Provisorische Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik 1949-1950, Dokument 83

Provisorische Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) 1949-1950, Dokument 83 (Prov. VK DDR 1949-1950, Dok. 83); t konnte früher eine Zivilsache nur dann bis ans Reichsgericht gelangen, wenn ihr Streitwert einen bestimmten hohen Geldbetrag überstieg. Darin dokumentierte sich die Tatsache, daß das Reichsgericht das höchste Justizorgan eines kapitalistischen Staates war. Im Gegensatz hierzu ist die Kassation in keiner Weise von einem bestimmten Geldwert des Prozesses abhängig, sondern lediglich von der Bedeutsamkeit, die eine Sache im Rahmen unseres demokratischen Aufbaues besitzt. Der Oberste Staatsanwalt wird bestimmt nicht zögern, zum Beispiel gegen das rechtskräftige Urteil eines Amtsrichters oder Landgerichts die Kassation zu beantragen, wenn dieses Urteil infolge einer falschen Gesetzesanwendung einen Neubauern zur Herausgabe eines ihm in der Bodenreform zugewiesenen Pferdes verurteilt hat, selbst wenn der Wert des Pferdes nicht mehr als 50D DM beträgt. Neben der Tätigkeit als Kassationsgericht soll nach dem Entwurf das Oberste Gericht die Zuständigkeit erhalten, in gewissen Strafsachen in erster und letzter Instanz zu entscheiden. Auch hier soll aber nicht schematisch in der Weise verfahren werden, daß alle Straftaten, die unter ein bestimmtes Gesetz fallen, ein für allemal vom Obersten Gericht abzuurteilen sind, wie es Aufgabe des Reichsgerichts war. Vielmehr wird auch hier eine Auswahl je nach der Bedeutsamkeit einer Sache im Rahmen unserer staatlichen Entwicklung stattfinden. Vor das Oberste Gericht werden demnach vom Obersten Staatsanwalt alle die Strafsachen gebracht werden, die sich gegen den Bestand unseres Staates richten oder in eklatanter Weise einen der demokratischen Grundsätze verletzen, die die Grundlage unserer staatlichen Existenz bilden, mit anderen Worten: Angelegenheiten, die für unsere demokratische Entwicklung von überragender Bedeutung sind. Um auch hier ein Beispiel zu geben, so glaube ich Voraussagen zu können, daß der Oberste Staatsanwalt nicht nur dann Anklage vor dem Obersten Gericht erheben wird, wenn sich die Tat etwa gegen das Leben eines unserer führenden Staatsmänner oder direkt gegen den Bestand unseres Staates richtete, sondern auch dann, wenn der Täter, sagen wir, einen jüdischen Friedhof geschändet und sich damit gegen einen Elementargrundsatz unserer Demokratie vergangen hat. Wenn man erwägt, daß im Westen und Süden Deutschlands solche doch leider schon wieder vorkommenden Untaten im besten Falle als Sachbeschädigung vom Amtsrichter abgeurteilt werden, so glaube ich, wird der Unterschied der Entwicklung klar. Meine Damen und Herren! In meinen bisherigen Ausführungen war schon mehrfach von dem Obersten Staatsanwalt als derjenigen Instanz die Rede, die durch Kassationsantrag oder Anklageerhebung die Zuständigkeit des Obersten Gerichts herbeiführt. Auch die Stellung der Obersten Staatsanwaltschaft . wird in dem vorliegenden Gesetzentwurf geregelt, und ihre eben genannten Funktionen machen es bereits deutlich, daß auch die Stellung der Obersten Staatsanwaltschaft mit derjenigen der früheren Reichsanwaltschaft nur noch rein äußerlich vergleichbar ist. Diese Funktionen zeigen vor allem, daß im Zuge unserer staatlichen Entwicklung die Staatsanwaltschaft dazu bestimmt ist, in steigendem Maße allgemein zur Hüterin der demokratischen Gesetzlichkeit zu werden. Auch hier kommt die neue Bedeutung dieses Organs der Rechtspflege bereits in der Verfassung zum Ausdruck, die die Wahl des Leiters der Behörde wir wollen ihn „Generalstaatsanwalt der Republik“ nennen, während die Obersten Staatsanwälte der Länder im Zuge der beabsichtigten Neuregelung der Gerichtsverfassung die Bezeichnung „Landesober- staatsanwalt“ erhalten sollen durch die oberste Volksvertretung vorschreibt. Die Oberste Staatsanwaltschaft wird gleichgeordnet neben dem Obersten Gericht stehen und wie dieses der Verwaltung und Dienstaufsicht der gesamten Regierung, nicht eines einzelnen Ministeriums, unterstellt seinj und ihr Leiter, der Generalstaatsanwalt, wird vom Vertrauen dieses Hohen Hauses abhängig sein. Seine Funktion erfordert es, daß er in der Lage sein muß, nicht nur den ihm direkt untergeordneten, sondern auch den Staatsanwälten der Länder Anweisungen zu erteilen, da er ohne dieses Recht nicht in der Lage wäre, jede Strafsache an sich zu ziehen, um sie gegebenenfalls durch Kassationsantrag oder Anklageerhebung vor den Obersten Gerichtshof zu bringen. Gestatten Sie mir abschließend noch zwei Bemerkungen! Meine Damen und Herren! Es ist gelegentlich gesagt worden, daß nicht nur der Generalstaatsanwalt, sondern auch der Angeklagte bzw. die Partei in Zivilprozessen die Möglichkeit haben müsse, die Kassation eines rechtskräftigen Urteils zu beantragen. Eine derartige Forderung verkennt den Sinn des außerordentlichen Rechtsmittels der Kassation. Die Interessen der Angeklagten oder der Parteien in Zivilprozessen werden vollauf dadurch gewährleistet, daß ihnen die bisherigen Rechtsmittel zur Verfügung stehen, mit deren Hilfe sie im allgemeinen ihre Sache bis an das oberste Gericht ihres Landes bringen können. Der Sinn der Kassation liegt nicht darin, den privaten Interessen der Angeklagten oder Parteien zu dienen und ihnen ein zusätzliches Rechtsmittel in die Hand zu geben, sondern darin, den Interessen der Allgemeinheit an der Erhaltung und Forderung der demokratischen Gesetzlichkeit und der Sicherheit unseres Staates zu dienen. Mit diesem Sinne der Kassation wäre es aber nicht verträglich, wenn neben dem General-staatsanwalt als dem Hüter der demokratischen Gesetzlichkeit auch die beteiligten Privatpersonen die Kassation beantragen könnten, ganz abgesehen davon, daß dies zu einer rettungslosen Überflutung des Obersten Gerichts mit Kassationsanträgen führen würde. Die zweite Bemerkung: Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf und dessen Annahme ist die Neuorganisation unsereen Justizwesens noch nicht beendet; sie ist erst der Anfang. Es wird sehr notwendig sein, in absehbarer Zeit den Entwurf eines Gerichtsverfassungsgesetzes vorzulegen, das die gesamte heutige Gerichtsorganisation umgestalten und in Einklang mit den Erfordernissen unserer staatlichen Entwicklung bringen soll. In diese neue Gerichtsverfassung werden auch die höchsten Rechtspflegeorgane, das Oberste Gericht und die Oberste Staatsanwaltschaft, organisch eingebaut werden, und es wird sich dann fragen,, ob es erforderlich ist, dem Obersten Gerichtshof wie im § 4, Abs. 2 des vorliegenden Entwurfs offengehaiten noch weitere Zuständigkeiten zu übertragen. Für den Augenblick jedenfalls genügen die durch diesen Entwurf dem Obersten Gericht gegebenen Funktionen vollauf, um ihn zur Erfüllung seiner bedeutenden Aufgaben im Rahmen unserer gegenwärtigen Rechtspflege zu befähigen. (Lebhafter Beifall) Präsident Matern: Meine Damen und Herren! Ich schlage vor, die Drucksachen Nr. 14 und IV dem Rechtsausschuß ohne Aussprache zu überweisen. Ich höre keinen Widerspruch; dann ist es so beschlossen. 71;
Provisorische Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) 1949-1950, Dokument 83 (Prov. VK DDR 1949-1950, Dok. 83) Provisorische Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) 1949-1950, Dokument 83 (Prov. VK DDR 1949-1950, Dok. 83)

Dokumentation: Provisorische Volkskammer (VK) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), Dokumente 1949-1950. Protokolle der Sitzungen 1 bis 21 der Provisorischen Volkskammer der DDR vom 7.10.1949-27.9.1950, Seite 1-548. Sammel-Drucksachen der Provisorischen Volkskammer der DDR (Anfragen, Gesetzesvorlagen und Anträge) Nummer 1-150, Seite 1-241. Inhaltsverzeichnis, Stichwortverzeichnis, Rednerverzeichnis (Prov. VK DDR 1949-1950, Dok. 1-858).

Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Absicherung, der Kräfte, Mittel und Methoden, die zur Anwendung kommen, die gewissenhafte Auswertung eigener Erfahrungen und die Nutzung vermittelter operativer Hinweise. Der Leiter der Abteilung hat sicherzustellen, daß die Angehörigen zielgerichtet und wirksam zur Erfüllung der Aufgaben des Wach- und Sicherungsdienstes eingesetzt werden. Er veranlaßt die Organisation und Planung des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen ergebenen Aufgabenstellung, Der politisch-operative Wach- und Sicherungsdienst beim Vollzug der Untersuchungshaft Bestimmungen für die operative Durchführung und Organisation des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen Grundsätze des Wach- und Sicherungs- dienstes - Aufgaben des Wachschichtleiters, Aufgaben des Stellvertreters des Wachschichtleiters, Aufgaben und Befugnisse des Wach-. und Sicherungsdienstes Einsatzformen des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen ergebenen Aufgabenstellung, Der politisch-operative Wach- und Sicherungsdienst beim Vollzug der Untersuchungshaft Bestimmungen für die operative Durchführung und Organisation des Wach- und Sicherungsdienstes haben gegenüber den Inhaftierten und Strafgefangenen Weisungsrecht. Das Weisungsrecht bezieht sich auf - die Durchsetzung dieser Dienstanweisung, die Durchsetzung der Untersuchungshaftvollzugsordnung und - die Durchsetzung der Ordnungs- und Verhaltensregeln sowie die Nichtbefolgung der Weisungen der Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalten, zürn Beispiel das Nichtauf-stehen nach der Nachtruhe, das Nichtverlassen des Verwahrraumes zur Vernehmung, zum Aufenthalt im Freien in Anspruch zu nehmen und die Gründe, die dazu führten, ist ein schriftlicher Nachweis zu führen. eigene Bekleidung zu tragen. Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren an das Gericht weiterzuleiten. Dem Verhafteten ist die Weiterleitung mitzuteilen. Der Verhaftete kann gegen die Verfügung von Disziplinär- und Sicherung smaßnahmen Beschwerde einlegen.

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