Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1803

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1803 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1803); Weiter: In der Drucksache Nr. 117 hat uns dieses Haus zugewiesen, daß wir uns der RAF-Problematik zuwenden sollten. Dies nun, meine Damen und Herren, hätte die Errichtung eines eigenen Untersuchungsausschusses eigentlich zwingend erforderlich gemacht. Wir wissen von Aktivitäten, die die hier ermittelnden Behörden der Bundesregierung angestellt haben, und einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium und dem Staatlichen Komitee zur Auflösung. Wir sind auch darüber unterrichtet worden, daß Untersuchungen laufen. Aber über Ergebnisse ist unsererseits nichts mitzuteilen, insbesondere auch deshalb nicht, weil uns hier keine Informationen zur Verfügung stehen. Ich habe jetzt die Bereiche genannt, bei denen unser Handeln eingeschränkt möglich war. Ich möchte Sie auf die Teile verweisen, wo wir entschlossen gehandelt haben, weil wir den Eindruck hatten: Wir mußten handeln. Das war insbesondere so, als wir uns im Sommer entschlossen, in einer Art und Weise zu handeln, die auch ein wenig exekutive Züge an sich hatte - das sei hier gern eingestanden. Aber durch ein zu vorsichtiges und zögerliches Verhalten der Organe, die die Exekutive für diese Aufgabe bereitgestellt hatte, sah sich unser Ausschuß genötigt, in der Sache der Offiziere im besonderen Einsatz selbst zu handeln. Wir haben bei diesen Kontroll- und Überprüfungshandlungen festgestellt, daß wir heute von einer Zahl von 2 448 Offizieren im besonderen Einsatz ausgehen müssen. Dazu kommt eine Zahl von 582 von der Hauptabteilung Aufklärung geführten OibEs. Wir wissen nicht, ob diese Listen jetzt hundertprozentig vollständig sind, aber wir haben durch Auffinden zusätzlicher Kontrollmög-’’chkeiten in Form eines elektronischen Datenbandes eine Si-herungs- und Vergleichsmöglichkeit geschaffen, die wir im Sommer nicht hatten. Daher können wir jetzt zu dieser Aussage kommen. Wir können dazu mitteilen, daß etwa 50 % dieser Personen vom Ausschuß inzwischen ermittelt und im Einvernehmen mit den Dienststellen, in denen sie tätig sind, umgesetzt wurden. Von den übrigen 50 % müssen wir davon ausgehen, daß ein großer Teil nicht mehr auf dem Platz ist, auf den er einmal durch das MfS plaziert wurde. Wir haben inzwischen auf Anfrage von 25 Ministerien und größeren staatlichen Institutionen wie Akademie der Wissenschaften, Humboldt-Universität, Charite Unterlagen über diese Offiziere im besonderen Einsatz bereitgestellt. 494 dieser Personen sind durch die Bezirksverwaltungen der Staatssicherheit geführt worden. Davon sind ca. 80 % ermittelt und abgelöst worden. Wir können daraus ebenfalls folgern, daß die Arbeit der Auflösung ganz konkret hier noch nicht erledigt ist, und, wie wir bereits an früherer Stelle dargetan haben, war es nicht unbedingt die Aufgabe unseres Ausschusses, hier als erster tätig zu werden, sondern es hätte Möglichkeiten gegeben, daß die Struktur, die durch die Modrow-Regierung geschaffen und durch die Regierung de Maiziere übernommen wurde, hier hätte handeln können und früher mit der Erfassung der Arbeit der OibEs hätte beginnen müssen. Aber ich möchte Sie jetzt auf eine besondere Schwierigkeit -dnweisen, der sich die Auflöser gegenübersehen. Bei unserer Kontrolltätigkeit geraten uns manchmal Informationen in die Hand, die anscheinend auch im Staatlichen Komitee noch ungenügend berücksichtigt werden konnten oder die möglicherweise auch noch gar nicht gefunden oder bewertet wurden - ein Dokument wie dieses, das ich gestern der Presse vorgestellt habe, eine von dem bekannten Schwanitz Unterzeichnete Verfügung, in der eine große staatliche Firma ganz eindeutig als vom MfS geführt dargestellt wird. Ich spreche von der Firma IMEX in Kavelstorf, eine Firma, die voll legendiert war, sich in der Rechtsträgerschaft der Staatssicherheit befunden hat und in getarnter Weise der größeren IMEX-Firma, Sitz Berlin, zugeschlagen wurde. Der Auflöser des KoKo-Imperiums, Prof. Gerstenberger, hat diesen Teil des KoKo-Imperiums mit anderen Teilen, die der Staatssicherheit gehörten, zusammen veräußert, und wir fragen uns: Was ist hier eigentlich abgelaufen? Was wäre hier nachzuarbeiten; geraten wir hier in den Bereich von Wirtschaftskriminalität, oder sind das diese Seilschaften, von denen wir sprechen, wo sich politische Macht und militärische Macht jetzt auf dem Gebiet der Wirtschaft zu etablieren versucht? Von diesem Komplex müssen wir sagen: Wir haben erst die Spitze eines Eisberges gesehen, und wir werden noch viel Arbeit vor uns haben. Die Kürze der Zeit erlaubt mir nicht, hier detailliertere Aussagen zu machen, und auch unser Erkenntnisstand erlaubt mir das nicht. Wir sind am Anfang, und ich möchte Sie mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß wir viel zu tun haben, und ich appelliere insbesondere an die Kolleginnen und Kollegen, die in den Bundestag gehen werden, in ihren Fraktionen die nötige Sensibilität herzustellen, damit weiter an diesem Thema gearbeitet werden kann, um die Demokratisierung in diesem Teil Deutschlands zu sichern. Lassen Sie mich einen Ausblick geben. - Es muß verhindert werden, daß sich hier Menschen ungestraft in Wirtschaftsetagen niederlassen, die später einmal - viel weniger kontrolliert, als es Parlamentarier und Politiker sind - unter Umständen durch gut fundierte Kapitalgesellschaften und Wirtschaftseinheiten in Einflußsphären geraten, wo sie der Demokratie ganz unauffällig möglicherweise großen Schaden zufügen können. (Beifall) Wir können heute sagen - und gelegentlich stimmt auch der Vorsitzende des Sonderausschusses mit dem Innenminister überein -, daß es richtig ist, wenn wir davon sprechen, daß die Macht des MfS gebrochen ist. Aber, und da muß ich mancher seiner Auffassungen widersprechen, daß die Auflösungarbeit getan sei, davon können wir in keiner Weise sprechen. Hier aber in unserem Sonderausschuß, liebe Kolleginnen und Kollegen, begegnete Ihnen der Teil des Parlaments, der - verbündet mit den Kräften der Revolution und mit den parlamentarischen Kräften des Neuaufbaus - entschlossen, einsatzbereit und konsequent die Arbeit angepackt hat, die zu tun war. Und ich kann Ihnen versichern, daß jedes Mitglied dieses Ausschusses, egal von welcher Fraktion, zu jeder Zeit davon überzeugt war, daß es nicht wichtig war darüber nachzudenken, wie wir unser reichliches Geld verbrauchen, sondern wie wir die Fülle der Arbeit zu bewältigen haben. Hier ist in der Kürze der Zeit - es waren 100 Tage, die wir hatten - das Menschenmögliche getan worden. Und wenn wir jetzt manchmal nur leere Hände oder die Spitze eines Eisbergs zeigen können, so hängt das nicht damit zusammen, daß sich hier jemand geschont hätte und gedacht hätte, daß sich durch Verdrängung und Vertuschung ein Problem löst. Und nun möchte ich zum Abschluß - Frau Präsidentin, Sie erlauben mir das doch - vielleicht noch in zwei Minuten etwas sagen: Herr Vizepräsident, ich weiß, daß Sie in Druck sind, aber ich frage Sie als SPD-Mann jetzt einmal, ob es ein gutes Signal ist, daß der Parteitag Ihrer Partei, die ich ja sehr schätze und der ich freundschaftlich verbunden bin, uns unter einen solchen Zeitdruck setzt. (Schwacher Beifall) Aber das gehört ja gar nicht zu meinem Text. (Heiterkeit) Ich mache jetzt einfach einmal weiter und verspreche, daß es nicht lange dauert. Ich kann ja nur das tun, was eigentlich hier machbar ist: uns gegenseitig zu ermutigen, ein Werk, das wir angefangen haben, weiter zu tun, jeder an seiner Stelle - die, die hier bleiben, in ihren Regionen, und die, die nach Bonn gehen, dort, und möglicherweise ich da, wo Sie denken, daß ich Arbeit tun kann. Was ist zu tun? Es ist zu tun, was an diesem Punkt zu tun ist, nämlich die Befreiung von dem Unterdrückungsapparat zu sichern. Und ich möchte Ihnen sagen, daß wir hier Spuren sichern, um die Zeugnisse des Unrechts zu bewahren. Und das tun wir nicht aus Rachsucht, sondern wir wollen mit dem Bewahrten so umgehen, daß Gerechtigkeit gefördert, der Reinigungsprozeß fortgeführt oder manchmal erst begonnen werden kann. Und bei alledem soll der innere Friede gesucht und bewahrt bleiben. 1803;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1803 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1803) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1803 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1803)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die Leiter der operativen Diensteinheiten tragen die Verantwortung dafür, daß es dabei nicht zu Überspitzungen und ungerechtfertigten Forderungen an die kommt und daß dabei die Konspiration und Sicherheit der weiterer operativer Kräfte sowie operativer Mittel und Methoden, Möglichkeiten Gefahren für das weitere Vorgehen zur Lösung der betreffenden politisch-operativen Aufgaben. Im Zusammenhang mit der Aufklärung straftatverdächtiger Handlungen und Vorkommnisse wurden darüber hinaus weitere Personen zugeführt und Befragungen unterzogen. Gegen diese Personen, von denen ein erheblicher Teil unter dem Einfluß der politisch-ideologischen Diversion und verstärkter Eontaktaktivitäten des Gegners standen, unter denen sich oft entscheidend ihre politisch-ideologische Position, Motivation und Entschluß-, fassung zur Antragstellung auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der gestellt hatten und im Zusammenhang mit der darin dokumentierten Zielsetzung Straftaten begingen, Ermittlungsverfahren eingeleitet. ff:; Personen wirkten mit den bereits genannten feindlichen Organisationen und Einrichtungen in der bei der Organisierung der von diesen betriebenen Hetzkampagne zusammen. dieser Personen waren zur Bildung von Gruppen, zur politischen Untergrundtätigkeit, zun organisierten und formierten Auftreten gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung begünstigen. erreicht die Qualität von Straftaten, wenn durch asoziales Verhalten das gesellschaftliche Zusammenleben der Bürger oder die öffentliche Ordnung gefährdet werden - Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch Verbreitung dekadenter Einflüsse unter jugendlichen Personenkreisen, insbesondere in Vorbereitung des Jahrestages der Deutschen Demokratischen Republik Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung des Ministers zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und deren Auswirkungen steht die rechtzeitige Feststellung und Aufklärung aller Anzeichen und Hinweise auf demonstratives und provokatorisches Auftreten von Bürgern in der Öffentlichkeit. Besonders in der letzten Zeit ist eine Häufung von Eingaben durch Bürger an zentrale staatliche Stellen der sowie von Hilfeersuchen an Organe der der festzustellen. Diese Personen stellen insbesondere Anträge auf Übersiedlung nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, auf Familienzusammenführung und Eheschließung mit Bürgern nichtsozialistischer Staaten und Westberlins sowie auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR.

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