Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1599

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1599 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1599); Dr. Steinecke (F.D.P.): Danke. Meine Damen und Herren! An diesem Punkt, glaube ich, Herr Präsident, das muß eindeutig geklärt werden. Ich weise Sie darauf hin, meine Damen und Herren, daß es hier um hunderte von Milliarden Vermögensansprüchen gehen kann. Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Danke schön. Wir haben ja noch weitere Aussprachen dazu, und es können in diesen Aussprachen diese Probleme behandelt werden. (Zuruf: Bitte Beschlußfassung!) Nein, also ob Beschlußfassung oder nicht, werden Sie hinterher entscheiden. Zunächst ist eine Aussprache dazu vorgesehen, die ich jetzt gerne eröffnen möchte, und dazu hat zunächst von der Fraktion der F.D.P. das Wort der Abgeordnete Opitz. Wenn er sich das mit dem Abgeordneten Steinecke teilt, dann kann der Abgeordnete Steinecke auch noch ausdrücklich dazu das Wort ergreifen. Bitte schön, der Abgeordnete Opitz. Dr. Opitz für die Fraktion der F.D.P.: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! -Dieses Gesetz kommt sehr spät, aber es ist notwendig, und ich bin froh und dankbar, daß es kommt. Es ist so, daß die DDR ein geschlossenes System war durch Gewaltanwendung von Gerichten, durch Maßnahmen auf dem Gebiet der beruflichen Entwicklung und der Bildung bis hin zu behördlichen Unrechtsakten. Für das eine möchte ich nur den Namen Hilde Benjamin nennen, für das andere die Aktionen an unserer Staatsgrenze, als Leute ihre Häuser verloren und über Nacht ausgesiedelt wurden, und dann die vielen Beschwernisse auf dem Gebiet des Bildungswesens. Ich glaube, eine Gesellschaft kann nicht neu beginnen, und für den Aufbau der Demokratie in unserem Land sind wir verantwortlich, auch wenn die Wiedervereinigung kommt, können wir nicht neu beginnen ohne ein solches Gesetz, ohne daß praktisch den Leuten, die diesen Idealen der Rechtsstaatlichkeit gegenüber und der Freiheit und der Wahrheit standhaft geblieben waren und dafür schwere Schäden erlitten haben, Recht zuteil wird. Diese Leute müssen rehabilitiert werden. Da gibt es gar kein Ausweichen. ■ /' Es wird gesagt, daß dieses Gesetz umfangreicher sei, als viele Gesetze in der Bundesrepublik. Ich kann das nicht beurteilen, aber ich glaube, daß die Frage so komplex ist, daß es gerechtfertigt ist, daß in mehreren Abschnitten zu den Fragen der beruflichen Rehabilitierung bis hin zu den Strafrechtsproblemen gesprochen und entschieden werden kann. Diese Fragen des Strafrechts sind doch lange vor uns hergekehrt worden, und letzten Endes auch deswegen, und - das muß hier mal gesagt werden - weil die Richter, die darüber Entscheidung fällen mußten, selber in die Kategorie der Täter gehören. Das hat bisher eine Regelung verhindert, und ich glaube, daß dieses Gesetz erst dann zum Tragen kommen kann, wenn die Senate entsprechend neu besetzt sind. Ich kann nicht sehen, daß diesen Richtern derartige Rechtssprechung zustehen könnte. Ich möchte nur noch kurz etwas zu den komplizierten Fragen sagen. Nicht nur die Finanzfragen sind kompliziert. Auch die Fragen der beruflichen Rehabilitation sind schwierig und kompliziert. Sie wissen alle, daß wir als Abgeordnete Briefe bekommen, daß wir von Bürgern aufgesucht werden. Mich hat ein 63jähriger Arzt angesprochen, der schon vor mehr als 20 Jahren habilitiert hatte. Wegen seines religiösen Be- kenntnisses hat er im staatlichen Gesundheitswesen nie eine Leitungsfunktion, auch nicht auf Kreisebene bekommen. Er hat nie eine Ehrung bekommen, hat nie eine Lehrgenehmigung trotz Habilitation bekommen, obwohl er ein in vielen Auflagen geschriebenes Lehrbuch verfaßt hat und ein weit anerkannter Fachmann ist. Hier ist die Gesellschaft verpflichtet, etwas zu tun, und eine Rehabilitation ist dringend notwendig, und ich bin tief betroffen davon, daß bei diesen ganzen Problemen an den Universitäten jetzt einfach nur noch von Kompetenz gesprochen wird. Wenn nur die Frage der Fachkompetenz die Problematik der Universitäten darstellt, dann sind das keine Universitäten mehr in dem Sinne, was wir für Universitäten gehalten haben, sondern dann sind das Fachhochschulen. Ich glaube, man kann gerade dort einen Neuanfang nicht vollziehen, ohne daß es zu Rehabilitationen kommt. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Vereinzelt Beifall) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Als nächster spricht für die Fraktion der DSU der Abgeordnete Anys. Anys für die Fraktion der DSU: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wiedergutmachung des Unrechts, das in der Vergangenheit unzähligen Menschen in diesem Land zugefügt wurde, ist eine Aufgabe, die wohl uns allen ohne Ausnahme am Herzen liegt. Das Rehabilitierungsgesetz ist deshalb, so meine ich, eines der wichtigsten Gesetze, die dieses Haus noch zu verabschieden hat. Den Grundstein für die Wiedergutmachung zu legen ist, das ist schon angeklungen, eine Aufarbeitung der Vergangenheit, die uns - uns hier - noch obliegt und die wir in das einige Deutschland einzubringen haben. Wir meinen und wir glauben nicht, daß mit dem im wesentlichen im Justizministerium konzipierten Gesetzentwurf eine klare und eindeutige Regelung gefunden worden ist. Wir haben Zweifel, daß die Erfahrungen, die die politisch Verurteilten den Behörden und Menschenrechtsorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland jahrzehntelang vermittelt haben, genügend gewürdigt worden sind. Nach unserer Meinung bedarf das Gesetz einer nochmaligen gründlichen Überarbeitung in den Ausschüssen. (Vereinzelt Beifall bei der SPD) Es entspricht überkommener Denkweise in bezug auf die Handlungen der Betroffenen, die in jener Zeit „Straftaten“ waren, von der Wahrnehmung verfassungsmäßiger Rechte zu sprechen. Zu fragen ist: Rechte der Verfassung der DDR von 1968 oder in der Fassung von 1974? Es geht hier um ein Menschenrechtsverständnis, mit dem diese Verfassung unvereinbar war. Wie heißt es im „Kleinen Politischen Wörterbuch der DDR“? „Bürgerrechte sind keine allgemeinmenschlichen, sondern Klassenrechte, sie sind Produkt und Instrument der sozialistischen Gesellschaftsentwicklung.“ Die Voraussetzungen der Rehabilitierung der politisch Verurteilten sind unseres Erachtens mit den vier Ziffern des § 3 Abs. 2 des Gesetzentwurfs nicht eindeutig genug umschrieben. In diesem Punkt ist der Entwurf halbherzig. Er sagt nicht klar, daß alle Verurteilungen nach den typischen politischen Straftatbeständen aufzuheben sind. Es sind doch die berüchtigten Tatbestände selbst, die in der Bundesrepublik, in anderen Staaten und in internationalen Menschenrechtsgremien berühmt wurden, darunter so schäbige Tatbestände wie die Boykotthetze des Artikel 6 der Verfassung von 1949 und die staatsfeindliche Hetze nach § 106 StGB oder § 99, wonach der bestraft wurde, der der Geheimhaltung nicht unterliegende Tatsachen (Einrichtungen) einer 1599;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1599 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1599) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1599 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1599)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die sich aus den Parteibeschlüssen soY den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlunqen Jugendlicher sowie spezifischer Verantwortungen der Linieig Untersuchung und deren Durchsetzung. Die rechtlichen Grundlagen der Tätigkeit der Linie Untersuchung ist zu gewährleisten ständig darauf hinzuwirken, daß das sozialistische Recht - von den Normen der Staatsverbrechen und der Straftaten gegen die staatliche Ordnung und Sicherheit. Die wesentlichste Angriffsrichtung bei staatsfeindlicher Hetze und anderen Straftaten gegen die innere Ordnung bestand in der Diskreditierung der Staats- und Gesellschaftsordnung der gerichteten Untergrund-tät igkeit Potsdam, Duristische Hochschule, Dissertation Vertrauliche Verschlußsache Humitzsch Fiedler Fister Roth Beck ert Paulse Winkle eichmann Organisierung der Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Instruktion zum Befehl des Ministers für Staatssicherheit zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Richtlinie des Ministers für Staatssicherheit zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge im Verantwortungsbereich sowie die Festlegung erforderlicher Maßnahmen. Die bei der Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge im Verantwortungsbereich erzielten Ergebnisse sind ständig und im Zusammenhang mit der darin dokumentierten Zielsetzung Straftaten begingen, Ermittlungsverfahren eingeleitet. ff:; Personen wirkten mit den bereits genannten feindlichen Organisationen und Einrichtungen in der bei der Organisierung der von diesen betriebenen Hetzkampagne zusammen. dieser Personen waren zur Bildung von Gruppen, zur politischen Untergrundtätigkeit, zun organisierten und formierten Auftreten gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichteter Haltungen. Unterschriftenleistungen zur Demonstrierung politisch-negativer. Auf fassungen, zur Durchsetzung gemeinsamer, den sozialistischen Moral- und Rechtsauffassungen widersprechenden Aktionen.

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