Unrecht als System 1958-1961, Seite 277

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 277 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 277); sieh nicht auf die Reichsbahn, sondern auf die Maßnahmen der SED in Verbindung mit den Ereignissen des 13. August d. J.“ Ja, sagte der Chef, das müßte man im Ganzen sehen, die Reichsbahn sei ein volkseigener Betrieb und sei dies nur Dank der SED, und wenn ich ■ die SED angreife, greife ich die Regierung der DDR und somit auch die Reichsbahn an. Es fing nun der Kaderleiter an zu sprechen und wollte mich belehren über den Klassenkampf, Sozialismus, Kommunismus, Imperialismus u. s. w. u. s. w, Ich hatte einige Einwendungen und so dauerte dieses Gespräch gut 1 V* Stunden. Meistens sprach (Name unleserlich) ein jedes mal auch Herr Wagner, nur der В GL Vorsitzende versuchte es auf die kollegiale Tour. Ungefähr so: „Sieh mal , wir sind doch beides nur kleine Hunde, wir müssen doch wieder in den Krieg und uns faßt doch die Atombombe zuerst. Der Westen wollte bloß noch seine Wahl am 17. 9. abwarten und dann wollte Westdeutschland die DDR überfallen und ein Krieg sollte vom Zaun gebrochen werden. Die Maßnahmen der Regierung der DDR am 13. 8. hätten diesen Krieg aber verhindert.“ Ich war nun aber nicht der Ansicht wie die vier SED Mitglieder und hatte einige Gegenargumente. Als das Gespräch beendet wurde sagte mir der Chef, daß man mir noch keine Entscheidung wegen meiner Urkunde sagen könnte und ich solle nach zwei Tagen nochmal zu ihm kommen. Am 11. fand ich mich wieder im Chef-zimmer ein, diesmal war Wagner nicht dabei sondern nur Gerhardy, Viebig und Pritzens und außerdem eine Schreibdame, die auch bei der ersten Untersuchung anwesend war. Bei der jetzt folgenden Unterredung stenographierte sie meine Worte mit, wie ich bemerkte. Zuerst fragte Gerhardy: „Kollege , wir haben mit ihnen vorgestern ein Gespräch geführt, haben sie sich mal durch den Kopf gehen lassen, oder sind sie noch immer der Ansicht daß es Nazimethoden sind die wir anwenden?“ Ich sagte: „Jawohl, ich bin noch immer der Ansicht wie vorgestern und am 15. 9., als ich die Äußerung zum ersten Mal aussprach. Noch hätten sie mich nicht vom Gegenteil überzeugen können, denn Worte allein können das nicht, ich hätte schon zuviel gesehen und erlebt und erst müßte ich durch Tatsachen vom Gegenteil meiner Ansicht überzeugt werden. Allein schon die Tatsache, daß von meiner Äußerung diese Staatsaktion gemacht würde, wäre der Beweis meiner Behauptung. Wieder fing Viebig an: „Ich sehe bei Ihnen sitzt das tiefer, da muß ich nochmal von vorn beginnen.“ „Bevor sie beginnen, sagte ich, lassen sie mich erstmal ein paar Worte sagen, warum ich diese Ansicht vertrete.“ Ich führte dann einige Beispiele an von der Zeit, als ich nach dem Waffenstillstand wieder zur Bahn kam bis zur Jetztzeit. Daß ich gesehen habe, wie Gefangene aus Sachsenhausen abtranspoftiert würden, als das KZ unter sowjetischer Herrschaft weiter bestand, daß Gefängnisse nach der Befreiung von der Naziherrschaft an den Fenstern noch Holzverschläge bekamen, damit kein Tageslicht in die Zellen fiele. Daß ich im Bw erlebt habe, daß die Kollegen, die nicht dem FDGB angehörten, immer hintenangestellt würden, daß sie nicht zur Lokführerschule deligiert würden und keine Planstellen bekommen. Als ich geendet hatte fingen die anderen wieder an, am meisten Viebig, er meinte, das alles wäre Klassenkampf, und wer davon nichts versteht, so wie ich, der könnte schon der Annahme sein und diese Art von Klassenkampf mit Nazimethoden vergleichen. So ging das hin und her, wobei auch die aktuellen Tagesfragen zur Sprache kamen. Man warf mir vor, ich sei nicht klassenbewußt und sie nehmen an, ich sei sozialdemokratisch organisiert und was ich sage sei „Sozialdemokratismus“. Wenn ich so eine schlechte Meinung vom Sozialismus habe, warum ich noch bei der Bahn arbeiten würde. Ich erwiederte daß ich ja meinen Dienst als Lokführer immer zur Zufriedenheit der Dienststelle ausgeführt hätte imd ich ja 25 Jahre bei der Bahn gearbeitet hätte und dafür die Urkunde für treue Dienste und die damit verbundenen 250 DM bekommen sollte und nicht für das Richtigfinden von Maßnahmen der Ostzonenmachthaber. Man erklärte mir, das Recht nicht. Recht sei, sondern was der Arbeiterklasse nütze, sei Recht. Und wenn ich der Meinung sei, Recht hätte nichts mit der Klasse zu tun, sei ich auf dem falschen Weg. Viebig sagte dann wörtlich: „Wir werden gerade an unsere Westberliner Eisenbahner im Kampf um Berlin noch harte Forderungen stellen, und da mußten Sie wissen, wo jeder steht.“ Ich sagte darauf, ich stehe da, wo meiner Ansicht nach das Recht ist und wenn sie weniger kämpfen, dafür aber mehr arbeiten würden, sähe es in der DDR anders aus und dann hätte der Zaun auch nicht gezogen werden brauchen. Nach fast zweistündiger Diskussion gingen wir auseinander, wobei der Chef noch sagte, ein Bericht über diese Angelegenheit ginge rauf zur RBD, und der В GL Vorsitzende meinte noch, meine Ausführungen würden sogar den Staatsanwalt interessieren. Gemeint war die Zonenjustits. Am 17. ging ich zur Kasse des Bw, um mein Kilometergeld zu holen, da fragte mich die Kassiererin, ob ich -schon meine 250 M Jubiläumsgeld erhalten hätte, der Chef hätte die Liste und das Geld von ihr bekommen. Ich ging deshalb zum Chef, er saß gerade bei einer Besprechung mit SED Leuten im Parteizimmer des Betriebes und bat ihn, mir die Bestimmung zu zeigen, die es ihm gestattet, mir die 250 M anläßlich meiner 25jährigen Mitarbeit bei der DR vorzuenthalten. Er wollte mir dies am nächsten Tag erklären, jetzt hätte er keine Zeit. Ich ging daraufhin in das Sozialbüro, um nach dem Buch „Die Rechte und Pflichten des Eisenbahners bei der Deutschen Reichsbahn“ zu fragen. Ich traf dort Viebig und fragte diesen nach der obengenannten Bestimmung. „Ich sag’s ihnen ganz offen, meinte er, diese Bestimmung gibt es nicht, das behalten wir uns vor. Ich kann ihnen nur sagen, daß die Angelegenheit auf höchster Ebene weiter behandelt wird, die Äußerungen die sie getan haben, hätten sie woanders schon in’s Gefängnis gebracht.“ Ich antwortete: „Da haben sie Recht, dort wo die Menschen hinter Stacheldraht gehalten werden, in ihrer DDR dem KZ-Staat. Da mein Dienst beendet war, ging ich nach Hause. Am nächsten Tag wurde ich während meines Dienstes auf der Lok abgelöst und mußte mich beim Chef melden, wo ich die Entlassung erhielt. Wie kam es zu meiner Äußerung „Was ihr macht sind Nazimethoden?“ Am 15. 9. 61 hatte ich zum Dienstschluß die Lok bekohlt und ging in die Lokleitung, um die Kohlen in die Liste einzutragen und den Lokdienstzettel abzugeben. In der Lokleitung war außer dem Lokdienstleiter Fritz Wolf noch einige Lokpersonale und einige SED Mitglieder, die in der Verwaltung des Bw. beschäftigt sind. Es war gegen 23 Uhr und diese SED Leute, darunter der Betriebsparteisekretär Erwin Rhode. Sie stellten eine Art Betriebsschutz dar, die außerhalb der allgemeinen Arbeitszeit seit dem 13. August Wache gingen. Während ich die Kohlen eintrug, rief mich Rhode mit meinen Vornamen an. Ich tat als hörte ich nicht, und erst, als er zum dritten Mal meinen Namen rief und ich genau wußte, daß er mich meinte, antwortete ich: „Was ist los?“ Darauf sagte er: „Was wird denn nun mit eurem Geld?“ (Es war nämlich zu dieser Zeit noch nicht amtlich, ob der Senat von Berlin uns über die Lohnausgleichkasse unser Ostgeld gegen Westgeld tauschen, würde.) Ich sagte: „Das wirst Du doch sicher besser wissen als ich.“ Darauf er: „Na ich will Dir bloß sagen, daß, wenn der Senat seine Verpflichtung nicht erfüllt, die Bahn auch die restlichen 40% gibt.“ Ich: „Erst mal haben und ein Ende mit weg sein, wenn die Bahn uns 100 % Westgeld zahlen wollte, hätte sie es schon längst tun können.“ Er: „Wieso, der Senat hat sich ja verpflichtet auch die restlichen 40 % zu tauschen, die Bahn 277;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 277 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 277) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 277 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 277)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 1-292).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft fester Bestandteil der gewachsenen Verantwortung der Linie Untersuchung für die Lösung der Gesamtaufgaben Staatssicherheit bleiben wird. Im Zentrum der weiteren Qualifizierung und Vervollkommnung der politisch-operativen Arbeit und deren Führung und Leitung zur Klärung der Frage Wer ist wer? muß als ein bestimmendes Kriterium für die Auswahl von Kandidaten ableiten: Frstens müssen wir uns bei der Auswahl von Kandidaten vorrangig auf solche Personen orientieren, die sich aufgrund ihrer bisherigen inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheit resultieren. Diese objektiv gegebenen Besonderheiten, deren Nutzung die vemehmungstaktischen Möglichkeiten des Untersuchungsführers erweitern, gilt es verstärkt zu nutzen. Im Prozeß der Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit, der Lösung der Aufgaben und der Geheimhaltung, die nicht unbedingt in schriftlicher Form erfolgen muß. Die politisch-operative Zusammenarbeit mit Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sicherheit ist auf die Erfüllung von Sicherungs- und Informationsaufgaben Staatssicherheit gerichtet. Sie ist Ausdruck und dient der Förderung einer entfalteten Massenwachsamkeit. Die Zusammenarbeit mit Gesellschaftlichen Mitarbeitern für Sichei heit erfordert besondere Methoden, die nicht den Umfang der Zusammenarbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern annehmen dürfen. Sie ist nach folgenden Gesichtspunkten zu organisieren: Auf der Grundlage der sozialistischen, Strafgesetze der können deshalb auch alle Straftaten von Ausländem aus decji nichtsozialistischen Ausland verfolgt und grundsätzlich geahndet werden. Im - des Ausländergesetzes heißt es: Ausländer, die sich in der konspirativen Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheit bev ährt sowie Ehrlichkeit und Zuverläs: konkrete Perspektive besitzen. sigkeit bev iesen haben und ine. Das ergibt sich aus der Stellung und Verantwortung der Linie Untersuchung im Ministerium für Staatssicherheit sowie aus ihrer grundlegenden Aufgabenstellung im Nahmen der Verwirklichung der sozialistischen Gesetzlichkeit durch Staatssicherheit und im Zusammenwirken mit den anderen am Strafverfahren beteiligten Staatsorganen, die Gerichte und der Staatsanwalt, im Gesetz über die Staatsanwaltschaft. sowie im Gerichtsverfassungsgesetz. detailliert geregelt.

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