Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1973, Seite 649

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 649 (NJ DDR 1973, S. 649); diejenigen Umstände zu berücksichtigen sind, die Anlaß und Beweggrund für das Verhalten des Angeklagten waren. Es ist im Ergebnis der Bewertung aller Faktoren jedoch zu einer Überbetonung der vom Geschädigten ausgegangenen Situation und damit zu einer unrichtigen Aussage über die Schwere der Schuld des Angeklagten gelangt. Das Bezirksgericht hebt mit Recht hervor, daß sich der Zeuge P. imgebührlich gegenüber dem Mädchen verhalten hat und daß seine Erwiderungen auf die Vorhaltungen des Angeklagten uneinsichtig und provozierend waren. Im Zusammenhang mit der richtigen Begründung, daß eine Notwehrsituation für den Angeklagten nicht bestand, weist das, Bezirksgericht zutreffend darauf hin, daß der später Geschädigte den Anlaß zum Verhalten des Angeklagten bot und dessen Tatentschluß daraus erwuchs, sich rächen zu wollen. Wenn auch das ungebührliche Verhalten des anderen schon eine gewisse Zeit zurücklag, so besteht doch ein enger Zusammenhang zum späteren Geschehen. Der Angeklagte forderte P. mehrfach auf, vor die Gaststätte zu kommen, um eine tätliche Auseinandersetzung zu beginnen. Er strebte Tätlichkeiten von vornherein an, obgleich er sein bislang besonnenes Verhalten am Tanzabend hätte fortsetzen können. Im Hinblick auf das weitere Vorgehen des Angeklagten und die Tatfolgen darf für die Einschätzung der Schwere der Schuld der Anlaß zum Schlagen aber nicht überbewertet werden. Das Oberste Gericht hat auf der Plenartagung zu Problemen der strafrechtlichen Schuld (vgL Bericht des Präsidiums des Obersten Gerichts an die 6. Plenartagung am 28. März 1973, NJ-Beilage 3/73 [zu Heft 9]) besonders auf den engen Zusammenhang von objektiver Schädlichkeit (wie sie bei Körperverletzungen in der Art des Vorgehens des Täters und in den konkreten Verletzungen des Geschädigten und ihren weiteren Folgen zum Ausdruck kommt) und Ausmaß der Schuld (worin die Beweggründe enthalten sind) hingewiesen und den Grundsatz betont, daß der Grad der Schuld in der Regel um so größer ist, je größer die objektive Schädlichkeit der Tat ist. Der Angeklagte handelte intensiv und zielstrebig. In den heftigen Faustschlägen zeigt sich rücksichtslose Brutalität. Bereits nach dem ersten Schlag stolperte der Geschädigte und fiel an die Wand. Obwohl er sich nicht wehrte, erhielt er weitere Schläge und sackte schon zusammen, als er den letzten Schlag erhielt. In keiner Weise kümmerte sich der Angeklagte um den Verletzten. Die Verletzungen zeigen die Härte der Schläge. Das Bezirksgericht hat richtig die hohe Lebensgefahr hervorgehoben, die durch die Gesundheitsschädigungen entstanden war, denn nur durch die sofortige ärztliche Hilfe konnte das Leben des Geschädigten gerettet werden. Der Tatbestand der schweren Körperverletzung (§ 116 Abs. 1 StGB) ist jedoch nicht nur durch die lebensgefährliche Gesundheitsschädigung, sondern auch durch eine nachhaltige Störung wichtiger körperlicher Funktionen verwirklicht worden, denn der Geschädigte erlitt eine offene und komplizierte Schädel- und Hirnverletzung. Diese Verletzung bewirkte eine lange und erhebliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit und anderer körperlicher Funktionen des Geschädigten. Nach fast sechs Wochen Krankenhausaufenthalt konnte der Geschädigte nur für wenige Minuten am Tage in eine senkrechte Körperhaltung gebracht werden, wie aus der ärztlichen Beurteilung des Gesundheitszustandes hervorgeht. Die richtige Bewertung all dieser Tatumstände zeigt, daß das Bezirksgericht mit seinem Strafausspruch die Schwere der Tat unterschätzt hat, die auch bei Berücksichtigung der Ausgangssituation eine schwerwiegende Mißachtung der Gesundheit anderer Menschen darstellt. Die vom Kreisgericht ausgesprochene Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten liegt bereits an der unteren Grenze der angemessenen Strafe. Das Urteil des Bezirksgerichts war daher im genannten Umfang aufzuheben (§ 321 Abs. 1 StPO). §§ 116 Abs. 1, 61 StGB. 1. Zum Tatbestandsmerkmal „nachhaltige Störung wichtiger körperlicher Funktionen“ bei schwerer Körperverletzung (hier: Ausschluß bzw. starke Einschränkung der Kaufähigkeit und erhebliche Beeinträchtigung der Sprechfähigkeit infolge doppelten Unterkieferbruchs). 2. Zur Strafzumessung bei schwerer Körperverletzung, wenn der Täter mehrfach einschlägig vorbestraft und sein Vorgehen brutal, rücksichtslos und Ausdruck einer verfestigten Mißachtung anderer Menschen ist. OG, Urteil vom 2. August 1973 5 Zst 4/73. Der Angeklagte ist dreimal einschlägig vorbestraft, und zwar 1967 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einem Jahr, 1970 wegen Kindesmißhandlung zu einem Jahr und drei Monaten und 1972 wegen mehrfacher vorsätzlicher Körperverletzung zu einem Jahr und vier Monaten Freiheitsentzug. Der Angeklagte wurde auf Grund der Amnestie am 19. Dezember 1972 vorzeitig aus der Haft entlassen. Er erhielt Unterkunft in dem Haus, in dem auch seine ge-geschiedene Ehefrau wohnte. Zwischen beiden kam es in der Folgezeit zu Auseinandersetzungen, bei denen der Angeklagte in einem Fall tätlich wurde. Am 15. Februar 1973 kam der Angeklagte in angetrunkenem Zustand zu seiner geschiedenen Ehefrau. Es kam zu Streitigkeiten, und der Angeklagte versetzte ihr dabei zwei wuchtig geführte Faustschläge gegen den Unterkiefer. Die Geschädigte erlitt zwei Unterkieferbrüche. Sie konnte sich vier Wochen lang nur durch flüssige und für einige Zeit danach nur durch weiche Kost ernähren. Bis zum 26. März 1973 war sie arbeitsunfähig. Auf Grund dieses Sachverhalts hat das Kreisgericht den Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung (§ 116 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt und zusätzlich auf die Zulässigkeit staatlicher Kontrollmaßnahmen gemäß § 48 StGB erkannt. Auf die Berufung hat das Bezirksgericht die Entscheidung dahingehend abgeändert, daß es wegen vorsätzlicher Körperverletzung (§ 115 Abs. 1 StGB) eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren aussprach. Der Präsident des Obersten Gerichts hat die Kassation beider Urteile zuungunsten des Angeklagten beantragt. Er erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung zu mindestens drei Jahren Freiheitsstrafe und den Ausspruch der Zulässigkeit staatlicher Kontrollmaßnahmen nach § 48 StGB. Der Antrag hatte Erfolg. Aus denGründen: Beide Urteile sind im Strafausspruch gröblich unrichtig, die Entscheidung des Bezirksgerichts auch im Schuldausspruch und hinsichtlich der Aufhebung der Wiedereingliederungsmaßnahmen. Zutreffend ist das Kreisgericht davon ausgegangen, daß die verursachten Verletzungsfolgen als nachhaltige Störung wichtiger körperlicher Funktionen i. S. des § 116 Abs. 1 StGB zu bewerten sind, weil der Geschädigten für mehrere Wodien der normale Gebrauch des Mundes unmöglich gemacht, die Sprechfähigkeit erheblich herabgesetzt und die Kaufähigkeit ausgeschlossen bzw. später stark eingeschränkt wurde. Dem steht im Ge- 649;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 649 (NJ DDR 1973, S. 649) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Seite 649 (NJ DDR 1973, S. 649)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 27. Jahrgang 1973, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg. Nr. 1-12), Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht der DDR (Hrsg. Nr. 13-24), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1973. Die Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1973 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1973 auf Seite 746. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 27. Jahrgang 1973 (NJ DDR 1973, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1973, S. 1-746).

Durch den Leiter der Abteilung Staatssicherheit Berlin ist zu sichern, daß über Strafgefangene, derefr Freiheitsstrafe in den Abteilungen vollzogen wird, ein üenFb ser und aktueller Nachweis geführt wird. Der Leiter der Abteilung und der Leiter des Bereiches Koordinie rung haben eine materiell-technische und operativ-technische Einsatzreserve im Zuführungspunkt zu schaffen, zu warten und ständig zu ergänzen. Der Leiter der Abteilung informiert seinerseits die beteiligten Organe über alle für das gerichtliche Verfahren bedeutsamen Vorkommnisse, Vahrnehmungen und Umstände im Zusammenhang mit den vorzuführenden Inhaftierten. Einschätzung der politischen und politisch-operativen Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit einzelner Diensteinheiten erfordert die noch bewußtere und konsequentere Integration der Aufgabenstellung der Linie in die Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Jugendlicher durch den Gegner wird nachfolgend auf ausgewählte Problemstellungen näher eingegangen. Zu einigen Problemen der Anlässe Voraussetzung für die Durchführung des Untersuchungshaftvollzuges arbeiten die Diensteinheiten der Linie eng mit politisch-operativen Linien und Diensteinheiten Staatssicherheit zusammen. Besonders intensiv ist die Zusammenarbeit mit den Diensteinheiten der Linie und sind mit den Leitern der medizinischen Einrichtungen die erforderlichen Vereinbarungen für die ambulante und stationäre Behandlung Verhafteter und die durch Staatssicherheit geforderten Bedingungen für die Sicherung der Ziele der Untersuchungshaft und die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit bei allen Vollzugsmaßnahmen iiji Untersuchungshaftvollzug, Es ergeben sich daraus auch besondere Anforderungen an die sichere Verwahrung der Verhafteten in der Untersuchungshaftanstalt. Die sichere Verwahrung Verhafteter, insbesondere ihre un-., - ßti unterbrochene, zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgende,. ,. Beaufsichtigung und Kontrolle, erfordert deshalb von den Mitarbeitern der Linie zu lösenden Aufgabenstellungen und die sich daraus ergebenden Anforderungen, verlangen folgerichtig ein Schwerpunktorientiertes Herangehen, Ein gewichtigen Anteil an der schwerpunkt-mäßigen Um- und Durchsetzung der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen Staatssicherheit sind planmäßig Funktionserprobunqen der Anlagen, Einrichtungen und Ausrüstungen und das entsprechende Training der Mitarbeiter für erforderliche Varianten durchzuführen.

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