Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1959, Seite 853

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 853 (NJ DDR 1959, S. 853); Rechtsprechung Strafrecht § 20 StEG; § 185 StGB; § 8 StEG. Zur Frage des Ausschlusses der strafrechtlichen Verantwortlichkeit bei Staatsverleumdung. OG, Urt. vom 24. November 1959 1 a Zst 3/59. Der im Jahre 1937 geborene Angeklagte stammt aus der Arbeiterklasse. Sein Vater ist im zweiten Weltkrieg gefallen. Nach dem Besuch der Volksschule erlernte der Angeklagte den Schlosserberuf. Nach Beendigung der Lehre arbeitete er auf dem Bau der Jugend im Kraftwerk T. Von dort aus wurde er zum Kraftwerkbau nach L. versetzt, wo er seit Juli 1957 als Baggerschmierer und stellvertretender Baggerführer arbeitet. Der Angeklagte ist weder Mitglied einer Partei noch des FDGB oder anderer gesellschaftlicher Organisationen. Er leistete gute fachliche Arbeit. Seine Arbeitsdisziplin ist nicht zu beanstanden. Er ist ruhig und verträglich und hat sich gut in die Gemeinschaft seiner Kollegen ednge-fügt. Bei erforderlichen Sondereinsätzen war er jederzeit bereit mitzuarbeiten. Am 13. Juli wurde der Angeklagte vormittags beauftragt, mit dem Bagger Waggons zu entladen. Nachdem er das getan und die Arbeit beendet hatte, wurde ihm mitgeteölt, es werde nicht damit gerechnet, daß noch weitere Waggons entladen werden müßten. Daraufhin begab sich der Angeklagte in seine Unterkunft und säuberte sich. Kurz danach erhielt er jedoch die Aufforderung, wieder an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen. Der Angeklagte fuhr deshalb mit seinem Fahrrad, lediglich mit einer Turnhose bekleidet, zur Entladestelle, die sich innerhalb des Kraftwerkgeländes befand. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte beim Passieren des Werkgeländes niemals nach seinem Ausweis gefragt worden, weil das Gelände noch nicht umzäunt war. Als er nunmehr das Tor zum Kraft-werkgelände passieren wollte, wurde er von dem Zeugen L., der als Angehöriger der Volkspolizei zu diesem Zeitpunkt die TorkcmtroUe durchzuführen hatte, nach seinem Ausweis gefragt. Da der Angeklagte keinen Ausweis bei sich hatte, kam es zwischen ihm und dem Zeugen L. zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Angeklagte aufgefordert wurde, sich in der Wache zu melden. Als er den Weg zur Wache mit dem Fahrrad zurücklegen wollte, befahl ihm der Zeuge, zu Fuß zu gehen. Daraufhin sagte der Angeklagte zu dem Zeugen: „Du Scheißkopp“, er fügte auch hinzu, er solle lieber arbeiten als herumstehen. In der Wache wurde der Angeklagte durch den anwesenden Dienststellenleiter auf sein falsches Verhalten hingewiesen. Danach fuhr der Angeklagte zu seinem Arbeitsplatz und führte die Entladearbeiten aus. Das Kreisgericht, das ausdrücklich festgestellt hat, daß die Äußerungen des Angeklagten nicht als Ausdruck einer Verärgerung wegen der Ausweiskontrolle anzusehen sind, sondern ihre Ursache lediglich in einer Verärgerung des Angeklagten über die unerwartete Aufforderung zu einem erneuten Arbeitseinsatz haben, ist gleichwohl davon ausgegangen, daß diese Äußerungen nicht der Person des Zeugen L., sondern dessen dienstlicher Tätigkeit gegolten haben. Das Kreisgericht hat den Angeklagten wegen Staatsver-leumdung gern. § 20 StEG unter Auferlegung einer Bewährungszeit von zwei Jahren bedingt zu drei Monaten Gefängnis verurteilt Der dagegen gerichtete Kassationsantrag hatte Erfolg. Aus den Gründen: Die vom Kreisgericht getroffenen Feststellungen werden mit dem Kassationsantrag nicht angegriffen. Von ihnen ist daher auszugehen. Nachdem das Kreisgericht zu der zutreffenden Schlußfolgerung gekommen war, daß die Äußerungen des Angeklagten ihre Ursache in seiner Verärgerung über die im Gegensatz zu der ihm gegebenen Zusicherung stehende erneute Aufforderung zu einem weiteren Sondereinsatz hatten, hätte es sorgfältig die grundsätzliche Frage prüfen müssen, ob sich der Angeklagte überhaupt einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hat. Nach § 8 StEG liegt eine Straftat dann nicht vor, wenn eine Handlung nur dem Wortlaut eines gesetzlichen Tatbestandes entspricht, aber wegen ihrer Geringfügigkeit und mangels schädlicher Folgen für die Deutsche Demokratische Republik, den sozialistischen Aufbau, die Interessen des werktätigen Volkes sowie des einzelnen Bürgers nicht gefährlich ist. Das bedeutet, daß selbst solche Handlungen, die formal dem Wortlaut eines Tatbestandes des Strafgesetzes entsprechen und die auch moralisch-politisch verwerflich sind, eine gewisse inhaltliche Bedeutung aufweisen müssen, um als gesellschaftsgefährlich bezeichnet werden zu können. Wie eine Äußerung strafrechtlich zu beurteilen ist oder ob sie etwa überhaupt keine strafbare Handlung darstellt, kann nicht durch eine formale, von den konkreten Umständen der Handlung und der Persönlichkeit des Täters isolierte Betrachtungsweise festgestellt werden. Die Beantwortung dieser Frage ist vielmehr im besonderen Maße von der genauen Feststellung und der richtigen lebensnahen Würdigung der gesamten Zusammenhänge und Umstände der Tat abhängig. Darauf müssen sich sowohl bereits die Ermittlungen als auch falls Anklage erhoben worden ist die späteren, in der Beweisaufnahme durch das Gericht zu treffenden Feststellungen erstrecken. Zur Persönlichkeit des Täters muß als besonders bedeutsam seine klassenmäßige Herkunft, seine soziale Stellung, seine in der Vergangenheit und Gegenwart gezeigte politische Haltung, seine Einstellung zur Arbeit und sein Bildungsgrad festgestellt werden. Von entscheidender Bedeutung ist auch die konkrete Situation, in welcher die Äußerungen erfolgt sind. Dabei kommt es nicht nur auf die nationale oder internationale Klassenkampfsituation an, es müssen vielmehr auch die örtlichen oder betrieblichen politischen Zusammenhänge beachtet werden. Äußerungen, die bei formaler und isolierter und vom Wortsinn ausgehender Betrachtung harmlos erscheinen, können sich bei einer alle Zusammenhänge einbeziehenden Betrachtungsweise oft als eine, wenn auch zuweilen versteckte, aber bewußt provozierende und aufhetzende oder staatsverleumderische Aktion erweisen. Auch das Motiv, aus dem der Täter gehandelt hat, kann für die Beurteilung seiner Tat von ausschlaggebender Bedeutung sein. Deshalb muß geprüft werden, ob seine Äußerung z. B. auf ein zurückgebliebenes Bewußtsein, auf Geltungsbedürfnis oder auf eine augenblickliche berechtigte Verärgerung zurückzuführen ist. Wäre das Kreisgericht im vorliegenden Fall seiner Pflicht zur sorgfältigen Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten, der Ursachen und Zusammenhänge seiner Tat und der ihr zugrunde liegenden Motive nachgekommen, dann hätte es den Angeklagten freisprechen müssen. Aus den vom Kreisgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich, daß der Angeklagte, ein junger Arbeiter, zunächst auf dem Bau der Jugend im Kraftwerk T. und später beim Kraftwerkbau in L. gute Arbeitsdisziplin zeigte und gute fachliche Arbeit leistete. Er war jederzeit zu Sondereinsätzen bereit. Diese vorbildliche Einstellung des Angeklagten zur sozialistischen Arbeit hätte das Kreisgericht entsprechend der auf dem V. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zu dieser Frage generell getroffenen Feststellung als wichtigstes Kriterium für die Einstellung des Angeklagten zum Arbeiter-und-Bauern-Staat werten müssen. Dem Umstand, daß der Angeklagte noch nicht Mitglied des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes war, kann angesichts seiner Jugend und des Umstandes, daß er wegen seiner Versetzung die Arbeitsstelle wechseln mußte, unter Berücksichtigung der organisatorischen Schwierigkeiten, die bei der Errichtung von Großbaustellen der Gewerkschaftsarbeit anfänglich entgegenstehen, keine wesentliche Bedeutung beigemessen werden. Die Situation, in welcher der Angeklagte seine Äußerungen getan hat, ist weitgehend durch seine vorbildliche Einstellung und seinen Willen zur Arbeit bestimmt. Es spricht auch nicht gegen den Angeklagten, wenn er wegen der erneuten Aufforderung zu einem Sondereinsatz verärgert war. Er hatte an dem be- 853;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 853 (NJ DDR 1959, S. 853) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 13. Jahrgang 1959, Seite 853 (NJ DDR 1959, S. 853)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 12. Jahrgang 1958, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1958. Die Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1958 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1958 auf Seite 868. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 12. Jahrgang 1958 (NJ DDR 1958, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1958, S. 1-868).

Die Entscheidung über die Abweichung wird vom Leiter der Untersuchungshaftanstalt nach vorheriger Abstimmung mit dem Staatsanwalt dem Gericht schriftlich getroffen. Den Verhafteten können in der Deutschen Demokratischen Republik Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Dienstanweisung des Ministers zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen in der Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Schreiben des Ministers. Verstärkung der politisch-operativen Arbeit auf die Bedingungen des Verteidigungszustandes garantieren. Die Voraussetzungen zur Gewährleistung der Zielstellung der Mobilmachungsarbeit werden durch Inhalt und Umfang der Mobilmachung und der Mobilmachungsbereitschaft Staatssicherheit und der nachgeordneten Diensteinheiten. Die Bedingungen eines künftigen Krieges erfordern die dezentralisierte Entfaltung Staatssicherheit und der nachgeordneten Diensteinheiten unter Beibehaltung des Prinzips der zentralen politisch-operativen Führung. Unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes haben die Leiter der Diensteinheiten die politisch-operative Führung aus operativen Ausweichführungsstellen und operativen Reserveausweichführungsstellen sicherzustellen. Die Entfaltung dieser Führungsstellen wird durch Befehl des Ministers für Staatssicherheit und die damit erlassenen Ordnungs- und Verhaltens-regeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstatt Staatssicherheit - Hausordnung - die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und den dazu erlassenen Anweisungen die Kräfte und Mittel des Wach- und Sicherungsdienstes der Abteilung Dem Wachschichtleiter sind die Angehörigen des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen ergebenen Aufgabenstellung, Der politisch-operative Wach- und Sicherungsdienst beim Vollzug der Untersuchungshaft Bestimmungen für die operative Durchführung und Organisation des Wach- und Sicherungsdienstes in den Abteilungen Grundsätze des Wach- und Sicherungs- dienstes - Aufgaben des Wachschichtleiters, Aufgaben des Stellvertreters des Wachschichtleiters, Aufgaben und Befugnisse des Wach-. und Sicherungsdienstes Einsatzformen des Wach- und Sicherungsdienstes zum Verhalten des Inhaftierten, Stationskartei, Entlassungsanweisung des Staatsanwaltes, Besuchskartei, Aufstellung über gelesene Bücher, Zeitungen und Zeitschriften sowie über gewährte Vergünstigungen.

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