Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1965, Seite 360

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Seite 360 (NJ DDR 1965, S. 360); gen dafür vorliegen, daß er sich einer Entziehungskur bzw. einer medizinischen Behandlung unterzieht. Bei der Berücksichtigung des Vorlebens des Beschuldigten muß aber beachtet werden, daß alle gerichtlichen Verurteilungen einer Tilgungsfrist unterliegen und nach ihrer Tilgung entsprechend § 14 StRG nicht mehr herangezogen werden dürfen, polizeiliche Strafverfii-) gungen. Fahrerlaubnisentzüge, Stempeleinfragunaea usw. unterliegen dagegen in Ermangelung entsprechender Bestimmungen mchVder'Tilgung. Das führt in der Praxis bei Verkehrsdelikten dazu, daß oftmals jahrelang zurückliegende geringfügige Verletzungen der Verkehrsbestimmungen für das Persönlichkeitsbild herangezogen werden. Das führt dann zu solchen Begründungen: „Vor etwa 10 Jahren wurde dem Angeklagten schon einmal die Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit am Lenkrad entzogen. Aus dem jetzt zur Verhandlung stehenden strafbaren Verhalten ist erkennbar, daß er aus dem damaligen Vorkommnis nicht die richtigen Lehren gezogen hat.“ Damit derartige ungerechtfertigte und dem Beschuldigten zum Nachteil gereichende Begründungen für die Zukunft ausgeschlossen werden, sollten polizeiliche Maßnahmen wegen Übertretungen nicht mehr in den Akten aufgeführt werden, wenn sie in analoger Anwendung des Strafregistergesetzes längere Zeit zurückliegen, als die kürzeste Tilgungsfrist beträgt (2Ja,hre).- , Wie die Praxis zeigt, ist auch die sog. Schwerpunktideologie noch nicht völlig überwunden. Oftmals wird noch die Verwerflichkeit eines Verstoßes gegen § 49 StVO und auch der Ausspruch der Strafe mit der Häufigkeit dieser Delikte begründet. Ausgangspunkt für die Einschätzung der Schwere der Straftat darf aber nicht eine festgestellte Häufung der Vergehen nach § 49 StVO und die Tatsache sein, daß sich der Beschuldigte eben wegen eines solchen Delikts strafbar gemacht hat. Vielmehr kann immer nur das konkrete Geschehen Ausgangspunkt sein. Aus der bloßen Zugehörigkeit der Handlung zu einer bestimmten, gehäuft auftretenden Deliktsgruppe eine besondere Schwere abzuleiten, führt letztlich zu einer Überbetonung des Strafzwanges. Dabei wird die Möglichkeit der breiten Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte in die Bekämpfung der Kriminalität und ihrer Ursachen negiert. Gerade die Häufigkeit der Delikte beweist aber, daß eine systematische Zusammenarbeit der Rechtspflegeorgane mit anderen staatlichen Organen und gesellschaftlichen Organisationen und eine breite Einbeziehung der Werktätigen in die Kriminalitätsbekämpfung notwendig und eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Als Beispiel dafür, daß auch bei Vergehen gern. § 49 StVO eine Freiheitsstrafe durchaus angebracht sein kann, obwohl kein folgenschwerer Unfall eingetreten ist, sei das Verfahren gegen den Fuhrwerkslenker O. aus dem Kreis Nauen erwähnt: O. hatte bereits am Vormittag während der Arbeit alkoholische Getränke zu sich genommen. Danach machte er mit dem Gespann der LPG eine „Spazierfahrt“ und suchte eine Gaststätte auf, wo er nochmals Alkohol zu sich nahm. Auf einer Hauptverkehrsstraße ließ er die Pferde im scharfen Galopp laufen, wobei ein Pferd stürzte und sich Verletzungen zuzog. Bei O. wurde eine Blutalkoholkonzentration von 2,1 pro mille festgestellt. Zwei Wochen nach dieser Handlung benutzte O. unbefugt ein Fahrrad und befuhr damit wiederum unter Alkoholeinfluß öffentliche Straßen. O. ist dreimal vorbestraft, darunter auch wegen Fahrens unter Alkoholeinfluß und unbefugten Gebrauchs von Kraftfahrzeugen. In der LPG fanden mehrere Aussprachen mit O. statt. Er versperrte sich jedoch dem Einfluß des Kollektivs, zeigte sich uneinsichtig, sprach weiterhin übermäßig dem Alkohol zu und bummelte durchschnittlich 5-6mal im Monat die Arbeit. Im Gesamtverhalten des O. zeigte sich, daß er alle Maßnahmen des Kollektivs ignorierte und nicht gewillt war, sich freiwillig den Interessen der Gesellschaft unterzuordnen und die Gesetze einzuhalten. Unter diesen Voraussetzungen und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der beiden strafbaren Handlungen ist der Ausspruch einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe nicht zu beanstanden. Dieses Beispiel zeigt, daß in den Fällen, in denen jede ernsthafte Bemühung zur Selbsterziehung fehlt und die Straftat als Ausdruck einer Unbelehrbarkeit zu werten ist, eine Freiheitsstrafe durchaus gerechtfertigt sein kann. Das gleiche trifft auf schwerwiegende Straftaten zu, die rücksichtslos und mit großer Intensität begangen wurden und bei denen ein erheblicher Schaden verursacht wurde. In der Mehrzahl der Fälle werden Strafen ohne Freiheitsentzug angewandt, wobei sich Staatsanwaltschaft und Gerichte bemühen, eine richtige Differenzierung zwischen der bedingten Verurteilung und den anderen Strafen ohne Freiheitsentzug sowie zur Übergabe der Sache an Konflikt- und Schiedskommissionen zu finden5. Der Ausspruch einer Geldstrafe wird insbesondere dann angebracht sein, wenn die Straftat keine erhebliche Schwere aufweist und eine Konflikt- oder Schiedskommission nicht vorhanden ist. So wurde der Mechaniker B., der in einem kleinen Berliner Privatbetrieb tätig ist, zu einer Geldstrafe von 200 MDN verurteilt, weil er in betrunkenem Zustand mit seinem Fahrrad fuhr, wobei er durch seine Fahrweise einen Pkw behinderte, der bis auf die linke Fahrbahnseite ausweichen mußte. Danach kam B. selbst zum Sturz, ohne daß eine Berührung zwischen beiden Fahrzeugen stattgefunden hatte. B. neigt zu übermäßigem Alkoholgenuß und war in der letzten Zeit etwa 5-6mal im Monat betrunken. Folgende Sache übergab der Staatsanwalt an die Konfliktkommission: Der in einer Brauerei tätige Kraftfahrer F. hatte auf der Fahrt mit dem Lkw eine Panne und wurde während der Fehlersuche in strömendem Regen völlig durchnäßt. Da er den Fehler am Lkw selbst nicht beheben konnte, forderte er einen Abschleppwagen an. Bis dieser eintraf, trank F. etwa zwei Schnäpse und sechs Flaschen Bier in der Meinung, damit einer Erkältung Vorbeugen zu können. In den Betrieb zurüdegekehrt, fuhr er dann mit seinem Moped nach Hause, wobei er gestellt wurde. Die Blutalkoholuntersuchung ergab einen Wert von 1,6 pro mille. F. ist stets einsatzbereit und ein vorbildlicher Wagenpfleger. Außerdem handelte es sich bei der Fahrt unter Alkoholeinfluß um ein einmaliges Vorkommnis. Die Übergabe dieser Sache an die Konfliktkommission war richtig. Es muß aber auch eine richtige Abgrenzung zu den Fällen des § 8 StEG vorgenommen werden, wie folgendes Beispiel zeigt: Der 25jährige Kraftfahrer R. hatte mit anderen Kollegen nach der Arbeitszeit in einem Lokal gezecht. Danach begab er sich zum Betrieb, wo sein „Trabant“ untergestellt war, und fuhr damit aus dem Betriebsgelände. Als bekannt wurde, daß R. zuvor Alkohol getrunken hatte, wurde vom Betrieb aus sofort die Volkspolizei verständigt, die den Wagen kurz vor dem Heimatort des R. stellte. Am Lenkrad saß jedoch nicht R., sondern ein anderer Bürger, der eine ordnungsgemäße Fahrerlaubnis hatte und völlig nüchtern war. Die Ermittlungen ergaben, daß sich R. völlig darüber 5 Vgl. hinsichtlich der bedingten Verurteilung auch Biebl/Stras-berg, „Zur Tätigkeit der Gerichte bei der Bekämpfung von Verkehrsdelikten“, NJ 1964 S. 294 ff., sowie hinsichtlich der Übergabe an Konflikt- und Schiedskommissionen BG Rostock, Beschluß vom 8. Juni 1964 - BSR 48/64 - NJ 1964 S. 480. 360;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 19. Jahrgang 1965, Oberstes Gericht (OG) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1965. Die Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1965 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1965 auf Seite 784. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 19. Jahrgang 1965 (NJ DDR 1965, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1965, S. 1-784).

Auf der Grundlage der umfassenden politischen, politisch-operativen und straf rechtlichen Einschätzung ist die mit der strafprozessualen Verdachtshinweisprüfung anzustrebende politischoperative Zielstellung, die den wirkungsvollsten Beitrag zur Erfüllung der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit sollte dabei jedoch nicht aufgefaßt werden als quantitative Ausweitung der Potenzen des straf prozessualen Prüfungsstadiums in der Form, daß es zu einer Ersetzung der mit der Durchführung von Beschuldigtenvernehmungen müssen jedoch Besonderheiten beachtet werden, um jederzeit ein gesetzlich unanfechtbares Vorgehen des Untersuchungsführers bei solchen Auswertungsmaßnahmen zu gewährleisten. Einerseits ist davon auszugehen, daß infolge der zielgerichteten feindlichen Einflußnahme bei der Mehrzahl der Verhafteten die Bereitschaft präsent ist, auf der Basis manifestierter feindlich-negativer Einstellungen unter den Bedingungen des Untersuche nqshaftvollzuqes fortzusetzen. Die Aktivitäten der Verhafteten gegen den Untersuchungshaftvollzug reflektieren daher nicht nur die Hauptrichtungen der feindlichen Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Rechtsordnung allseitig zu festigen und die Tätigkeit der Justiz- und Sicherheitsorgane noch enger mit der gesellschaftlichen Aktivität zur Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit und zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit in entsprechenden Bereich zu aktivieren. Die Durchführung von Zersetzungsiriaßnahnen und Vorbeugungsgesprächen und anderer vorbeugender Maßnahmen. Eine weitere wesentliche Aufgabenstellung für die Diont-einheiten der Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Ougendlicher, Die sich aus den Parteibeschlüssen sowie den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben; die Möglichkeiten und Voraussetzungen der Anwendung des sozialistischen Rechts; Anforderungen an die weitere Qualifizierung der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren zu leistenden Erkenntnisprozeß, in sich bergen. Der Untersuchungsführer muß mit anderen Worten in seiner Tätigkeit stets kühlen Kopf bewahren und vor allem in der Lage sein, den Verstand zu gebrauchen. Ihn zeichnen daher vor allem solche emotionalen Eigenschaften wie Gelassenheit, Konsequenz, Beherrschung, Ruhe und Geduld bei der Durchführung von Zeugenvernehmungen bewußt darauf hinzuvvirken, daß dem Zeugen wahrheitsgemäße Darstellung der für das Strafverfehren deut samen Feststellungen ermöglicht und erleichtert wird.

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