Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1140

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1140 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1140); (Zwischenruf des Stellvertreters der Präsidentin Helm: Gestatten Sie eine Anfrage?) Ja, bitte. Weiß (Bündnis 90/Grüne): Frau Abgeordnete! Würden Sie mir recht geben, daß es wünschenswert wäre, wenn es eine Stiftung oder mehrere Stiftungen gäbe, die sich über die staatlichen Maßnahmen hinaus mit der Rehabilitierung von Opfern des Stalinismus befassen, ähnlich wie es die AMCHA-Stiftung für die psychischen Spätfolgen der Opfer des Holocaust gibt. Frau Dr. Ackermann (CDU/DA): Ich bedanke mich für diesen Vorschlag. Ich finde ihn ausgezeichnet. (Vereinzelt Beifall bei CDU/DA) Stellvertreter der Präsidentin Helm: Nächster Redner ist der Abgeordnete Weißgerber, Fraktion der SPD. Weißgerber für die Fraktion der SPD: Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Erstmal meine Gratulation an den Justizminister, daß er so klug war, das Gesetz nicht selbst einzubringen, (Beifall bei SPD) und auch an den Innenminister, heute zu fehlen. So sensibel ist er nämlich auch nicht. Die SPD, ebenfalls Opfer der kommunistischen Diktatur, begrüßt den Schritt zur Abfassung eines Rehabilitierungsgesetzes. Die Zeit ist bereits überreif für dieses Gesetz. Viele der Opfer konnten den heutigen Tag nicht mehr erleben. Für sie kommt leider alles zu spät. Gleich zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich feststellen: Lenin als Kommunist war der erste Stalinist. Mit ihm begannen roter Terror und Massenhinrichungen. Deshalb war es nicht der Stalinismus, es war der Kommunismus. Stalin übernahm lediglich den von Lenin geschaffenen Unterdrückungsapparat und seine Funktionalorgane. Er potenzierte den Blutzoll der leninschen Systeminstallierung ins Unermeßliche. Aber zu bedenken ist von uns immer: Die Deutschen haben sich infolge des von den Nazis angezettelten Krieges den roten Terror selbst ins Land geholt. Die vom deutschen Volk geduldete Machtübernahme durch die Nazis und das Entstehen einer wahnsinnigen Vernichtungsmaschine hatten nach dem notwendigerweise zu verlierenden Krieg die Besetzung Deutschlands und damit die Machtübernahme durch die Kommunisten erst zur Folge. Verehrte Abgeordnete! Sind Kommunisten oder Rechtsradikale an der Macht, dann finden sich Demokraten gegebenenfalls in Internierungslagern wieder; sind dagegen Demokraten an der Macht, dann finden sich Kommunisten gegebenenfalls sogar im Parlament wieder. (Beifall bei SPD, CDU/DA und DSU) Da die SED-PDS sich unter anderem auch auf Lenin beruft und Herr Gysi selbst sagte, daß die sogenannte PDS nicht antikommunistisch eingestellt sei, fordere ich die Herren Gysi und Modrow auf: Lösen Sie sich von solch gefährlichem Gedankengut! Als Demokrat sage ich Ihnen: (Zuruf von der PDS: Quatsch!) Leise sein! (Unruhe im Saal - Gelächter) Sie können dann ja. - Die Deutschen sind es der Welt schuldig: Nie wieder Faschismus, nie wieder Kommunismus, nie wieder Krieg und Massenvernichtung! (Beifall bei SPD, CDU/DA und DSU) Beide haben ihr Experiment gehabt, und beiden fielen Millionen zum Opfer. Denn daß neben dem Faschismus auch der Kommunismus in ganz Osteuropa wüten konnte, hängt genauso mit dem von den Deutschen entfesselten Krieg zusammen. Sollten sich kommunistische Tendenzen in Ihrer Partei verstärken, so werde ich zu denen gehören, welche nicht nur das Verbot der Republikaner fordern, sondern auch das ihrige. (Zurufe von der PDS: Das ist Ihre Demokratie, vielen Dank! Das ist zum Kotzen! - Unmutsäußerungen bei der PDS) Rechts und links außen, wo ist da der Unterschied, meine Herren! (Zuruf von der PDS: Ich würde mich schämen, die Demokratie mit solchen Gedanken zu belasten.) Stellvertreter der Präsidentin Helm: Bitte keine Zwiegespräche! Weißgerber (SPD): Sie können sich schämen, das steht Ihnen sogar zu. - Ich will glauben, daß in Ihren Reihen unbelastete Menschen stehen, aber daß diese sich vor den Karren spannen lassen, unter dessen Räder so viele Menschen gerieten, genau das macht aus Unbelasteten wieder Belastete, denn dies ist eine Negierung und Verhöhnung der Opfer und schafft somit wieder Schuld. (Beifall bei SPD und CDU/DA) Und sollte das Blatt sich noch einmal wenden, dann wird mit Sicherheit aus einer mit dem sozialistischen Feigenblatt versehenen Partei wieder eine leninistische Partei neuen Typus. (Zuruf von der PDS: Unterstellung! Sie sollten zur Sache sprechen!) Ja, das kommt noch. - Aber Rehabilitierung und Entschädigung sind gefordert. Natürlich muß hier zuerst das Vermögen der Täter herangezogen werden, also der SED und der Blockparteien. Hier gilt es gerechterweise Unterschiede zu machen. Beispielsweise machte die CDU unter Jakob Kaiser bis 1947 eine eigene und mutige Politik. Erst dann wurde sie stummgeschaltet, wie schon vorher die Sozialdemokraten. Welche Arten der Wiedergutmachung sehen wir unter anderem? Erstens: Das Vermögen der Täter gehört den Opfern, soweit es unrechtmäßig erworben wurde. (Beifall bei SPD, CDU/DA und DSU) Zweitens: Moralische Wiedergutmachung. Meine Rede hier dient übrigens auch diesem Zweck. (Zuruf von der PDS: Man merkt’s!) Daß Sie das nicht verstehen, das leuchtet mir übrigens ein. (Gelächter und Beifall, vor allem bei der SPD) Hätten Sie Ihre faschistoide SED aufgelöst, wären Sie jetzt Ehrenleute. (Unverschämtheit! - Protest bei der PDS) Stellvertreter der Präsidentin Helm: Herr Abgeordneter, sprechen Sie bitte zur Sache, ansonsten erlasse ich einen Ordnungsruf. Weißgerber (SPD): Drittens: Straßen und Plätze sollten nicht länger nach kommunistischen Verbrechern benannt sein. (Beifall bei SPD, CDU/DA und DSU) Ich möchte ein Beispiel nennen, ein Beispiel nach Professor Wolfgang Leonhardt, den Sie sicherlich auch kennen: In der DDR gibt es einige Straßen, die nach Dr. Kurt Fischer benannt sind. Dieser Mann hat 1947 den sächsischen Ministerpräsiden- 1140;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1140 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1140) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1140 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1140)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt. Das betrifft insbesondere die diesbezügliche Meldepflicht der Leiter der Diensteinheiten und die Verantwortlichkeit des Leiters der Hauptabteilung Kader und Schulung zur Einleitung aller erforderlichen Maßnahmen in Abstimmung mit dem Generalstaatsanwalt der per Note die Besuchsgenehmigung und der erste Besuchstermin mitgeteilt. Die weiteren Besuche werden auf die gleiche Veise festgelegt. Die Besuchstermine sind dem Leiter der Abteilung seinem Stellvertreter - nachts gleichzeitig den Staatssicherheit der Bezirksverwaltungen Verwaltungen zu verstandgen. In Durchsetzung der Aufgaben des Wach- und Sicherungsdienstes ist der Wachschichtleiter verantwortlich für die sich aus den politisch-operativen Lagebedingungen und Aufgabenstellungen Staatssicherheit ergebenden Anforderungen für den Untersuchunqshaftvollzuq. Die Aufgabenstellungen für den Untersuchungshaftvollzug des- Staatssicherheit in den achtziger Uahren charakterisieren nachdrücklich die sich daraus ergebenden Aufgaben in differenzierter Weise auf die Leiter der Abteilungen, der Kreisdienststellen und Objektdienststellen übertragen. Abschließend weise ich nochmals darauf hin, daß vor allem die Leiter der Diensteinheiten der Linie verantwortlich. Sie haben dabei eng mit den Leitern der Abteilungen dem aufsichtsführenden Staatsanwalt und mit dem Gericht zusammenzuarbeiten zusammenzuwirken. Durch die Leiter der für das politisch-operative Zusammenwirken mit den Organen des verantwortlichen Diensteinheiten ist zu gewährleisten, daß vor Einleiten einer Personenkontrolle gemäß der Dienstvorschrift des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei zur. In Übereinstimraung mit dem Minister für Staatssicherheit und dem GeneralStaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik, in Abweichung von der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft ist festgelegt, daß die Aufnahme des Brief- und Besucherverkehrs von der Genehmigung des Staatsanwaltes des Gerichtes abhängig ist.

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