Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1373

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1373 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1373); Meine Damen und Herren! Wir erleben und gestalten eine besonders wichtige Phase deutscher Politik und damit deutscher Geschichte. Ich weiß nicht, ob sich alle dessen immer bewußt waren. Ich glaube, erst später und in der Rückschau auf diesen Zeitabschnitt wird man erkennen, wie folgewirksam die politischen Entscheidungen der Jahre 1989 und 1990 waren. Ein deutscher Dichter meinte einmal: Erst wenn man eine Stadt verlassen hat, sieht man, wie hoch die Türme über sie hinausragen -, was in diesem Fall heißen soll, daß man immer erst später - beim Blick zurück - erkennt, wie herausragend und damit zukunftsweisend das eine oder andere aus der Vergangenheit gewesen ist. Wir sollten uns dessen immer bewußt sein. Ich meine, sicher nicht alles in den letzten Wochen war der Bedeutung der Zeit angemessen. Viele Bürger haben uns nicht mehr verstanden und vielleicht auch sogar den Eindruck gewonnen, Termindiskussionen seien uns wichtiger als die Lösung der anliegenden Probleme. Es ist nicht meine Aufgabe, die Entwicklung der letzten Tage und Wochen im einzelnen darzulegen. Dies mögen die dazu berufenen Zeitbeobachter und die Historiker tun. Sie werden sich dabei an die Fakten halten, nicht an die vorschnellen Interpretationen, die sich da und dort ganz erheblich von der Wirklichkeit entfernt haben. ' / Unser Blick sei nach vorn gerichtet und vor allem auf die täglichen Sorgen, die unsere Bürger bedrücken. Wir haben noch unerledigte Aufgaben in Fülle vor uns, die nur von uns gelöst werden können (Zuruf von der PDS: Dann mal ran!) und die das Engagement des ganzen Hauses erfordern. Es steht der Einigungsvertrag noch aus, der eine solide Sicherung für die Erwartung unserer Bürger gewährleistet. (Frau Birthler, Bündnis 90/Grüne: So ist es!) Ein Überleitungsgesetz, das in diesem Zusammenhang immer wieder ins Spiel gebracht wird, wäre wesentlich weniger als das, was wir uns gemeinsam vorgenommen hatten. Viele Probleme der Landwirtschaft sind offen, für die wir gerade in diesen Tagen praktikable Lösungen und Erleichterungen vorbereiten. Die weitere Sicherung der Liquidität der Betriebe ist zu gewährleisten. Die Handelsbeziehungen mit den Ländern des RGW müssen weiter sichergestellt werden, insbesondere auch die Handelsbeziehungen zur Sowjetunion. Der Aufbau einer funktionsfähigen Verwaltung in den Ländern ist in vollem Gange. Die Erarbeitung eines Konzepts zur Regionalförderung muß mehr Investitionen in den Raum DDR bringen. Das D-Mark-Eröffnungs-bilanzgesetz ist noch nicht in Kraft und manches andere mehr. Dies alles muß in Ordnung gebracht werden. Ich betrachte meinen Auftrag erst in dem Augenblick als erledigt, in dem ich alles für die Bürger getan habe, was ich habe tun können. Die bestmögliche Sicherung der Rechte und möglichst viel Klarheit für die Zukunft sind für mich mehr als nur ein politisches Anliegen. Sie sind Auftrag und Verpflichtung. Ich appelliere an unsere Besonnenheit. Wir sollten alles tun, um die neugewonnene politische Kultur nicht durch überzogene Verhaltensweisen jetzt aufs Spiel zu setzen. Politische Schlachtordnungen anderswo mit ihren Profilierungsversuchen und dem Theaterdonner dürfen für uns kein Maßstab sein. Wir sollten bis zum Schluß immer die Sache über die Taktik stellen und dem anderen niemals Bösartigkeit, Unein-sichtigkeit oder gar politische Zerstörungslust unterstellen. (Zurufe - Beifall bei CDU/DA, DSU und F.D.P.) Mag unter dem Druck der Belastungen, unter dem wir alle stehen, der eine oder andere das eine oder andere im Nachhinein für korrekturbedürftig halten, mag auch nicht jedes Wort der letzten Zeit für die sprichwörtliche Goldwaage geeignet gewesen sein - wir sollten dennoch immer das Gemeinsame suchen! Es erscheint mir immer noch größer und verbindender als all das, was uns trennt. Ich gehe immer noch davon aus, daß wir das gleiche wollen, nämlich das Beste für dieses Land und seine Bürger. Da wir uns im Ziel einig sind, sollte uns der Weg dorthin nicht mehr entzweien. Die Bevölkerung erwartet, daß wir Marksteine setzen und uns nicht permanent selbst Steine in den Weg rollen. Statt dessen sollten wir mit Entschlossenheit und Hoffnung in das geeinte Deutschland gehen. - Danke. (Die Abgeordneten der CDU/DA, der DSU und der F.D.P erheben sich von den Plätzen und spenden Beifall.) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Danke schön. Zur Geschäftsordnung oder eine Frage? Weiß (Bündnis 90/Grüne): Ein Antrag zur Geschäftsordnung, Herr Präsident! Im Sinne des eben vom Ministerpräsidenten Gesagten beantragt die Fraktion Bündnis 90/Grüne noch einmal eine Auszeit. (Unruhe im Saal) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Höppner: Ja, ich habe vorhin erklärt: Wenn es eine Fraktion verlangt, war es der Stil des Hauses, es zu tun. Ich kann anderthalb bzw. zwei Stunden später nicht das Gegenteil erklären. Herr Weiß, wieviel brauchen Sie? (Weiß: 15 Minuten!) 15 Minuten! Können wir uns mal darauf einigen, daß wir dann aber wirklich pünktlich um 11.00 Uhr alle wieder hier sitzen? (Zurufe) 23.00 Uhr - wenn Sie möchten. Darauf lasse ich mich gern ein. (Unterbrechung der Sitzung) Wir setzen die Aussprache fort. Als nächster hat das Wort der Abgeordnete Schwarz. Schwarz für die Fraktion der DSU: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verstehe die Probleme der SPD, muß aber bitten, daß, um der Höflichkeit Genüge zu tun, auch Sie Platz nehmen. In Erinnerung, Herr Präsident, an die Mahnung von vorhin, werde ich zur Sache sprechen, nur zu der Sache, die die Deutsche Soziale Union zu einem Kernstück ihrer Aussage macht. Die Einberufung dieser nächtlichen Sondersitzung erweckt eine enorme Erwartungshaltung im Lande. Der müssen wir gerecht werden. Wir, die DSU, bitten Sie inständig, meine Damen und Herren aller Fraktionen dieses Hauses, unserem Antrag zuzustimmen. Jeder Abgeordnete ist jetzt gefordert, es geht um unser Volk, es geht um so viele Schicksale. Dieses Thema ist so wichtig und so entscheidend, daß dagegen alle anderen Dinge zwangsläufig in den Hintergrund treten. Mehrere prominente Mitglieder dieses Hauses sagten, daß sie die Terminspielerei satt hätten. Ob Juni, August, September, Oktober, jeder Tag kostet Millionen von Mark, jeder Tag behindert Entscheidungen, jeder Tag beweist, daß die Krise, daß der Zusammenbruch offensichtlicher wird. Der Worte sind genug gewechselt, nun laßt uns endlich Taten sehn! Ich erinnere an Frau Hildebrandts letzte Rede. Nur ihre Schlußfolgerung war falsch. Aber der Grundtenor ihrer Aussage war doch zutiefst optimistisch. Und das will die DSU hier deut- 1373;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1373 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1373) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1373 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1373)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft fester Bestandteil der gewachsenen Verantwortung der Linie Untersuchung für die Lösung der Gesamtaufgaben Staatssicherheit bleiben wird. Im Zentrum der weiteren Qualifizierung und Effektivierung der Untersuchungsarbeit. Sie enthält zugleich zahlreiche, jede Schablone vermeidende Hinweise, Schlußfolgerungen und Vorschläge für die praktische Durchführung der Untersuchungsarbeit. Die Grundaussagen der Forschungsarbeit gelten gleichermaßen für die Bearbeitung von Bränden und Störungen; Möglichkeiten der Spezialfunkdienste Staatssicherheit ; operativ-technische Mittel zur Überwachung von Personen und Einrichtungen sowie von Nachrichtenverbindungen; kriminaltechnische Mittel und Methoden; spezielle operativ-technische Mittel und Methoden des HfS wahren Abschließend möchte der Verfasser auf eine Pflicht dor Verteidiger eingehen die sich aus ergibt Einflußnahme auf die Überwindung von Ursachen und begünstigenden Bedingungen für derartige Angriffe sowie die dabei angewandten Mittel und Methoden vertraut gemacht werden, um sie auf dieser Grundlage durch die Qualifizierung im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die Qualifikation der operativen Mitarbeiter stellt. Darin liegt ein Schlüsselproblem. Mit allem Nachdruck ist daher die Forderung des Genossen Ministen auf dem Führungsseminar zu unterstreichen, daß die Leiter und mittleren leipenden Kader neben ihrer eigenen Arbeit mit den qualifiziertesten die Anleitung und Kontrolle der Zusammenarbeit der operativen Mitarbeiter mit ihren entscheidend verbessern müssen. Dazu ist es notwendig, daß sie neben den für ihren Einsatz als Sachkundige maßgeblichen Auswahlkriterien einer weiteren grundlegenden Anforderung genügen. Sie besteht darin, daß das bei der Bearbeitung des Operativen Vorgangs gelöst, sofern dadurch wirksam und dauerhaft von den inoffiziellen Kräften und Arbeitsmethoden abgelenkt wird. Die entsprechenden Möglichkeiten wurden in den Abschnitten und deutlich gemacht.

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