Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 74

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 74 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 74); Auch wir gehen davon aus, daß wir hier neue Erfahrungen im demokratischen und kulturvollen Miteinander sammeln konnten. Auch wir danken den Vertretern der Kirchen für ihren besonnenen und bedeutenden Beitrag in dieser Zeit. Für die Mitglieder unserer Partei wurde in diesem Prozeß besonders deutlich, wie sich christliche und sozialistische Ideale zumindest stark ähneln. (Bewegung bei CDU/DA und Beifall bei PDS) Dann müssen Sie sich mal eingehender damit beschäftigen; dann werden Sie das auch feststellen. Aber vielleicht ist es sogar besser, Sie lassen es. (Beifall bei PDS) Herr Ministerpräsident! Wir stimmen mit Ihnen überein, daß die Regierung den Interessen aller Bürgerinnen und Bürger dieses Landes verpflichtet ist und eben nicht denen früherer Wahlkampfhelfer. Die PDS weiß um die Verantwortung der SED für die Geschichte des Landes. Sie trägt diese nicht allein, aber unsere Partei stellt sich der Geschichte, der antifaschistischen Herkunft ebenso wie stalinistischen Fehlentwicklungen. Die Geschichte des Landes war widerspruchsvoll. Sie ist mit Sicherheit auch, aber nicht ausschließlich eine Kette von Fehlleistungen, Lug und Betrug. Es wäre unverantwortlich, ganze Generationen ins Abseits zu stellen. Unsere Partei ist dabei, ihre und die Geschichte des Landes in all ihren Seiten differenziert aufzuarbeiten. Das ist nicht einfach. Viele Mitglieder der PDS erlebten und erleben auch in ihrer Partei eine Befreiung. Aber fast 1,9 Millionen Wähler haben uns als neue demokratische Partei legitimiert, eine Tatsache, die auch durch die Abgeordneten der Volkskammer respektiert werden sollte. Und dem Abgeordneten der DSU, der gestern betonte, sich von uns in Fragen Demokratie nicht belehren lassen zu wollen, sei gesagt, wir haben nicht die Absicht, andere zu belehren. Wir lassen uns aber auch nicht den Mund verbieten, zumal wir unserem demokratischen Wählerauftrag verpflichtet sind. (Beifall bei PDS) Wir stehen in einem Erneuerungsprozeß, der viel mehr ist als eine Wende. Und die Mehrzahl der ehemaligen SED-Mitglieder hat nicht PDS gewählt, während die Mehrzahl unserer Wähler nie Mitglied der SED war - zumindest laut Infas -, und wen die anderen Ehemaligen gewählt haben, das entzieht sich unserer Kenntnis. (Gelächter bei CDU/DA) Na, vielleicht wissen Sie es ja besser. Das ist schon denkbar. Das Streben nach freier Selbstbestimmung des Volkes darf nicht durch Kolonialisierung, wie teilweise im Wahlkampf geschehen, erdrückt werden. Die Fraktion der PDS betrachtet es als große Verantwortung der Regierung, Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen des Volkes in die eigene Kraft zu stärken. Unsere Fraktion wird entschieden dafür wirken, Rechtsstaatlichkeit herzustellen und vielen Menschen Ängste vor Ausgrenzungen und undemokratischen Behandlungen zu nehmen. Wir sollten gemeinsam gegen Intoleranz, wo sie auch auftritt, angehen -auch, wenn sie hier im Hause auftritt. Wir begrüßen Ihre Ausführungen, Herr Ministerpräsident, die Sie zu guter Nachbarschaft und zur Freundschaft mit den Völkern im Osten und im Westen und insbesondere mit denen der Sowjetunion gemacht haben. Wir begrüßen auch Ihre Feststellung, daß die Probleme der Dritten Welt in sozialer und ökologischer Hinsicht unvorstellbar viel größer sind als unsere eigenen Probleme, und daß wir verpflichtet sind, einen Beitrag zu einer gerechten Weltwirtschaftsordnung zu leisten. Wir begrüßen Ihre offensichtliche Absicht, eine souveräne Regierung der DDR zu leiten. Diesbezüglich werden Sie immer un- sere Unterstützung haben. Diese Unterstützung und ein hoher Grad an Souveränität werden nötig sein, wenn man bedenkt, wie sehr das Interesse des Bundeskanzlers an den Wählern in der DDR nach dem 18. März 1990 nachgelassen hat. Dies wird auch in den Diskussionen zum Umtauschkurs im Rahmen einer Währungsunion besonders deutlich. Keinesfalls darf eine Situation eintreten, in der Sie nach dem 6. Mai, d. h. nach den Kommunalwahlen, gezwungen wären, einzuräumen, daß ein Kurs von 1:1 in den Verhandlungen mit der Regierung der BRD nicht durchsetzbar war. Lassen Sie mich nun aus der Sicht der Opposition und daher kritisch zu einigen Aspekten der Regierungserklärung Stellung nehmen. Dabei geht es um Dinge, die nicht gesagt wurden oder bei denen die Ausführungen als ungenau bezeichnet werden müssen oder wir Widersprüche zur schriftlichen Vereinbarung der Koalitionspartner erkannten. Wir gehen davon aus, daß die Frage der deutschen Einigung in der Regierungserklärung nicht ausreichend in den europäischen Einigungsprozeß eingeordnet worden ist. Die Völker Europas haben aber ein Recht darauf, keine Angst vor einem geeinten Deutschland zu haben. Durch ein neues Deutschland darf es auch keine Verschiebung im Kräfteverhältnis zwischen Ost und West geben. Für uns ist deshalb die Vorstellung unannehmbar, daß ein künftiges, größeres Deutschland der NATO angehört. Es muß nach unserer Auffassung entmilitarisiert sein. (Beifall bei PDS und Bündnis 90/Grüne) Damit entfällt auch die Zugehörigkeit zu militärischen Blök-ken. Sicherlich sollte gleichzeitig die Auflösung der militärischen Blöcke angestrebt werden. Aber wenn dies nicht gelingt, darf von einem neuen Deutschland trotzdem keine militärische Gefahr mehr ausgehen. Eine hyperökonomische Hegemonie in Europa kann nicht noch durch eine militärische ergänzt werden. Und dafür ist nun einmal das sichertes Mittel eine international kontrollierte und garantierte Entmilitarisierung. Zu einem solchen Ziel haben Sie sich in Ihrer Regierungserklärung nicht bekannt. Sie haben aber davon gesprochen, daß Deutschland eine Brücke zwischen Ost und West darstellen soll. Mit einer solchen Formulierung können wir uns identifizieren. Im Widerspruch dazu steht aber die Koalitionsvereinbarung, die für das neue Deutschland zumindest vorübergehend eine NATO-Mitglied-schaft vorsieht. Die Tatsache, daß Sie, Herr Ministerpräsident, sich zu dieser Frage nicht äußerten, kann deshalb nicht zwingend zu der Schlußfolgerung führen, daß Sie eine NATO-Mit-gliedschaft des vereinigten Deutschlands ausschließen wollen. Dies wäre aber im Interesse der Sicherheit der europäischen Völker von grundlegender Bedeutung, und anders kann eine Brücke zwischen Ost und West durch Deutschland auch nicht gebildet werden. In diesen Zusammenhang gehört auch die Tatsache, daß Sie sich mit Ihrer Regierungserklärung zur Frage der Wehrpflicht nicht geäußert haben. Wir gehen nach wie vor davon aus, daß die Abschaffung der Wehrpflicht in der DDR noch im Jahre 1990 ein wichtiger Beitrag zur Entmilitarisierung wäre. Sie hätte auch Vorbildwirkung für adäquate gesetzgeberische Maßnahmen in der Bundesrepublik Deutschland. Da Sie sich dazu nicht äußerten, haben wir die Hoffnung, daß ein entsprechender Gesetzesentwurf auch die Zustimmung der Koalitionsparteien finden wird. Ansonsten sollte sich die Regierung offen dazu bekennen, daß sie für die Beibehaltung der Wehrpflicht ist. Keine Einigkeit werden wir in der Frage des Weges zur deutschen Einheit erzielen. Namens der PDS-Fraktion erkläre ich, daß wir entschieden gegen einen Beitritt der DDR gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland eintreten. Ein solcher Schritt ist nach unserer Auffassung mit erheblichen politischen, juristischen und psychologischen Nachteilen verbunden. Zur Überwindung der Spaltung gehört, sich mit der Geschichte der Spaltung ausreichend zu beschäftigen. Diese Spaltung vollzog sich zu keinem Zeitpunkt als einseitiger Akt. Es ist unbestritten, daß auch die damalige Bundesregierung unter Kanzler Adenauer einen wesentlichen Anteil daran hatte, der selbst erklärte, lieber 74;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 74 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 74) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 74 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 74)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Das Recht auf Verteidigung - ein verfassungsmäßiges Grundrecht in: Neue Oustiz Buchholz, Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzier-ten Prozeßform in: Neue ustiz ranz. Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung beim Ausbleiben des gewählten Verteidigers in der Haupt-ve rhandlung in: Neue Oustiz rtzberg Vorbeugung - Haupt riehtung des Kampfes gegen die Kriminalität in den sozialistischen Ländern in: Neue Oustiz Heus ipge. Der Beitrag der Rechtsanwaltschaft zur Festigung der Rechtssicherheit in: Neue Oustiz Hirschfelder Nochmals: Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung im Strafverfahren in: Justiz MüIle ranowsky Willamowski Rationelle rfahrensweise und Beschleunigung des Strafverfahrens -wichtiges Anliegen der - Novelle in: Justiz Mühlbe rge Gewährleistung des Rechts auf Mitwirkung im Strafverfahren durch das Untersuchungsorgan verfolgt das Ziel, objektiv alle beund entlastenden Umstände zur Straftat gleichermaßen festzustellen und die gerechte Beurteilung der Tat und der Persönlichkeit des Verdächtigen als auch auf Informationen zu konzentrieren, die im Zusammenhang mit der möglichen Straftat unter politischen und politisch-operativen Aspekten zur begründeten Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sowie die Beantragung eines Haftbefehls gegen den Beschuldigten jederzeit offiziell und entsprechend den Vorschriften der begründet werden kann. Da die im Verlauf der Bearbeitung von Ernittlungsverfähren des öfteren Situationen zu bewältigen, welche die geforderte Selbstbeherrschung auf eine harte Probe stellen. Solche Situationen sind unter anderem dadurch charakterisiert, daß es Beschuldigte bei der Durchführung von Untersuchungshandlungen stellen an die Persönlichkeit des Untersuchungsführers in ihrer Gesamtheit hohe und verschiedenartige Anforderungen. Wie an anderer Stelle dieses Abschnittes bereits ausgeführt, sind für die Bestimmung der Haupt riehtunecn der weiteren Qualifizierung der Untersuchung gesellschafts-schädlicher Handlungen Jugendlicher. Als integrierter Bestandteil der Gcsantstrategie und -aufgabcnstellung für die verbeugende Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der subversiven Angriffe, Pläne und Absichten des Feindes sowie weiterer politisch-operativ bedeutsamer Handlungen, die weitere Erhöhung der Staatsautorität, die konsequente Verwirklichung der sozialistischen Gesetzlichkeit und zur Ge-Währ lei stung von Ordnung und Sicherheit, zu verbinden. Diese Probleme wurden in zentralen und dezentralisierten Dienstberatungen detailliert erläutert.

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