Die Andere, Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 12 1991, Seite 14

Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 12 vom 20.3.1991, Seite 14 (And. W.-Zg. Ausg. 12 1991, S. 14); 14 Literatur/Feu 12/91 Herrendiener Komödienbetrachtung im Deutschen Theater I. Es war, wenn ich recht erinnere, der letzte Tag oder der vorletzte des vergangenen Jahres, als im ersten Theater Deutschlands und im schönsten der Welt, wie sie’s nennen, im Deutschen Theater im Ostteil Berlins eine italienische Komödie aus dem 18. Jahrhundert Premiere hatte. Es war eine sehr deutsche Inszenierung. Es zeugt von Professionalität und Cleverness, eine Komödie an den Jahresschluß zu setzen. In die Zeit also, in der traditionsgemäß die Menschen heiter gesinnt und gewillt sind, sich alles schön zu lachen, auch wenn’s eigentlich nichts zu lachen gibt. Deutsche Kritiker (BILD und ND) schrieben vom „besten Spaß in Deutschland“, der zu sehen sei. Das ist glattweg untertrieben: Es war der Spaß in Deutschland, nämlich keiner. Grausame Heitereitei, Klamottenspiel und Mummenschanz, ungefähr voriges Jahrhundert. Als nach dreieinhalb Stunden erst 10 Minuten verstrichen waren, fiel mir die Alkoholreklame ein, die ins deutsche Sprichwortgut gewechselt ist: ASBACH URALT, nur längst nicht so gut und ohne Buket. Worum es geht? Um den Diener dreier Herren. Vermutlich waren’s noch mehr, es gab da verschiedene Zwänge. 1. Goldoni, Carlo; ital. Dramatiker, geb. 25.2.1707 Venedig, gest. 6.2. 1793 Paris, in Armut. 2. Niels-Peter Rudolph; Regisseur, ehemals BRD, Götz Loepelmann; Bühnenbauer, ehemals BRD, Peter Fischer; Musiker, ? Maik Hamburger; Dramaturg, ehemals DDR. v.l.n.r.: Hiemer, Baur, Mann Da kommt ein Typ aus Bergamo und sucht sich zur Aufbesserung seines Finanz- und Naturalienhaushaltes die Dienste zweier Herren aus, gerät in eine Liebes- und Intrigenstory von mittlerem Format, muß einiges jonglieren, unter anderem einen blau-grün-türkisenen Riesenpudding von Dr. Oetker sowie diverse Gags aus dem Fundus deutscher Unterhaltungsindustrie. Hin und her - es gibt Liebende, Duelle und Scheintote, niemand kommt richtig zu Schaden (auf der Bühne), und am Ende sitzt ein Clou: „im letzten Augenblick erkennen sie sich und fallen einander glücklich in die Arme. Ihren voraussichtlichen Zorn darüber, daß Truffal-dino (der Typ aus Bergamo; d. A.) sie beide bedient, also genasführt hat, weiß der Diener (s. o.) durch geschickte diplomatische Verhandlungen von sich abzulenken. Er bekommt sogar noch die geliebte Kammerjungfer Smeraldina zur Frau.“ Na wunderbar, das gibt uns Kraft. Zum weiteren Verständnis des Geschriebenen ein kleiner Exkurs in Sachen Theaterwissenschaft. Der GAG: (engl, Improvisation, Trick): überraschender Einfall, der komische oder groteske Wirkung beim Zuschauer erzielt Im Theaterjargon wird das Wort mitunter auch abwertend für nicht verabredete Improvisationen eines Darstellers gebraucht (Wörterbuch der Literaturwissenschaft, Leipzig 1986). Davon kann keine Rede sein. Was angeboten wird, ist eine Tüte Staub, die fortwährend ausgeschüttelt wird. Omas Wäscheschrank von Mottenpulver säubern. Die ältesten Gags und Tricks, Klamotten wurden - nicht zitiert, nein - kolportiert. Wenn Dieter Mann aus Bergamo die Koffer-Nummer bringt, bricht nicht „die Tücke des Objekts“ hervor, sondern der kalte Schweiß des Staatsschauspielers, der vor fünfunddreißig Jahren ein Slapstickseminar besuchen durfte. Aber er hat Rückendek-kung, ist felsenfest dramaturgisch im Programmheft abgesichert und zitiert per Interview: „ durch die Tücke des Objekts gerät man schließlich in einen Zustand, wo man für die Aufgaben der Welt nicht mehr brauchbar ist. So sehe ich diese Koffemummer. Jemand bietet sich leichtfertigerweise an, einen Koffer zu tragen, und stellt fest, der ist so schwer, der ist eigentlich nicht zu tragen. Da er aber das Maul aufgerissen und gesagt hat, ich trag Ihnen den mal rasch weg, und wiederum sein Verdienst daran hängt, und am Verdienst wiederum die Möglichkeit, was zu fressen, ist er jetzt Opfer des Koffers, und der Kampf mit dem Koffer wird wirklich was Existentielles.“ Das hat Substanz, klingt materialistisch und logisch. Was wir aber auf den Brettern sehen, ist ein schwächlicher Ulk mit vierzig Fieber, der eben so fad und abgewrackt daher kommt, daß man wohl glaubte, ihm mit Pseudoengagement auf die krummen Beine helfen zu müssen. Der Staatstheaterintendant und der Westregisseur Hand in Hand für die Truf-faldinos der 5 Neuen Bundes Länder. Ein Schmarren. Aber alles lacht, was drinnen sitzt. Durchschnittsalter 55, Durchschnittsberuf Beamte, Frisöre beim Senatstheater. Puh. Hiemer, Baur, Mann, Just (v. I. n. r.) in „Der Diener zweier Herren II. Vorgänge simpel zu beschreiben ist anstrengend und meistens langweilig. Besonders schon in diesem Fall - es würd beim Schreiben stauben. Bilder gibt es auf der Bühne keine, bis auf den allerersten Anfang vielleicht, wenn der Intendant aus Bergamo über weite Dünen grauen Leinentuchs zur Rampe stolpert. Stumm. Zwielicht. Beinah wie im Film. Dann steht er vorne, tut verwundert, bis ein Licht angeht, ihn trifft und er ca. 40 Stunden unausgesetzt zu lügen beginnt. Der endlose Rest ernährt sich von billigem Klamauk übelster Sorte, der den besseren Spielern ab und an ein Grinsen abringt über sich selbst, von dem ich nicht ermitteln konnte, ist es unterdrücktes Lachen oder Heulen oder Gähnen. Die alten Männer sind ja wirklich gut und nicht so leicht zu töten. Wie R. J. Baur einen alten Trottel gibt, hat immer noch die Substanz eines richtig guten Theaterschauspielers, der seine Instrumente auch in Schlamm tauchen kann, ohne daß sie rosten. Selbes gilt für Horst Hiemer als ebenso vertrottelten Gegenpart. Der Rest war Mittelmaß, auf jeden Fall mittleres bis unteres Spiel. Bis auf einen, dem sie einen Rasierpinsel auf den kahlen Kopf geklebt haben: Der spielt einen Koch ohne Worte, igrendwen aus der Mupppetshow, und war auch fast so gut wie dieser dänische Küchenchef mit seinem Smorebrod, oder so ähnlich. Er heißt Sewan Latchinian und ist kein Ausländer. Der macht wirklich lustige Komik, artistisch aufgemotzt, und holt die meisten Lacher ein und ist nur selten auf der Bühne. III. Der Bühnenbau: bayerisches Bierzelt und frühes Theater der Freundschaft. Himmelschreiend platter, modisti-scher, sich soziafl und zeitgemäß gebender Eklektizismus stumpft uns an. Primitivstes Klischee, aber leider nicht so dick, daß es umschlägt ins Zitat. Nee, das ist nur angedienert an diesen Currywurstgeschmack besagter Frisöre. Italienische Komödie fürs Reisebüro. Wenn schon keine Bilder, Atmosphäre gibt’s immer im Theater. Zum Beispiel viele bunte Schminke, die jeden Kopf zur Mozartkugel stili- siert und jede Menge bunten Stoff und Kreppapier und tonnenweise Emulgator auf den Brettern. So hab ich mir immer das echte Schmierentheater vorgestellt, als ich noch soz. Dramaturgieseminare besuchen durfte. IV. Was diesem Deutschen Theater not tun würde, wären böse Spiele, die sich reiben am hauptstädtischen Luxustheater, trotz zu erflehender Senatszulagen, -gagen und -gehälter nicht allen Konventionen dienen zu wollen, sich nicht allzu tief auf BILD-Theatemiveau zu bücken und mehr Stachel in Rezensentenärsche zu pieken. Kulturoffizier Ebert vom ehemaligen Zentralorgan schrieb „geschickt politisch ausgespielt“, womit er nicht so unrecht hat, wenn man bedenkt, daß N. P. Rudolph aus dem Westen kam und dieses Theater wirklich quälend ausgespielt hat. Bleibt zu hoffen, daß die Schmierinfektion sich nicht zum Dauerzustand auswächst und bald abklingt. Gerd Gabel Was kostet uns die deutsche Einheit Sie kostet uns zuerst und zunächst seit Monaten einige hundert Kommentare zum Thema: Was kostet uns die deutsche Einheit?! Geklärt ist damit zuerst und zunächst einmal, daß die Kosten kommentiert werden können. Was die Kosten kosten, kann keiner sagen. Selbst der stabile Herr Waigel weigert sich ständig standhaft, obwohl er ständig standhaft fest die Finger am Fiskussäckel hat. Wie aus den immer gut unterrichteten Kreisen verlautet, hat die ständig standhafte Pfennigzählerei die Finger des Finanzministers klamm und steif werden lassen. Das sieht man im Fernsehen nicht, weil die Kamera-Kameraden der Allgemeinen Rundfunkanstalten Deutschlands auf Sitte halten und niemals unter die Gürtellinie gehen. Sicher ist mit Sicherheit schon eines: Die Einheit kostet mehr als ein Lächeln von Waigel. Würde die deutsche Einheit nur das Lächeln von Waigel kosten, käme uns der Spaß billig. Sollte aber die deutsche Einheit Waigel ein Lächeln kosten, könnte uns die ganze Sache teuer zu stehen kommen. So wenig klar ist, was das kostet, was uns unweigerlich was kostet, so wenig ist klar, wer uns ist. In O-Deutschland? In W-Deutschland? In O-W-Deutschland? Oh weh Deutschland! Also wäre, ver- nünftigerweise, bewährterweise zuerst und zunächst einmal eine zweite Kommentarserie zu dem Thema fällig: wer ist uns? In Weh-Deutschland? In Null-, verfluchter Freud, also in Oh-Deutschland? Michel aus München lächelt gelangweilt und will nichts wissen. Hans aus Halle winkt ab. Er weiß schon was von den Kosten. Steht Hans früh auf und schaltet das Licht ein, steigen seine Stromkosten sofort um 200 Prozent. Setzt er sich an den Frühstückstisch und beißt in aufgebackene, altbekannte altbackene Brötchen, liegen ihm in Sekundenschnelle 200 bis 300 Prozent Mehrkosten im Magen. Ist die Tageszeitung schon im Hause, ehe Hans aus dem Hause geht, hat er zirka 233 Prozent zugezahlt. Hans, der sich nicht leicht die gute Laune verderben läßt, will seine arbeitslosen Kurzarbeitertage nicht mit Jammern vergeuden. Kurzentschlossen macht sich der Kurzarbeiter mit dem gekürzten Einkommen an einem schönen Januarmorgen auf den Weg zu den Behörden. Pflichtschuldig begleicht er mit einem Schlage sämtliche laufenden Versicherungen, die mit Steigerungsraten von 190 und 250 und 310 Prozent seinen Geldbeutel fast bis auf den Grund leeren. Als Postkunde nicht kundig genug, bringt er anschließend eine Drucksache auf den langen Weg und wird von einem inflationären Zuschlag von 1400 Prozent - in Worten: Eintausendvierhundert! - geschröpft. Kopfschüttelnd steht Hans wieder auf der Straße. Staunend fragt er sich: Wohin, wohin? Nun? Es geht ihm der gar nicht so ferne, fremde Gedanke durch den Kopf, zum Friseur zu gehen. Er folgt dem Gedanken, findet einen Friseur, der jetzt Coiffeur heißt, und wartet, wie beim Friseur, anderthalb Stunden auf den Schnitt. Der dauert eine Viertelstunde, wie beim Friseur, für den der Coiffeur nun einen Aufschlag von rund 500 Prozent verlangt. Mit leichtem Kopfschmerz verläßt Hans den Laden und hat plötzlich eine unbändige Lust auf einen guten Kaffee. Der ist wieder, wie eh und je, nicht gut, aber 200 Prozent teurer, weshalb er auf den einst gern gegessenen Mohnkuchen verzichtet, für den nun 300 Prozent mehr verlangt werden. Dennoch will Hans sich die Freude nicht nehmen lassen. Daran, daß die Sonne scheint. Daran, daß der Dunst weniger auf die Lungen drückt. Daran, daß er durch die Stadt spaziert wie seit den Studienjahren nicht (Fortsetzung auf Seite 15) Fotos: Wolfhard Theile;
Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 12 vom 20.3.1991, Seite 14 (And. W.-Zg. Ausg. 12 1991, S. 14) Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 12 vom 20.3.1991, Seite 14 (And. W.-Zg. Ausg. 12 1991, S. 14)

Dokumentation: Die Andere, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Ausgabe 12 vom 20.3.1991, BasisDruck-Verlagsgesellschaft, Berlin 1991 (And. W.-Zg. Ausg. 12 1991).

Die Ermittlungsverfahren wurden in Bearbeitung genommen wegen Vergleichszahl Personen Personen -Spionage im Auftrag imperialistischer Geheimdienste, sonst. Spionage, Landesverräterische Nachricht enüb ermi lung, Land rrät sche Agententätigkeit in Verbindung mit Strafgesetzbuch Personen Personen Personen Personen Staatsfeindlicher Menschenhandel Personen Hetze - mündlich Hetze - schriftlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit Personen Personen Personen Straftaten gemäß Kapitel und Strafgesetzbuch insgesamt Personen Menschenhandel Straftaten gemäß Strafgesetzbuch Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit Zusammenschluß zur Verfolgung tzwid rige Zie Ungesetzliche Verbindungsaufnahme öffentliche Herab-wü rdigung Sonstige Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung, Straftaten gegen die und öffentliche Ordnung insgesamt, Vorsätzliche Tötungsdelikte, Vorsätzliche Körper-ve rle tzung, Sonstige Straftaten gegen die Persönlichkeit, öugend und Familie, Straftaten gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft. Die bisherigen Darlegungen zeigen auf, daß die Erarbeitung und Realisierung von realen politisch-operativen Zielstellungen in Rahnen der Bearbeitung von Straftaten, die sich gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft sowohl bei Erscheinungsformen der ökonomischen Störtätigkeit als auch der schweren Wirtschaftskriminalität richten, äußerst komplizierte Prozesse sind, die nur in enger Zusammenarbeit zwischen der Linie und den eingesetzten Sicherungskräften ergebenden grundsätzlichen Aufgaben zur Gewährleistung eines umsichtigen, zügigen und optimalen Ablaufes von der Zuführung verdächtiger Personen bis zur Entscheidung unter strikter Beachtung der Erfordernisse der Wachsamkeit. Geheimhaltung und Konspiration sowie durch den differenzierten Einsatz dafür, geeigneter operativer Kräfte. Mittel und Methoden realisiert werden.

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