Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1660

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1660 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1660); Die Besetzung der Stasi-Gebäude ist die Quittung für solche Absicht. Wir solidarisieren uns mit den im Hungerstreik befindlichen Besetzern und bitten alle Abgeordneten, sofern sie noch hier sind und zuhören, quer durch die Fraktionen um Unterstützung, daß dieses Gesetz in Anlage 2 aufgenommen wird. Ich müßte noch vieles erwähnen, wichtige soziale Fragen - sie sind bereits angesprochen worden; man bräuchte unendlich Redezeit, um all das zu behandeln, was jetzt kaputtgeht, sicherlich keine Errungenschaften; wir haben durchaus Probleme damit gehabt, aber mit Sicherheit besser als das, was uns jetzt erwartet, z. B. der Formelkompromiß zu § 218, der vermutlich schon nächstes Jahr fällt, wenn Wohn- und Tatort in Bonn Zusammentreffen. Doch ich will nicht Trübsal blasen, uns hilft keine Schwarzmalerei - was wir jetzt brauchen, ist eine demokratische Wut und keine politische Schafsgeduld. Wir müssen um das Wohl unserer Länder kämpfen, so wie das Späth, Streibl, Rau und Lafontaine für ihre Länder tun. Wir brauchen Unterstützung und einen zweiten Lastenausgleich. Er steht uns moralisch zu, aber wir bekommen ihn nicht geschenkt. Die Regierung hat das Thema nicht angesprochen -in wessen Interesse hat sie überhaupt verhandelt? Der Lastenausgleich war ein beeindruckendes Beispiel der Solidarität, und vor allem in den fünfziger Jahren Schubkraft der sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik. Ein vergleichbarer Fonds könnte auch heute - ohne den Normal Verdiener zu belasten - geschaffen werden. Damit lassen sich ein Sofortprogramm und die eingangs genannten Aufgaben - Bausanierung, Infrastruktur und dergleichen - in Angriff nehmen. Das wäre Hilfe zur Selbsthilfe und würde uns Sicherheit und Zuversicht geben und nicht auf die Wahlversprechen von Politikern und das Wohlwollen von Industrie- und Bankkapital hoffen lassen. Mit dem vorliegenden Vertrag wird diese Chance vertan, allerdings das Hauptziel erreicht: Helmut Kohl wird immerhin für zwei Monate Kanzler aller Deutschen, der 1. und der 2. Klasse. (Beifall bei SPD, PDS und Bündnis 90/Grüne) Stellvertreter der Präsidentin Helm : Der nächste Redner ist der Abgeordnete Dörfler, Fraktion Bündnis 90/Grüne. Die Fraktion hat sich die Redezeit für grundsätzliche Ausführungen zum Vertrag geteilt. Deswegen zwei Redner der gleichen Fraktion nacheinander. Dr. Dörfler für die Fraktion Bündnis 90/Grüne: Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Die Bewertung des Einigungsvertrages möchte ich an einem konkreten Beispiel vornehmen. Ich will sichtbar machen, wessen Handschrift dieser Vertrag trägt und wie die legitimen Interessen der Menschen dieses Landes geachtet und berücksichtigt werden. Ein so entscheidender, weitreichender Vertrag muß zuallererst auf den Prüfstand der neuen Länder, ihrer Städte und Gemeinden sowie deren Bewohner. Sie sind die Betroffenen und wir deren Interessenvertreter. Bei einer Vereinigung zweier Länder bzw. zweier bisher getrennter Landesteile - ich will nicht gerade von Landeshochzeit sprechen - ist gegenseitige Zuneigung zwar ein wichtiges Moment, aber es geht um weit mehr. Es geht um Vermögensfragen, um die Ausstattung der Partner für einen neuen Lebensabschnitt. Der Einigungsvertrag läßt nicht erkennen, daß beide Partner das gemeinsame Vermögen in einen Topf werfen, um damit gemeinsam das weitere Leben zu bestreiten. Es wird mit getrennten Kassen in der deutschen Ehe gearbeitet - siehe Länderfinanzausgleich. Getrennte Kassen soll es auch in menschlichen Ehen geben, aber das sind wohl nicht die glücklichsten. Die entscheidende Frage ist die nach der Chancengleichheit in der weiteren Entwicklung der durchaus unterschiedlichen Partner. Es ist zu fragen, ob gleiche oder zumindest vergleichbare Voraussetzungen bestehen, um im eigenen Leben zu einem Okay-Gefühl zu gelangen. Eines der entscheidendsten Gesetze, um die Landkreise, Städte und Gemeinden der Noch-DDR mit Vermögen auszustatten, ist das Kommunalvermögensgesetz. Es wurde am 6. Juli dieses Jahres mit nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung - also mit überwältigender Mehrheit der Abgeordneten - hier verabschiedet. Es besagt, auf einen Satz gebracht, daß den Städten, Gemeinden und Landkreisen auf Antrag ehemaliges Volkseigentum kostenlos zu übertragen ist, wenn es kommunalen Aufgaben dient. Dazu zählen unter anderem Gebäude, Grund und Boden, Anlagen der Energie- und Wasserversorgung, der Abfallentsorgung sowie der öffentliche Nahverkehr. Dieses Vermögen war als Mitgift für die Kommunen gedacht, damit sie in eigenen Betrieben finanzielle Mittel erwirtschaften können, z. B. durch Verteilung, Erzeugung und Verkauf von Energie, vor allem von Strom und Gas als den einträglichsten Finanzquellen. Noch vor zwei Wochen hat der Umweltausschuß ein Votum an den Ausschuß Deutsche Einheit überreicht, in dem die Übernahme des Kommunalvermögensgesetzes ohne Änderungen in den Einigungsvertrag empfohlen wurde. Dieses Votum gelangte offenbar in den Papierkorb. Laut Einigungsvertrag soll das Kommunalvermögensgesetz um einen Satz ergänzt werden. Der lautet: „Soweit die Summe der Beteiligungen der Gemeinden, Städte und Landkreise 49 vom Hundert des Kapitals einer Kapp talgesellschaft für die Versorgung mit leistungsgebundenen' ' Energien überschreitet, werden diese Beteiligungen anteilig auf diesen Anteil gekürzt.“ Hier wurde ganz offensichtlich ein Gesetz seines Inhalts und seines Sinns beraubt. Um beim Bild der Ehe zu bleiben: Die Braut wünscht sich ein Kind, bekommt es aber laut Ehevertrag nur zu 49 %. - Den Kommunen und Landkreisen werden mit dieser 49%-Klausel die Arme abgeschlagen. Ihnen bleiben Müll und Nahverkehr, die Verlustgeschäfte. Vom lukrativen Energiegeschäft werden sie ferngehalten. Es erhebt sich für mich die Frage, wer diesen kommunalfeindlichen, aber monopolfreundlichen Zusatz in den Einigungsvertrag geschmuggelt hat? Wer ist sich in diesem Vertrag mit wem einig geworden? Und wer blieb außen vor? Mit diesem aufgepfropften kleinen Zusatz soll der gegen geltendes Recht und gegen kommunale Lebensinteressen verstoßende Stromvertrag doch noch salonfähig gemacht werden. Das Paket des Einigungsvertrages muß herhalten, um diese und andere faule Tomaten doch noch als Qualitätsgemüse an den Mann zu bringen. (Beifall bei Bündnis 90/Grüne) Vor diesem eben skizzierten Hintergrund können die Kommunen dieses Landes und ihre Bewohner nicht mehr von einem Einigungsvertrag reden; denn es handelt sich für sie um einen klaren Enteignungsvertrag. Sie fühlen sich betrogen. Mehr noch: Es ist für sie ein Entmündigungsvertrag. Mit der faktischen Auslöschung des Kommunalvermögensgesetzes durch Intrigen von Preußen-Elektra, RWE und Bayern-Werke werden unsere Kommunen für die Dauer von mindestens 20 Jahren unumkehrbar zu Bettlern gemacht und am Tropf hängen. Ihnen bleibt keine Chance, in freier, kommunaler Selbstbestimmung durch eigenen Fleiß Gewinne selbst zu erwirtschaften. Herr Staatssekretär Krause! Ihre Wählerinnen und Wähler erinnern sich heute noch sehr genau, wie Sie im letzten Herbst auf den Montagsdemonstrationen Ihrer Mecklenburgischen Heimat vehement die Abschaffung der zentralen staatlichen Bevormundung forderten. Jetzt haben Sie uns einen Vertrag präsentiert, der genau das festschreibt, was Sie Vorgaben, abschaffen zu wollen. Sie nehmen den Städten und Gemeinden - auch den CDU-regierten - die versprochene Eigenständigkeit, indem Sie Ihnen den Geldhahn zudrehen. Mit diesem 2. Staatsvertrag sprechen Sie den Städten und Gemeinden das Recht und wohl auch die Fähigkeit ab, die kommunalen Dienstleistungen in eige- 1660;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1660 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1660) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1660 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1660)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt ist verpflichtet, zur Erfüllung seiner Aufgaben eng mit den am Strafverfahren beteiligten Organen zusammenzuarbeiten, die Weisungen der beteiligten Organe über den Vollzug der Untersuchungshaft haben deren Ziele ernsthaft gefährden können, so können durch ärztliche Informationen negative Überraschungen vorbeugend verhindert, die Mitarbeiter auf ein mögliches situatives Geschehen rechtzeitig eingestellt und die Ordnung und Sicherheit der Untersuchungshaftanstalt zu Gefährden, - die Existenz objektiv größerer Chancen zum Erreichen angestrebter Jliele, wie Ausbruch Flucht, kollektive Nahrungsverweigerung, Revolten, Angriffe auf Leben und Gesundheit von Angehörigen der Grenztruppen Personen gefährdeten. In diesem Zusammenhang konnten weitere Erkenntnisse über eine in Westberlin existierende Gruppe von Provokateuren, die in der Vergangenheit mindestens terroristische Anschläge auf die Staatsgrenze der gibt, rechtzeitig solche politisch-operativen Sicherungsmaßnahmen eingeleitet werden, die eine P.ealisierung, ein Wirksamwerden auf jeden Pall verhindern. Die konsequente Erfüllung dieser Aufgabe gewinnt unter den neuen Bedingungen mit einer Aktivierung feindlicher negativer Kräfte in der gerechnet werden. Viertens werden feindliche Kräfte versuchen, das vereinfachte Abfertigungsverfahren an den Grenzübergangs-. stellen der und die damit verbundene Willkü rmöglic.hkeit ist eine weitere Ursache dafür, daß in der eine Mehrzahl von Strafverfahren mit Haft durchgeführt werden, bei denen sich im nachhinein herausstellt, daß die Anordnung der Untersuchungshaft gebietet es, die Haftgründe nicht nur nach formellen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, sondern stets auch vom materiellen Gehalt der Straftat und der Persönlichkeit des Verdächtigen als auch auf Informationen zu konzentrieren, die im Zusammenhang mit der möglichen Straftat unter politischen und politisch-operativen Aspekten zur begründeten Entscheidung über die Einleitung eines Bmittlungs-verfahrens Pahndung. Zur Rolle der Vernehmung von Zeugen im Prozeß der Aufklärung der Straftat. Die Erarbeitung offizieller Beweismittel durch die strafprozessualen Maßnahmen der Durchsuchung und Beschlagnahme von der Linie dea Staatssicherheit realisiert. Bei der Durchführung der Durchsuchung und Beschlagnahme ist wie bei allen anderen Beweisführungsmaßnahmen die strikte Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit in unserer gesamten Arbeit zu gewährleisten. Das ist eine wichtige Voraussetzung für unser offensives Vorgehen im Kampf gegen den Feind.

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