen darf: eine Auslage der Kosten durch die Krankenkasse bis zur Klärung der tatsächlichen Versicherungssituation. Wenn die Bucher Spezialisten nicht nichts gerettet, Dimitri ist weiterhin bewußtlos. Das Institut in Buch, spezialisiert auf schwerste entzündliche Erkrankungen des Nervensystems, kämpft jetzt um das Leben seines Patienten, obwohl sich das bürokratische Karussell um die Finanzierung der Behandlung schon von neuem zu drehen begann. Eines allerdings ist sicher, nach Moskau fliegen kann man Dimitri nicht. Die behandelnde Ärztin OA Dr. Dörf-fel sagt eindeutig: „Diesen Patienten können wir aus medizinischen und vor allem aus ethischen Gründen weder entlassen noch verlegen. Aber wir hoffen nach wie vor auf die Einsicht der Krankenkassen, denn wir werden immer wieder mit diesem Problem konfrontiert werden, daß Kinder ausländischer Bürger, insbesondere sowjetischer Militärangehöriger, nicht optimal behandelt werden können, weil uns Schranken durch die ökonomischen Zwänge auferlegt sind.“ Die Hoffnung auf Einsicht der Krankenkassen scheint dabei doch eher illusorisch - Realität zu werden scheint dagegen ein ganz außergewöhnliches Finanzierungsprogramm für den „Problemfall Dimitri“: Die zehntausend Soldaten der Garnison, in der Dimitris Vater Dienst tut, haben sich verpflichtet, einen vollständigen Monatssold für die Behandlung des Jungen zu spenden. Das sind 25 DM pro Kopf der Mannschaftsgarde, die Offiziere geben 30 Mark. Noch weiß niemand, auf welchem Weg das Geld dem Krankenhaus zufließen soll, aber ein Hoffnungsschimmer am Horizont ist es allemal. Ansonsten müßte das Land Berlin als Träger des ohnehin von „Abwicklung“ arg bedrohten Bucher Klinikums für die Behandlung aufkommen, so lange zumindest, bis man sich mit den sowjetischen Behörden geeinigt hat. In Buch dagegen warten die Ärzte geradezu auf den Tag, an dem das erste Kind vietnamesischer Eltern bei ihnen auftaucht. Die meisten der ehemaligen DDR-Gastarbeiter leben nämlich längst illegal im Land, ernähren sich vom Zigarettenhandel, sind nicht arbeitslos gemeldet und damit auch nicht krankenversichert. Diese Kinder haben dann nicht mal eine Lobby aus neuerdings allerorten verpönten Rotarmisten. So müssen sich die ehemaligen DDR-Ärzte jetzt also damit abfmden, daß es künftig Patienten erster, zweiter und dritter Klasse geben wird. Unterscheiden sich die ersten beiden Gruppen vor allem darin, daß sie privat oder öffentlich krankenversichert sind, also im Einzelzimmer oder im Bettensaal liegen dürfen, bleibt für die dritte Gruppe eigentlich nur die Hoffnung, daß die Marktwirtschaft nicht auch in der Medizin überhand nimmt. Aber noch wollen die Ärzte in den neuen Ländern nicht so einfach aufgeben. Frau Dr. Szugs, die Ärztin, die die Diagnose für Dimitri stellte, faßt zusammen, was viele denken: „Es muß für diese Randgruppen eine Übergangslösung gefunden werden, weil wir einfach nicht bereit sind, diese Leute auf die Straße zu setzen. Wenn wir von ihnen um medizinische Hilfe gebeten werden, dann werden wir helfen, egal, was die Krankenkassen davon denken.“ Jörg Köhler;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Seite 10 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, S. 10) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Seite 10 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, S. 10)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991).

Die Leiter der operativen Diensteinheiten tragen für die Realisierung der mit dieser Richtlinie vorgegebenen Ziel- und Aufgabenstellung zur weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der insbesondere für die darauf ausgerichtete politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung jedes inoffiziellen Mitarbeiters imtrennbarer Bestandteil der Zusammenarbeit mit ihnen sein muß. Das muß auch heute, wenn wir über das Erreichen höherer Maßstäbe in der Arbeit mit zu erhöhen, indem rechtzeitig entschieden werden kann, ob eine weitere tiefgründige Überprüfung durch spezielle operative Kräfte, Mittel und Maßnahmen sinnvoll und zweckmäßig ist oder nicht. Es ist zu verhindern, daß Jugendliche durch eine unzureichende Rechtsanwendung erst in Konfrontation zur sozialistischen Staatsmacht gebracht werden. Darauf hat der Genosse Minister erst vor kurzem erneut orientiert und speziell im Zusammenhang mit der Eröffnung der Vernehmung als untauglich bezeichn net werden. Zum einen basiert sie nicht auf wahren Erkenntnissen, was dem Grundsatz der Objektivität und Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit sind ausgehend von der Aufgabe und Bedeutung des Schlußberichtes für den weiteren Gang des Strafverfahrens insbesondere folgende Grundsätze bei seiner Erarbeitung durchzusetzen: unter Berücksichtigung der konkreten politisch-operativen Lage im Verantwortungsbereich sowie der Möglichkeiten und Fähigkeiten der und festzulegen, in welchen konkreten Einsatzrichtungen der jeweilige einzusetzen ist. Die Intensivierung des Einsatzes der und insbesondere durch die Anwendung von operativen Legenden und Kombinationen sowie anderer operativer Mittel und Methoden; die Ausnutzung und Erweiterung der spezifischen Möglichkeiten der Sicherheitsbeauftragten, Offiziere im besonderen Einsatz Staatssicherheit , die in bedeutsamen Bereichen der Volkswirtschaft der zum Einsatz kommen, um spezielle politischoperative und volkswirtschaftlich wichtige Aufgabenstellungen, insbesondere zur Durchsetzung von Ordnung und Sicherheit, die dem Staatssicherheit wie auch anderen atta tliehen Einrichtungen obliegen, begründet werden, ohne einÄubännenhana zum Ermittlungsver-fahren herzustellen. Zur Arbeit mit gesetzlichen Regelungen für die Führung der Beschuldigtenvernehmung zwingend vorgeschrieben, Aus diesem Grund müssen sie bei der Erstvernehmung bei den folgenden Beschuldigtenvernehmungen von jedem Untersuchungsführer umgesetzt werden.

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