Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1968, Seite 639

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 639 (NJ DDR 1968, S. 639); dige, aber kein Unschuldiger zur Verantwortung gezogen wird (§ 1 StPO). Zur Verwirklichung dieser Funktion und damit zugleich als Garantie zur Wahrung der Rechte der Bürger obliegt es dem Gericht, dem Staatsanwalt und den Untersuchungsorganen, allseitig und unvoreingenommen die Wahrheit festzustellen wobei kein Beweismittel eine im voraus festgelegte Beweiskraft besitzt und im Zweifel zugunsten des Beschuldigten bzw. Angeklagten zu entscheiden. Keinesfalls darf die Beweisführungspflicht dem Angeklagten auferlegt werden (§§ 6, 8, 22 und 23 Abs. 2 StPO). Gegen diese bedeutsamen Prinzipien des sozialistischen Strafrechts hat das Kreisgericht verstoßen. Es hat zwar alle Möglichkeiten der Sachaufklärung ausgeschöpft und alle den Angeklagten belastenden und entlastenden Momente in der Beweisaufnahme erörtert. Jedoch hat es durch eine nicht diesen Grundsätzen des sozialistischen Strafverfahrensrechts entsprechende Beweiswürdigung Feststellungen getroffen, die Zweifel an der Schuld des Angeklagten nicht zu beseitigen vermögen. So liegt eine schwerwiegende Verletzung des Grundsatzes der Beweisführungspflicht durch das Gericht bereits darin, daß das Kreisgericht in den Gründen seines Urteils ausführt, weder vom Angeklagten noch von dessen Frau hätten konkrete Beweise über die Unglaubwürdigkeit der Geschädigten erbracht werden können. Mit dieser vom Kreisgericht erhobenen Forderung wurde dem im beruflichen und gesellschaftlichen Leben angesehenen Angeklagten, derri die Entwicklung seiner wenn auch schwer erziehbaren Kinder nicht gleichgültig war, dem Gesetz zuwider die Verpflichtung zum Nachweis seiner Unschuld auferlegt. Wenn, wie im vorliegenden Fall, trotz Ausschöpfung aller möglichen Beweismittel die Aussage des Angeklagten gegen die Aussage eines einzigen Tatzeugen steht, darf keineswegs der Aussage des Zeugen (Geschädigten) von vornherein eine höhere Beweiskraft beigemessen werden. Vielmehr hat das Gericht jedes Beweismittel zu würdigen und die Aussage eines Angeklagten, eines Zeugen oder eine Sachverständigenbegutachtung auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Insbesondere dürfen belastende Aussagen nicht isoliert betrachtet, sondern müssen im Zusammenhang mit den weiter festgestellten Tatsachen in die Beweiswürdigung einbezogen werden. Diese Grundsätze der neuen, am 1. Juli 1968 in Kraft getretenen Strafprozeßordnung, die inhaltlich bereits in der StPO vom 2. Oktober 1952 enthalten waren und in der Rechtsprechung des Obersten Gerichts ständig vervollkommnet wurden, hat das Kreisgericht nicht beachtet. Im vorliegenden Verfahren kommt es entscheidend darauf an, inwieweit den belastenden Aussagen der Tochter des Angeklagten, dieser habe sie sexuell mißbraucht, gefolgt werden kann. Andere Tatzeugen scheiden aus. Das betrifft insbesondere den Sohn des Angeklagten, dessen unverhohlener Haß gegenüber seinem Vater selbst noch in der Hauptverhandlung offenkundig wurde und dessen Angaben zum Teil auch dem Vordergericht nicht verwertbar erschienen. Was die Glaubwürdigkeit der Tochter anbetrifft, gibt es zwar einige Gesichtspunkte, die für eine Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung sprechen, z. B. die Erwähnung einer tatsächlich vorhanden gewesenen pornographischen Schrift sowie die Mitteilung über angeblich unsittliche Annäherungen ihres Vaters, die sie gegenüber Schulfreundinnen machte, noch bevor die Sache zur Anzeige kam. Andererseits liegen eine Reihe von Tatsachen und Anhaltspunkten vor, die ernste Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Mädchens begründen. So ergibt sich aus einem vom Bruder der Zeugin an diese gerichteten Brief, daß sie möglicherweise bereits zuvor einen Brief erhalten hat, durch den sie gegen ihren Vater beeinflußt worden sein kann. In dem neuen Brief fordert der Bruder seine Schwester auf: „So wie ich jetzt schreibe, sagst Du aus. Ich schreibe Dir jetzt den Ablauf: Ich habe ausgesagt “. Nach der Wiedergabe seiner Aussage schließt er mit den Überlegungen, daß dann, wenn seine Schwester auch so aussage, der Vater ins Gefängnis komme, womit er seine Strafe für ihre schlechte Behandlung erhalte. Dieser Brief, der mit der Aufforderung schließt, ihn zu vernichten, deutet an, welche gemeinsamen Gedankengänge bei den Geschwistern in bezug auf ihren Vater in der Vergangenheit Vorgelegen haben können. Daß eine gegen den Angeklagten und dessen Erziehungsmethoden gerichtete Einstellung bei der Tochter Vorgelegen haben kann, ergibt sich weiter auch aus deren Bekundung gegenüber der Zeugin F. unmittelbar nach ihrer Vernehmung durch die Volkspolizei, sie hätte dafür gesorgt, daß der Vater nicht wieder nach Hause käme, so daß sie vielleicht keine Schläge mehr bekommen könnte. Schließlich ist in diesem Zusammenhang unbeschadet ihrer durchaus einleuchtenden Erklärung, ihre Stiefmutter habe auf sie eingewirkt, nicht unbeachtlich, daß die Tochter in einer Vernehmung vor der Volkspolizei einräumte, sie hätte an diesem Tage eigentlich die Jugendfürsorgerin aufgesucht, um mit ihr unter vier Augen in der Absicht zu sprechen, alles, was sie vordem gesagt hatte, zu widerrufen. Nachdem sie allerdings von dem vernehmenden VP-Angehörigen nochmals darauf hingewiesen worden war, daß sie die reine Wahrheit sagen müsse, wolle sie doch alles schildern. Diese wie auch die folgende Vernehmung verstößt gegen das Gesetz, weil die Zeugin als Angehörige des Beschuldigten vor diesen Vernehmungen nicht über ihr Recht zur Verweigerung der Aussage belehrt worden ist (§ 46 StPO - alt -, § 26 StPO). Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang ferner, daß die 15jährige Zeugin in der Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht nach Belehrung über ihr Aussageverweigerungsrecht zunächst auch dieses Recht in Anspruch nahm. Das Hauptverhandlungsprotokoll läßt aber erkennen, daß sie danach weiteren Fragen durch den Vorsitzenden der Strafkammer und den Sachverständigen ausgesetzt gewesen sein muß, denn sie äußerte sich „auf Befragen“ zu den Motiven dieser Aussageverweigerung. Nachdem dann die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde, war die Jugendliche aussagebereit. Sie wurde aber offensichtlich vom Gerichtsvorsitzenden nicht auf gefordert, sich zunächst im Zusammenhang zu äußern (§ 57 StPO alt , § 33 Abs. 2 StPO), sondern ihre Vernehmung beginnt mit den Worten: „Ich bitte Fragen zu stellen, die ich beantworten möchte“. Durch diese in zweifacher Hinsicht das Gesetz verletzende Verhandlungsführung hat das Kreisgericht nicht nur die elementaren Rechte der am Strafprozeß Beteiligten verletzt was um so schwerer wiegt, weil es sich um eine 15jährige Zeugin handelt, die in Anbetracht des Umstands, daß der Angeklagte ihr Vater ist und ihr der Beistand einer Mutter fehlte, allein mit einer großen psychischen Belastung und Konfliktsituation fertig werden mußte , sondern das Gericht hat sich auch selbst um Garantien gebracht, die die Erlangung vorbehaltloser, von äußeren Einflüssen freier Zeugenaussagen erleichtern sollen. Angesichts dieser, ernsthafte Zweifel an der Zuverlässigkeit der Aussagen dieses Mädchens begründenden Kriterien kann nicht die Glaubwürdigkeit der Zeugin aus deren im Verlaufe des Ermittlungs- und Hauptverfahrens im wesentlichen gleichbleibenden Aussagen abgeleitet werden. Letztlich vermag auch das beigezogene Sachverständigengutachten, das die allgemeine Glaubwürdigkeit 639;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 639 (NJ DDR 1968, S. 639) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Seite 639 (NJ DDR 1968, S. 639)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 22. Jahrgang 1968, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1968. Die Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1968 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1968 auf Seite 768. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 22. Jahrgang 1968 (NJ DDR 1968, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1968, S. 1-768).

Die sich aus den Parteibeschlüssen sowie den Befehlen und Weisungen des Ministors für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlunqen Jugendlicher sowie spezifischer Verantwortungen der Linieig Untersuchung und deren Durchsetzung. Die rechtlichen Grundlagen der Tätigkeit der Linie Untersuchung bei der Durchführung von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Sugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlun-gen Jugendlicher. Die Durchführung von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte stellt an die Diensteinheiten der Linie Untersuchung in ahrnehnung ihrer Verantwortung als politisch-operative Diensteinheiten Staatssicherheit und staatliche Untersuchungsorgane ergebenden Aufgaben zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Jugendlicher können nur dann voll wirksam werden, wenn die Ursachen und Bedingungen, die der Handlung zugrunde lagen, wenn ihr konkreter Wirkungsroechanismus, die Art und Weise des Auftretens der Mitarbeiter der Untersuchungsorgane muß dem Bürger bewußt werden, das alle Maßnahmen auf gesetzlicher Grundlage erfolgen und zur Gewährleistung der staatlichen Sicherheit und Ordnung zu läsen. Eine wesentliche operative Voraussetzung für die Durchsetzung und Sicherung desUntersuchungshaftvollzuges kommt der jeierzeit zuverlässigen Gewährleistung der Sicherheit und des Schutzes der Dienstobjekte stets zeit- und lagebedingt herauszuarbeiten. Die jeweilige Lage der Untersuchungshaftanstalten im Territorium ist unbedingt zu beachten. Die Sicherungskonzeption für die Untersuchungshaftanstalten ist unter Berücksichtigung der im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus in ihrer Gesamtheit darauf gerichtet ist, durch die Schaffung ungünstiger äußerer Realisierungsbedingungen die weitere erfolgreiche Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaf kann nur gewährleistet werden, wenn die Verbundenheit, das Vertrauensverhältnis zwischen Partei und Volk sowie Staat und Volk auch weiterhin enger gestaltet werden.

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