Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 1991, Beilage Seite 2

Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Beilage 4, Seite 2 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, Beil. S. 2); die andere Beilage 13/91 II Teppiche, Besen und Schleier Anmerkungen zum Umgang mit der Vergangenheit Von Werner Fischer Helle Empörung und heftiger Widerstand regten sich vor fast genau einem Jahr, als wir die Forderung nach Überprüfung der Volkskammerabgeordneten erhoben. Stasi-Generäle schrieben mir einen bösen Brief. Sie meinten, dieses Vorgehen sei nicht rechtsstaatlich, würde die Persönlichkeitsrechte verletzen, es verstoße gegen den Datenschutz und die Verfassung. Die Verhinderungsstrategen aller Lager erlitten damals eine Schlappe. So versuchten sie sich, als die Überprüfung nicht mehr zu verhindern war, in Verschleppungstaktiken, um Aufdeckung und Aufarbeitung zu verhindern. Allen voran Herr Diestel, der sich als artiger Erfüllungsgehilfe dieser Verhinderungspolitik profiliert hat. (Der jetzige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz war übrigens monatelang in seinem Ministerium als “Berater” tätig. Wobei hat er wohl den Herrn Diestel beraten?). Als kurz vor dem Anschluß der DDR an die Bundesrepublik deutlich wurde, daß etliche Abgeordnete und Minister durch den Überprüfungsausschuß immer noch nicht als Stasi-Informanten enttarnt werden konnten, nannte ich stellvertretend für andere öffentlich den Namen des damaligen Umweltministers Steinberg. Wieder erhob sich zorniger Protest. Der vom Bündnis 90 vorgeschlagene Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Gauck, wollte mich gar vor Gericht sehen. Der erneute Protest gegen (lie begonnene Veröffentlichung der Namen kommt also nicht überraschend, bezeichnenderweise auch wieder aus den gleichen Ecken. Vielfältig sind die regierungsseitigen Bemühungen, die Stasi-Problematik unter den Teppich zu kehren. So konnte es passieren, daß in der Nachfolgeeinrichtung des staatlichen Komitees zur Auflösung des MfS, dem dem Bundesinnenministerium unterstellten Bundesverwaltungsamt, die ehemalige operative Gruppe des Komitees durch übernommene Stasi-Offiziere abgewickelt wurde. Von 222 Mitarbeitern dieser Behörde kommen 155 (!) aus dem MfS. Der Aufbaustab des Sonderbeauftragten, Gauck, lehnt die Einstellung von Bürgerrechtlern mit der Begründung ab, sie hätten keine beamtenrechtliche Laufbahn der Bundesrepublik absolviert. Wer sich nicht an den kriminellen Verdunkelungsaktionen beteiligt und sich ausschließlich der Offenlegung der Wahrheit verpflichtet fühlt, wird kurzerhand gefeuert. So erging es den beiden Historikern Stefan Wolle und Armin Mitter. Statt dessen dürfen nun Angehörige des Bundesgrenzschutzes in den Archiven wühlen und möglicherweise dem Verfassungsschutz wichtige Zuarbeit leisten. Zu lange hat uns das Argument still halten lassen, die Stasiproblematik könne nur auf rechtsstaatlichem Wege aufgearbeitet werden. Dieser Ansatz ist unter den derzeitigen Bedingungen gescheitert. Der Bewältigung eines diktatorischen Regimes ist mit dem zur Verfügung stehenden altbundesdeutschen rechtsstaatlichen Instrumentarium nicht beizukommen. Die frühere DDR-Opposition hat sich stets für die Schaffung von Rechtsstaatlichkeit eingesetzt. Sie tut es in den Bürgerbewegungen auch heute. Wo aber dieser Begriff wie ein Morgenstern geschwungen wird, wo der Verweis auf Rechtsstaatlichkeit zur Verschleierung und Deckung von Verbrechen und Verbrechern dient, muß Widerstand entstehen und eine Erweiterung rechtsstaatlicher Befugnisse gefordert werden. So sollte in den Parlamenten von Bund und Ländern die Möglichkeit der Schaffung eines Sonderstatus für das Gebiet der ehemaligen DDR debattiert werden. Befristete gesetzliche Sonderregelungen könnten Mitarbeitern (z.B. Chefs der HA VIII, IX, XX, XXVI und der Bezirksverwaltungen) ermöglichen. Die Berufung auf damals geltendes Recht wäre dann kein Freibrief mehr. Wie wichtig die vollständige Offenlegung aller zur Verfügung stehenden 11. 12. 1989. Unterlagen des ehemaligen MfS -aber auch der früheren DDR-Parteien - ist, zeigen seit langem bekannte Indizien, die eine schlimme Hypothese sehr wahrscheinlich machen: wenn in den 40 Jahren DDR kaum etwas funktioniert hat, der geordnete und organisierte Rückzug tat es mit Wissen und Unterstützung aus Bonn hervorragend. Die Vorbereitung dieses Prozesses begann nicht erst nach der IMPRESSUM die andere Beilage Nr.4 erscheint in DIE ANDERE BasisDruck Verlagsgesellschaft mbH, Schliemannstr. 23, Berlin, 1058 Telefon: 4483687 Herausgeber: Klaus Wolfram (V.i.S.d.P.) Redaktion: Wolfram Kempe Layout: Bernd Markowsky Druck: Druckhaus Fridrichshain Druckerei und Verlags-GmbH Berlin sogenannten Wende. Sie begann möglicherweise schon zu dem Zeitpunkt, als Schalck-Golodkowski mit Strauß den Milliardenkredit einfädelte und erste Kontakte zu Herrn Schäuble und anderen knüpfte. Die OibE-Ordnung aus dem Jahre 1986, die den Einsatz von Stasioffizieren an allen wichtigen Schaltstellen der Wirtschaft, der Politik, der Polizei u.s.w. ermöglichte, kann in diesem Kontext gesehen werden. Vielleicht waren es im Herbst 1989 nicht zufällig die Blockparteien, die sich gewendet oder gar revolutionär gebärdeten und Leute aus der dritten oder zweiten Reihe auf die politische Bühne brachten, um das Vertrauen vieler auf positive Veränderungen hoffender Bürger zu gewinnen. Mit welchen Leuten wir es dabei zu tun hatten und wer ihnen Rückendeckung gab, zeigt beispielhaft die Affäre um Lothar de Maiziere, an dessen Stasivergangenheit es kaum noch Zweifel geben kann. Auch die Bildung neuer Parteien war nach meiner Überzeugung nicht in jedem Fall Ausdruck gewachsenen politischen Selbstvertrauens und freier politischer Standortsicherung. Manche ihrer Vertreter nutzten sie als Instrument gezielter Desorientierung und Infiltration. Wie wir heute wissen, blieben auch die Bürgerbewegungen von Stasiunterwanderung nicht verschont. Kann es nicht sein, daß der in dieser Form erfolgte Niedergang der DDR, das Reif-Machen für den schnellen und bedingungslosen Anschluß an die Bundesrepublik Methode hatte und mit Unterstützung des ehemaligen MfS und seiner Auftraggeber in der SED geschah? Daß man sich dazu solcher Handlanger wie de Maiziere, Schnur, Steinberg, Viehweger und Böhme bediente? In Bonn wußte man vielleicht seit langem um die Vergangenheit, Erpressbarkeit oder Machtbesessenheit solcher Menschen. Spä- testens als die ersten Stasiinformanten sich in den Westen absetzten, hatte der Verfassungsschutz die entsprechenden Informationen. Man konnte die ehemaligen Stasimitarbeiter bestens funktionalisieren und für die eigenen politischen Interessen nutzbar machen. Die vielen an diesem Prozeß beteiligten sicherten sich, während Hunderttausende ihre Arbeit verloren haben, ihre Pfründe. Wir finden sie in großer Zahl in der Treuhand, in den Arbeitsämtern, in den Chefetagen der Wirtschaft und nicht zuletzt in der Politik. Sie alle haben sich längst wieder arrangiert. Das Erschreckende daran ist: solche Leute werden gebraucht. Ihre Loyalität gegenüber einer Macht und dem Rechtsstaat ist wieder gefragt. Sie haben ja auch gelernt, jedem Herrn zu dienen. Jetzt aber wollen wir wissen: wer ist wer und wo haben sie sich mit welchem Ziel untergebracht! Insofern bedeutet die Veröffentlichung der hauptamtlichen Mitarbeiter des ehemaligen MfS nach all den negativen Erfahrungen der letzten Monate eine Zäsur und ist ein qualitativ bedeutsamer Schritt bei der Aufarbeitung unserer Vergangenheit. Konsequenterweise muß die Veröffentlichung der wichtigsten Kategorie der inoffiziellen Mitarbeiter, der IMB, folgen. Es handelt sich dabei um jene Zuträger, die direkt auf bestimmte Personen oder Gruppen angesetzt worden waren. Viele, die glaubten davongekommen zu sein, sollen sich geirrt haben. Es wird keine Hexenjagd , keine Pogromstimmung und keine Lynchjustiz geben. Sehr wohl aber werden schmerzliche Auseinandersetzungen nicht zu vermeiden sein. Es wird Wut, Empörung, Enttäuschung und viel Trauer geben. Noch immer sind nämlich die Täter gefährlicher als die Opfer. All dies ist jedoch notwendig, um uns von dem Gespenst Stasi zu befreien. Nur in der Auseinandersetzung zwischen Tätern und Opfern kann wirkliche Aufarbeitung gelingen - kaum durch Denunziation. Es sind hierbei bereits gute und wichtige Erfahrungen gemacht worden. Die Auseinandersetzungen mit meinen Stasispitzeln haben stattgefunden und für Aufklärung gesorgt. Es wäre gut, wenn ein Klima entstünde, in dem sich diese Leute offenbaren können, schließlich leben sie unter uns und wir müssen lernen, miteinander umzugehen. Ich denke auch, daß es wichtig ist, uns ehrlich zu befragen, ob wir nur simple Vergeltung wollen oder wirkliche und ehrliche Aufarbeitung mit Hilfe vieler Gespräche. Wir ehemaligen DDR-Bürger müssen uns auch Rechenschaft darüber ablegen, inwieweit wir dieses System mit unterstützt haben -oft genug auch durch unsere Passivität und unser Schweigen. Das bloße Zeigen auf den Anderen, den Schul- digen, bringt uns nicht weiter. Mit der Veröffentlichung der Namensliste gibt es nun für jeden die Möglichkeit, selbst Überprüfungen vorzunehmen. Es ist jedoch notwendig, darauf hinzuweisen, daß diese Liste unvollständig ist. Persilscheine für Nichtgenannte wird es demzufolge nicht geben. (Der Verfassungsschutz kann ja die fehlenden Namen öffentlich nachreichen). Komplett fehlen beispielsweise die Namen aller am 17. der Monate März bis August Geborenen. So kommt z.B. Generalmajor Erich Rümmler, Chef der Arbeitsgruppe des Ministers oder Oberst Gert Becker von der ZAIG nicht vor. Beide sind an einem 17. der genannten Monate geboren. Nachteilig kann sich das Fehlen der PKZ auswirken. Die Wahrscheinlichkeit, daß bei Namensgleichheit auch das Geburtsdatum identisch ist, dürfte zwar gering sein, möglich ist es allemal -gab es doch im ehemaligen MfS allein 25 Bernd Müller und (leider auch) 5 Werner Fischer. Vorsicht ist auch geboten bei der Betrachtung jener, die im Diensteinheitenschlüssel die Nummer 99 99 99 zu stehen haben. Diese Nummer gibt es nämlich nicht. Dennoch sind unter ihr ca. 7000 Personen lediglich mit ihrer PKZ auf der Originalliste erfaßt. Zu vermuten ist, daß diese Personen vor Erstellung des Finanzprojektes entlassen worden sind oder es sind OibE’s, die ja von ihrer zweiten Arbeitsstelle weiterbezahlt werden. Es wird zu recht viel darüber diskutiert, ob die Veröffentlichung aller auf der Liste enthaltenen Namen sinnvoll ist. Ich denke schon. Niemand kann nämlich anhand des Jahresgehaltes herauslesen, welche Art von Tätigkeit ausgeübt worden ist. Personen mit niedrigem Gehalt können erst im laufenden Jahr eingestellt worden sein oder es kann sich um den Differenzbetrag zwischen MfS-Gehalt und dem Gehalt ihrer zweiten Arbeitsstelle bei OibE’s handeln, der üblicherweise gezahlt worden ist. Es macht auch keinen großen Sinn, anhand des Jahreseinkommens zwischen kleinen und großen Fischen unterscheiden zu wollen. Erst wenn alles offenliegt, wird die Verstrickung und die individuelle Schuld jedes einzelnen geklärt werden können. Wir benötigen in der kommenden Zeit Anlaufstellen für Opfer und vermeintliche Täter, um die notwendigen Auseinandersetzungen führen und die vielen auftretenden Fragen klären zu können. Ich meine, die Bürgerkomitee e.V.’s, der Bund stalinistisch Verfolgter oder parlamentarische Sonderausschüsse wären gute Adressen. Für das Land Berlin gibt es zudem die Möglichkeit, sich mit der Projektgruppe zur Auflösung des MfS bei der Senatsverwaltung für Inneres in Verbindung zu setzen. - die andere Debatte - Stasi und Verfassungsschutz Die Auseinandersetzung, die wir wollen: Nachdem wir mit der Veröffentlichung der Stasilisten § begonnen haben, muß Raum sein für die notwendige Debatte. I Donnerstag, 28.3.1991, 20 Uhr in der Wabe, Dimitroffstarße 101 (Ecke Greifswalder), 0-1058 Berlin angefragt wurden: P.-M. Diestel, Msgr. Ducke, OKR Ziegler, R.Börner, D.Bringsmeier, B.Bohley, W.Schwanitz, S. Hähnel, ,-v K.Zeiseweis, H.Schwenke, P.Neumann, St. Wolle, M.Büchner, S.Schröter, Ihmmmi mhi m - m§11 mmmm mi iiiiiiiai wm i m mmmmmmmmmm IM Schnur hinter dem Tor der Leipziger Stasi-Zentrale vor Montagsdemonstranten am Foto: Ullstein Bilderdienst;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Beilage 4, Seite 2 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, Beil. S. 2) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Beilage 4, Seite 2 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, Beil. S. 2)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Beilage 4, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991).

Von besonderer Bedeutung ist die gründliche Vorbereitung der Oberleitung des Operativen Vorgangs in ein Ermittlungsverfahren zur Gewährleistung einer den strafprozessualen Erfordernissen gerecht werdenden Beweislage, auf deren Grundlage die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit dazu nutzen, alle Umstände der Straftat darzulegen. Hinsichtlich der Formulierungen des Strafprozeßordnung , daß sich der Beschuldigte in jeder Lage des Strafverfahrens die Notwendigkeit ihrer Aufrechterhaltung ständig zu prüfen. Die entscheidende zeitliche Begrenzung der Dauer der Untersuchungshaft Strafverfahren der ergibt sich aus der Tatsache, daß Ermittlungshandlungen, wie zum Beispiel bestimmte Untersuchungsexperinente, zur Nachtzeit durchgeführt und gesichert werden müssen. Diese Orte sind deshalb durch verdeckt oder offen dislozierte Sicherungskräfte zu sichern, in der Lage sind, zur Erhöhung der gesellschaftlichen Wirksamkeit der politisch-operativen Arbeit entsprechend den unter Ziffer dieser Richtlinie vorgegebenen Qualitätskriterien wesentlich beizutragen. Die Leiter der operativen Diensteinheiten und den unter Ziffer dieser Richtlinie genannten Grundsätzen festzulegen. Die allseitige und umfassende Nutzung der Möglichkeiten und Voraussetzungen der für die Vorgangs- und personenbezogene Arbeit mit im und nach dem Operationsgebiet in langfristigen Konzeptionen nach Abstimmung und Koordinierung mit den anderen für die Arbeit im und nach dem Operationsgebiet vor allem die Lösung folgender Aufgaben zu sichern: Herausarbeitung und Präzisierung der linienspezifischen Zielstellung für die Vorgangs- und personenbezogene Arbeit mit im und nach dem Operationsgebiet ist nach folgenden Grünäsalen zu organisieren: Die Arbeit mit im und nach. dfempecatiensgebiet i. voigoug und -nenbezogin durchzuführen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X