Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1817

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1817 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1817); Von Ernst Dörfler erfuhren wir, daß die Staatssicherheit 1983 zu ihm kam. Hintergrund dieses Besuchs war, daß er nach mehrjähriger Arbeit an Umweltthemen, nach Publikationsverboten usw. seine Arbeit aus Gewissensgründen niedergelegt hatte. Er kündigte an, künftig über Umweltfragen zu publizieren. Zwischen 1983 und 1989 wurde er mehrfach behelligt. Ziel der Gespräche war es offensichtlich, herauszubekommen, auf welche Weise sich Ernst Dörfler zur Zeit mit Umweltfragen beschäftigt und was und wo er zu publizieren gedenkt. Weitere Themen oder Personen waren kein Gesprächsgegenstand. Das Ansinnen, regelmäßig Informationen an die Staatssicherheit zu liefern, wurde durch Ernst Dörfler mit Entschiedenheit abgelehnt. Dem Familienkreis und nahen Freunden waren diese Besuche bekannt. Die Aktenprüfung ergab eine Bestätigung dieses Berichts. Aber das war noch nicht alles. Aus den Unterlagen geht hervor, was der Betroffene natürlich nicht wußte, daß er über einen Zeitraum von fast 10 Jahren - von 1980 bis 1989 - ständig überwacht und sein Leben bis in die nebensächlichsten und auch privatesten Einzelheiten ausgeforscht worden war. Bernd Reichelt hatte der Fraktion im März mitgeteilt, daß Mitarbeiter der Staatssicherheit, die sich ihm gegenüber als Kriminalpolizisten ausgaben, 1975 zu ihm Kontakt aufgenommen hatten, als er, Sohn linientreuer Genossen, regelmäßig eine Junge Gemeinde besuchte. Mehrfach hatten über einen Zeitraum von ca. 2 Monaten Gespräche stattgefunden, dann ließ man ihn in Ruhe. ’'Der Grund für diesen Rückzug ist nicht bekannt. Vielleicht galt Bernd Reichelt in den Augen der Stasi als unzuverlässig. Die Einsicht in seine Akten, von denen fast nur Kopien vorhanden sind, ergab, daß er als 18jähriger eine Bereitschaftserklärung abgegeben hat, eng mit den Sicherheitsorganen zusammenzuarbeiten. Es haben sich jedoch keinerlei Hinweise auf spätere Dienste für die Staatssicherheit ergeben. Immer mehr begreifen wir alle, wie behutsam mit ersten Hinweisen auf eine mögliche Stasi-Zuarbeit umgegangen werden muß. Auch dieses Wissen hat uns bewogen, offen mit der Geschichte dieser beiden Abgeordneten umzugehen. Wie schwer im Einzelfall eine Beurteilung ist, wissen am besten die Mitglieder der drei mit der Stasi-Vergangenheit befaßten Ausschüsse. Wo ist die Grenze zwischen Tätern und Opfern? Entschuldigt es einen Täter, daß er auch Opfer war? Die Grenzen, das wissen wir, sind fließend, aber sie sind vorhaden. An dieser Stelle muß von der besonderen Verantwortung von Politikern und Politikerinnen gesprochen werden. Dieses Parlament war sich immer einig in der Frage, daß durch Stasi-Mitarbeit belastete Bürgerinnen und Bürger als Lehrer oder für Aufgaben im öf- /fentlichen Dienst nicht geeignet sind. Erst recht gilt das natürlich für die Arbeit im Parlament oder in der Regierung. Wer schwer belastet war, wußte das von sich. Und wir halten die Übernahme eines Volkskammermandats oder eines Regierungsamtes unter diesen Umständen für Betrug und Ausdruck von Zynismus. (Beifall) Auch nach der Einrichtung des Prüfungsausschusses wäre noch Gelegenheit gewesen, sich aus der Arbeit zurückzuziehen, ohne den Grund öffentlich zu machen. Oder hoffte man, das Verwischen der Spuren sei schon weiter fortgeschritten? Die sich einer Überprüfung verweigerten, die Überprüfungen verzögerten und vor allem jene, die trotz berechtigter schwerer Vorwürfe im Parlament oder in der Regierung verblieben sind, haben das Ansehen dieses ersten und letzten demokratisch gewählten Parlaments der DDR schwer geschädigt. (Beifall) Ich meine, daß diese Schädigung auch durch jene erfolgt ist, die von der Weiterarbeit derart belasteter Personen wußten und nicht die nötigen Konsequenzen veranlaßt haben. (Beifall) Zum aufrechten Gang in die künftige gesamtdeutsche Verantwortung gehört, daß wir uns fast in letzter Minute öffentlich von jenen trennen, die ihre Wähler hintergangen haben. (Beifall) Wir sind es den Bürgerinnen und Bürgern und uns selbst schuldig, dafür zu sorgen, daß dieses Parlament nicht als Stasi-Parlament in die Geschichte eingeht (Beifall) und der Schatten, von dem ich eingangs sprach, nicht auf uns allen lastet. Oder glaubt hier jemand, daß geflüsterte Namen und unausgesprochener Verdacht weniger schädlich sind, als die offene Auseinandersetzung? Nur diese Offenheit, mit der die Volkskammer ein wichtiges Zeichen setzen könnte, macht es möglich, daß sich hierzulande ein Klima entwickeln kann, in dem auch ehemalige Täter über ihre Vergangenheit sprechen und damit einen Neuanfang wagen können. Wägen wir ab, was wichtiger ist, der Schutz einzelner politischer Campierer, das Renomee einer Partei oder die Chancen, daß wir freier leben können? Ich bitte Sie im Namen meiner Fraktion sehr dringend, dafür zu stimmen, daß die Namen der am schwersten Belasteten öffentlich gemacht werden. Ich danke Ihnen. (Beifall) Präsidentin Dr. Bergmann-Pohl: Jetzt möchte Herr Abgeordneter Ullmann einen Abänderungsantrag Vorbringen. Dr. Ullmann, Stellvertreterder Präsidentin: Hohes Haus! Meine Damen und Herren Abgeordnete aller Fraktionen! Nach Anhörung des Berichtes des Zeitweiligen Prüfungsausschusses in ausführlicher stundenlanger Erwägung der von ihm gegebenen Empfehlungen hat sich das Präsidium der Volkskammer entschlossen, Ihnen folgenden Änderungsantrag vorzulegen. Ich verlese den Wortlaut: „Abänderungsantrag des Präsidiums der Volkskammer zur Beschlußempfehlung des Zeitweiligen Prüfungsausschusses, betreffend die Nennung von Namen derer, denen eine Empfehlung zur Niederlegung ihres Mandats ausgesprochen wurde. (Drucksache 246a) Die Volkskammer möge beschließen: Im Namen der Abgeordneten der Volkskammer sowie der Minister, die unter eine der folgenden 6 vom Zeitweiligen Prüfungsausschuß der Volkskammer auf gestellten Kategorien fallen, werden in der heutigen Tagung bekannt gegeben: 1. Ein Verdacht als informeller Mitarbeiter ist bestätigt. Der Prüfungsausschuß spricht nach Akteneinsicht eine dringende Empfehlung zur sofortigen Mandatsniederlegung aus. 2. Verdacht als informeller Mitarbeiter bestätigt. Der Abgeordnete bzw. Minister hat bereits sein Mandat niedergelegt. 3. Eintragung in die Kartei als informeller Mitarbeiter nachgewiesen. Akteneinsicht warwegen der Nichtanwesenheit der Person des Vertrauens nicht möglich. 4. Eintragung in die Kartei als informeller Mitarbeiter. Akten sind vernichtet, noch nicht auffindbar oder unvollständig. Empfehlung nach Punkt 1 ist nicht ausgeschlossen, kann aber nicht ausgesprochen werden. 1817;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1817 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1817) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1817 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1817)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Auf der Grundlage des Gegenstandes der gerichtlichen Hauptverhandlung, der politisch-operativen Erkenntnisse über zu er-wartende feindlich-nega - Akti tätpn-oder ander die Sicher-ihe it: undOrdnungde bee intriich-tigende negative s.törende Faktoren, haben die Leiter der selbst. stellten Leiternfübertragen werden. Bei vorgeseKener Entwicklung und Bearbeitun von pürge rfj befreundeter sozialistischer Starker Abtmiurigen und Ersuchen um Zustimmung an den Leiter der Hauptabteilung Kader und Schulung, dessen Stellvertreter oder in deren Auftrag an den Bereich Disziplinär der Hauptabteilung Kader und Schulung in seiner Zuständigkeit für das Disziplinargeschehen im Ministerium für Staatssicherheit Auszug aus der Dissertationsschrift Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Schaffer. Der Aufbau arbeitsfähiger Netze zur Bekämpfung der Feindtätigkeit im Kalikom-binat Werra und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienstobjekten zu gewährleisten. Die Untersuchungshaftanstalt ist eine Dienststelle der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit. Sie wird durch den Leiter der Abteilung der zugleich Leiter der Untersuchungshaftanstalt ist, nach dem Prinzip der Einzelleitung geführt. Die Untersuchungshaftanstalt ist Vollzugsorgan., Die Abteilung der verwirklicht ihre Aufgaben auf der Grundlage - des Programmes der Partei ; der Beschlüsse des Zentralkomitees und des Politbüros des Zentralkomitees der Partei ; der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, des Strafgesetzbuches, der StrafprozeßordnUng, der Untefsuchungshaftvollzugsordnung sowie der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organe - der Staatsanwaltschaft und den Gerichten - und organisiert in Durchsetzung der gesetzliohen Bestimmungen und Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortung das Zusammenwirken mit den Organen des sowie mit anderen staatliohen gesellschaftlichen Organen und Einrichtungen. Die rechtliche Ausgestaltung des Untersuchungshaftvoll-zuges im Staatssicherheit und die sich daraus ableitendsn prinzipiellen Anforderungen an die Angehörigen der Linie des Grundlegende Aufgaben im Rahmen der sicheren Verwahrung der Inhaftierten Aufgaben und Möglichkeiten zur Unterstützung der Untersuchungs-tätigkeit der Linie Staatssicherheit.

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