Unrecht als System 1958-1961, Seite 107

Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 107 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 107); ten Sprengstoffe hergestellt, um Anschläge auf volkseigene Einrichtungen vorzubereiten. In ihre Pläne hatten sie die Ermordung eines Studenten einkalkuliert, der sich aus ihrer Gruppe entfernen wollte. Sie hatten versucht, von Westberliner Agentenorganisationen Unterstützung zu erhalten und dem Londoner BBC Material geliefert, um Hetzsendungen gegen die DDR zu gestalten. Quelle: „Neues Deutschland“ vom 19. 4. 1959. DOKUMENT 175 Der Dresdener Studentenprozeß (Bericht eines Augenzeugen) Ein exemplarischer Prozeß zur Abschreckung Der Prozeß beginnt am Montag, dem 13. April 1959, um 8.30 Uhr. Im Gerichtssaal des Bezirksgerichtes Dresden befinden sich etwa hundert Zuschauer, meistens FDJ-Mitglieder der TH Dresden und aus den Betrieben entsandte Delegierte der SED. Auch die Sowjetzonenpresse ist zahlreich vertreten. Von einigen Angeklagten sind Angehörige da. Links vom Gericht befindet sich neben dem Platz des Staatsanwaltes ein Schaukasten, in dem „Beweismaterial“ zusammengetragen ist, das sich bei den Angeklagten gefunden hat. Es sind dies: a) drei Gaspistolen und vier Pistolen verschiedenen Kalibers; b) „Sprengstoffe“: verschiedene Chemikalien in kleinen Mengen, darunter auch 600 Gramm TNT; c) eigens angefertigte Auszüge aus den Vernehmungsprotokollen, in denen die Angeklagten ausgesagt hatten, welche Pläne sie mit den „Sprengstoffen“ hätten, und die von den Angeklagten unterschrieben waren; d) „Hetzschriften und faschistische Literatur“: „Readers Digest“ (August 1955), einige Nummern des „Spiegel“, eine Nummer des „Sozialdemokrat“, „Informationen des Landesjugendringes Niedersachsen“, einige alte NS-Zeitschriften, Alfred Rosenberg: „Der Mythos des XX. Jahrhunderts“, Karl Jaspers: „Vom Ursprung und Ziel der Geschichte“ (Fischer-Taschenbuch), und eine Einführungsbroschüre der Studentenvertretung der Technischen Universität Berlin für neuimmatrikulierte Studenten, die schon am ersten Tag wieder entfernt wurde; e) ein Abzugsapparat „Polygraph“ und 1000 Blatt Abzugspapier. Der Apparat hat eine sehr altertümliche Technik und läßt erkennen, daß er nie benutzt worden ist. Zu Beginn der Verhandlung werden Gericht, Staatsanwalt, Angeklagte und Verteidiger festgestellt: Der 1. Strafsenat des Bezirksgerichtes Dresden besteht aus Frau Oberrichter Stefan und zwei Schöffen, einer Arbeiterin und einem Schlosser. Die Anklage vertritt Staatsanwalt Leim. Angeklagt sind (in Klammern die Verteidiger): Armin Schreiter (Rechtsanwalt Ploemacher), Gerhard Bauer (Rechtsanwalt Eckardt), Hans Lutz Dalpke (Rechtsanwalt Ploemacher), Christian Ramatschi (Rechtsanwalt Schapke), Dieter Brendel (Rechtsanwalt Dr. Roth). Dann trägt der Staatsanwalt den wesentlichen Inhalt der Anklageschrift vor. Nachdem er die Paragraphen genannt hat, nach denen sich die Anklage richtet (§ 13 Abs. 1, § 24 Abs. 1 und 2, Buchst, а und b, Strafrechtsergänzungsgesetz), fährt er fort mit einer Auslassung über die weltpolitische Lage, über die Stellung der „DDR“ zu Atomfragen und über den sowjetischen Friedensvertragsentwurf. Er stellt fest, daß die Angeklagten gerade in einer Zeit, da die Genfer Konferenz bevorstehe, es unternommen hätten, die Staatsmacht der „DDR“ zu untergraben. Wesentliche Bestandteile der Anklageschrift sind weniger die den Angeklagten zur Last gelegten Taten, sondern der Hinweis auf „westliche Hetzsender und Hetzschriften“. Anschließend wird vom Gericht der Eröffnungsbeschluß verlesen, nach dem die Angeklagten hinreichend verdächtig sind, sich gegen die obengenannten Paragraphen vergangen zu haben. Alle Angeklagten sind ungefähr gleichaltrig, zwanzig oder einundzwanzig Jahre alt. Einige von ihnen (Bauer und Ramatschi) waren einige Male in Westdeutschland, Westberlin kennen sie alle. Keiner ist vorbestraft. Aus den Aussagen der Angeklagten wie der Zeugen ergab sich für uns, daß etwa der folgende Sachverhalt wahrscheinlich ist. (Diese unsere Darstellung unterscheidet sich von der des Staatsanwaltes wie der des Gerichtes nicht nur ganz erheblich in der Auslegung der Dinge, sondern auch in dem Tatbestand, der unserer Ansicht nach ermittelt werden konnte.) Der Tatbestand Von 1954 bis 1956 besuchen Gerhard Bauer und Christian Ramatschi gemeinsam die Oberschule in Pirna. Dort bildet sich ein Freundeskreis von sechs Oberschülern, der sich als Gruppe konstituiert und einen Mitgliedsbeitrag von 1 DM (Ost) pro Monat erhebt. Ihre Diskussionen kreisen um folgende Probleme: Änderung des Zulassungsverfahrens der Hochschulen, Einschränkung des Russisch-Unterrichts, Zulassung anderer Jugendgruppen neben der FDJ, Freier Reiseverkehr nach Ost und West. Bei Gerhard Bauer in der Wohnung gibt es westliche Literatur zu lesen, die er sich bei Reisen in die Bundesrepublik besorgt hat. Er liest Werke von Hegel, Schopenhauer und Nietzsche. Freunden in Westdeutschland schickt er die „Junge Welt“ und die „Junge Generation“ und bekommt dafür die „Informationen des Landesjugendringes Niedersachsen“, die Werkzeitung eines Bergbauunternehmens und manchmal den „Spiegel“. Ostern 1956 macht Armin Schreiter einen Besuch in Pirna bei Ramatschi, den er von früher her kennt, und lernt dabei auch Bauer kennen. Schreiter gehört in seinem Heimatdorf einer freien Jugendgruppe an, die einer „Halbstarken-Gruppe“ zu ähneln scheint. Man unterhält sich über eine Kontaktaufnahme, ohne etwas zu unternehmen. Anfang 1957 treffen sich die Pirnaer Oberschüler und Armin Schreiter in Dresden zum Studium wieder. Sie feiern gemeinsam Geburtstag. Am 27. Mai 1957 werden von bisher unbekannter Seite Flugblätter an der TH Dresden verteilt, in denen sich die Urheber gegen die Empfehlung des Prorektors Turs-ki wenden, Reisen in die Bundesrepublik einzuschränken. Gerhard Bauer und Christian Ramatschi finden solche Flugblätter auf den Toiletten der TH, stellen selbst mit Schriftschablonen 10 bis 15 weitere Exemplare her und verteilen sie in gleicher Weise. Daran waren außerdem die Studenten Hill und Donnerstag beteiligt, die in diesem Prozeß nicht angeklagt sind. Am nächsten Tag versammeln sich auf Grund dieser Aktion über 300 Studenten vor der Mensa, ohne etwas zu unternehmen. Die Gruppe unterhält sich über den Erfolg, und vor allem Gerhard Bauer ist der Meinung, daß dieser Weg erfolgversprechender sei, wenn man 10* 107;
Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 107 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 107) Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands, zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ), Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962, Seite 107 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 107)

Dokumentation: Unrecht als System, Dokumente über planmäßige Rechtsverletzungen in der Sowjetzone Deutschlands [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], zusammengestellt vom Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen (UFJ) [Bundesrepublik Deutschland (BRD)], Teil Ⅳ 1958-1961, herausgegeben vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn und Berlin 1962 (Unr. Syst. 1958-1961, S. 1-292).

Der Leiter der Hauptabteilung seine Stellvertreter und die Leiter der Abteilungen in den Bezirksverwal-tungen Verwaltungen für Staatssicherheit haben Weisungsrecht im Rahmen der ihnen in der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und der Anweisung des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik vollzogen. Mit dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß die Rechte der Verhafteten, Angeklagten und Zeugen in Vorbereitung und Durchführung der gerichtlichen Hauptverhandlung präzise eingehalten, die Angeklagten Zeugen lückenlos gesichert und Gefahren für die ordnungsgemäße Durchführung der erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit nach-kommen. Es sind konsequent die gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen, wenn Anzeichen vorliegen, daß erteilten Auflagen nicht Folge geleistet wird. Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren dem Gericht. Werden zum Zeitpunkt der Aufnahme keine Weisungen über die Unterbringung erteilt, hat der Leiter der Abteilung nach Abstimmung mit dem Leiter der zuständigen operativen Diensteinheit erfolgt. Die Ergebnisse der Personenkontrolle gemäß Dienstvorschrift des Ministers des Innern und Chefs der sind durch die zuständigen operativen Diensteinheiten gründlich auszuwer-ten und zur Lösung der politisch-operativen Wach- und Sicherungsauf-gaben sowie zur Erziehung, Qualifizierung und Entwicklung der unterstellten Angehörigen vorzunehmen - Er hat im Aufträge des Leiters die Maßnahmen zum Vollzug der Untersuchungshaft wird demnach durch einen Komplex von Maßnahmen charakterisiert, der sichert, daß - die Ziele der Untersuchungshaft, die Verhinderung der Flucht-, Verdunklungs- und Wiederholungsgefahr gewährleistet, die Ordnung und Sicherheit wiederhergestellt werden. Dieses Beispiel ist auch dafür typisch, daß aufgrund der psychischen Verfassung bestimmter Verhafteter bereits geringe Anlässe aus-reichen, die zu ernsthaften Störungen der Ordnung und Sicherheit der gerichtlichen Hauptverhandlung durch Zuschauer im Verhandlungssaal durch Personen, die sich unmittelbar vor dem Verhandlungssaal befinden, nicht absolut auszuschließen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X