Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1184

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1184 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1184); schlagen - treiben wir es dann mit den 2. Lesungen, bis der neue Tag anbricht oder bis wir dann mehrheitlich feststellen, daß wir die Tagung abbrechen. (Schwacher Beifall) Damit rufe ich den Tagesordnungspunkt 13 auf: Antrag der Fraktion Die Liberalen Vorläufiges Rahmen-Polizeiaufgabengesetz für die künftigen Länder auf dem Territorium der DDR (1. Lesung) (Drucksache Nr. 149) Hierzu möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß neben der Drucksache Nr. 149 Ihnen noch ein Korrekturblatt ausgereicht worden ist, und ich würde Sie bitten, daß jeder für sich selbständig noch die Korrekturen vornimmt. Es sind da einige Übertragungsfehler entstanden bei Bezugsparagraphen. Die Begründung zu dem Antrag der Liberalen nimmt Abgeordneter Dr. Gert Meißner vor. Dr. Meißner für die Fraktion Die Liberalen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sicherheitspartnerschaft, Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, Hilfeleistung in Gefahrenfällen -das waren seit Beginn der friedlichen Revolution in unserem Lande die Grundmotive der Arbeit unserer - und man sollte das ganz bewußt noch einmal sagen: unserer - Volkspolizei. Der Polizei wird von unseren Bürgern ein großes Stück Vertrauen entgegengebracht, was darin begründet liegt, daß die Polizei sich in den letzten Monaten nicht als Politikersatz hat mißbrauchen lassen. Sie hat richtig erkannt: Polizeiliche Lagebewältigung für den Tag ersetzt keine politische Problemlösung über den Tag hinaus. Sie war sich zu jeder Stunde nach dem 9. November der politischen Dimension ihres Handelns bewußt. Leider - und das möchte ich hier ganz deutlich sagen -konnte sie nicht immer auf die Politik bauen. Es darf nie wieder dazu kommen, daß unsere Polizei nach eigenem Ermessen handelt und, sollte ihr Handeln später als falsch bezeichnet werden, zum Buhmann der Nation wird. Schon in ihrer Wahlaussage vor der Volkskammerwahl haben Die Liberalen die Umbildung der Organisationsstrukturen der Polizei und ein Polizeiaufgabengesetz gefordert. Nach 40 Jahren Polizeistaat brauchen wir ein vorläufiges Polizeiaufgabengesetz mit Rahmencharakter, um so den Prozeß der Umstrukturierung der Polizei und der Aufgabenbestimmung polizeilichen Wirkens im Interesse der künftigen Länder und ihrer Innenminister schon heute konsequent zu unterstützen. Der Aufbau einer Landespolizei ist ein komplizierter und nicht ganz widerspruchsfreier Prozeß. Daher dürfen wir nicht darauf warten, bis die Innenminister in ihren jeweiligen Ländern ein solches Gesetz erarbeiten, diskutieren und von den Landtagen beschließen lassen. Wir müssen schon heute den Rahmen abstecken. Wir Liberalen haben die Gesetzesinitiative ergriffen, weil wir sichern wollen, daß das Wirken der künftigen Länderpolizei den Normen eines liberalen Rechtsstaates wirklich entspricht. Für uns Liberale gilt der Grundsatz: Soviel Freiheit wie möglich, soviel Sicherheit wie nötig! So sagen wir ganz unumwunden: Je abstrakter oder fernliegender die Gefahren für die Sicherheit sind, desto geringer müssen die Einsatzmöglichkeiten des Staates und der Polizei ausfallen. Sagen wir es so: Der liberale Rechtsstaat vertraut seinen Bürgern im Gegensatz zu den Erfahrungen unserer 40jährigen Geschichte. Er will die Polizei nur dann einschalten, wenn eine konkrete Gefahr oder der Verdacht einer konkreten Straftat besteht. Diese Positionen finden bereits im § 1 des Ihnen zur Beschlußfassung vorliegenden Gesetzes ihren Ausdruck. Die Polizei kann nur konkrete Gefahren verhüten - ich vermeide das kriegerische Wort „bekämpfen“ - und im Sinne eben dieser Gefahrenabwehr auch zu erwartende Straftaten verhüten. Wir Liberalen erteilen somit schon von vornherein all jenen eine Absage, die sozusagen per Gesetz schon wenige Wochen nach dem 9. November wieder für eine Vorkriminalisierung eintreten. Nie wieder darf ein vager Verdacht dazu führen, daß Daten von Personen und Gruppen erhoben werden einzig und allein zu dem Zweck, Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten zu treffen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die durch uns vollzogene Einbeziehung von Bestimmungen über die Erfassung, den Umgang und die Vernichtung von Daten. Wir gehen sogar soweit, daß wir sagen: Der Bürger muß in der Regel davon in Kenntnis gesetzt werden, wenn von ihm Daten erhoben und gespeichert werden, natürlich auch, wenn sie gelöscht wurden. In der DDR gibt es kein modernes Datenschutzgesetz. Daher besteht Handlungsbedarf, wenn es darum geht, Datenschutzbestimmungen in gerade dieses Gesetz einfließen zu lassen. Angesichts der Herausforderungen durch die vorhandene Kriminalität ist Datenverarbeitung durch Erheben, Speichern, Nutzen und Übermitteln von Informationen für die polizeiliche Aufgabenerledigung unverzichtbar. Diese Maßnahmen stellen Grundrechtseingriffe dar und bedürfen deshalb gesetzlicher Ermächtigungen. Hier muß auch das Recht auf informationeile Selbstbestimmung der Bürger vor zu weit gehender Datenverfügungsmacht durch die Polizei geschützt werden. Wir wissen, zwischen effektiver Kriminalitätsbekämpfung und Datenschutz besteht ein Spannungsverhältnis. Zugleich gilt, daß nur eine Polizei sich das Vertrauen ihrer Bürger bewahrt, die mit persönlichen Daten behutsam und zurückhaltend umgeht. Sicherheitsmaximierung um jeden Preis muß zu Einschnitten in Bürgerfreiheiten führen. Die Liberalen wissen, daß Freiheit und Sicherheit nicht absolut Gesetz werden können; zwischen ihnen muß vielmehr durch Abwägen der tragbare Kompromiß gefunden werden. Die Mittel des rechtsstaatlichen Polizeirechts bzw. Strafprozeßrechts sind damit immer begrenzt. Mit der Geltung des Rechtsstaatsprinzips ist ein Verzicht auf maximale polizeiliche Effizienz vorgegeben. Durch Bestimmungen zum Datenschutz erlegt der Gesetzgeber der Polizei Handlungsbeschränkungen zum Schutz von Bürgerrechten auf. Daraus folgt, daß es ein Maximum an Grundrechtsschutz und ein Maximum an Sicherheit zugleich nicht geben kann. Der Rechtsstaat will in seiner Ausrichtung auf den Erhalt von Frei-heitsrechten und mit seiner Unschuldsvermutung, daß Rechtsstaatlichkeit und nicht Effizienz der letzte Maßstab für polizeiliches Handeln bleibt. Die Polizei wird sich auch in Zukunft weiter wachsenden Aufgaben gegenübersehen. Dies bezieht sich vor allem auf eine neue Qualität des Verbrechens. Das erfordert auch eine neue Qualität der Polizei. Zur Durchdringung des Bereichs der organisierten Kriminalität ist der verstärkte Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern geboten. Letztere - sie arbeiten ja heimlich - dürfen keine Straftaten begehen; ihr Einsatz darf nur auf der Grundlage klarer und präziser Gesetze und sonstiger Rechtsvorschriften und nur im Einvernehmen mit der sachleitenden Staatsanwaltschaft erfolgen. Wir Liberalen reagieren sehr sensibel beim Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung. Der Schutz der Wohnung, des geschriebenen und des gesprochenen Wortes ist uns oberstes Gebot. Sonst schneiden wir den Menschen von der Möglichkeit ab, mit Personen seines Vertrauens zu sprechen bzw. ihnen zu schreiben. Wir wollen technische Mittel zur Datenerhebung nur zulassen, wenn Taten die Annahme rechtfertigen, daß Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wollen, oder wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben und Freiheit einer Person erforderlich ist. Daher haben wir auch diesen Bereich in den Gesamtkomplex Datenerfassung einbezogen. Wir Liberalen wollen nicht, daß die Polizei militant wird. Daher sehen wir im vorgelegten Gesetz nur den Einsatz polizeitypischer Waffen und Hilfsmittel vor. Wir wenden uns entschieden gegen den Einsatz schwerer Waffen und Handgranaten durch die Polizei. Größten Wert legen wir auf konkrete Regelungen über den Schußwaffengebrauch. Kategorisch lehnen wir aber den finalen Rettungsschuß, wie ihn einige Länderpolizeigesetze der Bundesrepublik vorsehen, ab. Der Schußwaffengebrauch soll in erster Linie die Angriffs- bzw. Fluchtfähigkeit verhindern. Im allgemeinen 1184;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1184 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1184) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1184 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1184)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane wurde zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver- fahren auf der Grundlage von durchzuführenden Klärungen von Sachverhalten ist davon auszugehen, daß eine derartige Auskunftspflicht besteht und keine Auskunftsverweigerungsrechte im Gesetz normiert sind. Der von der Sachverhaltsklärung nach dem Gesetz können nicht die dem Strafverfahren vorbehaltenen Ermittlungshandlungen ersetzt werden, und die an strafprozessuale Ermittlungshandlungen gebundenen Entscheidungen dürfen nicht auf den Maßnahmen beruhen, die im Rahmen der Abschlußvariante eines Operativen Vorganges gestaltet oder genutzt werden. In Abgrenzung zu den Sicherungsmaßnahmen Zuführung zur Ver-dächtigenbefragung gemäß des neuen Entwurfs und Zuführung zur Klärung eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalts gemäß oder zu anderen sich aus der spezifischen Sachlage ergebenden Handlungsmöglichkeiten. Bei Entscheidungen über die Durchführung von Beobachtungen ist zu beachten, daß alle politisch-operativen und politisch-organisatorischen Maßnahmen gegenüber den verhafteten, Sicher ungsmaßnahmen und Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges nicht ausgenommen, dem Grundsatz zu folgen haben: Beim Vollzug der Untersuchungshaft ist unter strenger Einhaltung der Konspiration und revolutionären Wachsamkeit durchzuführen. Die Abteilungen haben insbesondere die Abwehr von Angriffen Inhaftierter auf das Leben und die Gesundheit der durch dasVogckiinininis Bedroh- ten zu schützen, - alle operativ-betjshtrefi Formationen entsprechend der er-, jilf tigkeit zu jne;a und weiterzuleiten, die Sicherung von Beweismitteln während des Aufnahmeprozesses in den Untersuchungshaftanstalton Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache Anforderungen an die innere Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit zur Vorbeugung und Verhinderung von Provokationen Inhaftierter zur Gewährleistung eines den Normen der sozialistischen Gesetzt lichkeit entsprechenden politis ch-operativen Untersuchungshaft? zuges Pie Zusammenarbeit:mit anderen Dienst-ein beiten Ministeriums für Staatssicherheit und das Zusammenwirken mit ihnen durch die Linie Untersuchung unter den Bedingungen der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft ein erhöhtes qualitatives Niveau erfordert.

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