Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1789

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1789 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1789); „Wie würden Sie reagieren, wenn ich von Ihnen Dinge in die Welt setzen würde, z. B. über eine Stasi-Zusammenarbeit?“ -Das schreibt dieser Mann in diesem Brief. Ich kann ihn, wie gesagt, aus Zeitgründen nicht vollständig zitieren, aber es ist furchtbar. Bert Brecht hat einmal gesagt, ich möchte dieses Wort abwandeln: Der Geist ist nicht nur fruchtbar noch, der dieses Unheil unserem Staat angerichtet hat, sondern er ist noch quicklebendig und in dieser Eigenschaft höchstwahrscheinlich im Innenministerium noch aktiv tätig. (Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Als nächster gibt der Abgeordnete Börner eine Erklärung ab. Börner (PDS): Ich bin dagegen, daß durch die Fremd Veröffentlichung der Namen von Abgeordneten, die durch den Sonderausschuß der Volkskammer mit welchem Ergebnis auch immer überprüft werden, eine Atmosphäre verschärft wird, die durch Intoleranz und Jagdfieber geprägt ist, wie sie leider in dieser Volkskammer noch vorherrscht, z. B. in dem Pauschalurteil von Herrn Ryssel. Ich erachte es als notwendig, eine Atmosphäre zu schaffen, die durch Offenheit und Toleranz und kritische Aufarbeitung eine xkliche öffentliche Diskussion und differenzierte Bewertung "Ermöglicht, die Pauschalverurteilungen verhindert, die es von Vorwürfen Betroffenen ermöglicht, selbst zu ihrem Teil von Verantwortung zu finden und öffentlich darüber reden zu können. Dazu sind auch schwere Schritte nötig. Deshalb habe ich am 17.9. einen Brief an Bärbel Bohley, Reinhard Schult und Wolfram Kempe und andere Besetzer geschrieben. Ich möchte betonen, daß ich mit meinem Schritt nicht die Überprüfung durch den Untersuchungsausschuß überflüssig machen will. Er sollte entscheiden über die Empfehlung, Mandate niederzulegen. Auch auf Wunsch der Adressaten meines Briefes verlese ich diesen Brief: Liebe Bärbel, lieber Reinhard, lieber Wolfram! Als wir am Samstagabend gemeinsam über die Ursachen der verzögerten Stasiaufklärung, über Glaubwürdigkeit oder Nichtglaubwürdigkeit der Veränderungen in der PDS diskutierten, wurde mir bewußt, daß es nicht nur um die Aufdeckung alter und nach dem 18. März neuer Zusammenhänge bei der Verschleierung der Machtmechanismen des MfS geht, was ich unterstütze, sondern auch um die persönliche Verantwortung oder Schuld jedes einzelnen am Zustandekommen des Stasi-Netzes. Dabei spielen für Euch die Kriterien des Volkskammerausschusses - bezahlte Tä-i;gkeit, Information zum Schaden anderer usw. - nur eine unter- „.'ordnete oder keine Rolle. Ihr wollt die öffentliche Diskussion über jegliche Formen der Zusammenarbeit und Mitverantwortung, wovor bisher die meisten aus verschiedenen Gründen zurückschrecken. Ich weiß nicht, ob auf diese Weise der massenhaft ablaufenden öffentlichen Verdrängung entgegengewirkt werden kann. Ich weiß aber, daß sie stattgefunden hat, auch bei mir, und weiterhin stattfindet. Ausdruck dieser Verdrängung ist, daß ich Gregor Gysi nicht über meine Geschichte informierte, als ich in unser Präsidium gewählt wurde. Überprüft bitte dennoch, ob Ihr meinen Wunsch akzeptieren oder richtig finden könnt, daß nicht Ihr, also zum Teil die Opfer des Systems, es allein sein dürft, die nun als Richter über die Glaubwürdigkeit bestimmter subjektiver Veränderungsprozesse zu entscheiden habt. Ich weiß, daß Euch das einiges abverlangt und will Euch auch nicht Eure Zweifel, Euer Mißtrauen usw. mit dem Verweis auf unsere ganz gute Kommunikation während der letzten Monate ausreden. Könnt Ihr aber dennoch verstehen, daß uns nicht gedient ist, ich sage das „uns“ ganz bewußt, wenn es Personengruppen oder Instanzen gibt, die Verurteilungen oder Freisprüche jenseits der in anderen Fällen anstehenden Gerichtsverfahren aussprechen können? Ich will keinen Freispruch von anderen, auch nicht von solchen Menschen, die ich auf Grundlage gemachter Erfahrungen sehr schätze, sondern meine eigene Geschichte annehmen und zugleich meinen Veränderungsprozeß in Auseinandersetzungen mit Euch, Freundinnen und Genossinnen meiner Partei, und anderen Menschen selbst bewerten und dadurch vorantreiben. Solltet Ihr das für die bequeme Tour halten, so täuscht Ihr Euch gewaltig. Nun zu meiner Geschichte: Nach meinem Studium (Glocke des Präsidenten) (Zuruf: Das muß sein!) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Drei Minuten, dann bitte zusammenfassen. (Börner, PDS: Ich bitte darum -das ist noch eine Seite dieses Briefes -, das noch verlesen zu können.) Es darf drei Minuten nicht überschreiten, das weiß jeder vorher. Man muß also kürzen. Bitte. Börner (PDS): Nach meinem Studium habe ich ehrenamtlich und hauptamtlich in einer Hochschulgruppenleitung der FDJ gearbeitet. Dazu gehörte auch der erste Kontakt mit dem für die Hochschule eingesetzten MfS-Mitarbeiter, der sich auf die Tätigkeit der FDJ als Organisation bezog. Dazu gehörten Abstimmungen von sogenannten Kadereinsätzen, z. B. bei Auslandsreisen. Nach meinem Studium in meiner Arbeit an der Hochschule wurde ich für einen direkten Einsatz für das MfS angesprochen. Dafür wurde von mir ein abrupter Bruch mit meiner bisherigen Entwicklung, mit meinem bisherigen persönlichen Umfeld und letztlich mit diesem Land verlangt. Weil ich diese Konsequenz nicht wollte, nicht, weil ich prinzipielle Bedenken hatte, lehnte ich ab, unterschrieb aber trotzdem eine Erklärung. In der Bezirksleitung der FDJ war ich ab 1984 verantwortlich für Kulturarbeit und hatte dort ebenfalls Kontakt mit zuständigen MfS-Mitarbeitern. Jedes Konzert, wo auch immer, wurde entsprechend der jeweiligen Sicherheitskonzeption in enger Zusammenarbeit mit Polizei und MfS vorbereitet. Dazu muß ich sagen, daß mich diese Partner sogar unterstützt haben, z. B. das erste größere Punk-Konzert genehmigt zu bekommen. Genauso wurde ich aber auch mündlich darüber gefragt, was ich von Bands, Personen, Clubs usw. halte. Aus meiner damaligen Sicht glaubte ich ihnen damit sogar zu helfen. Wie meine damalige Arbeit von den Bands, Bildenden Künstlern, Jugendclubs und anderen heute bewertet wird, weiß ich nicht von allen. Man könnte sie fragen. Was aus den von mir erhaltenen Informationen gemacht wurde, muß die Überprüfung meiner Akten durch den Untersuchungsausschuß der Volkskammer ergeben. Sie steht noch aus. Der Inhalt dieser Akten ist mir unbekannt. Der Schritt in die Öffentlichkeit, den ich ja wohl hiermit gehe, fällt auch mir schwer. Wenn es Euch darum geht, daß er mehr Menschen möglich wird, dann solltet Ihr Euch fragen, ob nicht auch Ihr dazu beitragen könnt. Was ich damit meine, habe ich in der Einleitung meines Briefes auszudrücken versucht. Eine Frage an Euch habe ich noch: Wie gehen wir - also Ihr und ich - in Zukunft miteinander um? (Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Danke schön für diesen Beitrag. - Als nächster hat um eine persönliche Erklärung der Abgeordnete Wöstenberg gebeten. 1789;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1789 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1789) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1789 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1789)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Der Vollzug der Untersuchungshaft erfolgt auf der Grundlage der sozialistischen Verfassung der des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, der Gemeinsamen Anweisung des Generalstaatsanwaltes, des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft - Untersuchungshaftvclizugsordnung - sowie der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Rechtspflegeorgane und der Befehle und Weisungen des Leiters der Abteilung und dessen Stellvertreter obliegt dem diensthabenden Referatsleiter die unmittelbare Verantwortlichkeit für die innere und äußere Sicherheit des Dienstobjektes sowie der Maßnahmen des. politisch-operativen Unter-suchungshaftVollzuges, Der Refeiatsleiter hat zu gewährleisten, daß über die geleistete Arbeitszeit und das Arbeitsergebnis jedes Verhafteten ein entsprechender Nachweis geführt wird. Der Verhaftete erhält für seine Arbeitsleistung ein Arbeitsentgelt auf der Grundlage der dazu von mir erlassenen dienstlichen Bestimmungen und Weisungen; Gewährleistung der erforderlichen medizinischen Betreuung sowie der notwendigen materiell-technischen Sicherstellung für den ordnungsgemäßen Vollzug der Untersuchungshaft an Verhafteten erteilt und die von ihnen gegebenen Weisungen zum Vollzug der Untersuchungshaft ausgeführt werden; die Einleitung und Durchsetzung aller erforderlichen Aufgaben und Maßnahmen zur Sicherung des Strafverfahrens dar, der unter konsequenter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit und der Befehle, Weisungen und anderen dienstlichen Bestimmungen des Ministers für Staatssicherheit muß sich Staatssicherheit rechtzeitig auf neue Erscheinungen, Tendenzen, Auswirkungen und Kräf- der internationalen Klassenauseinandersetzung einstellen. Unter sicherheitspoiltischem Aspekt kommt es vor allem darauf an, bisher noch nicht genutzte Möglichkeiten und Voraussetzungen der Anwendung ausgewählter insbesondere verwaltungsrechtlicher Vorschriften zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher durch feindliche Kräfte erfordert, die Hintermänner, die als Inspiratoren und Organisatoren wirken, umfassend aufzuklären. Gegen sie muß der Hauptschlag geführt werden.

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