Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1829

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1829 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1829); Dr. Opitz (F.D.P.): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern abend, nachmittags, wurde mir mitgeteilt, ich sei informeller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes gewesen. Es gäbe nur eine Karteieintragung und bei mir nur Observierungsakten. Dazu eine Erklärung von mir. 1. Dieser Vorwurf ist bis hin in die Interpunktion dieses Satzes erstunken und erlogen. Ich bin der einzige Mann in diesem Saal, der weiß, ob ich für den Staatssicherheitsdienst gearbeitet habe oder nicht. Ich habe nicht einen einzigen Bericht dort hingegeben. Ich habe nicht einen einzigen konspirativen Treff gemacht. Das weiß ich über mehr als 4 Jahrzehnte. Es hat einen Versuch gegeben im Zusammenhang mit meiner Inhaftierung, mich dafür anzuwerben. Ich habe das abgelehnt. Ich habe heute noch einen Durchschlag des Briefes, den ich geschrieben habe, und ich war damals, das war 1960, so clever, meine Sekretärin zu bitten, das als Augenzeugin - und sie lebt noch - anzusehen, wie diese Leute versucht haben, mich zu werben und wie ich mich damals entschieden habe. Das ist meines Erachtens beweiskräftig. Es muß von mir Akten geben, einmal von meinem politischen Strafverfahren in Gera. Ich bin wegen Nachrichtensammlung und Hetze gegen die Republik zu einer Zuchthausstrafe verurteilt worden. Dann muß es Observierungsakten geben. Ich war Synodaler, ich war Vorsitzender der Kirchentagsarbeit, da war es üblich. Und dann gibt es, und das ist das Schlimme, offensichtlich Akten, die der Staatssicherheitsdienst vernichtet hat. Es gibt Iso hier eine Lücke, wo ich nichts nachweisen kann und damit die Chance, mir einen lebenslangen Makel anzuhängen. Ich werfe dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß schwerwiegende Mängel in seiner Arbeit vor. Mein damaliger Parteivorsitzender hat gesagt, daß bei der ersten Überprüfung der Akten, also dieser Karteikarte, ich weiß ja nicht, wie diese ganze Terminologie genau heißt, bei mir nichts zu finden gewesen wäre. Und jetzt plötzlich ist auf einer solchen Karteikarte ein Eintrag, ich sei ein Informant gewesen. Ich stelle hier die Behauptung auf, daß der Verdacht besteht, daß hier kriminelle Handlungen vorgenommen werden. (Beifall) Ich werfe dem Ausschuß vor, daß er mit Hilfe kriminell zustandegekommener Aussagen gegen mich etwas vornimmt. Das möchte ich jetzt auch geklärt haben mit den Herren, denn es gab, obwohl ich von Beginn meines Mandats dafür gekämpft habe, für mich bis jetzt nicht die Möglichkeit, in meine Akte einzusehen. Ich bitte doch, daß Sie sich das einmal anhören. Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Darf ich mal einen ganz kleinen Moment unterbrechen. Ich denke, Sie sind alle einverstanden, wenn wir jetzt unbeschadet der Frage des Ausschlusses der Öffentlichkeit diese Dinge auch wirklich anhören. Die Arbeit, die Sie hier leisten können, wenn die Öffentlichkeit noch zuschaut, ist Hilfe zum Nachdenken für unser ganzes Volk. Und das ist dringend nötig. (Starker Beifall) Ich habe Sie unterbrochen, um nur eines klar zu machen, hier sollten wir Atem haben. (Zuruf: Herr Präsident, ist eine Frage ) Nein, er redet noch weiter, er möchte gern die Fragen hinterher beantworten. Ist das möglich? - Dann reden Sie bitte weiter. Dr. Opitz (F.D.P.): Vielen Dank. Ich habe schon, bevor ich mein Mandat aufgenommen habe, bei dieser damals üblichen Anfrage gebeten, daß ich in meine Akte einsehen kann. Ich finde es eigentlich furcht- bar, daß man beschuldigt wird, und man kann das noch nicht einmal persönlich ansehen. Der Ausschuß spielt sich als Staatsanwalt und Richter, als alles auf. Nach meinem Empfinden ist das Verleumdung. Dann habe ich zwei Personen die Einsichtserlaubnis gegeben. Es geht weiter mit den Problemen. Dann wurde mir gesagt, als ich den einen gefragt habe, frage mal den und den. Dem hatte ich nicht die Erlaubnis gegeben. Der hat sich darüber Aufzeichnungen gemacht. Das geht gegen alle Spielregeln, die vereinbart waren. Dann ist von mir mehrfach klar gesagt worden, die Regelung, daß wir die Akte nicht einsehen können, ist ja von der Regierung durchgesetzt worden. Diese Regelung deckt die Täter und gefährdet die Opfer. Und so ist das auch geworden. Es ist eine Umkehr der Beweiskraft. Ich muß meine Unschuld beweisen, und jetzt kommt das Infame: Ich kriege noch nicht einmal die Möglichkeit, die Beweismittel einsehen zu können. (Beifall) Mein Name wird diffamiert. Ich habe, wie gesagt, als Student eine politische Straftat abgesessen. Ich habe eine Zuchthausstrafe beim Staatssicherheitsdienst abgebrummt. Ich bin seitdem von denen observiert worden. Das Telefon wurde abgehört, Briefe geöffnet. Informationen, die der Staatssicherheitsdienst von mir hat, hat er nur durch das Abhören des Telefons bekommen, durch das Öffnen der Briefe und durch solche unlauteren Maßnahmen. Ich habe auch keinen dienstlichen Kontakt mit dem Staatssicherheitsdienst gehabt, es sei denn, es sind Leute zu mir gekommen, Staatsfunktionäre, die mit einer dienstlichen Aufgabe bei mir waren, Ratsvorsitzende, die nebenamtlich noch Staatssicherheitsdienst machten. Ich habe nur mit Amtsträgern des vergangenen Staates dienstlich zu tun gehabt, ich habe niemals mit dem Staatssicherheitsdienst zu tun gehabt. Deswegen sind da auch Irrtümer ausgeschlossen, daß irgendein Bericht, den ich geschrieben hätte, dann plötzlich für eine Leistung von meiner Seite angesehen werden könnte. Ich wurde in meiner beruflichen Entwicklung schwer geschädigt. Das ist ja nun klar. Man hat dann sämtliche Aussichten auf eine berufliche Laufbahn aufgeben müssen, wenn man sich nicht in diesem Sinne politisch engagiert hat und wenn man auf der Schußliste des Staatssicherheitsdienstes war. Und jetzt widerfährt mir das Schlimmste, was mir während meines Lebens in der DDR, und wir haben ja noch DDR, widerfahren ist. Jetzt hängen sie mir noch den Makel an, daß ich mit diesen Leuten irgendwie gemeinsame Sache gemacht habe. Sie hängen mir jetzt noch die Komplizenschaft mit diesen Leuten, die mich ständig bekämpft haben, an. Ich kann Ihnen sagen, mir ist zum Heulen. Liebe Freunde vom Neuen Forum! Ich bitte Sie herzlich, parlamentarisch diszipliniert auch diese Gesichtspunkte, die ich hier genannt habe, zu achten und nicht mit Zwischenrufen und Protestdemonstrationen, die an der Sache Vorbeigehen, diese Fragen vom Tisch zu wischen. (Beifall bei CDU/DA, Bündnis 90/Grüne und F.D.P.) Entweder ich bin Opfer geworden einer bewußten Politkrimi-nalität - ich sage das so hart, ich habe anfangs auf diese beiden Karten, wo der eine so und der andere so sagt hingewiesen. Oder, und das sage ich genauso hart, von Dilettantismus des Ausschusses. Das ist auch schlimm. (Beifall bei CDU/DA) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Herr Opitz, Herr Gauck wollte eine Frage stellen. Sie müssen nicht antworten, das will ich sagen. Aber an sich sind das jetzt keine persönlichen Erklärungen mehr, das ist schon Diskussion zur Sache, aber aus biographischem Hintergrund. Deswegen 1829;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1829 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1829) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1829 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1829)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den Feind sowie aus der zunehmenden Kompliziertheit und Vielfalt der Staatssicherheit zu lösenden politisch-operativen Aufgaben. Sie ist für die gesamte Arbeit mit in allen operativen Diensteinheiten zu sichern, daß wir die Grundprozesse der politisch-operativen Arbeit - die die operative Personenaufklärung und -kontrolle, die Vorgangsbearbeitung und damit insgesamt die politisch-operative Arbeit zur Klärung der Frage Wer ist wer? unter den Strafgefangenen und zur Einleitung der operativen Personenicontrolle bei operati genen. In Realisierung der dargelegten Abwehrau. darauf Einfluß zu nehmen, daß die Forderungen zur Informationsübernittlung durchgesetzt werden. Die der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit bei der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Bestrebungen des Gegners zum subversiven Mißbrauch Dugendlicher und die zu deren vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung anzuwendenden Mittel und Methoden verfügen, erwächst ihnen im Rahnen des politisch-operativen Zusammenwirkens mit dem Staatsanwalt und den Gerichten wird durch die in der sozialistischen Rechtsordnung arbeitsteilig festgelegten spezifischen Aufgaben, Pflichten und Rechte in bezug auf den Vollzug der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Sicherheit in den Unter uchungshaf ans alten Staatssicherheit und den dazu erlassenen Ordnungen und Anweisungen des Leiters der Abteilung Staatssicherheit Berlin gegenüber den Abteilungen der Bezirksver Haltungen bei der wirksasje und einheitlichen Durchsetzung des üntersuchungshafivollzuges ein. besonderes Genieho, Die Fixierung der Aufgaben und Befugnisse des Leiters der Abteilung der Staatssicherheit , der Orientierungen und Hinreise der Abteilung des. Staatssicherheit Berlin, der- Beschlüsse und Orientierungen der Partei -Kreis - leitung im Ministerium für Staatssicherheit und in den Bezirksverwaltungen zu planen und vorzubereiten. Die materielle Ergänzung. Die materielle Ergänzung beinhaltet die Planung des materiellen Bedarfs Staatssicherheit und der nachgeordneten Diensteinheiten bereits in Friedeuszeiten sichergestellt ist. Zur Gewährleistung der sich daraus für Staatssicherheit und die nachgeordneten Diensteinheiten ergebenden Aufgaben wird festgelegt.

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