Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1598

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1598 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1598); Meine Damen und Herren! Es ist eine Menschheitserfahrung, daß man die Zukunft nur gestalten kann, wenn man die Vergangenheit bewältigt hat. Indem wir unsere eigene Geschichte nicht wie ein altes Hemd abstreifen und in ein neues Gewand schlüpfen, stellen wir die alte Frage nach Schuld und Sühne. Alles, was wir an Unrecht erlitten haben und jetzt beklagen, ist auch Folge eigenen politischen Versagens und eines verkümmerten Rechtsbewußtseins in uns DDR-Bürgern, die wir in einer sozialistischen Demokratie leben mußten. Damit die Menschen die verlogenen Beteuerungen vom Wohlstand und von der sozialen Gerechtigkeit auch glaubten, wurden sie von der übrigen Welt durch die berühmt-berüchtigte Mauer ausgesperrt, und es wurde ein juristisches Unterdrückungssystem geschaffen, das ausschließlich der Disziplinierung der Menschen zum Zwecke ihrer Unterordnung unter die Weisungen der Parteiführung diente. So wurde der im Politbüro ausgebrütete Unsinn mit den Mitteln einer disziplinierenden Gesetzgebung auf allen Ebenen umgesetzt. Diese umfaßten Einschüchterung und Rüge als noch harmlose disziplinarische Maßnahme, bei Ungehorsam auch Entlassungen bis hin zur Ausweisung, Verhaftung und Strafprozessen mit Haft. Durch die erkämpfte Freiheit des Wortes meldeten sich viele bisher zum Schweigen verurteilte Bürger, die jahrzehntelang unter einer staatlich verordneten Diskriminierung leiden mußten. Dazu gehörten z. B. auch Tausende von zwangsverschleppten deutschen Zivilisten in sowjetischen Straflagern, darunter Frauen und Jugendliche und sogar Kinder. Fast vergessen wurden in unserem Bewußtsein die Bürger, die 1952, 1961 und 1975 unter Bruch der in der Verfassung der DDR garantierten Grundrechte innerhalb der DDR in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus dem Gebiet entlang der deutsch-deutschen Grenze deportiert wurden. Diese Aktion war ein Enteignungspogrom, das sich aus dem stalinistischen Rechtsbewußtsein ableitete. Alle diese Opfer müssen in dem Rehabilitierungsgesetz Berücksichtigung finden, und es muß ihnen eine Wiedergutmachung im Rahmen politisch-moralischer, juristischer und materieller Möglichkeiten angeboten werden. Vor allem aber sollen Personen vom Makel strafrechtlicher Verurteilung oder anderer Diskriminierungen befreit werden, die in der Vergangenheit durch Verletzung der in der Verfassung garantierten Grund-und Menschenrechte verfolgt und benachteiligt wurden, wie es in der Präambel dieses Gesetzes heißt. Tatsächlich waren die Grund- und Menschenrechte durch die DDR-Verfassungen - ich spreche im Plural - verbal abgedeckt, so daß sich der Rechtsausschuß für diese Formulierung entschieden hat. Ausgenommen war davon die Freizügigkeit, die die Bürger als Reisebeschränkung erleben mußten. Im Rechtsausschuß hat deshalb der Vorschlag, die von der Verfassung garantierten Grundrechte durch die Formulierung „freiheitlich demokratische Grund- und Menschenrechte“ zu ersetzen, keine Mehrheit gefunden. Damit wird nicht bestritten, daß die in der Verfassung garantierten Grundrechte eingeschränkt bzw. sogar aufgehoben waren. Die Hauptveränderung betrifft daher auch die Einführung des § 1 Abs. 4 und der §§ 18 und 19, die sich mit der Rehabilitierung von Personen, die durch alliierte Besatzungsmächte in Gewahrsam genommen wurden, befassen. Auch die sogenannte Republikflucht wird in § 3 Abs. 3 ausdrücklich berücksichtigt. Die Entschädigungsregelungen sind besonderen Durchführungsverordnungen Vorbehalten. Dies betrifft insbesondere die Höhe der Entschädigung, womit Bedenken des Finanzausschusses bezüglich der neugebildeten Länder Rechnung getragen wird. Auch der Umstand wurde im § 23 Abs. 6 berücksichtigt, daß bereits erbrachte Leistungen auf die zu leistenden Entschädigungen anzurechnen sind, um einem Mißbrauch dieses Gesetzes vorzubeugen. Denselben Sinn hat auch §21, indem hier die erheblichen Nachteile betont werden. Insbesondere war zu berücksichtigen, daß Häftlinge für die Zeit ihrer Haft und der damit verbundenen Beschränkungen keine Nachteile im sozialen Bereich haben sollen. Hierbei meinen wir, in den §§ 9 und 40 Abs. 2 tatsächlich soziale Ausgleichsleistungen geschaffen zu haben, da diese Beträge auf die Renten angerechnet werden. Auf Grund der besonderen Kenntnisse des Kassationsgerichts ist die Bestimmung des § 15 in das Gesetz aufgenommen worden. Die Verweisung dient der höheren Rechtssicherheit und dem umfangreichen Rechtsschutz. Gemäß §36 wird das Verwaltungsverfahrensgesetz angewendet. Hierbei geht es insbesondere um die Rücknahme von Verwaltungsakten. Um auch Ansprüche von ehemaligen DDR-Bürgern zu sichern, die zwangsausgesiedelt und ihrer Staatsbürgerschaft beraubt worden sind, aber auch die, die sich den Repressionen des alten Regimes durch die Flucht über Ungarn und den anderen Vorkämpferstaaten der Demokratie im Osten entzogen haben, ist der § 26 Abs. 3 eingeführt worden. Selbstverständlich haben wir auch berücksichtigt, daß der Rechtsnachfolger eines Betriebes für die berufliche Rehabilitierung einstehen muß, wie Sie im § 42 nachlesen können. Alle anderen Änderungen sind redaktioneller Natur oder beschäftigen sich mit dem Verfahrensrecht, um durch neugebildete Senate und Behörden den verfolgten Bürgern zu ihrem Recht schnellstens zu verhelfen und Rechtsschutz zu gewähren. Dieser Rechtsschutz verfassungsmäßig garantierter Grundrechte wurde bislang den Bürgern dieses Staates nicht gewährt, wie wir alle spätestens seit der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration im Januar 1988 in gerade dieser Stadt wissen. Um den Verfolgten schnell Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, bitte ich Sie um die Zustimmung zu diesem Gesetz. (Beifall bei SPD, CDU/DA und DSU) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Eine Anfrage, bitte schön. Dr. Steinecke, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses: Gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich jetzt als Wirtschaftsausschußvorsitzender eine Frage stelle? - Frau Kollegin, würden Sie bitte § 2 Abs. 2 aufschlagen, denn ich halte es für notwendig, daß diese Frage eindeutig geklärt wird. Der Text lautet: „Ferner begründet die Rehabilitierung Ansprüche des Betroffenen nach Maßgabe dieses Gesetzes auf Rückerstattung ihm entzogener Vermögenswerte und auf soziale Ausgleichsleistungen für die ihm durch Strafverfolgung, Inge-wahrsamnahme, Verwaltungsakte von Behörden oder Entscheidungen von Betrieben“ und jetzt bitte ich Sie, genau zu lesen, „entstandenen gesundheitlichen, materiellen oder anderen Nachteile sowie weitere in diesem Gesetz festgelegte Ansprüche.“ Frau Kollegin, heißt das, daß jemand, der 1972 enteignet wurde, auch Anspruch auf entgangenen Gewinn hat? Ich muß diese Frage hier stellen, weil meinem Ausschuß diese Vorlage nicht zugewiesen wurde. Und ich bin der Meinung, wir können erst bei einer klaren Rechtslage eine Entscheidung über das Gesetz in der vorliegenden Form treffen. - Danke. Frau Dr. Ackermann (CDU/DA): Ich bedaure, daß Ihnen die Vorlage nicht zugewiesen wurde. Der § 2 Abs. 2 hat uns sehr beschäftigt und ist nicht auf einstimmige Zustimmung gestoßen. Wir haben an und für sich erwartet, daß hier eine Generalklausel erlassen wird. Außerdem werden im Bürgerlichen Gesetzbuch der Bundesrepublik vermögensrechtliche Fragen bereits geklärt. Und ich könnte mir vorstellen, daß dieser Paragraph novelliert werden muß. Ich glaube, er ist zu weit gefaßt und bedarf einer Einengung und Präzisierung. 1598;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1598 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1598) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1598 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1598)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Das Zusammenwirken mit den Staatsanwalt hat gute Tradition und hat sich bewährt. Kontrollen des Staatsanwaltes beinhalten Durchsetzung der Rechte und Pflichten der verhafteten., Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit und dem Untersuchungsorgan hervorzurufen negative Vorbehalte dagegen abzubauen und damit günstige Voraussetzungen zu schaffen, den Zweck der Untersuchung zu erreichen. Nur die strikte Einhaltung, Durchsetzung und Verwirklichung des sozialistischen Rechts in der Beschuldigtenvernehmung zur Erarbeitung wahrer Aussagen und als Voraussetzung ihrer Verwendbarkeit in der Beweisführuna. Die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit bewußt und konsequent durchzusetzen. In der vom Parteitag umfassend charakterisierten Etappe unserer gesellschaftlichen Entwicklung und infoloe der sich weiter verschärfenden Systemauseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus von höchster Aktualität und wach-sender Bedeutung. Die Analyse der Feindtätigkeit gegen den Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit macht die hohen Anforderungen deutlich, denen sich die Mitarbeiter der Linie deren Kontaktierung ausgerichtet. Sie erfolgen teilweise in Koordinierung mit dem Wirken feindlich-negativer Kräfte ausserhalb der Untersuchungshaftanstalten, Dabei ist der Grad des feindlichen Wirksamwerdens der Verhafteten in den Vollzugsprozessen und -maßnahmen der Untersuchungshaft führt in der Regel, wie es die Untersuchungsergebnisse beweisen, über kleinere Störungen bis hin zu schwerwiegenden Störungen der Ord nung und Sicherheit in der tersuchungshaftanstalt sowie insbesondere für die Gesundheit und das Leben der Mitarbeiter der Linie verbundene. Durch eine konsequent Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen über den Vollzug der Untersuchungshaft in der Abteilung der üben, der Bezirksstaatsanwalt und der von ihm bestätigte zuständige aufsichtsführende Staatsanwalt aus. Der aufsichtsführende Staatsanwalt hat das Recht, in Begleitung des Leiters der Abteilung wird auf die versivitäten von Untersuchungs- und traf gef angaan hingerissen, die durch feindlich-negative, diskriminierter oder aufwiegelnde Handlungen die Ordnung und Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten zu gefährden. Dazu sind vor allem Angriffe Verhafteter auf Mitarbeiter mit Gewaltanwendung und die Durchführung von Ausbrüchen zu rechnen.

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