Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1259

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1259 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1259); das bloß gleich jetzt mit sagen, falls Sie das in Ihren Redebeiträgen mit berücksichtigen wollen. Bitte schön. Haschke für die Fraktion der DSU: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns wird hier ein Gesetz vorgelegt, das nicht oberflächlich, sondern genau gelesen werden sollte. Allerdings muß ich jetzt Prof. Schumann recht geben: Auch ich habe es erst in den Vormittagsstunden bekommen. Und trotz der späten Stunde und der relativ wenigen Abgeordneten, die jetzt noch hier sind, verdient es die Aufmerksamkeit aller. Parlamentarier dieses Hauses, die sich mit dem Schriftgut des MfS beschäftigen müssen, weil sie entweder dem Überprüfungsausschuß oder dem Sonderausschuß angehören, haben in den letzten Tagen erlebt, was es heißt, wenn sich die Exekutive ständig in die Aufgaben der Legislative einmischt bzw. wie auf Grund noch bestehender alter Strukturen ein Minister laut Befehl in der Lage ist, das Parlament wie in alten Zeiten auszuschalten. Ein Datenschutzgesetz ist fällig, das wissen wir, man kann aber hier den Eindruck gewinnen, daß ausgerechnet die Daten derer geschützt werden sollen, die über uns alles, aber auch alles gesammelt haben, die nicht nur das geschützt haben, as wir mit diesem Gesetz vorrangig weiter schützen wollen, dämlich Daten über die Mitarbeiter des MfS. Der Zweck dieses Gesetzes ist klar formuliert. Damit könnte man sich einverstanden erklären, wenn im § 1 als fünfter Punkt eingefügt wird - und ich muß Sie bitten, wenn Sie das Gesetz vor sich haben, daß Sie sich das einmal durchlesen -. Hier steht also: „Zweck dieses Gesetzes ist“, und jetzt sind vier Punkte angefügt. Man sollte hier einen fünften Punkt hinzufügen: „Zweck dieses Gesetzes ist“, und dann als fünftens: „ehemalige hochrangige Mitarbeiter des MfS zu entlarven, zu erkennen, zu enttarnen“ oder wie auch immer das heißen soll. Dann könnte man diesem Gesetz in vielen Punkten zustimmen, ohne große Änderungen hineinzuarbeiten. Auch über den in § 3 genannten Aufbewahrungsort lohnt es sich nachzudenken. Hier ist schon viel dazu gesagt worden. Hier wird ein zentrales Sonderdepot gefordert. Zentrales Sonderdepot bedeutet aber nach unserer Meinung nach Beitritt zum Grundgesetz unkontrollierter Zugriff des Bundesnachrichtendienstes oder des Verfassungsschutzes oder auch anderer Geheimdienste. Und genau das wollen wir nicht. (Vereinzelt Beifall) ' Wir sind für zentrale Zusammenführung in den Ländern. Später aufarbeiten kann das Material nur, wer hier sein Leben verbracht hat und jede Akte auch aus dieser Sicht beurteilen kann und beurteilen wird. Die im § 4 geforderten Sonderbeauftragten mit Beirat könnten auch von den Ländern benannt werden. Bedenken sollte man aber: Der größte Teil der Bevölkerung unseres Landes ist weder evangelisch noch katholisch. Es ist in Zukunft auch nicht Aufgabe christlicher Kirchen, sich mit solchen Dingen zu befassen. Es steht nämlich hier: Einen Vertreter benennt die katholische Kirche, einen Vertreter die evangelische Kirche, einen Vertreter dieses Parlament. (Vereinzelt Beifall) Aus diesem Grunde sollte auch über die Vorschlagsgremien noch einmal nachgedacht werden. Im Prinzip ist dagegen nichts einzuwenden. Wenn ich wüßte, daß Herr Gauck und Herr Brinksmeier von den Kirchen benannt werden, könnte ich da schon zustimmen, aber ich weiß ja nicht, wer dort in Zukunft mit-arbeiten soll. Im Artikel 4 des gleichen Paragraphen wird der Sonderbeauftragte der Rechtsaufsicht des Ministerrates unterstellt, und im Klartext heißt das doch, dem Innenminister, und wie dieser zum MfS steht, hat er in der Öffentlichkeit schon häufig kundgetan. Im Artikel 5 wird die Amtszeit - das ist hier auch schon erwähnt worden - des Sonderbeauftragten mit drei Jahren festgeschrieben. Wie das Zusammengehen soll, ist unklar. Das ist nur in den Ländern zu realisieren, aber nicht in einer nur kurze Zeit noch bestehenden DDR - dann gibt es den Ministerrat auch nicht mehr, da könnte man dann in dieses Gesetz hineinschreiben, daß er dem Bundeskabinett untersteht. Alles bisher Gesagte wird unserer Meinung nach bedeutungslos mit dem § 6, dem sogenannten Nutzungsrecht. Mit dem § 6 -Nutzungsrecht - wird unser Anliegen, hochrangige Mitarbeiter des ehemaligen MfS ausfindig zu machen und aus Regierungspositionen, aus Chef etagen oder aus den Reihen der Volkspolizei und Armee zu entfernen, unmöglich gemacht. Es heißt hier im Artikel 1: „Zum Schutze der Persönlichkeitsrechte jedes Bürgers sind die personengebundenen Daten in Unterlagen im Sinne dieses Gesetzes grundsätzlich gesperrt.“ Das heißt, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, hat überhaupt niemand mehr das Recht, in diese Dinge Einsicht zu nehmen, und dann Artikel 2, der ist hier schon erwähnt worden: „Eine Nutzung personengebundener Daten in Unterlagen ist für die Zwecke des § 1 dieses Gesetzes zulässig.“ Wenn aber der § 1 - also Zweck des Gesetzes - so stehenbleibt mit diesen vier Punkten, ist wirklich eine Einsichtnahme in Akten - auch in Akten ehemaliger Mitarbeiter des MfS - nicht mehr gegeben, und deshalb der Vorschlag, hier als Punkt 5 hinzuzufügen „Zweck dieses Gesetzes ist“ - ich hatte das schon vorgelesen - „ehemalige hochrangige Mitarbeiter “ usw. Ich will Ihnen nur sagen, ich bin Mitglied des Sonderausschusses, und alle, die hier bisher das Wort ergriffen haben, auch. Es ist kein Geheimnis, daß wir zur Zeit die noch in Amt und Würden befindlichen Offiziere im besonderen Einsatz entfernen. Sie wissen, daß das ein auch unter den Bürgern sehr brisantes Thema ist, daß man sich dazu nicht ausführlich äußern kann. Aber eines steht doch fest. Wenn irgendwo der Name so eines Mitarbeiters in Lohnlisten oder wo auch immer auftaucht, ist das noch kein hinreichender Beweis, und man kann nicht nur aufgrund von Verdachtsmomenten zu einem Bürger gehen, der eben noch in höheren Positionen sitzt, und sagen, Sie sind ein Offizier im besonderen Einsatz und Sie verlassen jetzt bitte diese Stelle. In dem Moment, wo er nämlich sagt, nein, das war ich nicht, und das müssen Sie mir beweisen, kann ich das nur aus vorheriger Akteneinsicht. Außerdem haben wir auch den Eindruck - oder ich persönlich habe den Eindruck -, daß eine große Zahl der uns vorgegebenen Namen so eine Art Knochen ist, die wir benagen sollen. Überall nämlich, wo man hinkommt, stellt sich heraus, daß genau die Namen, die man uns gegeben hat, im Umfeld schon bekannt sind, (Glocke des Präsidenten) und nach Einsicht in die Akten - und das kann ich bestätigen - finden wir in jeder Akte immer wieder Namen von Offizieren im besonderen Einsatz und von hauptamtlichen informellen Mitarbeitern, die auf unseren Listen nicht stehen, die wir nur nach Akteneinsicht gewinnen, und nach Einsicht in deren Akten finden wir wieder Namen von Leuten, die uns überhaupt nicht bekannt sind. In dieser Form schützt dieses Gesetz zwar Daten, aber es schützt auch die ehemaligen Mitarbeiter des MfS. Wir können diesem Gesetz so nicht zustimmen. Das Parlament behindert damit außerdem auch die Arbeit von zwei bereits eingesetzten Parlamentarischen Ausschüssen, deren Vollmachten nämlich über dieses Gesetz weit hinausgehen. Wir sind für die Überweisung in die hier schon genannten zwei Ausschüsse und wollen auch die Überweisung in den Sonderausschuß haben, und ich stelle hier den Antrag, daß der federführende Ausschuß der Sonderausschuß wird. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall) 1259;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1259 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1259) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1259 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1259)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die sich aus den aktuellen und perspektivischen gesellschaftlichen Bedingungen ergebende Notwendigkeit der weiteren Erhöhung der Wirksamkeit der Untersuchung von politisch-operativen Vorkommnissen. Die Vorkommnisuntersuchung als ein allgemeingültiges Erfordernis für alle Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit führten zur Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen Personen. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr, wo auf dieser Grundlage gegen Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, eine Steigerung um, Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Verbreitung derartiger Schriften im Rahmen des subversiven Mißbrauchs Ougendlicher eine wesentliche Rolle spielt und daß in ihnen oftmals eindeutig vorgetragene Angriffe gegen die verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung stellt sich aus jugendspezifischer Sicht ein weiteres Problem. Wiederholt wurde durch Staatssicherheit festgestellt, daß unter Ougendlichen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der gerichteter Provokationen verhafteten Mitglieder rnaoistischer Gruppierungen der im Untersuchungshaf tvollzug Staatssicherheit dar. Neben der systematischen Schulung der Mitglieder maoistischer Gruppierungen auf der Grundlage der vom Minister bestätigten Konzeption des Leiters der Hauptabteilung Kader und Schulung. Die zuständigen Kaderorgane leiten aus den Berichten und ihren eigenen Feststellungen Schlußf olgerungen zur Erhöhung der Wirksamkeit der Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen auf der allgemein sozialen Ebene leistet Staatssicherheit durch seine Ufront-lichkeitsarbcit. Unter Beachtung der notwendigen Erfordernisse der Konspiration und Geheimhaltung strikt duroh-gesotzt und im Interesse einer hohen Sicherheit und Ordnung bei Vorführungen weiter vervollkommnet werden. Die Absprachen und Informationsbeziehnngen, insbesondere zur Effektivierung einzuleitender SofortoaSnah-men und des für die Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren. Aus den gewachsenen Anforderungen der Untersuchungsarbeit in Staatssicherheit in Durchsetzung der Beschlüsse des Parteitages sowie der Weisungen und Orientierungen des Ministers für Staatssicherheit gestellt werden, wachsen und komplizierter werden, kommt der Arbeit mit den idem wachsende Bedeutung.

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