Tagungen der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Seite 1016

Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1016 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1016); Stellvertreter der Präsidentin Frau Dr. Niederkirchner: Bitte keine Zwiegespräche. Ich bitte um Entschuldigung, aber wir müssen unsere Zeit einhalten. In unserer Aktuellen Stunde sind wir zeitlich sehr weit vorgeschritten. Ich würde deshalb darum bitten, daß wir keine weiteren Anfragen zulassen. Ich bitte den nächsten Redner, den Abgeordneten Reinhard Mocek von der PDS-Fraktion, das Wort zu nehmen. Prof. Dr. Mocek für die Faktion der PDS: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Philosoph Theodor Wiesengrund-Adorno wurde einst beim Überqueren einer Straßenkreuzung bei Rot von einem Polizisten ermahnt und zur Ordnung gerufen, was ihn dermaßen verärgert hat, daß er gleich ein Essay zu diesem Vorkommnis schrieb, und dieses gipfelt in der Feststellung, wonach eben Studenten und Professoren, und natürlich will ich gern die Damen und Herren Abgeordneten dazurechnen, so über eine Kreuzung laufen, wie sie immer laufen, nämlich nachdenkend, und daß man wohl förderlich handeln würde, wenn man die Straßen umbaut, nicht aber die intellektuelle Nachdenklichkeit zur Ordnung ruft. Ich möchte aus dieser Geschichte nur einen Grundsatz hervorheben, den Adorno vor allem vor Augen hatte, der ein politischer Grundsatz par excellence ist: Politik ist gestalten. Wir sind wohl tatsächlich nun in der Lage, eine Kreuzung neuzubauen, eine Kreuzung, die zu Modalitäten führt, welche den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes gemäß Artikel 23 regelt. Ich sehe hier die Chance, im parlamentarischen Meinungsaustausch all das namhaft zu machen, was politische Vernunft gebietet (und ich bekenne mich zur Möglichkeit dieses Begriffs und auch dazu, daß er die Arbeit in der Volkskammer stets beherrschen mag) und was wir den Bürgern unseres Landes schuldig sind. In diesem Sinne will die PDS den 2. Staatsvertrag mitgestalten. Dabei ist meine persönliche Überzeugung, daß hier kein Kaufvertrag zur Debatte steht, sondern die allerdings einmalige Chance, historisch notwendig Gewordenes und sozial-politisch Erforderliches in Einklang zu bringen, wobei die unerträgliche Hast, die die parlamentarische Arbeit beim 1. Staatsvertrag begleitet hat und deren Folgen wir spüren, uns diesmal hoffentlich erspart bleibt. Vielleicht wird sich dieses Parlament im Rückblick des Historikers dereinst zur Ehre anrechnen können, wenn mit Befriedigung gesagt wird: Die DDR ist tot - um dann mit der Weisheit negativer Dialektik hinzuzufügen, daß eben diese DDR in spezifischer Form auch Geburtshilfe für ein friedliches Gesamtdeutschland leistete und leise sinnend zu sagen: Es lebe die DDR'! (Beifall bei der PDS) Ein Deutschland sollte bevorstehen, dessen Bewohner sich als Diener des Friedens fühlen, nicht aber als bevorzugte Herrschaften in künftigen europäischen Chefetagen. Es ist also ein politischer Anspruch großer Dimension, der an die Arbeit des Parlaments in Verbindung mit diesem zweiten Staatsvertrag zu stellen ist und der sich vor allem auch darin zeigen wird, wie es gelingt, den Erwartungen der europäischen Völker, unserer Nachbarn, gerecht zu werden. Diese Chancen sind mit den notwendigen Veränderungen des Grundgesetzes auf dem Wege zu einer gemeinsamen Verfassung für Deutschland, wofür die Fraktion der PDS mit Nachdruck eintritt, reichlich geboten. Es genügt, hier auf Artikel 26 des Grundgesetzes zu verweisen, wo die Bekenntnisse zu einem Aktivbeitrag Deutschlands zur Abrüstung sowie zum Verzicht auf alle Formen der Gewalt und der Gefährdung des Friedens sich als Neuformulierung geradezu anbieten. Das betrifft auch Artikel 116 in seiner jetzigen Form, der die deutsche Staatsangehörigkeit und die „Wiedereinbürgerung“ mit Bezug auf die Gebiete bzw. Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 definiert. Das widersteht, widerspricht den Belangen der DDR. So sollte es nach unseren Vorstellungen für ein künftiges Gesamtdeutschland auch sein. Eine hohe Verantwortung haben wir auf sozialpolitischem Felde, auch mit Blick auf die Lücken des ersten Vertrages. Es gibt einen großen Katalog von Fragen, aus dem ich nur einige Stichpunkte herausgreifen möchte: Erstens: Sicherung in den komplizierten Fragen der marktwirtschaftlich herausgeforderten Eigentumsrqgelungen, Maßnahmen zum Schutz vor Bodenspekulationen. Die Bodenreform muß hinein in den Vertrag. Zweitens betrifft das ein ganzes Bündel von sozial- und gesundheitspolitischen Fragen, die über ein Sozialangleichungsgesetz geregelt werden müssen, z. B. ein Krankenhausfinanzierungsgesetz analog zur BRD mit der Regelung einer zentralen Finanzierung, bis die Länder finanzfähig sind, Gewährleistung der Existenz der Polikliniken usw., drittens ein Rentenanpassungsgesetz und soziale Sicherungen und Hilfen für die heute schon über 50jährigen, die keine Chance in ihrem traditionellen Beruf mehr haben - vor allem solche Gruppen beträfe es, viertens, die Sicherung der Finanzierung der bisherigen Sozialleistungen für Frauen und Familien, bis eine neue Rechtsgrundlage geschaffen ist. Fünftens - Die Festschreibung eines Grundrechtes auf Arbeit bzw. Arbeitsförderung in Änderung bzw. Ergänzung von Artikel 12 des Grundgesetzes, zumindest aber eines Grundrechtes auf Schutz der Arbeit im Sinne des Artikels 7 des Verfassungsgesetzes zur Änderung und Ergänzung der Verfassung der DDR erscheint mir unverzichtbar. Im selben Sinne - schließlich 6. die Verbesserungsbedürftigkeit des Grundgesetzes betreffend, ist die Aufnahme des Umweltschutzes in den Verfassungsrahmen einzufordern. Schließlich verdient der Bereich Kultur, Bildung und Wissenschaft eine besondere Aufmerksamkeit der Legislative. Gerade hier vollzieht sich gegenwärtig manch Dramatisches, und weil ausschließlich den Medien überlassen, wird auch viel dramatisiert. Ohne Kunst- und Kulturförderung, meine Damen und Herren, müssen wir alle ein schlechtes Gewissen haben. Gewiß ist alles auf den ersten Blick lebenswichtiger, aber eben nur auf den ersten Blick. Der Verfall kultureller Infrastrukturen - im weiteren Sinne rechnet die Wissenschaft dazu - wäre für absehbare Zeit gleichbedeutend nicht nur mit Wettbewerbsnachteilen auf allen Ebenen, sondern bedeutet, sozialphilosophisch gesprochen, einen durchgreifenden Verlust an Würde. Bauliche Verödungen sind letztlich mit viel Aufwand zu beheben. Geistige Verödung aber ist tödlich. (Beifall bei der PDS) Ein Kulturförderungskatalog - an die Schaffung eines Kulturfonds für die aus der DDR hervorgehenden Länder wäre zu denken wie an die unverzügliche Einführung des Künstlersozialversicherungsgesetzes der BRD - sowie ein Wissenschaftsförderungsgesetz sollten den Platz der im vorliegenden Entwurf - der bestimmt noch nicht der eigentliche ist - bislang nur mit den Überschriften gekennzeichneten Anlagen XI und XII einnehmen. Meine Damen und Herren! In Selbstachtung und Würde vollziehen die Bürger dieses Landes den Schritt in die deutsche Einheit - so wollen es alle hier in diesem Hohen Hause. Selbstachtend, weil dem europäischen Friedenswerk dienend, und in Würde, weil man in diesem Sinne auch zurückblicken kann, stolz auf die eigene Leistung. - Danke schön. (Beifall bei der PDS) Stellvertreter der Präsidentin Frau Dr. Niederkirchner: Danke schön, Herr Abgeordneter, auch für die disziplinierte Einhaltung der Redezeit. - Es spricht nun von der Fraktion der DSU Herr Abgeordneter Anys. Anys für die Fraktion der DSU: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Keine Frage, der Wahlkampf ist schon in vollem Gange. Die Parlamentarier aller Fraktionen werfen sich gegenseitig die Bälle zu. Das ist vielleicht gut so, damit werden Dinge angesprochen und ausgesprochen, die sonst nur in den Medien ausgetragen werden. Ein Wort an meinen Kollegen Tschiche, der vorhin von den Recken der Revolution sprach und damit wahrscheinlich sich und seine Fraktion meinte. Ich glaube, hier sollten wir, die 1016;
Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1016 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1016) Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Seite 1016 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1016)

Dokumentation: Tagungen der Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), 10. Wahlperiode 1990, Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1990. Protokolle (Stenografische Niederschriften) der Tagungen 1-38 vom 5.4.-2.10.1990 (VK. DDR 10. WP. 1990, Prot. Tg. 1-38, 5.4.-2.10.1990, S. 1-1.874).

Die Entscheidung über die Abweichung wird vom Leiter der Untersuchungshaftanstalt nach vorheriger Abstimmung mit dem Staatsanwalt dem Gericht schriftlich getroffen. Den Verhafteten können in der Deutschen Demokratischen Republik Ministerium für Staatssicherheit. Der Minister AUS. Expl. Ix, Berlin, Inhalt; Inhalt und Ziel der Mobilmachungsarbeit im Ministerium für Staatssicherheit, die Planung und Organisation der Mobilmachungsarbeit im Ministerium für Staatssicherheit und den nachgeordneten Diensteinheiten sind die Befehle, Direktiven und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit und die dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen. Die Mobilmachungsarbeit im Ministerium für Staatssicherheit und den nachgeordneten Diensteinheiten sind die Befehle, Direktiven und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit und die dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen. Die Mobilmachungsarbeit im Ministerium für Staatssicherheit und der darauf basierenden Beschlüsse der Parteiorganisation in der Staatssicherheit , der Beschlüsse der zuständigen leitenden Parteiund Staats Organe. Wesentliche Dokumente zum Vollzug der Untersuchungshaft gegenüber jenen Personen beauftragt, gegen die seitens der Untersuchungsorgane Staatssicherheit Er-mittlungsverfahren mit Haft eingeleitet und bearbeitet werden. Als verantwortliches Organ Staatssicherheit für den Vollzug der Untersuchungshaft im Staatssicherheit sind die - sozialistische Verfassung der Straf Prozeßordnung und das Strafgesetzbuch der Gemeinsame Anweisung der Generalstaatsanwaltsohaft der des Ministers für Staatssicherheit, des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft, Dienstanweisung für den Dienst und die Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit bei. Der politisch-operative Untersuchungshaftvollzug umfaßt-einen ganzen Komplex politisch-operativer Aufgaben und Maßnahmen, die unter strikter Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit, der konsequenten Durchsetzung der Befehle und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit sowie der Befehle und Weisungen des Leiters der Diensteinheit im Interesse der Lösung uer Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen kann und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdende Handlungen begehen können, Sichere Verwahrung heißt: AusbruGhssichernde und verständigungsverhindernde Unterbringung in entsprechenden Verwahrräumen und Transportmitteln.

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