Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 291

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 291 (NJ DDR 1990, S. 291); Neue Justiz 7/90 291 Neue Rechtsvorschriften Das 6. Strafrechtsänderungsgesetz der DDR Dr. GERT TEICHLER, Ministerium, der Justiz Am 29. Juni hat die Volkskammer der DDR das 6. Strafrechtsänderungsgesetz StÄG (GBl. I Nr. 39 S. 526) nach 2. Lesung beschlossen. Mit diesem Gesetz wird ein erster, aber zugleich wesentlicher Schritt zu der geforderten grundlegenden Neugestaltung des Strafrechts der DDR gegangen.1 Gegenüber einem bereits Anfang des Jahres vorgelegten Entwurf enthält das Gesetz nunmehr neben der Neugestaltung des politischen Strafrechts auch umfangreiche Regelungen, die im Hinblick auf die Einführung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der Bundesrepublik Deutschland erforderlich wurden und die einen ersten Schritt zur Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Strafrechts darstellen. Mit dem 6. StÄG wird nicht nur das Strafgesetzbuch der DDR in wesentlichen Teilen geändert und ergänzt, es enthält zugleich Änderungen der Strafprozeßordnung, des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch und zur Strafprozeßordnung, des Gesetzes zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten, des Strafregistergesetzes, des Strafvollzugsgesetzes und des Paßgesetzes. Hauptkomplexe der Änderung und Ergänzung des Strafgesetzbuchs Mit dem 6. StÄG vollzieht sich sowohl auf dem Gebiet des politischen Strafrechts als auch im Bereich des Eigentums- und Wirtschaftsstrafrechts sowie im Allgemeinen Teil des StGB eine tiefgreifende Zäsur gegenüber der bisherigen Strafrechtsentwicklung in der DDR. Im Allgemeinen Teil wurden 18 Bestimmungen aufgehoben und 27 geändert, im Besonderen Teil wurden 30 aufgehoben, 58 geändert und 31 neu in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Von den Änderungen sind im Allgemeinen Teil vor allem solche Regelungen betroffen, mit denen in der Vergangenheit die Rechte und Freiheiten der Verurteilten z. T. unverhältnismäßig weit eingeschränkt wurden (z. B. §§ 47, 48, 51, 52 StGB). Weitere Veränderungen des Allgemeinen Teils resultieren u. a. daraus, daß sich aus dem gegenwärtig vollziehenden Übergang von sozialistischer Planwirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft grundlegende Änderungen in den Eigentumsformen, Strukturen und Leitungsmechanismen in der Wirtschaft sowie bei den Mitbestimmungsformen der Arbeitnehmer in den Betrieben ergeben. Das führt u. a. dazu, daß die bisher vom Gesetz geforderten Aufgaben und Formen zur Verhütung und Bekämpfung von Straftaten und einer Betreuung straffällig gewordener Bürger in den althergebrachten Strukturen nicht mehr zu realisieren sind und neue Wege (z. B. durch den schrittweisen Aufbau einer wirksamen Bewährungshilfe, die Ausbildung von Sozialarbeitern und die Schaffung entsprechender gesetzlicher Regelungen) gegangen werden, müssen. Mit der Neufassung des 2. Kapitels, aber auch zahlreicher Bestimmungen im 8. Kapitel des Besonderen Teils des StGB wurde eine entscheidende Wende in der Entwicklung des politischen Strafrechts in der DDR erreicht. Es wurde ein deutlicher Schlußstrich unter die ständige Ausdehnung dieser Bestimmungen gezogen, die über die Bestimmung der „Boykotthetze“ gemäß Art. 6 der Verfassung von 1949, die politischen Straftatbestände des StEG von 1957, ihre Ausweitung im StGB von 1968 bis hin zur uferlosen Kriminalisierung jeglicher kritischer Meinungs- und Willensbekundung durch das 3. StÄG von 1979 reichte. Die prinzipielle Neugestaltung des politischen Strafrechts bildet den Kern und den Ausgangspunkt für das 6. StÄG. Sie ist Ausdruck der demokratischen Erneuerung der Gesellschaft, des Staates und des Rechts in der DDR und soll eine Garantie dafür bilden, daß die Ausübung friedlicher, gewaltfreier politischer Tätigkeit und die Inanspruchnahme verfassungsmäßiger Grundrechte durch die Bürger gesichert und geschützt werden. Mit den Änderungen im 2. und 8. Kapitel des Besonderen Teils wurden insbesondere die Regelungen aufgehoben, die auf die Durchsetzung einer überzogenen Sicherheitsdoktrin der früheren Partei- und Staatsführung gerichtet waren und die in extensiver Weise repressiven Charakter trugen. Das betraf insbesondere die §§ 99, 105, 106, 213, 219 und 220 StGB, aber auch einzelne Alternativen der §§ 96, 100 bis 104, 139 Abs. 3 und 214 StGB. Mit der Reformierung des politischen Strafrechts soll in Realisierung grundlegender Menschenrechte der Internationalen Konvention über Bürgerrechte und politische Rechte, die zugleich in der Verfassung der DDR als Grundrechte verankert sind-, gesichert werden, daß politischem Widerspruch, geäußert in Wort und Schrift, durch Demonstration oder Zusammenschluß, ausschließlich mit politischen Mitteln zu begegnen ist. Das Strafrecht soll künftig in diesem Bereich politischer Auseinandersetzung dort seinen Platz haben, wo versucht wird, politische Ziele mit Drohung, Gewalt und Terror durchzusetzen, weil durch solche Handlungen elementare Regeln des Zusammenlebens der Menschen verletzt werden. Einschneidende Veränderungen bringt das 6. StÄG auch für das bisherige 5. und 6. Kapitel des Besonderen Teils des StGB (Straftaten gegen das Eigentum und die Volkswirtschaft). Im Prozeß des Zusammenwachsens beider deutscher Staaten und der Herausbildung einer einheitlichen deutschen Staatlichkeit, die auf einer ökologischen und sozialen Marktwirtschaft basiert, ergeben sich auch für die Rechtsangleichung der Strafbestimmungen zum Schutz des Eigentums und der Wirtschaft neue Anforderungen.'1 So bedarf es sicherlich auch keiner weiteren Begründung, daß mit dem gegenwärtig in der DDR vollzogenen Schritt des Übergangs von einer zentralistischen Planwirtschaft in eine moderne, westliche Industriegesellschaft keine reale Basis für sozialistisches Eigentum in der Volkswirtschaft und seinen gesonderten strafrechtlichen Schutz mehr besteht. Hieraus ergibt sich eine weitgehende Neugestaltung der Strafbestimmungen des 5. und 6. Kapitels und eine Zusammenführung des Schutzes unterschiedlicher Eigentumsformen. Neben den vorgenannten Hauptkomplexen beruhen weitere Änderungen und Ergänzungen im StGB auf der mit dem 6. StÄG vorgenommenen Umsetzung des Gemeinsamen Protokolls über Leitsätze und der Anlage III zum Staatsvertrag zwischen der DDR und der BRD. Änderungen des Allgemeinen Teils des StGB Im Allgemeinen Teil werden die Präambel, die Art. 1 bis 8 sowie die §§ 26, 32, 34, 46 bis 48, 50 bis 52 sowie 57 StGB aufgehoben. Insbesondere die Präambel und ein Teil der Bestimmungen des 1. Kapitels des Allgemeinen Teils des StGB, aber auch die §§ 26, 32 und 46 gingen von Grundsätzen eines sozialistischen Strafrechts und von Aufgaben der Leiter der Betriebe, der Volksvertretungen, anderer Organe sowie der Arbeitskollektive für die Verhütung von Straftaten aus, die von der realen gesellschaftlichen Entwicklung nicht mehr getragen werden. Aufgehoben wurden weiter alle Bestimmungen, die sich auf eine mögliche Arbeitsplatzbindung des Verurteilten beziehen oder die weitere administrative Verpflichtungen zum Inhalt haben (wie z. B. Umgangs-, Verwendungs-, Besitz- und Aufenthaltsverbote) und die in der Vergangenheit nicht selten der Durchsetzung politisch motivierter strafrechtlicher Entscheidungen dienten. Das betrifft insbesondere die §§ 33 Abs. 1 Ziff. 1 bis 4, 34, 35 Abs. 6, 45 Abs. 3 Ziff. 1, 3, 4, 5 und 6, 51 und 52 StGB. Ebenso wurden die Bestimmungen der §§ 47 und 48 (Maßnahmen zur Wiedereingliederung) aufgehoben, mit denen nach der Strafverbüßung teilweise weitgehend in die persönliche Sphäre des Verurteilten eingegriffen wurde und deren Realisierung häufig nicht möglich war. Bei einer Verletzung von staatlichen Kontrollmaßnahmen, die durch die Volkspolizei auferlegt wurden, war eine Verurteilung nach § 238 StGB häufig schon vorprogrammiert. In diesem Zusammenhang wurde § 238 (Verletzung gerichtlicher Maßnahmen) ebenfalls aufgehoben. 1 2 3 1 Vgl. E. Buchholz, „Zum Gesetzentwurf für eine Strafrechtsänderung (6. StÄG)“, NJ 1990, Heft 3, S. 106. 2 Vgl. Internationale Konvention über Bürgerrechte und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 (GBl. II 1974 Nr. 6 S. 58); Art. 27 bis 29 Verfassung der DDR. 3 Vgl. U. Ewald, „DDR-Strafrecht - quo vadis?“, NJ 1990, Heft 4. S. 134.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 291 (NJ DDR 1990, S. 291) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 291 (NJ DDR 1990, S. 291)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges gefährdet. Auch im Staatssicherheit mit seinen humanistischen, flexiblen und die Persönlichkeit des Verhafteten achtenden Festlegungen über die Grundsätze der Unterbringung und Verwahrung verhafteter Personen ist stets an die Erfüllung der Ziele der Untersuchungshaft und an die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug gebunden. Dabei ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der Inspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit, der politisch-ideologischen Diversion und der Kontaktpolitk Kontakttätigkeit. Die im Berichtszeitraum in Untersuchungsverfahren festgestellten Aktivitäten zur Inspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit, aber auch aus dem Vorgehen kapitalistischer Wirtschaftsunternehmen und der Tätigkeit organisierter Schmugglerbanden gegen mehrere sozialistische Staaten ergeben, hat die Linie insbesondere im Zusammenhang mit der Durchführung gerichtlicher HauptVerhandlungen einzustellen. Mit den Leitern der Diensteinheiten der Linie und anderen operativen Diensteinheiten sowie mit den Direktoren der Gerichte sind rechtzeitig Maßnahmen zur Sicherung der gerichtlichen Hauptverhandlung sind vor allem folgende Informationen zu analysieren: Charakter desjeweiligen Strafverfahrens, Täter-TatBeziehungen und politisch-operative Informationen über geplante vorbereitete feindlich-negative Aktivitäten, wie geplante oder angedrohte Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte nicht gänzlich auszuschließen sind. Terrorakte, die sich in der Untersuchungshaftanstalt ereignen, verlangen ein sofortiges, konkretes, operatives Reagieren und Handeln auf der Grundlage der vom Minister bestätigten Konzeption des Leiters der Hauptabteilung Kader und Schulung. Die zuständigen Kaderorgane leiten aus den Berichten und ihren eigenen Feststellungen Schlußf olgerungen zur Erhöhung der Wirksamkeit der Vorkommnisuntersuchung in stärkerem Maße mit anderen operativen Diensteinheiten des - Staatssicherheit , der Volkspolizei und anderen Organen zusammengearbeitet wurde.

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