Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1187

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1187 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1187); durch das Rechtsstaatsprinzip und durch Grundrechte. Das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet den Gesetzgeber, Regelungen so zu fassen, daß hoheitliches Handeln vorhersehbar und Eingriffsmöglichkeiten klar und eindeutig begrenzt sind. In seiner Ausprägung als Übermaßverbot läßt es nur den geeigneten und erforderlichen Eingriff zu. Er darf den einzelnen nicht mehr beeinträchtigen, als es zur Erreichung des erlaubten polizeilichen Zwecks unerläßlich ist. Eine weitere Grenze ziehen Grundrechte, insbesondere das Recht des einzelnen, grundsätzlich selbst über die Offenbarung persönlicher Lebenssachverhalte zu entscheiden. Das ist das Recht auf den Schutz der persönlichen Daten. Zwar kann es insoweit kein schrankenloses Recht geben, aber im überwiegenden Allgemeininteresse müssen auch Einschränkungen dieses Rechts hingenommen'werden. Diese Einschränkungen müssen jedoch gesetzlich normiert sein. Aus dem Gesetz müssen sich Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben. Nur dann entspricht die Einschränkung dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit. Außerdem ist der Gesetzgeber an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Weitere Eckpunkte für ein neues Polizeigesetz ergeben sich dann, wenn wir über 1990 hinausschauen und die Vereinigung mit der Bundesrepublik Deutschland in den Blick nehmen. Polizei ist zwar grundsätzlich Ländersache und somit in erster Linie eine Angelegenheit der neu zu schaffenden Länder in der Deutschen Demokratischen Republik, polizeiliche Tätigkeit ist häufig jedoch länderübergreifend. Aus diesem Grunde sind in den Ländern im Bereich des Polizeirechts gesetzliche Grundlagen anzustreben, die in den wesentlichen Fragen des materiellen Rechts möglichst übereinstimmen. Das Polizeiaufgabengesetz für die DDR, das den neuen Ländern der DDR eine Hilfestellung leisten soll, muß sich deshalb bereits jetzt an dem materiellen Polizeirecht, wie es in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland bereits Gesetz ist, orientieren. Ein letzter Gesichtspunkt. Polizeiliche Tätigkeit dient nicht nur der Gefahrenabwehr, sondern auch der Strafverfolgung. Sowohl im präventiven als auch im repressiven Bereich sind häufig ähnliche Maßnahmen zu treffen. Es ist deshalb anzustreben, in den Polizeigesetzen einerseits und in der Strafprozeßordnung andererseits nach Regelungsdichte und Eingriffstiefe aufeinander abgestimmte Regelungen zu normieren. Deswegen haben wir bei der Schaffung des Polizeiaufgabengesetzes auch die Strafprozeßordnung der Bundesrepublik Deutschland bereits jetzt mit in den Blick zu nehmen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte nicht auf Einzelheiten des Entwurfs eingehen, wenn es auch schwierig ist, jedoch bereits heute andeuten, auf welche Punkte die sozialdemokratische Fraktion ein besonderes Augenmerk legen wird. Dies gilt für die Bereiche, wo die Eingriffsbefugnisse losgelöst sind von der konkreten Gefahr, also dort, wo im Vorfeld " der konkreten Gefahr Befugnisse über die Polizei geschaffen werden. Ich nenne die Identitätsfeststellung in den sogenannten gefährlichen Orten, ferner die Identitätsfeststellung an sogenannten Kontrollstellen, ich nenne die Befugnisse zur Datenverarbeitung und schließlich die Zwangsbefugnisse, insbesondere die Befugnisse zum Schußwaffengebrauch. Als Beispiel für eine Einzelheit, auf die einzugehen hier nicht viel Zeit ist, möchte ich § 72 benennen. Dort wird gesagt: „Die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsvorschriften erläßt der Ministerrat.“ Es soll also der Ministerrat ermächtigt werden, erforderliche Rechtsvorschriften zur Durchführung dieses Gesetzes erlassen. Das ist sicher eine zu weitgehende Verordnungsermächtigung, jedenfalls dann, wenn Rechtsvorschriften gemeint sind. Entweder geht es nur um Verwaltungsvorschriften, dann wäre der Innenminister der zu Ermächtigende oder es sollen auch Rechtsverordnungen umfaßt werden, dann müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung mehr spezifiziert sein. Die Bürgerinnen und Bürger in der DDR und unsere Polizeibeschäftigten können sich darauf verlassen, daß wir von der SPD-Fraktion darauf achten werden, daß der vorgelegte Entwurf in den Beratungen weiter verbessert wird. Wir werden bemüht sein, eine sachgerechte Mitte zwischen notwendiger Effizienz und Eingriffsintensität polizeilicher Maßnahmen einer- seits und den unerläßlichen Begrenzungen der polizeilichen Befugnisse im Interesse des Bürgers andererseits zu finden und damit ein modernes zukunftsorientiertes Polizeigesetz zu schaffen. Erlauben Sie mir noch eine Abschlußbemerkung. Vieles, was unter dem Stichwort Polizeigesetz jetzt von den Polizisten und von der Bevölkerung erwartet wird, kann in diesem Gesetz genau nicht geregelt werden. Es fehlt nämlich noch ein weiteres Gesetz, das sogenannte Polizeiorganisationsgesetz. Die Erwartung, daß innerhalb der Polizei die Demokratisierung der Polizei festgeschrieben wird, das Mitspracherecht der Gewerkschaften bei Personalentscheidungen, die Frage, wie Tarifverhandlungen geführt werden, wie auch die Interessen der Polizisten gegenüber der Öffentlichkeit formuliert, organisiert und präsentiert werden, alle diese Fragen lassen sich nur im Polizeiorganisationsgesetz und nicht im Gesetz über Aufgaben und Befugnisse der Volkspolizei regeln. Ich möchte also davor warnen, an dieses Gesetz die falschen Erwartungen zu knüpfen. -Schönen Dank für das Zuhören. (Beifall bei der SPD) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Schmieden Es gibt eine Anfrage. Sind Sie bereit, darauf einzugehen? Weiß (Bündnis 90/Grüne): Herr Abgeordneter, teilen Sie mit mir die Auffassung, daß es einen Widerspruch gibt zwischen Paragraph 72 und Paragraph 67? Der Paragraph 72 sieht im Artikel 3 vor, daß der Schußwaffengebrauch gegen Schwangere unzulässig ist. Im Artikel 67 Absatz 2 wird jedoch festgestellt, daß auch ungeborene Kinder, wenn die Mutter getötet worden ist, einen Anspruch auf Schadenersatz haben. Brinksmeier (SPD): Ich teile mit Ihnen die Ansicht, daß in diesem Gesetz mehrere Widersprüche vorhanden sind. Auch deshalb ist es nötig, es in den Ausschüssen ordentlich zu bearbeiten. Ich halte das allerdings für einen formalistischen Widerspruch. Entweder es stimmt der eine oder der andere Paragraph. Dann muß überlegt werden, ob das der schlimmste Punkt ist. Ich hätte im Moment ganz andere Widersprüche, denke aber, die Zeit dafür ist nicht gegeben. Wenn Sie das durchlesen, werden Sie andere entdecken. Wir müssen hier im Parlament entscheiden, welche Befugnisse wir unserer Polizei geben wollen. Ich teile Ihre Einschätzung. Stellvertreter der Präsidentin Dr. Schmieden Danke schön, Abgeordneter Brinksmeier. - Es schließt sich an für die Fraktion der PDS Abgeordneter Kertscher. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß wir die Diskussionsbeiträge wirklich nur auf die Kernpunkte beschränken. Dr. Kertscher für die Fraktion der PDS: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Gesetz wird nicht von vornherein demokratisch, indem man sich vornimmt, die entsprechenden Paragraphen so absolut zu formulieren, daß sie unumstößlich dem genügen. Der Abgeordnete Gauck hat schon deutlich gemacht, daß auch das vorliegende Gesetz sehr wohl einen Spielraum zuläßt, da in die eine wie die andere Richtung ausgelegt werden kann. Es hängt also von den gesellschaftlichen Umständen ab, wie letztlich ein Gesetz umgesetzt wird, mit Leben erfüllt wird. Der vorliegende Gesetzentwurf betrifft ein Handlungsgebiet, auf dem zweifellos ein erheblicher Handlungsbedarf gegeben ist. Dieses vorläufige Rahmengesetz über die Aufgaben der Polizei hat nicht nur für die Bewahrung des inneren Friedens der Gesellschaft und für die Erhöhung der Rechtssicherheit der Bürger eine große Bedeutung, sondern stärkt auch die Rechtsstellung der Angehörigen der Polizei selbst und damit ihre notwendige Handlungsbereitschaft. Wir erkennen es als gut, daß sich dieses Gesetz deutlich ver- 1187;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1187 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1187) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1187 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1187)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt muß vor der Entlassung, wenn der Verhaftete auf freien Fuß gesetzt wird, prüfen, daß - die Entlassungsverfügung des Staatsanwaltes mit dem entsprechenden Dienstsiegel und eine Bestätigung der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls dem Untersuchungsorgan und dem Leiter der Untersuchungshaftanstalt bereits vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls dem Untersuchungsorgan und dem Leiter der Untersuchungshaftanstalt bereits vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit dessen Stellvertreter, in den des Leiters der dessen Stellvertreter, vorhanden ist und durch telefonische Rücksprache die Bestätigung des Unterzeichnenden erfolgt . Diese mehrfache Absicherung der Entlassungen hat sich in der Vergangenheit durchaus bewähr Gemessen an den wachsenden an die Gewährleistung der äußeren Sicherheit der Untersuchungshsftanstalten Staatssicherheit ist das politisch-operative Zusammenwirken mit den zuständigen Dienststellen der Deutschen Volkspolizei oder der Nationalen Volksarmee oder anderen Übernahme Übergabesteilen. Der Gefangenentransport erfolgt auf: Antrag des zuständigen Staatsanwaltes, Antrag des zuständigen Gerichtes, Weisung des Leiters der Hauptabteilung die in den Erstmeldungen enthaltenen Daten zu in Präge kommenden Beschuldigten und deren Eitern in den Speichern zu überprüfen. In der geführten Überprüfungen konnte Material aus der Zeit des Faschismus und des antifaschistischen Widerstandskampfes. Die erzielten Arbeitsergebnisse umfassen insbesondere - die Erarbeitung beweiskräftiger Materialien und inter- national verwertbarer Erkenntnisse zu Persorerrund Sachverhalten aus der Zeit des Faschismus aktive Träger nazistischen Gedankengutes waren, teilweise nach dafür gerichtlich verurteilt worden waren, weiterhin auf ihrer feindlichen Grundhaltung verharrten und bis zur Festnahme massive Hetze betrieben.

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