Unrecht als System 1958-1961, Seite 110

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 110 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 110); Schlußworte der Angeklagten Es folgen die Schlußworte der Angeklagten: Armin Schreiter führt aus, er habe eingesehen, daß es sich bei seinen Taten nicht um Unklarheiten oder falsche Auffassungen gehandelt habe, sondern um Verbrechen. Die Ursache dafür liege letztlich in der Beeinflussung durch den Westen. Er bereue alles aufrichtig und wolle sich bemühen, nach seiner Haftzeit wieder ein brauchbarer Bürger zu werden. Als Anfang seiner Sühne habe er sich bemüht, sowohl in der Voruntersuchung wie in dem Prozeß selbst alles offen und lückenlos darzustellen, er sei aber enttäuscht darüber, daß ihm dies als Kaltblütigkeit ausgelegt werde (der Staatsanwalt hatte dies getan). Gerhard Bauer weist darauf hin, er habe eingesehen, daß viele seiner Forderungen utopischer Art gewesen seien. Auch habe er sich über die Behandlung durch den SSD vorher ein falsches Bild gemacht. Hans Lutz Dalpke sagt etwa das gleiche wie Armin Schreiter. Er habe während seiner Zugehörigkeit zu der Gruppe häufig seinen kritischen Verstand aussetzen lassen. Aber schon während der Voruntersuchung habe er, auch durch die Hinweise der Vernehmungsoffiziere, wieder gelernt, dies zu ändern. Christian Ramatschi verzichtet auf ein Schlußwort. Dieter Brendel betont, wie sehr er durch sein Handeln seine Herkunft verraten habe. Er habe sich bürgerliche Philosophien zu eigen gemacht, die doch praktisch die Menschen unterdrückt hätten, aus deren Kreisen er stamme. Die Arbeiterklasse habe ihm das Studium ermöglicht, und dennoch habe er diesen Weg beschritten, so daß er heute hier stehe. Er glaube, daß er, wenn er einmal wieder in die Gesellschaft zurückkehren werde, wohl wieder zur Arbeiterklasse gehören werde. Das Urteil Dann wird die Verhandlung unterbrochen bis zur Urteilsverkündung. Am Sonnabend, 18. April, 9 Uhr, wird das Urteil verkündet „Im Namen des Volkes“: Alle Angeklagten werden für schuldig befunden, Verbrechen nach § 13 Abs. 1 und § 24 Abs. 1 und 2, Buchst, а und b StEG begangen zu haben. Das Gericht erkennt auf folgende Strafen: Armin Schreiter 8 Jahre Zuchthaus Gerhard Bauer 10 Jahre Zuchthaus Hans Lutz Dalpke 7Ѵг Jahre Zuchthaus Christian Ramatschi 7 Jahre Zuchthaus Dieter Brendel 5 Jahre Zuchthaus Das Vermögen der Angeklagten wird eingezogen, die Untersuchungshaft wird angerechnet. Die Urteilsbegründung hat, wie das Plädoyer des Staatsanwaltes, eine allgemein-politische Einleitung. Dann wird ausführlich auf die einzelnen Punkte der Gruppentätigkeit eingegangen und die einzelnen Angeklagten werden nach dem Maß ihrer Beteiligung an diesen Aktionen gewürdigt. Bei der Strafzumessung sei auszugehen von der augenblicklichen politischen Lage und von dem Grad von Schaden und Gefährdung, die dem Staat erwachsen sei. Bei der Begründung des Strafmaßes stellt das Gericht fest, daß bei den Angeklagten Bauer und Ramatschi es nötig gewesen sei, das Strafmaß entgegen den Anträgen des Staatsanwaltes noch zu erhöhen, um der „Persönlichkeit der Angeklagten eher gerecht zu werden“. Regie und Zweck des Prozesses Die Angeklagten machten körperlich einen normalen Eindruck. Armin Schreiter zeigte jedoch während seiner ganzen Vernehmung ängstliche Nervosität, die sich an einem dauernden Händezucken erkennen ließ. Schreiter, Dalpke und Brendel haben im Grunde allen ihren früheren Meinungen abgeschworen, sie waren in jeder Hinsicht geständig und paßten sich der Ausdrucksweise des Gerichtes an. Nur Gerhard Bauer und Ramatschi sprachen von ihren Freunden noch mit Vornamen, die andern sagten „der Bauer“ oder „der Angeklagte Dalpke“. Nicht nur „Reue“, auch viele Selbstbezichtigungen, die einfach unglaubhaft klingen, wurden von Schreiter und Dalpke ausgesagt. Auf Fragen der Vorsitzenden antworteten sie immer wieder im gewünschten Sinne, es sei denn, es handelte sich um Detailfragen einer Zeitoder Ortsbestimmung. Ramatschi und Bauer waren schon sehr viel kürzer in ihren Aussagen und schienen auch ihre früheren Meinungen nicht im Sinne des Gerichts zu „bereuen“. Deutlich zeigt sich dieser Unterschied der „Geständnisse“ bei den Schlußworten. Das Gericht bestand eigentlich nur aus der Vorsitzenden, da die beiden Schöffen fast nie etwas zu sagen hatten, die Arbeiterin sogar überhaupt nichts. Die Fragen der Vorsitzenden waren im allgemeinen nicht inkorrekt, immer wieder tauchten jedoch ideologische Suggestivfragen auf, mit denen den Angeklagten klargemacht werden sollte, wie schwer ihre Verfehlung war. Die Angeklagten wurden zuweilen auch direkt ermahnt. Bei Erörterung der Forderung der Gruppe nach Dezentralisierung der Wirtschaft z. B. stellte die Vorsitzende fest, die Angeklagten hätten eben das Gesetz zur Demokratisierung des Wirtschaftslebens kennen müssen. Die Vorsitzende war immer bemüht, die Aussagen der Angeklagten als Geständnisse auszulegen. Gelang das nicht, gab sie eine eigene Auslegung. Als z. B. Hans Lutz Dalpke bei der Erörterung des Programms einen Unterschied zwischen „Auflösung“ und „Entmachtung“ der SED machen wollte, stellte sie fest, das sei doch dasselbe. Die Angeklagten wurden ermahnt, zum Gericht zu sehen, wenn sie auf Fragen der Verteidigung antworteten, bei Fragen des Staatsanwaltes dagegen mußten sie diesen ansehen. Rechtsanwalt Schapke wurde einmal ermahnt, seinem Mandanten die Antworten auf die Frage nicht in den Mund zu legen, eine Methode, die vom Gericht nicht selten angewandt wurde. Der Staatsanwalt hatte alle Schwächen der Vorsitzenden in erhöhtem Maße. Sowohl seine Fragen wie auch sein Plädoyer waren überaus unsachlich. Schon bei der Vernehmung stellte er häufig keine Fragen mehr, sondern traf Feststellungen, die meist unqualifizierte Angriffe gegen die Angeklagten darstellten. Im Plädoyer erschienen eine ganze Reihe von Angaben, die nicht im Prozeß erwähnt wurden und bestenfalls aus der Voruntersuchung stammen können. Außerdem legte er bei einem Widerspruch in den Aussagen der Angeklagten die Sache immer zuungunsten der Angeklagten aus. Er nahm Dinge als bewiesen an, die nur angedeutet wurden, unterstellte Motive, die nie begründbar sind und widersprach sich selbst nicht selten. Zu einer Charakterisierung seien zwei besonders markante Ausführungen wiedergegeben: a) die Tatsache, daß in Westberlin Gaspistolen käuflich zu erwerben seien, lasse Rückschlüsse auf die Sicherheit der Bevölkerung in "Westberlin zu. Wenn jedermann sich eine Gaspistole kaufen müsse, um gegen Überfälle sicher zu sein, dann könne es mit der Sicherheit nicht weit her sein. In der „DDR“ hingegen garantiere die Volkspolizei die Sicherheit der Bevölkerung. Die Tatsache, daß die Angeklagten ihre Pistolen nie anzuwenden brauchten, beweise dies geradezu. b) Dieter Brendels Vater habe ihn schlecht erzogen, der Vater sei ein ewiger Neinsager. Er habe bei den Nazis nein gesagt und sage jetzt wieder nein. 110;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 110 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 110) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 110 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 110)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 1-292).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der oder gegen verbündete Staaten gerichtete Angriffe zu propagieren; dem demonstrativen Ablehnen von gesellschaftlichen Normen und Positionen sowie Maßnahmen des sozialistischen Staates und seiner Organe und der Bekundung einer Solidarisierung mit gesellschaftsschädlichen Verhaltensweisen oder antisozialistischen Aktivitäten bereits vom Gegner zu subversiven Zwecken mißbrauchter Ougendlicher. Die im Rahmen dieser Vorgehensweise angewandten Mittel und Methoden sowie die vom politischen System und der kapitalistischen Produktionsund Lebensweise ausgehenden spontan-anarchischen Wirkungen. Im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage nach den sozialen Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen geführt; werden. Die in der gesellschaftlichen Front Zusammenzuschließenden Kräf- müssen sicherheitspolitisch befähigt werden, aktiver das Entstehen solcher Faktoren zu bekämpfen, die zu Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen besonders relevant sind; ein rechtzeitiges Erkennen und offensives Entschärfen der Wirkungen der Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen; das rechtzeitige Erkennen und Unwirksammachen der inneren Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen frühzeitig zu erkennen und unwirksam zu machen, Aus diesen Gründen ist es als eine ständige Aufgabe anzusehen, eins systematische Analyse der rategischen Lage des Imperialismus und der ihr entsprechenden aggressiven revanchistischen Politik des westdeutschen staatsmonopolistischen Kapitalismus und der daraus resultierenden raffinierteren feindlichen Tätigkeit der Geheimdienste und anderer Organisationen gegen die Deutsche Demokratische Republik und andere sozialistische Länder dazu beizutragen, Überraschungshandlungen zu verhindern; entsprechend den übertragenen Aufgaben alle erforderlichen Maßnahmen für den Verteidigungszustand vorzubereiten und durchzusetzen; Straftaten, insbesondere gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, gegen den Frieden, die Menschlichkeit und die Menschenrechte sowie von Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik eine hohe politisch-operative Bedeutung.

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