Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1856

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1856 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1856); Dr. Gysi (PDS): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich auf den eindeutig undemokratischen Gehalt dieses Änderungsantrages hinweisen. Die Volkskammer soll 144 ihrer Abgeordneten in den Bundestag entsenden, damit nicht die Mehrheit allein ihre Vertreter entsendet, wurde, wie üblich, ein Proporz zwischen den Fraktionen erarbeitet. Jede Fraktion entschied in selbstgewählter Form über die Entsendung ihres Anteils an Abgeordneten. In unserer Fraktion wurde eine geheime Wahl durchgeführt. Das Ergebnis ist in den Gesamtvorschlag eingegangen. Grundsätzlich hat jeder Abgeordnete gleiche Rechte und Pflichten. Die Volkskammer hat jedoch soeben beschlossen, in Ergänzung eines früheren Beschlusses, einem bestimmten Kreis von Abgeordneten den Einzug in den Bundestag nicht zu genehmigen. Nach dem Wortlaut dieses Beschlusses gehört der Abgeordnete Dr. Hans Modrow eindeutig nicht dazu, so daß er in den Bundestag delegiert werden kann. Der jetzige Antrag verletzt also diesen Beschluß der Volkskammer selbst, denn unsere Fraktion hat sich an ihn gehalten und keinen Abgeordneten aufgestellt, der nach diesem Beschluß nicht aufgestellt werden darf. Dadurch soll hier folgendes geschehen: Eine Mehrheit des Parlaments entscheidet, wer von den Mitgliedern der Fraktion der PDS entsandt wird und wer nicht. Das ist in höchstem Maße undemokratisch und erinnert an die Situation, als die Opposition einen Vertreter in den Verwaltungsrat der Treuhandanstalt entsenden sollte und die Mehrheit der Volkskammer mehrfach die Wahl dieses Vertreters ablehnte, um selbst zu entscheiden, wer der Vertreter der Opposition ist. Das wurde damals von der Opposition gemeinsam und zu Recht als undemokratisch klassifiziert. Nun zu Hans Modrow selbst: Hans Modrow war viele Jahre Mitglied des ZK dqr SED und 1. Sekretär der Bezirksleitung Dresden der SED. Er war nie Kandidat oder Mitglied des Politbüros des ZK der SED. Das ZK selbst tagte jährlich nur ca. 4 Mal und war im Unterschied zum Politbüro nicht das eigentliche Machtzentrum. Entscheidend ist also seine Funktion als 1. Sekretär der Bezirksleitung Dresden. Für mich ist jedoch weniger die Funktion sondern die Art und Weise ihrer Ausübung maßgebend. (Zuruf: Genau, das reicht doch.) Natürlich gab es zwischen Hans Modrow und der Bezirksverwaltung des MfS Verbindungen, obwohl sich aus einem Zeitungsbericht eines ehemaligen Offiziers dieses Bereichs ergibt, daß der Kontakt nicht eng war. (Heiterkeit) Entscheidend ist, daß das MfS zentral geleitet war und Mielke und Honecker natürlich nur begrenzt bezirkliche Einflüsse zuließen. Alle Befehle, die Sie kennen, stammen von Ministern, nicht von Bezirken. Außerdem gibt es einen beachtlichen Unterschied zu informellen Mitarbeitern, die zum Nachteil von Mitbürgern tätig wurden. Jeder, der mit einem 1. Sekretär einer Bezirksleitung sprach, wußte, mit wem er sprach, stellte sich darauf ein. Der informelle Mitarbeiter dagegen konnte der Freund, der Bruder, der Kollege sein, dem man sich anvertraute, das heißt, hier wurde ein besonderes Vertrauensverhältnis im geheimen verletzt. Hans Modrow ist im übrigen mit einer der höchsten Stimmenzahlen durch die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes in die Volkskammer gewählt worden, und zwar in Kenntnis der Tatsache, daß er früher 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED war im Unterschied zu anderen Abgeordneten, die Kenntnisse über ihre Funktion nicht bekanntgegeben hatten, war das alles bei Hans Modrow bekannt. (Beifall bei der PDS) Im Grunde genommen verletzen Sie hier den Willen der Wählerinnen und Wähler. Nichts von dem, was Sie gesagt haben, ist neu. Nichts von dem wußten die Bürgerinnen und Bürger bei der Wahl nicht. Nun zur Art der Ausübung seiner Funktion: Im Unterschied zu den anderen 14 1. Sekretären von Bezirksleitungen gab es seit längerer Zeit gerade zu Hans Modrow aus der Bevölkerung und verschiedenen Kreisen überwiegend positive Beurteilungen. Ei hatte z. B. auch als 1. Sekretär stets bescheiden gelebt, sich weder ein Haus noch ein Wochenendhaus besorgt wie andere, sondern ausdrücklich den Einzug in eine Villa seines Vorgängers abgelehnt, Bischof Hempel hat erklärt, daß gerade mit Hans Modrow immer eine über das normale Maß hinausgehende gute Zusammenarbeit möglich war. Er hat also seine Person positiv beurteilt wie andere Vertreter der Kirchen übrigens auch. Seit Jahren berichteten gerade die westlichen Medien immer wieder, daß das Verhältnis von Honecker und Modrow schlecht sei, daß Modrow Reformen wie Gorbatschow wolle usw. Er ist dort eigentlich zu den Reformern mit aufgebäut worden, auch im Ruf der Bevölkerung der DDR. Tatsächlich ist bekannt, daß zum Beispiel Mittag gegen Modrow eine Kommission von über 200 Mitgliedern einsetzte, die mehrere Monate gegen ihn tätig war. Eine Absetzung wagte man nicht wegen seines Rufes im Ausland, so auch in der UdSSR. Zur KPdSU unterhielt er nämlich besonders enge Kontakte mit den Reformern unter Gorbatschow. Mitgeteilt wurde in der Presse inzwischen, daß das MfS gegen ihn - und das ist wohl einmalig - Ermittlungen wegen des Verdachts auf Hochverrat führte. Erneuerer der DKP in der BRD, die den Gorbatschow-Kurs wollten, berichteten mir, daß sie während ihrer scharfen Auseinandersetzungen nur mit Hans Modrow in der DDR Gespräche führen konnten, der sie ermunterte. Das alles sage ich nur, um zu zeigen, wie differenziert Persönlichkeiten zu sehen sind, unabhängig von der Funktion, die der Betreffende ausübte. Hans Modrow nicht nach Bonn zu schicken heißt nicht Vergangenheit aufarbeiten, sondern zu verdrängen. Und das kann ich schon dadurch beweisen, daß die anderen 141. Sekretäre von Bezirksleitungen in der öffentlichen Diskussion und auch hier im Parlament überhaupt nie eine Rolle gespielt haben. (Zwischenrufe) Die wenigsten. Nie um Rechenschaft ersucht wurden, und darunter gab es wirklich schlimme Stalinisten. Hans Modrow war es, der in schwierigster Zeit als Ministerpräsident Verantwortung übernahm und großen Anteil daran hatte, daß es keine Repressalien mehr in diesem Land gab, dem übrigens die Untersuchungskommission in Dresden dies hinsichtlich der Ereignisse in Dresden bescheinigte. (Zuruf: Die Modrow-Kommission!) Nein, nein, ich meine die vom Bürgerkomitee. Er war es, der einen großen Anteil daran hatte, diese Bevölkerung zu demokratischen Wahlen zu führen. Und mit Ausnahme der DSU waren alle Parteien, die jetzt hier Zwischenrufe machen, in seiner Regierung vertreten. Der Ministerpräsident Lothar de Maiziere war sein Stellvertreter. Die Liberalen stellten Minister, die CDU noch weitere Minister, und in der Koalition der Nationalen Front war dann noch die SPD vertreten, weiter das Neue Forum, Demokratie Jetzt, die Initiative für Frieden und Menschenrechte und die Grüne Partei. Die meisten dieser Minister sitzen heute noch hier in der Volkskammer. Die gleichen Parteien, die unter seiner Leitung in der Regierung waren, wollen heute sagen, daß sie mit ihm im Bundestag nicht zusammensitzen können. Das halte ich einfach für verlogen und falsch. (Beifall bei der PDS) Ich frage mich, wieso kann eigentlich ein Staatsbürgerkundelehrer aus der DSU nun zum Saubermann der Nation werden? Welche Anmaßung, welche falsche Moral steckt eigentlich dahinter! Und ich frage Sie: Kann nicht vielleicht auch dieser 1856;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1856 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1856) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1856 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1856)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtSozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels. Die vom Feind angewandten Mittel und Methoden. Die Zielgruppen des Feindes. Das Ziel der Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels angefallenen Bürger intensive Kontakte und ein großer Teil Verbindungen zu Personen unterhielten, die ausgeschleust und ausgewiesen wurden legal in das nichtsozialistische Ausland bestünden. Diese Haltungen führten bei einer Reihe der untersuchten Bürger mit zur spätereri Herausbildung und Verfestigung einer feindlich-negativen Einstellung zu den verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der angegriffen werden bzw, gegen sie aufgewiegelt wird. Diese ind konkret, detailliert und unverwechselbar zu bezeichnen und zum Gegenstand dee Beweisführungsprozesses zu machen. Im Zusammenhang mit der Entstehung, Bewegung und Lösung von sozialen Widersprüchen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft auftretende sozial-negative Wirkungen führen nicht automatisch zu gesellschaftlichen Konflikten, zur Entstehung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Die empirischen Untersuchungen im Rahmen der Forschungsarbeit bestätigen, daß im Zusammenhang mit dem gezielten subversiven Hineinwirken des imperialistischen Herrschaftssystems der und Westberlins in die bei der Erzeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Ausgehend von- der Analyse der grundlegenden Ziele der Strategie des Imperialismus ist das Aufklärer, der konkreten strategischen und taktischen Pläne, Absichten und Maßnahmen in der offensiven Auseinandersetzung mit dom Gegner auf den verschiedensten Ebenen zu seiner Entlarvung sowie Verunsicherung und DesInformierung genutzt werden können.

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