Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 1991, Beilage Seite 15

Die Andere, Unabhaengige Wochenzeitung fuer Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Beilage 4, Seite 15 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, Beil. S. 15); ?Die Ratten kommen an Bord Wie die Jungfrau zum Kinde, so kam die Zeitung ?Die Andere? quasi ueber Nacht in den Ruf, besonders befaehigte, besonders agile Journalisten zu beschaeftigen, denen es endlich gelang, Dokumente zu beschaffen, die so ?heiss? zu sein scheinen, dass man sich gar keine Vorstellungen zu machen vermag ueber die gigantischen Tresore, in denen sie bisher gelagert haben moegen. Fuer mich freilich interessanter als die Gehaltslisten der Stasi-Mitarbeiter -sie werden ohnehin erst spannend von 25000 Mark abwaerts (dass ein Herr Mielke, Erich, fuer den Stasi gearbeitet langen Kampf als Sieger, und darum gelaeutert, reif und ohne Rachegefuehle hervorgingen. So etwa, ich glaube, geht doch das Ethos vom geglueckten Widerstand Nun geht diese Rechnung womoeglich nicht ganz auf, denn von den 16 Millionen sind zu substrahieren ein grosser Teil ebenjener auf den Listen verzeich-neter Personen. Aber, ich deutete es bereits an, ich mache mir ernsthaft Sorgen um die gegnerische Mannschaftsstaerke, die womoeglich so gewaltige Defizite aufweist, dass die zu erwarten- detwas tut mir gut daran. Und das sage ich weniger aus Hass auf die einstigen Observierer, die immerhin auch mir zu recht aufregenden Stunden verholfen hatten, sondern vielmehr aus einem Gefuehl der Ohnmacht heraus, der Ohnmacht gegenueber der Stagnation beim Aufarbeiten der Stasi-Problematik; inklusive uebrigens einer gewissen Enttaeuschung, meine eigenen Akten nicht lesen zu duerfen, was ich zu gern mal taet?. Kurzum: es ist mir fast egal geworden, was sich bewegt, Hauptsache es bewegt sich ueberhaupt noch etwas. Und kaum noch einmal wieder- Foto: Michael Fritsch hat, war mir frueher schon gelegentlich zugetragen worden; und ueberhaupt, wer liest schon Namensliste?) - waeren Listen darueber, wem eigentlich, welchen Nachrichtendiensten, Nachrichtenmagazinen, Zeitungen etc. genau diese jetzt von der ?Anderen? veroeffentlichten Listen bereits seit Wochen, Monaten Vorlagen, ohne dass sie aehnliches damit anzufangen wussten?! Bleibt an dieser Stelle die Frage anzuschliessen, welche Tugenden sich dahinter verbergen, ein gekauftes oder recherchiertes Material nicht zu benutzen, zumindest nicht ?so? zu benutzen. Wissen ist Macht ich verstehe nichts von der Informationspolitik der Geheimdienste und nichts davon, wie sich womoeglich nicht preisgegebene Informationen fuer Nachrichtenmagazine bezahlt machen, umso waermer wird mir ums Herz, wenn ich die Politiker reden hoere, wie sie zunaechst und immer wieder Verstaendnis aeussern und dann ein ?aber? hinzufuegen und je vollbluetiger desto sattsamer ganze oder halbe Buergerkriege probhezeien, die Szenarien von Mord und Totschlag erstellen und mehr dergleichen. Dabei sind mir ihre vermeintlichen Befuerchtungen wenig verstaendlich, denn wenn ich seit der mit Recht so genannten ?Wende? ueberhaupt etwas dazugelernt, oder richtiger: dazuerfahren habe, so die Erkenntnis, dass die DDR doch offenbar ein Voel-klein von 16 Millionen Widerstandskaempfern beherbergte. Wo soll denn ploetzlich die noetige Anzahl von Feinden herkommen, die es nunmal braucht fuer einen Buergerkrieg. Es waere doch guenstiger, will mir scheinen, statt nun aufregende Buergerkriegsszenarien zu erstellen, viel mehr an die ?Moral der Widerstandskaempfer? zu appelieren, jener 16 Millionen Partisanen also, die nun aus dem jahrzehnte- den Gefechte von kaum allzu langer Dauer sein wuerden. Wozu es ausserdem noch kommen soll, und das ist zweifellos richtig, das sind die persoenlichen ?Nachstellungen? in Betrieben, Hausgemeinschaften, Sportklubs und was dergleichen intimere Zirkel mehr sind. Aber warum soll es erst dazu kommen? Das gibt es doch laengst. Es mag makaber klingen und ist vermutlich kaum zu halten, aber irgendwie hat man ein bisschen den Eindruck, als seien grosse Teile der DDR-BeYOelkerung dabei, sich ihre eigenen, naemlich ?neuen Juden? zu schaffen; dabei mag ja eine Auflistung ganz guenstig kommen, sie waere aber nicht noetig gewesen. Ich sah einen Fernsehbericht ueber ein Ehepaar, das die letzten 10 Jahre brav und geduldig in seiner 2-Zimmer-Wohnung gesessen hat und nun voellig uneigennuetzig meinte, es sei fuer es unertraeglich, dass in der groesseren Nachbarwohnung eine Familie wohnt, wo der Mann beim Stasi war. Und ich sah viele aehnliche Berichte und konnte mich nie des Eindrucks erwehren, aus den bravesten Untertanen der Vorwendenzeit sind heute die lautesten Kaempfer fuer eine neue Gerechtigkeit geworden. Wenn ich schon makabererweise von den ?neuen Juden? sprach, und mir wird schwarz vor den Augen dabei, so kann ich nun auch von den Ratten sprechen, die sich im Nachhinein sehr eilig zum Widerstand zu zaehlen begannen und noch heute nicht zu sagen vermoechten, ob es nun der oder die Stasi heisst. Wer mag schon weise genug sein zu wissen, ob die Veroeffentlichung der Gehaltslisten einer sogenannten Vergangenheitsbewaeltigung nuetzlich oder hinderlich sein kann. Dass ich fuer die Veroeffentlichung bin, koennte ich nicht mit Vernunftsgruenden erklaeren. Irgen- holen muss ich, dass ich die Listen im Grunde totlangweilig finde. Ich habe mich damit abgefunden, in diesem Jahrtausend wohl kaum noch etwas Wesentliches zu erfahren ueber das Phaenomen Stasi, auch die Veroeffentlichung wird daran nichts aendern, das macht sie aber nicht unrichtig. Dass ich selbst eher dazu neige, mir andere Themen zu suchen, hat mit meiner Betroffenheit zu tun und dem Wissen, dass Betroffenheiten immer auch dazu taugen, die Freiheit des Denkens, des Reflektierens einzuschraenken. Vermutlich ist dies nicht gerade eine Eigenempfehlung. Ich erinnere mich an die Reaktionen, die ich auf einen Text erfuhr, den ich zur Affaire de Maiziere im ?Freitag? veroeffentlichte. Ich hatte etwas ueber dem Umgang mit der Stasi-Problematik ganz allgemein sagen wollen und ueber meinen einstigen Anwalt, den ich (bedauerlicherweise?!) als fair und gut erlebt hatte, und ploetzlich stand ich da in meinem Bekanntenkreis als einer, der an, wie heisst es doch so einfallsarm: alten Seilschaften flickt. Das mochte mir zwar schmeicheln, aber war darueber hinaus vermutlich lediglich Ausdruck einer Verengung im Denken auch um mich herum. Um abschliessend noch einmal auf die Gehaltslisten zu sprechen zu kommen: ich kann die allzulauten Befuerworter der Veroeffentlichung nicht sonderlich gut leiden, mit ihren ebenso lauten Gegnern verkehre ich in der Regel nicht. Ich gratuliere den Herausgebern der Zeitung zu ihrem Mut und ihrer Unprofessionalitaet und wuensche Ihnen steigende Auflagen; letzteres, um irgendwann auch mal wieder mit anderen Themen jemanden zu erreichen. Detlef Opitz Viel- leicht, teilweise" Ich bin gegen diese Veroeffentlichung! Kein Wunder, mag mensch sagen, der hat ja selbst mit der Stasi zusammengearbeitet. Und: Die PDS hat selbst nichts oder wenig zur Aufarbeitung der MfS/SED/DDR-Geschichte geleistet. Beides stimmt. Und es stimmt auch, dass offensichtlich die Bereitschaft abnimmt, sich ernsthaft mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Ich hatte die Hoffnung, dazu beitragen zu koennen, eine oeffentlichere, breitere Diskussion darueber in Gang zu setzen, was das MfS war, warum so viele Menschen in der DDR einen Geheimdienst und breite Ueberwachung als notwendig und nicht menschenverachtend betrachtet haben, warum das MfS mit revolutionaerer Verklaerung einzig als Instrument im ?antiimperialistischen Kampf? gesehen wurde. Diese Diskussion hat es nur in Ansaetzen gegeben, jedoch auch unter jenen ehemaligen Mitarbeiterinnen des MfS, die fuer sich ehrlich nach Antworten suchen, fuer die ?Verzeihung wirklich harte Arbeit, kein kurzer Prozess? ist. Es gibt eine Differenzierung unter ehemaligen MfS-Mitarbeiterlnnen, nicht nur nach dem Grad ihrer Verantwortung, nach dem Grad ihre Schuld gegenueber Opfern, sondern auch nach dem Grad ihres Willens und ihrer Faehigkeit, ueber den objektiven Charakter der Staatssicherheit und damit ihre eigene objektive Verstrickung in ein Ueberwachungssystem nachzudenken. Ist es ueberhaupt (noch) moeglich, eine weitergehende, ernsthafte, oeffentliche Vergangenheitsauseinandersetzung zu bewirken. Zuviel scheint dagegenzustehen: - mangelndes Interesse unter vielen ?Ehemaligen? (SED-, MfS-?Block?-Genossen), die ?in Ruhe gelassen? werden wollen. - mangelndes Interesse der ?Wessis?, u.a. der Bundesregierung, da eventuell zu viel eigener Dreck nach oben gespuelt wird (siehe Schalck-Golodko-wski), da eine generelle Geheimdienstfeindlichkeit kaum gewollt sein duerfte. Eine Ausnahme bildet die Verfolgung der ehemaligen HV-A. Aber welche Wessis interessiert die XX? - Reduzierung von Vergangenheitsbewaeltigung auf die Stasi, auch durch einen Teil der ehemaligen DDR-Oppo-sition. - mangelndes Interesse grosser Teile der ehemaligen DDR-Buergerinnen, da es immer schwerer faellt, ueber eigenes Mittun, ueber eigene Mitverantwortung nachzudenken, als die Schuldigen ausser sich selbst klar benannt zu bekommen, und damit aus dem Schneider zu sein. Kann nun also die Veroeffentlichung der Mitarbeiterliste gegen diese Tendenzen wirken? Ich bin geneigt zu sagen: vielleicht, teilweise. Schliesslich haben bisher am ehesten umstrittene Aktionen fuer eine oeffentliche Auseinandersetzung gesorgt (Sturm der Normannenstrasse am 15.1.90, Besetzung und Hungerstreik im September, Veroeffentlichung der Objektliste in der taz), weniger die ?stille? Aufarbeitung in Buch-Veroeffentlichungen, Arbeitsgruppen usw. Haben aber diese Auseinandersetzungen auch mehr zur Veraenderung von Positionen, mehr zur Erkenntnis beigetragen? Oder haben sie eher Fronten, dogmatisches Denken verhaertet? Zumindest, denke ich, sollten Buergerbewegungen, ehemalige DDR-Opposi-tion, Aufloesungskomitees auf folgende Gegenargumente ernsthaft eingehen: 1. Klaus Wolfram sagt, es geht um Oeffentlichkeit nicht um Pauschalverur- teilung. Selbst wenn ich von dieser Intention der Redakion ausgehe, was ich tue, bleibt die Frage, ob nicht die gesellschaftliche Atmosphaere, das oben beschriebene Desinteresse vieler DDR-Buergerinnen dagegen steht. Es gibt ein Mehr an Pauschalverurteilung, ein Weniger an Differenzierung. Ich ertappe mich selbst bei der Frage, ob der ?X? derjenige ist, den ich kenne, ob ?Y? verwandt ist mit ?Z?, den ich kenne. Eine Atmosphaere, die Menschen zu Distanzierungen zwingt. 2. Eine Pauschalverurteilung in der Oeffentlichkeit mit Folgen, wie sie fuer ?Klaus Willmer? (taz vom 22.3.91) spuerbar und existenzbedrohend fuer die Familie werden, traegt auch dazu bei, ein weiteres Nachdenken zu verhindern, weil neue Opfer entstehen. Dabei meine ich nicht die von Reinhard Schult geforderten beruflichen Konsequenzen fuer Verantwortliche in leitenden Stellungen, sondern die Verhinderung von Neuanfaengen als Gemuesehaendler, Gaertner usw. Muessen wir nicht auch gegen solche Formen der Vergangenheitsbewaeltigung auftreten? In diesem Sinne ist die Veroeffentlichung auch kontraproduktiv, traegt sie zu einer Pauschalsolidarisierung mit den MfS-Mitarbeitern unter PDS-Mit-gliedern und Sympathisanten bei. 3. Wird mit einer Veroeffentlichung zu diesem Zeitpunkt nicht die gegenwaertige soziale Auseinandersetzung in eine Richtung gedraengt, die von der Verantwortung der Regierenden ablenkt? Zumindest passt es den Propagandisten des Bundeskanzlers in den Kram. 4. Ist die Autentizitaet eines solchen Dokumentes wirklich garantierbar, oder kann in oder vor der Quelle daran manipuliert worden sein? Nun, da die Veroeffentlichung erfolgte, hoffe ich, dass die oeffentliche Diskussion wenigstens zu einer tiefergehenden, differenzierten Auseinandersetzung hingefuehrt werden kann. Rainer Boerner Mitglied des PDS-Vorstandes Erklaerung Helmut Schieferdecker aus Berlin Mitte erklaert, dass er nicht identisch ist mit dem in den Gehaltslisten der Stasi gefuehrten Mitarbeiter gleichen Namens.;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Beilage 4, Seite 15 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, Beil. S. 15) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Beilage 4, Seite 15 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991, Beil. S. 15)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 13 vom 27.3.1991, Beilage 4, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 13 1991).

Der Leiter der Hauptabteilung hat dafür Sorge zu tragen und die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, daß die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren wegen nachrichtendienstlicher Tätigkeit und die Untersuchung damit im Zusammenhang stehender feindlich-negativer Handlungen, Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Anweisung zur einheitlichen Ordnung über das Betreten der Dienstobjekte Staatssicherheit , Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit . Anweisung zur Verstärkung der politisch-operativen Arbeit in den Bereichen der Kultur und Massenkommunikationsmittel Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung des Ministers zur Leitung und Organisierung der politischoperativen Bekämpfung der staatsfeindlichen Hetze Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung vorbeugende Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung politischer Ooiergrundtäiigkeii Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung Über den Vollzug der Untersuchungshaft und die SeMto lelatung der Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Ordnung zur Organisierung, Durchführung und des Besucherverkehrs in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - Besucherordnung - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Ordnung zur Gewährleistung der Sicherheit im gesamten Verantwortungsbereich, vorrangig zur Sicherung der politisch-operativen Schwerpunktbereiche und zur zielgerichteten Bearbeitung der politisch-operativen Schwerpunkte, und der Vorgangs- und personenbezogenen Arbeit im und nach dem Operationsgebiet geht übereinstimmend hervor, daß es trotz der seit dem zentralen Führungsseminar unternommenen Anstrengungen und erreichten Fortschritte nach wie vor ernste Mängel und Schwächen in der Arbeit mit den Inhaftierten aus dem nichtsozialistischen Ausland konsequent durch, Grundlage für die Arbeit mit inhaftierten Ausländem aus dem nichtsozialistischen Ausland in den Staatssicherheit bilden weiterhin: die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft. Zur Durchführung der UnrSÜchungshaft wird folgendes bestimmt: Grundsätze. Die Ordnung über den Vollzug der Untersuchungshaft regelt Ziel und Aufgaben des Vollzuges der Untersuchungshaft, die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei sowie - die Strafprozeßordnung , besonders die, zu besitzen. lach der theoretischen Ausbildung erfolgt die praktische Einarbeitung.

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