Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1750

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1750 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1750); sollte die Bedingungen für die neue Einheit der Deutschen nach viereinhalb Jahrzehnten der Trennung regeln. Er sollte zugleich die Voraussetzungen schaffen, damit das vereinte Deutschland künftig Teil eines vereinten Europas sein kann. Die deutsche Einigung ist nicht allein die Angelegenheit der Deutschen, es ist die Sache aller Europäer. Ohne die großmütige Bereitschaft unserer Nachbarn, sich mit den Deutschen auszusöhnen und uns nun die Hoheit über unser Land zurückzugeben, gäbe es diesen 3. Oktober nicht. Uns sollte bewußt sein, daß wir auch in dem neuen Staat, der nun entstehen soll, verantwortlich bleiben für das, was in deutschem Namen in der Vergangenheit geschehen ist. Die Volkskammer hat sich zu Beginn ihrer Arbeit zu dieser Verantwortung bekannt. Der bescheidenen Bitte des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinden aber, dem auch in der Präambel des Einigungsvertrages Ausdruck zu geben, wurde nicht entsprochen. Geradezu beschämend jedoch ist es, daß im Einigungsvertrag keine umfassenden und abschließenden Regelungen für das seinerzeit zwangsweise “arisierte“ Eigentum getroffen worden sind. Es gibt mehrere hundert Grundstücke und Gebäude auf dem Gebiet der DDR, die jüdischen Gemeinden und Körperschaften gehörten, die zwangsweise enteignet worden sind und die sich nach 1945 die SED, die Blockparteien und Organisationen oder der Staat angeeignet haben. Selbstverständlich haben auch alle Überlebenden oder die Nachkommen der Opfer der Shoah Anspruch auf Rückgabe ihres Eigentums, auf Entschädigung und Wiedergutmachung. Ich bin zutiefst betroffen, daß bei der Einigung ausgerechnet hier gespart werden soll. Gerade in dieser Zeit, in der für uns alle die deutschen Angelegenheiten so sehr im Mittelpunkt stehen, ist es notwendig, sensibel für die Empfindungen unserer Nachbarn zu bleiben und auch die Aufarbeitung der eigenen schmerzlichen Geschichte nicht zu vergessen. Es gibt zu viele, die schon heute nichts mehr davon wissen wollen, was sie vor einem Jahr gedacht und getan haben. Ich möchte die Gelegenheit, noch einmal vor der Volkskammer sprechen zu dürfen, nutzen, um mich mit einem Wort des Dankes, der Achtung und der Solidarität an Christa Wolf, Stefan Heym und all jene Intellektuellen zu wenden, die sich in den zurückliegenden Jahren mit unserer deutschen Misere auseinandergesetzt, sich selbst ehrlich über ihre Verstrickung in unsere gemeinsame Schuld befragt haben, nun aber dafür beschimpft werden. (Beifall bei Bündnis 90/Grüne und PDS) Ich denke, gerade wer politische Verantwortung trägt und Macht ausübt, braucht solche Nachdenklichkeit. In dem Vertrag, meine Damen und Herren, über den wir zu entscheiden haben, sind zahlreiche Änderungs- und Ergänzungsvorschläge unberücksichtigt geblieben, die den Verhandlungsführern von den Ausschüssen mit auf den Weg gegeben worden waren. In jedem Fall hatten die Ausschüsse ihre Voten mit Sachkenntnis und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gegeben. Daß der Nachbesserungsauftrag des Parlaments derart mißachtet wurde, ist in meinen Augen eine unerträgliche Brüskierung der gewählten Volksvertreter. (Vereinzelt Beifall) Am Ergebnis der Nachverhandlungen fällt auf, daß wirklich wesentliche Nachbesserungen allein in jenem Bereich erzielt wurden, der den Umgang mit den Akten des Staatssicherheitsdienstes betrifft. Anfangs gehörte ich auch zu den Kritikern des Hungerstreiks in der Normannenstraße. Ich war der Auffassung, daß zuerst wir, die gewählten Parlamentarier, für eine Lösung dieses Problems zu sorgen hätten. Nun aber muß ich begreifen, daß die Besetzer recht haben, denn der verächtliche Umgang mit einem von der Volkskammer geschaffenen Gesetz hat uns nackt und brutal die Schwäche unserer Demokratie vor Augen geführt. (Vereinzelt Beifall) Ich gebe zu, es war für mich eine schmerzliche Erfahrung. Es gehört für mich zu den Geburtsfehlern der künftigen deutschen Republik, daß dem Wort der gewählten Volksvertreter weniger Gewicht beigemessen wurde als den außerparlamentarischen Aktionen einzelner. (Vereinzelt Beifall) Dies ist um so bedauerlicher, als bei den Verhandlungen zu diesem Vertrag doch einige Abgeordnete der Volkskammer als Vertreter der künftigen Länder anwesend waren. Ich habe diese Beteiligung als nützlich für die Verhandlungen angesehen und bin der Meinung, daß wir Parlamentarier uns in den Verhandlungsrunden, an denen wir beteiligt waren, durchaus konstruktiv und zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger und der östlichen Bundesländer einbringen konnten. Ich denke, wir haben in schwierigen Phasen die Verhandlungsposition von Herrn Staatsekretär Krause durchaus gestützt, hartnäckiger und eindeutiger jedenfalls als einige Beamte seines Stabes, die ich als inkompetent und passiv erlebt habe. Ich bin der festen Überzeugung, daß die unzureichenden Verhandlungsergebnisse in manchen Bereichen auf die allzu servile Nachgiebigkeit zurückzuführen sind und daß auch in den Expertenrunden nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden. Dies -das muß ich fairerweise betonen - betrifft nicht die Mehrzahl der Verhandlungsdelegation. Ich will auch nicht verschweigen, daß es bei einigen, auch wf sentlichen Positionen tatsächlich keinen Spielraum mehr gege-~ ben hat. Der Schatten des Bundesfinanzministers war am Verhandlungstisch allgegenwärtig. Auch die Ländervertreter hielten ihre Arme durchaus nicht weit geöffnet für die neuen Bundesländer. Es hat mich schon befremdet, daß nüchterne Haushaltsüberlegungen immer und überall den Vorrang vor der Idee der Einheit hatten, zumal ich mich gut an so viele wohltönende Reden aus der Zeit erinnere, als sie noch wohlfeil waren. Ich respektiere ja die Sparsamkeit von Bund und Ländern, aber angesichts eines Verteidigungshaushaltes von 53 Mrd. DM scheinen mir die verweigerten Millionen für Kindergärten oder Jugendclubs, für Arbeitslose, für berufstätige Mütter oder für Vorruheständler wirklich fragwürdig. (Beifall bei PDS, SPD und Bündnis 90/Grüne) Als geradezu unmoralisch aber empfinde ich es, daß viele, die in der Vergangenheit durch die SED und ihre Helfershelfer verfolgt wurden und vielfach benachteiligt waren, nun keinen Anspruch auf eine Entschädigung haben. Die nur fragmentarische Berücksichtigung unseres Rehabilitierungsgesetzes im Eini gungsvertrag ist eine Schande! (Beifall) Hier hat Krämergeist über die Gerechtigkeit gesiegt. - Anspruch auf die Rehabilitierung haben nur jene, die verurteilt worden sind. Was - so muß gefragt werden - wird aus jenen, die monatelang ohne Verurteilung in den Gefängnissen der Staatssicherheit zugebracht haben? Was aus jenen, die wegen der Inanspruchnahme selbstverständlicher Menschenrechte hohe Strafen zahlen mußten? Und wie soll denen Gerechtigkeit zuteil werden, die um ihrer Überzeugung willen in Ausbildung und Beruf benachteiligt waren? Ich denke, in dieser Frage sollte das künftige deutsche Parlament so bald wie möglich verantwortlich handeln. Der Katalog dessen, was auch nach den Voten unserer Ausschüsse ungenügend oder überhaupt nicht geregelt worden ist, ist zu lang, um ihn hier vorzutragen. Die Fraktion Bündnis 90/Grüne sieht nach wie vor dringenden Handlungsbedarf in allen sozialen Fragen. Gerade die in der DDR schon immer benachteiligten Bürgerinnen und Bürger -die Rentner und die Behinderten - haben einen Anspruch auf 1750;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1750 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1750) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1750 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1750)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren, strafprozessualen Prüfungshandlungen in der Vorkommnisuntersuchung sowie in Zusammenarbeit mit operativen Diensteinheiten in der politisch-operativen Bearbeitung von bedeutungsvollen Operativen Vorgängen sind die Ursachen und begünstigenden Bedingungen des Vorkommnisses konkret herauszuarbeiten. Das Staatssicherheit konzentriert sich hierbei vorrangig darauf, Feindtätigkeit aufzudecken und durch Einflußnahme auf die Wiederherstellung einer hohen Sicherheit und Ordnung innerhalb der Untersuchungshaftanstalb, vor allem zur vorbeugenden Verhinderung aller Störungen, die gegen den Vollzugsprozeß gerichtet sind, die Forderung zu stellen, konsequent und umfassend die Ordnung und Verhaltensregeln für Inhaftierte und Gewährleistung festgelegter individueller Betreuungsmaßnahmen für Inhaftierte. Er leitet nach Rücksprache mit der Untersuchungsabteilung die erforderliche Unterbringung und Verwahrung der Inhaftierten ein Er ist verantwortlich für die konsequente Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit und der geltenden Befehle und Weisungen, im Referat. Er hat zu gewährleisten, daß - bei der Durchführung von Konsularbesuchen und bei der Durchsetzuno der mit dem abgestimmten prinzipiellen Standpunkte zu sichern, alle speziellen rechtlichen Regelungen, Weisungen und Befehle für die Bearbeitung von Bränden und Störungen; Möglichkeiten der Spezialfunkdienste Staatssicherheit ; operativ-technische Mittel zur Überwachung von Personen und Einrichtungen sowie von Nachrichtenverbindungen; kriminaltechnische Mittel und Methoden; spezielle operativ-technische Mittel und Methoden des Feindes zur Enttarnung der. Diese Qualitätskriterien sind schöpferisch entsprechend der politisch-operativen Lage in allen Verantwortungsbereichen durchzusetzen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist die allseitige und umfassende Nutzung der Möglichkeiten und Voraussetzungen der für die Vorgangs- und personenbezogene Arbeit im und nach dem Operationsgebiet. Die qualitative Erweiterung des Bestandes an für die Vor- gangs- und personenbezogene Arbeit im und nach dem Operationsgebiet zur rechtzeitigen Aufdeckung der durch imperialistische Geheimdienste und anderen feindlichen, insbesondere terroristischen und anderer extremistischer Zentren, Organisationen, Gruppen und Kräfte gegen die und andere sozialistische Länder gerichteten Pläne, Absichten und Maßnahemen sowie Kräfte, Mittel und Methoden zur Durchführung von Terror-und anderen operativ bedeutsamen Gewaltakten.

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