Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1831

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1831 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1831); Ich bitte nur darum, auch vor der Öffentlichkeit, daß man sich dessen bewußt wird, daß Menschen, die unschuldig sind, die geglaubt haben, einem guten Zweck zu dienen, kaputtgemacht werden können, und nicht nur diese Menschen, sondern auch die gesamte Familie. Und das, finde ich, ist das Schlimmste. -Danke schön. (Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Herr Körber hat eine Frage. Wollen Sie eine Frage beantworten? Dr. Körber (SPD): Sie sprachen eben davon, daß Sie Wirtschaftskriminalitätsfälle an die Staatssicherheit weitergegeben haben. Nach meiner Rechtsauffassung sind dafür ordentliche Gerichte zuständig. Blume (CDU/DA): Soweit mir bekannt ist, hat sich damit niemand beschäftigt. Sie kommen aus der Wirtschaft. Ich glaube, der Staatsanwalt hätte mich ausgelacht, wenn ich ihm mitgeteilt hätte, daß Produktionsmeldungen in Größenordnungen, nachdem ich sie unterschrieben hatte, noch gefälscht worden sind. Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Ich rechne jetzt mit Ihrem Einverständnis, wenn ich Herrn Stadermann, der heute früh sein Mandat niedergelegt hat, trotzdem hier noch einmal das Wort erteile. Bitte schön! Dr. Stadermann (PDS): Frau Präsidentin ! Meine Damen und Herren! Ich habe gestern die Möglichkeit gehabt, vor dem Ausschuß angehört zu werden. Mir ist seit Jahren bekannt, daß über mich umfangreiche Akten existieren. Ich habe vor zehn Tagen davon Kenntnis erhalten, daß auch über mich entsprechend der Einstufung eine Akte existiert. Mir wurde nahegelegt, mein Mandat niederzulegen. Meiner Forderung, angehört zu werden, wurde Rechnung getragen. Ich habe heute morgen der Frau Präsidentin folgendes Schreiben überreicht: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Auf Empfehlung des Zeitweiligen Prüfungsausschusses habe ich mein Mandat als Abgeordneter der Volkskammer niederzulegen. Nach Einschätzung des Ausschusses sind zwei Kriterien für diese Empfehlung erfüllt: 1. Ich habe eine Verpflichtung zur Geheimhaltung und Mitarbeit unterschrieben. 2. Ich habe Einschätzungen zu Papier gebracht, die anderen Bürgern der DDR zum Schaden gereichen. Zum ersten: Ich war stellvertretender Forschungsdirektor einer Universität und Geheimnisträger bezüglich aller Forschungsprojekte, vom koordinierenden Plan der Grundlagenforschung im Rahmen des RGW bis zu universitätsinternen Forschungsfragen. Mir oblag die schütz- und patentrechtliche Sicherung aller relevanten Aufgaben. Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen der DDR bezüglich Schutzrechten und Rechtsschutz war ich verpflichtet und vereidigt. Die diesbezüglichen Schutzaufgaben in der DDR wurden durch einen Bereich der Staatssicherheit wahrgenommen. Ich habe in diesem Umfang und in dieser Tätigkeit alle materiellen, räumlichen und personellen Fragen sicherzustellen gehabt, bis die Forschungsergebnisse, die relevant waren, patentrechtlich geschützt waren. - Der letzte Satz steht nicht im Schreiben. Ich zitiere weiter: Zu zweitens: Ich habe mich nach Sichtbarwerden von grobem Amtsmißbrauch und korrupten Handlungen durch Parteifunktionäre und staatliche Leiter in meinem Arbeitsumfeld mit Analysen und Eingaben an die Staatsführung und an die Organe der damaligen Parteikontrollkommission des Zentralkomitees gewandt. Die Analysen betrafen sachlich die Verbringung von mehreren Tausend Tonnen virusverseuchten Schweinefleisches in die Konservenfabriken und Großküchen der DDR und die damit verbundene Verbreitung der Maul- und Klauenseuche in der DDR über viele Jahre, die Veruntreuung von Tausenden von Tonnen Brennmaterial, die Vernichtung von Forschungsmitteln in Millionenhöhe und den mißbräuchlichen Zugriff zu Lohn- und Prämienmitteln einschließlich des K- und S-Fonds. Im Ergebnis dieser Eingaben erhielt ich 1981 Arbeits- und Berufsverbot und war als Dissident zur speziellen Bearbeitung bis einschließlich 1989 Maßnahmen ausgesetzt, die meine Brechung als Persönlichkeit oder meine Ausbürgerung zum Ziel hatten. Meine Frau, meine Kinder, mein Freundeskreis wurden in diese Sonderbehandlung mit einbezogen. Die Palette der Maßnahmen reichte vom Versuch, mich in einer Heilanstalt für Geistesgestörte verschwinden zu lassen über Einbrüche, schwere Sachbeschädigung bis zu Mordanschlägen. Mir und meiner Familie ist nahezu die gesamte Breite der Bearbeitungsmaßnahmen von Dissidenten aus dieser Zeit geläufig. In mehr als 16 Gerichtsverfahren sind meine Versuche einer Gegenwehr dokumentiert. Im Ergebnis meiner Eingaben und Einschätzungen wurden die von mir aufgezeigten Mängel teilweise aufgegriffen und personelle Veränderungen vorgenommen. Ich teile deshalb die Einordnung des Prüfungsausschusses dennoch nicht. Die Ankämpfung gegen Machtmißbrauch und Korruption bereits in den Jahren 1976 bis 1980 und das Ankämpfen gegen die genannten Folgeerscheinungen bis 1989 waren nach meinem Maßstab kein Denunzieren, sondern mein bescheidener Versuch, den krankhaften Auswüchsen in den Führungsgremien des Parteigebildes der DDR Einhalt zu gebieten. Die Maßstäbe des Prüfungsausschusses wurden formal angelegt. Ich teile die Auffassung zur Herangehensweise nicht. Dennoch lege ich mein Mandat vorerst nieder, weil die Spielregeln in diesem Parlament das fordern. Ebenso ziehe ich meine Kandidatur für die Landtagswahlen vorerst zurück. Mein passives Wahlrecht kann ich ohne Verleugnung meiner Person erst wieder wahrnehmen, wenn das Präsidium der Volkskammer, das Parlament oder die richterliche Entscheidung in meinem laufenden Rehabilitationsverfahren meiner Auslegung zu meinem Tun und Handeln folgt. Mit vorzüglicher Hochachtung. - Diesen Brief habe ich heute morgen abgegeben. Ich betone hier nachdrücklich für mich: Wer in einer entsprechenden Leitungsposition war, muß ab dem genannten Zeitraum gesehen haben, was sich um uns herum abspielt. Und die Voraussetzung für dieses Sehen ist in jedem Falle, daß man nicht nur sehen wollte, was einem gefiel. Zweitens: Informationen in dieser Größenordnung konnte nur erlangen, wer in diesem Staat eine entsprechende Position in einer Leitungsebene erreicht hatte. Wenn sich jemand - so wie ich - in einer entsprechenden Leitungsebene befand und schon allein durch das Erreichen dieser Leitungsebene schuldig gemacht hat, wenn das der Maßstab ist, und das Parlament einem solchen Maßstab zustimmt, dann beuge ich mich auch der Einschätzung dieses Parlamentarischen Sonderausschusses. Wenn mein Tun und Handeln - vor 14 Jahren begonnen - als Verbrechen und als moralisch verwerflich immer noch zu meiner Person als Farbe zu bezeichnen ist, und wenn einer in diesem Parlament dem folgt, dann kann ich mich auch diesem einen nicht anschließen. Ich habe vieles gelernt in diesem Leben, aber Aufgeben nicht. Diese zehn Jahre für mich und meine Familie sind noch nicht beendet, und den Widerstand gegen diese kriminellen Maßnahmen, die ich hier nur andeutungsweise genannt habe - sie sind viel umfänglicher - führe ich zu Ende. (Beifall) 1831;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1831 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1831) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1831 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1831)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die Diensteinheiten der Linie sind auf der Grundlage des in Verbindung mit Gesetz ermächtigt, Sachen einzuziehen, die in Bezug auf ihre Beschaffenheit und Zweckbestimmung eine dauernde erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit charakterisieren und damit nach einziehen zu können. Beispielsweise unterliegen bestimmte Bücher und Schriften nach den Zollbestimmungen dem Einfuhrverbot. Diese können auf der Grundlage von durchsucht werden. Die Durchsuchung solcher Personen kann im Zusammenhang mit der Zuführung zur Sachverhaltsklärung, sie kann aber auch erst im Zusammenhang mit der Aufnahme Verhafteter in den Untersuchungshaftvollzug, wie Aufnahmeverfahren durch die Diansteinheiten der Linie Erstvernehmung durch die Diensteinheiten der Linie ärztliche Aufnahmeuntersuchung, richterliche Vernehmung innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit grundsätzlich bis maximal am darauffolgenden Tag nach der Verhaftung zu realisieren, bedarf es einer konsequenten Abstimmung und Koordinierung der Maßnahmen aller beteiligten Diensteinheiten. Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung begünstigen. erreicht die Qualität von Straftaten, wenn durch asoziales Verhalten das gesellschaftliche Zusammenleben der Bürger oder die öffentliche Ordnung gefährdet werden - Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch Verbreitung dekadenter Einflüsse unter jugendlichen Personenkreisen, insbesondere in Vorbereitung des Jahrestages der Deutschen Demokratischen Republik Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung des Ministers zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und deren Auswirkungen steht die rechtzeitige Feststellung und Aufklärung aller Anzeichen und Hinweise auf demonstratives und provokatorisches Auftreten von Bürgern in der Öffentlichkeit. Besonders in der letzten Zeit ist eine Häufung von Eingaben durch Bürger an zentrale staatliche Stellen der sowie von Hilfeersuchen an Organe der der festzustellen. Diese Personen stellen insbesondere Anträge auf Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, auf Familienzusammenführung und Eheschließung mit Bürgern nichtsozialistischer Staaten und Westberlins sowie auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR.

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