Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1182

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1182 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1182); als auch das Rechtsbewußtsein der Polizei. Das Vermummungsverbot als Straftatbestand untergräbt also geradezu die Rechtssicherheit. Gerade in unserem Land, in dem bei Demonstrationen eine Sicherheitspartnerschaft zwischen Polizei und Versammlungsteilnehmern anzustreben ist, darf nicht eine kleine Minderheit von Provokateuren die Polizei zum Eingreifen zwingen können. Wenn eine so diffuse Sache wie Vermummung verfolgt werden soll, dann kann dies ausreichend durch die Erhebung zur Ordnungswidrigkeit getan werden. - Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Schmieder: Danke schön, Herr Abgeordneter Möller. Ich bitte als nächsten, von der Fraktion der PDS Herrn Abgeordneten Kertscher das Wort zu nehmen. Dr. Kertscher für die Fraktion der PDS: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Ende eines solchen Tages ist es relativ kompliziert, zu einem so ernsten Thema wie der Vermummung bzw. dem Versammlungsgesetz zu sprechen. Hier wurde von meinem Vorredner, dem Kollegen von der SPD, angeführt, daß das Versammlungsgesetz, das am 7. März 1990 verabschiedet wurde, Züge tragen würde, die dem Gummiparagraphen entsprechen. Ich möchte nur daran erinnern, es war eine Regierung Modrow, in der die SPD sehr wohl bereits präsent war, wenngleich - es war die SPD vor dem 18. März, das mag ich einräumen. (Beifall bei der PDS) Zum zweiten: Jawohl, diese Veränderungen, die heute anstehen, konzentrieren sich im wesentlichen auf den Tatbestand der Vermummung. Es wurde bei der Begründung oder im Rahmen der Begründung bereits gesagt, daß es eine Vielzahl bzw. eine nicht geringe Zahl von Ereignissen gibt, die dieses Problem in den Vordergrund rücken. Es ist einfach zu ernst, um es zu bagatellisieren. Es ist einfach notwendig, und das sollte unsere Arbeit und auch die Arbeit der Ausschüsse sein, darüber zu befinden, Für und Wider genau abzuwägen und so genau wie möglich zu fixieren, was hinsichtlich der juristischen Fixierung gemacht werden kann und vor allen Dingen das umzusetzen. Das Vermummungsverbot - das ist, wenn es um das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit geht, ein Reizwort. Jeder hier im Saal wird sich erinnern, welche heißen Debatten es im Bundestag gab, als 1985 die Änderungen im Versammlungsrecht vorgenommen werden sollten und letztlich vorgenommen wurden. Das Problem, über das auch hier zu entscheiden ist, liegt im Interessenkonflikt zwischen dem grundrechtlichen Anspruch auf Versammlungsfreiheit, einem Anspruch, der den Schutz Unbeteiligter ebenso einschließt wie den Schutz von Polizisten vor Angriffen aus der Menge. Aber es geht auch um die Versammlungsteilnehmer, sie zu schützen vor Provokateuren, die sich unter ihnen befinden. Nicht umsonst wird in der Literatur dabei immer wieder darauf hingewiesen, daß es sogar ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse von Versammlungsteilnehmern geben kann, von anderen, zum Beispiel von Arbeitgebern, als solche nicht erkannt zu werden. Im Zeitalter der modernen Technik zur Erhebung und Analyse von Daten, in einer Zeit, in der auch in der bundesdeutschen Literatur immer wieder der Begriff vom gläsernen Menschen auftaucht, sollten durchaus verständliche und auch notwendige polizeiliche Maßnahmen, die in die Individualsphäre des Bürgers eindringen, genau durchdacht und einer ständigen Kontrolle unterzogen werden. Es darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß es Fälle in der BRD gegeben hat, bei denen allein der Nachweis der Teilnahme an einer Demonstration sachlich zur Anwendung des sogenannten Radikalenerlasses genügte. Ein Vermummungsverbot setzt voraus, daß Feststellungen über die friedliche Teilnahme an einer Demonstration bzw. nachteilige Folgen daraus ausgeschlossen werden. Ich glaube außerdem, daß die Formulierung in unserem vorliegenden Entwurf zur Definition dessen, was eine Vermum- mung ausmacht, nicht ausreicht. Hier wird allzu sehr der äußere Verdacht bzw. die Vermutung, daß es sich um eine Vermummung handeln könnte, in den Vordergrund gerückt. Hier gehe ich konform mit meinem Vorredner von der SPD, daß die Methoden und Mittel der Vermummmung unbedingt zu präzisieren sind, ohne das ins Lächerliche abgleiten zu lassen. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit scheint dabei völlig aus dem Blickfeld geraten zu sein. So wird z. B. in dem im Entwurf vorgesehenen § 4 Abs. 2 in der Ziffer 2 nur von der Feststellung der Identität gesprochen, ohne eine Aussage zu treffen, durch wen dies geschehen soll, gerade so, als hätte der Bürger eine Offenbarungspflicht gegenüber jedermann. Die Konsequenzen daraus werden so richtig deutlich, wenn man sich den im Entwurf vorgesehenen § 10 a Abs. 1 Ziffer 2 vor Augen hält. Dort wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr für den Fall gedroht, daß ein Bürger in einer Aufmachung auftritt, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern. Hier möchte ich alle Frauen darauf hinweisen, daß von seiten der Mode erschwerende Umstände auf sie zukommen. Diese Kriminalisierung stellt eine unverhältnismäßige Einschränkung des Grundrechts auf Datenschutz dar, denn sie ist ja zu nichts ins Verhältnis gesetzt und bewegt sich zudem hart am Rande eines Gesinnungsstrafrechts; eines Gesinnungsstrafrechts, das dem Vermummten von vornherein unterstellt, die Verhinderung seiner Identifizierung aus kriminalisierungswürdigen Motiven heraus erreichen zu wollen. Meine Damen und Herren! Ich möchte betonen, daß es mir nicht darauf ankommt, Vermummung gutzuheißen. Aber ich bin eben gegen ihre Kriminalisierung, und zwar gegen ihre pauschale Kriminalisierung. Im Interesse der Sicherung des Rechts aller Beteiligten und Unbeteiligten bedarf es zweifellos klarer Kompetenzzuweisungen an die Polizei, damit diese ihren Schutzaufgaben gerecht werden kann. Ich gebe jedoch zu bedenken, daß Kompetenzzuweisungen in Form von Generalklauseln geradezu dazu verleiten, sie extensiv und mißbräuchlich zu verstehen. In diesem Sinne halte ich es für dringend geboten, das uns hier vorliegende Gesetz in den Ausschüssen gründlich zu beraten und vor allem zu prüfen, ob die vorliegende Fassung dem zugegebenermaßen sehr komplizierten Gegenstand in jeder Hinsicht gerecht wird. - Vielen Dank. (Beifall bei der PDS) Stellvertreter der Präsidentin Dr. Schmieder: Danke schön. Als nächster spricht für die Fraktion der DSU Herr Abgeordneter Steiner. Steiner für die Fraktion der DSU: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, mich kurz zu fassen. Das noch von der Modrow-Regie-rung verabschiedete Gesetz über Versammlungen vom 7. März 1990 war bereits ein wichtiger Schritt in Richtung Demokratie. (Beifall bei der PDS) Nun soll dieser Dank nicht allein dieser Regierung zufallen; denn mit diesem Gesetz wurde, wie wir alle wissen, dem Druck des Volkes nachgegeben. Eigentlich hätte dies schon früher geschehen müssen, denn so manche Wahlveranstaltung im Vorfeld der Volkskammerwahl am 18. März dieses Jahres bedurfte dieser gesetzlichen Regelung. Nun liegt uns auf Drucksache Nr. 155 ein Gesetzentwurf zur Änderung und Ergänzung des Versammlungsgesetzes vor. Daß man örtliche Räte jetzt Gemeinden nennt, daß Kreistage nun Landräte sind und daß die Mark der DDR zur D-Mark geworden ist, bedarf wohl keiner besonderen Erläuterung. In § 4 Abs. 2 geht es um eine Präzisierung von Abs. 1, der ja nur allgemein von Gewalttätigkeiten und Störungen ausgeht, die Grundrechte sowie Grundfreiheiten anderer Bürger beeinträchtigen. Im Punkt 1 dieses Absatzes untersagt man das Mitführen von Schußwaffen und Gegenständen, die Personen verletzen und Sachen beschädigen oder zerstören könnten. Bisher gab es solche Regelungen nicht in unserer Gesetzgebung; denn 1182;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1182 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1182) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1182 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1182)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Das Recht auf Verteidigung - ein verfassungsmäßiges Grundrecht in: Neue Oustiz Buchholz, Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzier-ten Prozeßform in: Neue ustiz ranz. Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung in: Justiz Plitz Те ich er Weitere Ausgestaltung des Strafver- fahrensrechts in der in: Justiz Schröder Huhn Wissenschaftliche Konferenz zur gerichtlichen Beweisführung und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß. Untersuchungshaftvollzugsordnung -. Ifläh sbafij.ng ; Änderung vom Äderung. Ordnungs- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten - interne Weisung Staatssicherheit - Gemeinsame Festlegungen der Hauptabteilung und der Abteilung Staatssicherheit verankert sind. Auch die konkrete Absprache über die Verantwortlichkeit bei der Realisierung bestimmter Maßnahmen ist von großer Bedeutung. Die Zusammenarbeit der Stellvertreter der Leiter der Abteilungen der Bezirksverwaltungen sowie eine Vielzahl weiterer, aus der aktuellen Lage resultierender politisch-operativer Aufgaben wirkungsvoll realisiert. Mit hohem persönlichen Einsatz, Engagement, politischem Verantwortungsbewußt sein und Ideenreichtum haben die Angehörigen der Linie . Die Durchsuchung inhas-a?; -Personen und deren mitgeführten ,Sa hbh und; andben Gegenstände, eine wichtige politisch-opcrative Maßnahme des Aufnahme- prozess. Die politisch-operative Bedeutung der Durchsuchung inhaftierter Personen und deren mitgeführten Sachen und anderen Gegenstände sowie für die Sicherstellung von eweismat.eriäi V-? während des Aufnahmeprozess in den UntersuchungshafthJisalten des Mini- Rechtliche Grundlagen der Aufnahme und Durchsuchung inhaftierter Personen, deren mitgeführten Sachen und anderen Gegenstände sowie die Sicherung von Beweismaterial innerhalb des Aufnahmeprozesses und die dabei zu lösenden Aufgaben durch die Angehörigen der Abteilung Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit operativen Arbeit Vertrauliche Verschlußsache. Die Bedeutung des. Ermittlungsverfahrens irn Kampf gegen die Angriffe das Feindes und für die Gewährleistung der staatlichen Sicherheit der Die politisch-operativen, tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und das Erwirken der Untersuchungshaft. Die Durchführung wesentlicher strafprozessualer Ermittlungshandlungen durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit in der Reoel mit der für die politisch-operative Bearbeitung der Sache zuständigen Diensteinheit im Staatssicherheit koordiniert und kombiniert werden muß.

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