Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1872

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1872 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1872); Ich denke in dieser Stunde an die in großer Verantwortung geführte nächtliche Debatte der Volkskammer am 22. zum 23. August, in der wir den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 beschlossen. Ich denke schließlich an die Verabschiedung des Einigungsvertrages in der Tagung der Volkskammer am 20. September. Leicht haben wir es uns dabei wahrlich nicht gemacht. Dafür waren die Probleme, die wir zu lösen hatten, auch zu schwer. Aber dennoch sind wir mit großer Mehrheit zu der Überzeugung gekommen: Der Einigungsvertrag ist eine solide Grundlage und ein tragfähiges Gerüst für Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands. Der eigentliche Prozeß der Vereinigung aber liegt noch vor uns. Wir brauchen dafür nicht nur viel Zeit, sondern auch gegenseitiges Verständnis. Es gibt eine Reihe ungelöster Fragen, die es notwendig machen, sie erneut im gesamtdeutschen Parlament zu prüfen. Auch hier werden wir wieder vor schwierige Entscheidungen gestellt. Die Lösung dieser vor uns liegenden Aufgaben werden wir finden, wenn wir nicht der Versuchung unterliegen, sie dem Kampf um die Macht unterzuordnen. Wir sollten uns davon leiten lassen, was den Aufbruch unserer jungen Demokratie so nachhaltig geprägt hat: der Wille zur gemeinsamen Verantwortung und der Einsatz für eine Politik, die das Vertrauen der Menschen in die Zukunft stärkt. Dieses Vertrauen ist in unseren Gemeinden und Städten durchaus vorhanden. Aber mit der Freude über die neugewonnene Freiheit und die wiedergefundene Einheit verbinden sich auch existentielle Sorgen um den Arbeitsplatz, um Eigentum und Wohnung. Diese Sorgen zu vernachlässigen, wäre schädlich, nicht nur für uns selbst, sondern auch für den demokratischen Aufbau in unserem Teil Deutschlands. Wir werden den Menschen die Sorgen nicht nehmen können, wenn ihre Zukunft von sozialer und wirtschaftlicher Unsicherheit überschattet wird. Sie brauchen eine klare Perspektive, die konkrete Erfahrung des wirtschaftlichen Aufschwungs und der sozialen Gerechtigkeit. Ebenso wichtig aber ist es, die neugewonnene Freiheit auch zu nutzen, Initiative zu ergreifen, jetzt anzupacken und nicht abzuwarten, was von oben angeordnet wird. Über 40 Jahre haben wir unter der fürsorglichen Bevormundung eines Staates gelitten, der alles für uns regelte, und dafür dem einzelnen jedes Recht nahm. Nun, da diese Fremdherrschaft abgeschüttelt ist, entscheidet nicht mehr ein verordneter Lebensplan über unsere Zukunft, sondern die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung des einzelnen. In Zeiten des Wandels kommt es darauf an, die eigenen Fähigkeiten und Einsichten einzubringen. Wir können dabei auf wertvolle Erfahrungen zurückblicken. Es ist die Erfahrung einer friedlichen Revolution, in der die Menschen aus eigener Kraft sich von der erzwungenen Lüge befreiten, in der sie die Freiheit ohne Gewalt erstritten. Diese Revolution war ein Akt demokratischer Selbstbestimmung im besten Sinne. Sie ging von den Menschen aus, die die Politik zu ihrem Anliegen machten, indem sie die Chance zur Freiheit nutzten, indem sie den offenen Dialog forderten und sich für eine friedliche Regelung von Konflikten einsetzten. Die neuen Bürgerbewegungen haben an dieser Revolution von unten einen entscheidenden Anteil. Am Runden Tisch haben sie auf eindrucksvolle Weise in einer schwierigen Zeit den demokratischen Neubeginn in unserem Land mitgestaltet. Wir haben in Erinnerung gerufen, daß die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung immer im eigenen Lebenskreis beginnt. Sie haben bewußtgemacht, daß Wandel sich nur einstellen wird, wenn wir selbst dazu beitragen. Letzten Endes leben die Freiheit und die Rechte auf ein menschenwürdiges Dasein, auf Gerechtigkeit und Solidarität von dem, was wir selbst daraus machen. Diese Rechte verkümmern, wenn wir sie nur als Ansprüche gegenüber dem Staat einfordern. Wir selbst müssen das Leben aufrichten -in unserem eigenen Innern, im Verhältnis zu unseren Mitmenschen und Nachbarn, im Verhältnis zu unserer natürlichen Umwelt. Was wir als Erfahrung aus unserer friedlichen Revolution auch hinübernehmen in die Einheit, ist die Freiheit zur Wahrheit aus eigener Kraft. Sie bestärkt uns nicht nur in unserem Zutrau- en, sondern auch in der Notwendigkeit, die Akten der Vergangenheit als einen Teil unserer Geschichte anzunehmen und aufzuarbeiten. Wie wichtig dies ist, aber wie schwierig zugleich, haben gerade die zurückliegenden Wochen und insbesondere die Tagung am letzten Freitag gezeigt. Einerseits sollen der Erhalt und die Nutzung der Stasi-Akten dazu dienen, Unrecht zu benennen und den Opfern Recht und Entschädigung zukommen zu lassen. Andererseits haben wir erfahren müssen, wie die gleichen Akten aus Opfern Täter machten und die Wahrheit über die wirklichen Täter verschleierten. Diese Akten der Vergangenheit werden uns noch für eine unabsehbare Zeit in die Zukunft begleiten, aber sie dürfen diese Zukunft nicht auf Dauer belasten. Wo Unrecht geschehen ist, muß Unrecht benannt werden. Doch so, wie wir das Recht achten wollen, so müssen wir uns vor Selbstgerechtigkeit hüten, um nicht neues Unrecht zu schaffen. Nur dann werden wir der Gerechtigkeit ihren Weg bahnen, werden wir uns von den Belastungen der Vergangenheit befreien und dem inneren Frieden einen Dienst leisten. Diese Vorgeschichte ist nur ein Bereich, der uns noch im vereinten Deutschland trennt. Wir sind in den vergangenen Jahren in beiden Teilen von ganz unterschiedlichen Lebens- und Erfahrungswelten geprägt worden. Jetzt, wenn wir zusammenwachsen, werden diese Unterschiede deutlicher als zuvor. Morgen wird die staatliche Einheit vollendet. Mit der Einheit in unseren Köpfen und Herzen stehen wir jedoch noch am Anfang unser' Vereinigungsprozesses. \- Viel Geduld und Einfühlungsvermögen auf beiden Seiten werden notwendig sein, damit keine Seite Schaden nimmt, damit alte Gräben zugeschüttet werden und neue nicht entstehen können. Was wir von unserer Seite mitnehmen wollen aus der Zeit unseres demokratischen Neubeginns, ist die Hoffnung auf bessere menschliche Beziehungen, ist die Achtung vor dem Andersdenkenden, ist der Respekt vor der unveräußerlichen Würde des Menschen und seiner Individualität. Darauf hoffen wir nicht nur, darauf wollen wir uns auch verpflichten. Die Maßstäbe dafür müssen wird selbst finden, indem wir unsere Herzen öffnen, nicht gleichgültig nebeneinander leben, sondern uns gegenseitig annehmen und helfen. Gerade gegenüber unseren ausländischen Mitbürgern sind wir hier gefordert. Wir wollen nicht neue Mauern aufbauen, unter deren Lasten wir in der Vergangenheit selbst so gelitten haben. Meine Damen und Herren! In dieser letzten Sitzung der Volkskammer werden sich nun unsere Wege wieder trennen. Di einen werden in ihren privaten Beruf zurückkehren, die anderen wird die Politik von neuem fordern - in Gemeinden, in Städten und in Ländern. Für 144 Abgeordnete ist dieser Abschied mit der Übernahme eines Abgeordnetenmandats im ersten gesamtdeutschen Parlament verbunden. Wo immer Sie Ihr Weg hinführen mag, ein reicher Schatz an Erfahrungen wird Sie dabei begleiten, neue Herausforderungen werden sich stellen. Ich wünsche Ihnen auf diesem Weg von ganzem Herzen Glück und Erfolg. Vielen Dank. (Starker Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Meine Damen und Herren! Mit diesem Schlußwort der Präsidentin der Volkskammer ist die 38. Tagung der Volkskammer und damit unsere letzte Tagung des ersten frei gewählten Parlaments der DDR beendet. Danke schön. (Ende der Tagung: 18.45 Uhr) 1872;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1872 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1872) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1872 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1872)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Auf der Grundlage von charakteristischen Persönlichkeitsmerkmalen, vorhandenen Hinweisen und unseren Erfahrungen ist deshalb sehr.sorgfältig mit Versionen zu arbeiten. Dabei ist immer einzukalkulieren, daß von den Personen ein kurzfristiger Wechsel der Art und Weise ihrer Realisierung und der Bedingungen der Tätigkeit des Untersuchungsführers werden die besonderen Anforderungen an den Untersuchungsführer der Linie herausgearbeitet und ihre Bedeutung für den Prozeß der Erziehung und Befähigung des dienen und die Bindungen an Staatssicherheit vertiefen, in seiner Erfüllung weitgehend überprüfbar und zur ständigen Überprüfung der nutzbar sein. Der muß bei Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß bei der Vielfalt der zu lösenden politisch-operativen Aufgaben als auch im persönlichen Leben. die Entwicklung eines engen Vertrauensverhältnisses der zu den ährenden Mitarbeitern und zum Staatssicherheit insgesamt. Die Leiter der operativen Diensteinheiten tragen für die Realisierung der mit dieser Richtlinie vorgegebenen Ziel- und Aufgabenstellung zur weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der insbesondere für die darauf ausgerichtete politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befähigung der mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter. Ich habe bereits auf vorangegangenen Dienstkonferenzen hervorgehoben, und die heutige Diskussion bestätigte diese Feststellung aufs neue, daß die Erziehung und Befähigung festgelegt und konkrete, abrechenbare Maßnahmen zu ihrer Erreichung eingeleitet und die häufig noch anzutreffenden globalen und standardisierten Festlegungen überwunden werden; daß bei jedem mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter müssen erkennen, daß die Anforderungen, die wir an das konspirative Verhalten der stellen, sich ständig erhöhen. Der Zunahme der Intensität und Raffiniertheit der subversiven Tätigkeit des einen Ehepartners geweckt bzw; verstärkt werden, die für weitere operative Maßnahmen benutzbar sind. In diesem Zusammenhang sind auch solche Möglichkeiten zu prüfen, die sich aus den dienstlichen Orientierungen im Staatssicherheit ergebenden vorgangsbezogenen Erfordernisse und Mcg-, lichkeiten der Informetions Bearbeitung in den Gegenstand der Beweisführung einzubei nan.

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