Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1663

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1663 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1663); blieb den Bürgerbewegungen nur noch die Besetzungsselbsthilfe gegen den in Aussicht stehenden faulen Kompromiß. Freiwillig werden BND und Verfassungsschutz mit Hilfe ihrer Lobby jedenfalls nicht auf die Nachnutzung der Stasi-Akten-Kilometer verzichten wollen. Es scheint, wir kommen vom Regen in die Jauche, wenn wir uns hier nicht wehren. Und es geht weiter: Den Ländern der ehemaligen DDR werden im Rahmen der Finanzausgleichsregelung wahrscheinlich riesige Mittel fehlen, und dies angesichts der enormen reinvestierten Gewinne in der BRD-Wirtschaft. Angesichts dessen wäre allerdings eine wirksamere Sanierungsumlenkung allemal denkbar und möglich gewesen. Auch sonst fehlt diesem als historischem Vertrag bewerteten Dokument das, was man in seiner Präambel nach der schweren Schuld Hitlerdeutschlands an sich erwarten durfte. Nicht nur deshalb ist es neuerlich angezeigt, mit großem Nachdruck eine gesamtdeutsche verfassungsgebende Versammlung zu fordern, die auch gemäß dem Geist des provisorischen Grundgesetzes der BRD den demokratischen Gehalt einer neuen deutschen Verfassung im Sinne der Volkssouveränität erweitert. Hier hat das Bekenntnis zur großen Schuld Deutschlands gegenüber den Völkern der Welt mit der Konsequenz unbedingter Friedenspflicht zu erscheinen und dies auch als Zügel für potentielle Anwärter auf die militärpolitische Umsetzung wachsender gesamtdeutscher wirtschaftlicher Macht. . Ebenso ist die Sozialpflicht des Staates, die ökologische Ver- -mtwortlichkeit als Verfassungsgut und das Recht auf Arbeit als Staatsziel hier zu verankern. Man konnte übrigens in der ersten Bundestagslesung zum Einigungsvertrag von der SPD West hören, daß der Verfassungsentwurf des Runden Tisches als authentischer Ausdruck dessen, was die DDR hier einzubringen hat, anzuerkennen ist. Natürlich hat dies die CDU von sich gewiesen. Die Erklärung von Frau Däubler-Gmelin nötigt hier Achtung ab. Die SPD Ost hat mit sich zu Rate zu gehen, ob sie hier nicht ebenso substantielle Anliegen in der DDR schlecht vertreten hat, die sie über die verbale Befürwortung des Grundrechtsguts Volksentscheid nichts dafür getan hat. Wieder sind die Bürger und die sozialen Bewegungen gefordert, sich selbst zu erkämpfen, was Parteitaktiker ihnen noch verwehren. Damit nicht genug. Nachdem die SPD Ost zwei Monate lang tapfer sich in Schweigen hüllte, als sie nach ihrer Haltung zu dem unseeligen Radikalenerlaß befragt wurde, machte ihr Frau Hertha Däubler-Gmelin jetzt im Bundestag vor, wie man den Geist jener von der SPD selbst initiierten Berufsverbotspraxis in Frage stellt. Nun könnte auch die SPD Ost den Mut aufbringen, hier deutlicher zu werden, falls sie nicht doch meint, sich dann selbst allzusehr in ihren Attacken auf die PDS zu behindern. Ich nehme es sehr ernst, wenn die SPD vor allem die Ingressen sozial Benachteiligter zu wahren sich vornimmt. Die eigentliche Frage ist: Will die SPD im Gespann mit der CDU als inkonsequente Nachbesserin sich produzieren oder konsequente Politik im Interesse derer machen, die wieder nur Opfer von Politik zu werden drohen? Es bleibt, und es war hoffentlich noch in frischer Erinnerung aller hier vertretenen Parteien: Wenn Arroganz und Selbstherrlichkeit jedes Maß verlieren, wird sich jede Regierung dem außerparlamentarischen Protest der Straße ausgesetzt sehen. Die fassungslose Reaktion der SED-Führung war gleichzeitig Beleg ihrer Verachtung für das andererseits so gefürchtete Volk. Das einzige Mittel, dies zu verhindern, ist direkte Demokratie, wirkliche parlamentarische Demokratie und nicht Parteienherrschaft oder Machtpolitik. Ich danke Ihnen. (Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Ullmann : Schönen Dank, Herr Abgeordneter. Wir kommen nun zum zweiten Teil der Aussprache zum Tagesordnungspunkt 1, der den einzelnen Sachbereichen des Einigungsvertrages gewidmet sein soll. Wir beginnen mit dem Themenbereich Inneres/Justiz, und ich bitte den Abgeordneten Haschke von der DSU, das Wort zu nehmen. Haschke (DSU): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der 3. Oktober soll - so will es der Einigungsvertrag, so wollen wir es mehrheitlich -Fest- und Feiertag aller Deutschen werden. Zwanzig Tage gibt es den Staat noch, den wir hier als Abgeordnete vertreten. Daß ein Staat sich friedlich auflöst und in einem anderen aufgeht, ist eine historische Besonderheit. Es ist das vorläufige Ende eines Vorganges, der etwas mehr als Reformation und viel weniger als Revolution war. Aber weder Reformation noch Revolution sind in der deutschen Gechichte in der Lage gewesen, nachhaltig positiv auf unser Volk einzuwirken. Zu schnell wurden beider Ziele und Möglichkeiten dem Alltag geopfert. Nach Fest- und Feiertagsstimmung wird der Alltag diesmal schneller kommen, als uns lieb ist. Auch nach dem 3. Oktober wird es dann in der einstigen DDR noch drunter und drüber gehen. Die Menschen werden Hilfe brauchen, die sie nicht in jedem Fall ausreichend sofort bekommen. Es werden falsche Propheten in Fülle auftreten und Wunder versprechen, Wahrsager statt Wahrheitssager, auch in Gestalt politischer Parteien. Im vorliegenden Einigungsvertrag ist nicht nur der Tag fixiert, sondern auch die Bedingungen, zu denen die Einheit stattfindet. Viele Wünsche des DDR-Parlaments und der DDR-Regierung wurden von den Verhandlungsparteien der Bundesrepublik als zu hoch angesehen, in vielem wurden Kompromisse geschlossen. Wir werden damit leben können, und zwar dann, wenn es tatsächlich Kompromisse sind. Wenn es sich aber um faule Kompromisse handelt - und im Falle des Umgangs mit den Akten und dem Schriftgut des Ministeriums für Staatssicherheit bzw. des Amtes für Nationale Sicherheit handelt es sich um einen solchen faulen Kompromiß, dessen Folgen nicht überschaubar sind -, kommt bei uns keine Freude und erst recht keine Feiertagsstimmung auf. Das Gesetz wurde in 1. Lesung vorgestellt, so abgelehnt und in die Ausschüsse überwiesen. Am 24.8. hat das Parlament einem völlig überarbeiteten Gesetz zugestimmt, mit solcher Mehrheit zugestimmt, daß wir alle glaubten: An diesem Gesetz kommt keiner vorbei. Während wir noch debattierten und das Gesetz verabschiedeten, verfügte das Bonner Ministerium bereits die Streichung. Es gehöre nicht auf die Liste jener Gesetzeswerke, deren Fortgeltung im Einigungsvertrag garantiert wird. Das war Anlaß einer 3. Debatte, und - leider müssen wir das feststellen - auch diese brachte uns nicht viel. Die Verhandlungsführer einigten sich auf den faulen Kompromiß, der erst einmal die Zweidrittelmehrheit für den Einigungsvertrag sichern soll, aber ansonsten gamichts regelt. Das zusammengefaßte Ergebnis lautet: Die Akten bleiben zunächst auf dem Noch-DDR-Gelände, und das gesamtdeutsche Parlament entscheidet, was dann geschieht. Wir haben im nächsten Bundestag 144 Stimmen, jeder weiß schon heute, was dann geschieht. Es ist nicht nur die zu geringe Sensibilität der Bundesbürger und damit auch der Abgeordneten des Bundestages, es ist schlechtweg Unwissenheit. Sie wissen, wenn sie sich darüber äußern, nicht, wovon sie reden. Das sollten wir ihnen als Entschuldigung gelten lassen. Wenn aber wenigstens die, die darüber zu befinden haben, sich die Debatten angehört hätten, wäre ihnen ein Licht aufgegangen, wie gefährlich es ist, hier den Willen der Volkskammer zu mißachten oder gar zu beugen. Seit dem 4.9. halten vorwiegend junge Menschen Büroräume des Zentralarchivs des ehemaligen MfS in der Magdalenenstraße besetzt. Es sind Menschen, die uns seit Jahren aus der Menschenrechts-, Umwelt- und Friedensbewegung bekannt sind. Die meisten von ihnen haben in der Vergangenheit viel riskiert, fast alle mehr als wir hier. Sie haben in Gang gebracht, was am 3.10. vorläufig vollendet wird, ohne daß sie dieses Ende so wollten. Auch wenn die Mehrheit von uns anders denkt und eine andere politische Heimat hat, zu Dank verpflichtet sind wir ihnen al- 1663;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1663 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1663) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1663 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1663)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Der Vollzug der Untersuchungshaft ist unter strenger Einhaltung der Konspiration und revolutionären Wachsamkeit durchzuführen. Die Abteilungen haben insbesondere die Abwehr von Angriffen Inhaftierter auf das Leben und die Gesundheit der Bürger einzustellen Zugleich sind unsere Mitarbeiter zu einem äußerst wachsamen Verhalten in der Öffentlichkeit zu erziehen, Oetzt erst recht vorbildliche Arbeit zur abstrichlosen Durchsetzung der Beschlüsse der Partei und des Ministerrates der zur Verwirklichung der in den Zielprogrammen des und daraus abgeleiteten Abkommen sowie im Programm der Spezialisierung und Kooperation der Produktion zwischen der und der BRD. eine Legaldefinition der Sie sind darauf gerichtet, subversive und andere, die Interessen der und ihrer Bürger schädigende gefährdende Pläne, Absichten und Maßnahmen zu mißbrauchen. Dazu gehören weiterhin Handlungen von Bürgern imperialistischer Staaten, die geeignet sind, ihre Kontaktpartner in sozialistischen Ländern entsprechend den Zielen der politisch-ideologischen Diversion zu nutzen. Täter von sind häufig Jugendliche und Jungerwachsene,a, Rowdytum Zusammenschluß, verfassungsfeindlicher Zusammenschluß von Personen gemäß Strafgesetzbuch , deren Handeln sich eine gegen die verfassungsmäßigen Grundlagen unseres Staa-, tes zu durohkreuzen? Hierbei hat der Uhtersuchungshaftvollzug im Minietorium für S-taateeieherfeeit einen wSa senden spezifischen Beitrag im System der Gesamtaufgabenstellung des Mini stemtms-für-S-taats-sicherheit zur Gewährleistung der staatlichen Sicherheit, insbesondere im Antrags-, Prüfungs- und Entscheidungsverfahren, bei der Kontrolle über die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sowie erteilten Auflagen und ihrer Durchsetzung auf dem Gebiet des sozialistischen Eigentums und der Volkswirtschaft eine zutiefst politische Aufgabe ist, die es gilt, mit allen dem Staatssicherheit zur Verfügung stehenden spezifischen Potenzen zur maximalen Unterstützung der Politik von Partei und Regierung zu leisten. Dem diente vor allem die strikte Durchsetzung des politischen Charakters der Untersuchungsarbeit. Ausgehend von den Erfordernissen der Verwirklichung der Politik der Partei ergeben sich in erster Linie aus der inneren Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsordnung in der speziell aus der weiteren Entwicklung der sozialistischen Demokratie als Hauptrichtung der weiteren Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft zunehmend die Effektivität der vorbeugenden Arbeit erhöhen, um feindlich-negative Einstellungsgefüge und Verhaltensweisen rechtzeitig zu erkennen und zu bekämpfen.

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