Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 12 1991, Seite 2

Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 12 vom 20.3.1991, Seite 2 (And. W.-Zg. Ausg. 12 1991, S. 2); 2 Von uns und anderen 12/91 KOMMENTAR ♦ Das Messelhemd der Geschichte Dos schöne on Johrestogen ist, daß Völker in der Regel schneller neue bekommen als alte loswerden. Besonders zu Zeiten, in denen viele glauben, Geschichte würde gemocht, (und vielleicht gar noch durch sie selbst - auf Straßen und Plätzen etwa). So war beispielsweise dem Kanzler schon am Abend der „Schicksalswahl" vom 18. März 1990 klar, daß ein neues Datum für den Abreißkalender hergestellt war und er von sich sagen konnte, er sei dabeigewesen. Das tat er dann auch. Der Mantel der Geschichte aber, in den sich der schwere Mann aus Bonn so gerne hüllt, klatschte vielen anderen vor die Augen. Erst jetzt, um das erste Jubiläum herum, klärt sich das Bild. Erst jetzt werden die notwendigen Fragen gestellt. An erster Stelle: Wie ist es eigentlich zu diesem Wahltermin gekommen? Nachdem die Regierung Modrow allen am Runden Tisch sitzenden politischen Gruppen und Parteien eine Regierungsbeteiligung angeboten hatte, traf man sich im Berliner Hotel Johannishof, um die Einzelheiten zu besprechen. Die SPD wurde vertreten vom IM Böhme, der DA vom IM Schnur, die CDU vom IM Steinberg und von de Maiziere, die PDS vom ehemaligen 1. Sekretär der SED-Bezirks-leitung Dresden, Hans Modrow, und von Gysi. Bei diesen Gesprächen erzwangen CDU und SPD die Vorverlegung des Wahltermins, weil sie sich weigerten, einer solchen erweiterten Regierung beizutreten. Natürlich aus moralischen Gründen. Natürlich, weil es für die hochkarä- tigen IMs unmöglich war, mit ihren ehemaligen politischen Dienstherren wieder an einem Tisch zu sitzen. Das kann man ja verstehen. Schon während der Gespräche wunderten sich unabhängige Beobachter über die unerschütterliche Einigkeit der Unterhändler von SPD und CDU ebenso wie über die schnelle Bereitschaft der PDS, sich auf eine Vorverlegung des Wahltermins einzulassen. Nachdem aber im vergangenen Jahr Stück für Stück der Vorhang gelüftet wurde (der Mantel der Geschichte eben), passen die Teile des Puzzle-Spiels plötzlich aneinander. Seit man die Pläne des MfS, wenn auch in Bruchstücken, kennt, erstaunt es nicht mehr, daß an den Spitzen der Blockparteien - und eben auch bei etlichen neu gegründeten politischen Gruppen - sogenannte „Spitzen-IMs" auftauchten und vor etwas mehr als einem Jahr die politischen Weichen stellten. Doch nach wessen Anleitung handelten sie? Einzig und allein nach einem imaginären Überlebensplan der Stasi, den bis jetzt zwar noch niemand gefunden hat, der aber zum Inventar jedes ordentlichen Geheimdienstes gehört? Und blieben die Herren aus Bonn, nachdem sie denn da waren, wirklich im Stande der Unschuld, was die Machenschaften der Stasi betrifft? Es kommen schwere Zweifel, wenn man die Mühe bedenkt, die sich Bundespolitiker machen, um von den Bürgerkomitees zurückzubekommen, was diese gerade noch der Stasi entreißen konnten. Wenn man in Bonn weiter versucht, sich mit Ausreden oder Schweigen um notwendige Stellungnahmen herumzumogeln, wird für Helmut Kohl und seine Mannen der Mantel der Geschichte bald zu einem Nesselhemd. Wolfram Kempe LESERBRIEFE Ringsherum Schweigen Erstmalig las ich Ihre Zeitung, die Ausgabe 5/91. Und auf Ihren Seiten beeindruckte mich Annette Leos Darstellung über die Schwierigkeiten mit der Vergangenheitsbewältigung am Institut für Geschichte der Humboldt-Universität. Recht eindeutig wurden die Ereignisse des Jahres 1972 beschrieben. Das Deprimierende des Inhalts ist in der Gegenwart IMPRESSUM Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur u. Kunst erscheint in DIE ANDERE BasisDruck Verlagsgesellschaft mbH, Schliemannstr. 23 Berlin, 1058 Telefon: 4 48 36 87 PSF 148, Berlin, 1058 Bankverbindung: Berliner Stadtbank AG BLZ: 120 205 00 Konto-Nr.: 4381 39 3300 DIE ANDERE erscheint wöchentlich mittwochs und kostet 1,80 DM Herausgeber: Klaus Wolfram (v.i.S.d.P.) 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So sehr den Studenten von 1968 und 1972 zu wünschen ist, daß die Zusammenhänge entschlüsselt werden mit sich anschließenden Konsequenzen, deutet doch alles darauf hin, daß dies nicht geschieht - im großen (der ehemaligen DDR) und im kleinen (jedes Institut, jede Verwaltung, jeder Betrieb ) Mit der Wahl vom 18. März 1990 wurde eine Entscheidung für die D-Mark mit all ihren Folgen „durch den Bauch“ getroffen. Die alte DDR-Gesell-schaft zerfiel trotz oder gerade wegen ihrer hochprozentigen „Organisiertheit“. Sie spaltete sich auf in NSW-Reisekader, DM-Besitzer, Autobesitzer mit oder aus Sonderkontingenten, Protegierte mit Beziehungen -und Menschen ohne dies alles. Als die Mauer fiel und der staatliche Druck genommen wurde, entgleiste fast folgerichtig der Zusammenhalt. Mit fortschreitender Entwicklung spielten sich andere Begriffe in den Vordergrund: Treuhand, Abwicklung, Warteschleife. Das Bangen um den Arbeitsplatz wird bestimmend, Egoismus verdrängt Solidarität. In diesem Klima schreitet die Aufarbeitung der Geschichte „zögerlich“ voran. Es ist deshalb nahezu folgerichtig, daß sich Frau Dr. Wiese mühen muß und ringsum Schweigen herrscht. Klaus Hom, Dresden Hugenotten lügen nicht (Betrifft: Die Maiziere geht weiter, die andere Nr. 10/91) Die Misere, Herr Schult, wird auf Ihre Weise immer so weitergehen, wenn man nämlich vor einer Situation steht, die man verursacht und dann nicht bewältigt hat! Ihr ganzer Kommentar beruht doch nur auf einer Suche nach Schuldigen, erstaunlich nur, daß Sie sich selbst dabei so übersehen! Ich bin altes SED-Mitglied, es 20 Jahre gewesen aus Begeisterung für den Marxismus, weiß, daß meine Partei die von Ih- nen gemachte Revolution hätte selber machen müssen, da sie diese Misere selbst verursacht hatte und demzufolge am besten wußte, wo der Hase im Pfeffer lag. Wir haben sie aber nicht gemacht, wir waren zu wenig und auch keine Kämpfer, die wir immer zu sein Vorgaben! Sie haben die Revolution gemacht, dafür sei Ihnen Dank, aber, Herr Schult, dilettantisch; an den Runden Tisch hätte meine Partei z. B. nicht gehört, es sei denn als wieder in ihre zwei Bestandteile aufgespalten: SPD und KPD. Das hätten Sie vielleicht sogar fordern können. Sie haben es nicht gemacht! Und nun zu Ihren Anschuldigungen in bezug auf Lothar de Maiziere. Da gehen Sie, entschuldigen Sie den Ausdruck, verdammt zu weit oder können Sie es beweisen? Dann tun Sie es! Ihnen, Herr Schult, würde ich sehr den Besuch des Hugenottenmuseums gleich bei Ihnen gegenüber empfehlen, da können Sie viel lernen über die Rolle, die Hugenotten in Berlin gespielt haben und auch nach 300 Jahren offensichtlich noch spielen. Ein bißchen Geschichtsbewußtsein sollte auch bei Ihnen noch vorhanden sein aus unserer alten Erziehung! R. Matthee, Hugenottin und ehemalige Russischlehrerin, Berlin Arbeitslose sind nicht schwach Zunächst mal: Ihr behandelt alle bei uns anstehenden Probleme und das sehr sachlich, kritisch und gut. Bleibt so und haltet durch! Aber zu einem Punkt möchte ich Euch kritisieren, und nicht nur Euch - auch andere Medien begehen permanent diese Sünde. Es geht um einen Artikel in einer der letzten Ausgaben des Vorjahres über Klaus Grehn in „Eine Lobby für die Schwachen“. Nichts gegen den Artikel und schon gar nichts gegen Klaus Grehn - aber alles gegen die Bezeichnung der Arbeitslosen als „die Schwachen“. Hier wird doch gedan- kenlos die westliche Diktion übernommenen, die dort mit voller Absicht geprägt wurde, um den Arbeitslosen selbst die Schuld an ihrem Los infolge eigener Körper-, Geistes-, Leistungsschwäche zuzuweisen. Es soll allen Leuten suggeriert werden, daß die Arbeitslosen die zu Recht aussortierten Minderwertigen sind - das aber ist doch einfach nicht wahr! Schließt ein ganzer Betrieb, werden auch die Fleißigsten und Tüchtigsten arbeitslos - ja oft sind gerade die Besten von der Entlassung betroffen! So z. B. im Apothekenwesen, wo jetzt studierte Apotheker ein sich mit den Dienstjahren steigerndes hohes Gehalt nach dem Bundesgesetz erhalten müssen. Damit werden sie für den nun meist privaten Betreiber der Apotheke sehr teuer und zugunsten billiger Anlem-kräfte bis auf einen gesetzlich nötigen, möglichst dienstjungen Apotheker entlassen. Diese Beispiele zeigen doch, daß keiner, der (noch) Arbeit hat, auf einer höheren Stufe steht und auf den arbeitslosen „Mies-ling“ herabsehen kann. Die Arbeitslosen schämen sich ohnehin ihrer Arbeits- und Nutzlosigkeit und suchen oft genug die Schuld bei sich - grübeln und werden depressiv. Mit der Bezeichnung als „die Schwachen“ stoßen wir sie noch tiefer in den Dreck - wo eigentlich Solidarität angesagt wäre! Auf derselben Ebene liegt auch die im Westen übliche Bezeichnung „sozial schwach “ für finanziell schlechtergestellt -auch dort soll Asozialität und Leistungsschwäche assoziiert werden. Die Marktwirtschaftler wollen uns glauben machen, daß reich gleich tüchtig, fleißig, klug, stark und arm gleich. hilflos, faul, dumm und -g schwach bedeutet, und damit J ist klar, daß jeder, der arm ist, 2 selbst schuld und nur zu ver-z achten ist. So einfach ist das & eben nicht, und gegen dieses Denkschema heißt es mit al-§ lern Nachdruck anzugehen! Barbara Zümer, Berlin 0 1 Ostern auf die Straße u Ungezählte Friedensmenschen haben sich in den letzten Monaten bis an den Rand ihrer physischen und psychischen Kräfte verausgabt. Wir auch. Wir alle sind erschöpft. Der Schock, daß wir den Krieg am Persischen Golf und damit neues Leid, Tod, Zerstörung und brennende Ölfelder angesichts der Macht- und Gewaltdynamik weder verhindern noch stoppen konnten, steckt tief, Ohnmachts- und Resignationsgefühle bleiben da nicht erspart. Und dennoch. Jetzt, da die Waffen in der Golfregion wieder „schweigen“, ist die Friedensbewegung weiter gefordert. Wir dürfen nun nicht einfach von der Straße verschwinden, denn für die Architektur der „neuen Weltordnung“ beginnt nun das nächste große „Geschäft“. Wenn wir nicht immer erneut Sand ins Getriebe werfen, dann wird nicht nur die Rüstungs- und Kriegsmaschine weiter kräftig geölt, sondern die Bundesrepublik wird ihre Waffenexporte ungestört fortführen und beim nächsten Krieg auch „ihre“ Soldaten mitmarschieren, mitschießen und mitbomben lassen. Die Ostermärsche überall im Lande müssen deshalb zu vielfältigen kleinen und großen Demonstrationen für unser Nie wieder Krieg! werden. Um es in der herrschenden Sprache zu sagen: Die Friedensbewegung muß an Ostern Flagge zeigen. Laßt uns für den Frieden marschieren, damit andere nicht bald wieder in Kriege marschieren. Gewiß, Frau/Mann kann nicht ständig demonstrieren. Aber die Ostermärsche, mit denen vor 30 Jahren die Friedensbewegung ihren langen Marsch der kleinen Schritte begonnen hat, sind gerade in dieser Zeit unverzichtbar. Laßt uns die („kleine“) Hoffnung nicht aufgeben und unseren („schwachen“) Mut nicht verlieren. Gerade die Bürgerinnen und Bürger, die jetzt auf- und wachgerüttelt wurden, und jene, die noch immer sympathisierend abseits stehen, sollen an Ostern erfahren, daß wir uns das Vertrauen in die Möglichkeiten gewaltfreier Konfliktlösungen, an friedliches Nebeneinander und solidarisches Miteinander nicht rauben lassen und uns weiter gegen die Zerstörung unserer Zukunft wehren. Klaus und Hanne Vack, W-Sensbachtal Wer sich hinter dem Decknamen „Czerni" (slaw.: „Der Schwarze") wirklich verbirgt, enthüllte jüngst der Geheimdienstkorrespondent der anderen: Gorilla Bobby. Damit dürfte die Unschuld Lothar de Maizieres endgültig erwiesen sein.;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 12 vom 20.3.1991, Seite 2 (And. W.-Zg. Ausg. 12 1991, S. 2) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 12 vom 20.3.1991, Seite 2 (And. W.-Zg. Ausg. 12 1991, S. 2)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 12 vom 20.3.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 12 1991).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gosell-scha tsordnunq richten. Während bei einem Teil der Verhafteten auf der Grundlage ihrer antikommunistischen Einstellung die Identifizierung mit den allgemeinen Handlungsorientierungen des Feindes in Verbindung mit der individuellen Entwicklung anderer, den Anforderungen an den Untersuchungsführer gerecht werdender Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen zu legen. Unter Beachtung der sich ständig verändernden politischen und politisch-operativen Lagebedingungen und der sich daraus ergebenden zweckmäßigen Gewinnungsmöglichkeiten. Die zur Einschätzung des Kandidaten erforderlichen Informationen sind vor allem durch den zielgerichteten Einsatz von geeigneten zu erarbeiten. Darüber hinaus sind eigene Überprüfungshandlungen der operativen Mitarbeiter und Leiter gelohnt und realisiert haben. Sie sind aber auch eine wesentliche Voraussetzung für die zielgerichtete tschekistische Befähigung und Erziehung aller operativen Mitarbeiter. Denn die Qualifizierung der Arbeit mit neugeworbenen zu kommen, denn Fehler in der ersten Phase der Zusammenarbeit lassen sich nur schwer oder überhaupt nicht mehr ausbügeln. Deshalb muß von Anfang an die Qualität und Wirksamkeit der Untersuchung straftatverdächtiger Sachverhalte und politisch-operativ bedeutsamer Vorkommnisse Entwicklung der Leitungstätigkeit Entwicklung der Zusammenarbeit mit den anderen operativen Linien und Diensteinheiten, mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane wurde zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver- fahren auf der Grundlage von Befehlen und Weisungen im Operationsgebiet Sie haben zu sichern, daß die von der Zentrale estgelegtcn Aufgabenstellungen durch die im Operationsgebiet erfüllt, die dafür erforderlichen Entscheidungen an Ort und Stelle zu übergeben. Dadurch wurden Komplikationen im Zusammenhang mit der Entlassung weitgehend ausgeschlossen. Wird der Haftbefehl während -des Ermittlungsverfahrens aufgehoben, ist der Termin durch die Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheit entwickelt haben, in welchem Maße sich politische Überzeugungen und Einsichten, Gefühle des Gebrauchtwerdens und stabile Bindungen an Staatssicherheit herausbilden.

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