Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 592

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 592 (NJ DDR 1956, S. 592); weitert, bleibt das Gericht an diesen Antrag gebunden (§ 308 Abs. 1 ZPO). Auch bei der Behandlung der Möglichkeit des Abschlusses eines gerichtlichen Vergleiches über einen Streitgegenstand, der das Volkseigentum unmittelbar berührt, geht die „Anleitung für den Zivilprozeß“ mit Recht von dem Grundsatz der Unantastbarkeit des Volkseigentums aus. Indessen kann den Schlußfolgerungen, die aus diesem Grundsatz für den Umfang der Dispositionsbefugnis im Zivilverfahren bei Vergleichsabschlüssen abgeleitet werden, nicht ganz beigepflichtet werden, mindestens nicht in der Allgemeinheit, wie sie dort vertreten werden. Es geht insbesondere zu weit, wenn etwa der Standpunkt eingenommen wird, daß ein Rechtsträger als Prozeßpartei einen gerichtlichen Vergleich nur mit Zustimmung des für ihn zuständigen Fachministeriums wirksam abschließen könne. Hierbei muß vielmehr im einzelnen folgendes unterschieden werden: Sehen Bestimmungen des Zivilrechtes vor, daß den Parteien die freie Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen in irgendeiner Form entzogen ist, so ist dies auch für die Parteiverfügungen, die bei Abschluß eines Vergleiches im Prozeß erfolgen, von größter Bedeutung. Jeder Prozeßvergleich enthält eine Neuregelung der rechtlichen Beziehungen der Parteien und führt zur Errichtung eines Schuldtitels und damit zur staatlichen Anerkennung der Ansprüche, die bei dem Vergleichsabschluß festgelegt werden (vgl. § 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO). Sind der Inhalt eines Planvertrages und die Rechtsfolgen der Nichterfüllung dieses Vertrages durch Gesetz im Interesse der Planung unserer Volkswirtschaft zwingend vorgeschrieben, wie dies bei den im Rahmen des Allgemeinen Vertragssystems abgeschlossenen Verträgen der Fall ist, so kann über diese zwingenden gesetzlichen Bestimmungen auch nicht dadurch hinweggegangen werden, daß ungesetzliche Abänderungen des Rechtsverhältnisses im Prozeß im Wege eines Vergleiches vorgenommen werden. In diesen Fällen unterliegt jede Änderung der Rechtsbeziehungen der Vertragspartner im Prozeß den gleichen Grundsätzen wie außerhalb des Prozesses. Erklärt also das materielle Recht einen Anspruch für unverzichtbar7), so kann keine Prozeßpartei, und am allerwenigsten ein Träger gesellschaftlichen Eigentums, rechtswirksam einen Verzicht nach § 306 ZPO erklären oder im Wege eines Vergleiches ganz oder teilweise auf einen solchen Anspruch verzichten. Ist die Abänderung bestehender vertraglicher Rechtsbeziehungen nach den Vorschriften des materiellen Rechts an die Zustimmung einer staatlichen Dienststelle geknüpft oder von anderen Voraussetzungen abhängig8), so müssen diese Voraussetzungen auch bei Abschluß eines Prozeßvergleichs über derartige Rechtsbeziehungen vorliegen, wenn der Vergleich rechtswirksam sein soll. Insoweit ist der in der „Anleitung für den Zivilprozeß“ vertretenen Meinung über die Zustimmungsbedürftigkeit eines Vergleichs, an dem ein Träger gesellschaftlichen Eigentums beteiligt ist, beizupflichten. Anders liegen die Dinge aber in allen den, in der Gerichtspraxis nicht selten anzutreffenden Fällen, in denen solche zwingenden Vorschriften des materiellen Rechts nicht bestehen. Auch hier ist davon auszugehen, daß wegen der Unantastbarkeit des Volkseigentums der Verzicht auf volkseigene Forderungen grundsätzlich gesetzwidrig und deshalb unwirksam ist9). Das Hauptproblem hierbei besteht aber in folgendem: Ermäßigt der volkseigene Kläger bei Abschluß eines Vergleichs seine Forderung, so verzichtet er damit auf 7) vgl. z. B. § 7 Abs. 3 der AO über die Rückgabe und Berechnung von Leihverpackung vom 20. November 1953 (GBl. S. 1180) und § 5 Abs. 3 der AO über die Rückgabe von Ver-packüngsmitteln bei der Lieferung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 4. März 1954 (GBl. S. 294) über die Unver-zichtbarkeit der Berechnung von Vertragsstrafe wegen verspäteter Rückgabe von Leihverpackung. 8) So z. B. nach § 6 Abs. 2 der VO über die Regelung der vertraglichen Verpflichtungen der privaten Industriebetriebe als Lieferer vom 22. Dezember 1955 (GBl. 1956 I S. 7), wonach die Vertragspartner eine Änderung oder Aufhebung des Vertrages nur vereinbaren können, wenn hierdurch die Erfüllung der staatlichen Aufgaben nicht gefährdet wird, und die Vereinbarung der Aufhebung eines Vertrages der Bezirksdirektion der Industrie- und Handelskammer anzuzeigen ist. o) vgl. z. B. für den Bereich der Volkseigenen Betriebe Dorn-berger/Kleine/Klinger/Posch, Das Zivilrecht der Deutschen Demokratischen Republik, Allgemeiner Teil, S. 218 Anm. 2. die volle Geltendmachung seines prozessualen Anspruchs, d. h. auf die Durchsetzung der von ihm bei Einleitung des Verfahrens aufgestellten Rechtsbehauptung, daß ihm der gesamte in der Klagschrift bezeich-nete Anspruch zustehe. Dieser Verzicht auf einen Teil des prozessualen Anspruchs bedeutet keineswegs in jedem Falle zugleich einen Verzicht auf den tatsächlich bestehenden materiellrechtlichen Anspruch, denn bei Abgabe einer Willenserklärung im Prozeß zum Zwecke des Abschlusses eines Vergleichs steht im Regelfall gar nicht fest, ob der geltend gemachte Anspruch in der vom Kläger behaupteten Höhe wirklich besteht. Nur der Verzicht auf einen tatsächlich bestehenden materiellrechtlichen Anspruch, nicht aber der Verzicht auf einen lediglich behaupteten prozessualen Anspruch verstößt gegen den Grundsatz der Unantastbarkeit des Volkseigentums. Nun darf man jedoch keineswegs die Gefahr übersehen, die darin besteht, daß mit der Disposition über den prozessualen Anspruch in Unkenntnis der wahren Rechtslage zugleich auf den materiellrechtlichen Anspruch verzichtet wird, soweit dieser besteht. Dieser Gefahr muß zum Schutze des Volkseigentums so weit wie möglich vorgebeugt werden. Inwieweit eine solche Gefahr besteht, kann im Einzelfall nur unter eingehender Aufklärung des Sachverhalts beurteilt werden. Wenn das Gericht darüber entscheiden soll, ob ein ab- s zuschließender Vergleich gegen das Prinzip der Unantastbarkeit des Volkseigentums verstößt, so ist es hierzu nur in der Lage, wenn es dabei von dem in dem bisherigen Verfahren zutage getretenen Sachverhalt ausgeht und auf dieser Grundlage prüft, ob und inwieweit der Anspruch des Klägers berechtigt erscheint. Sind im bisherigen Verfahren wichtige prozessuale Mittel zur Erforschung der objektiven Wahrheit überhaupt noch nicht ausgenutzt worden, so ist zunächst der Sachverhalt im Zusammenwirken mit den Prozeßparteien und gegebenenfalls auch unter Benutzung der dem Gericht von Amts wegen zur Verfügung stehenden Beweismittel aufzuklären, bevor ein Vergleich über den von einem Träger gesellschaftlichen Eigentums erhobenen Anspruch zu gerichtlichem Protokoll genommen wird. Dies folgt nicht nur aus der Pflicht des Gerichts, den in Aussicht genommenen Vergleich auf seine Rechtswirksamkeit hin nachzuprüfen und sich eine tragfähige Grundlage für die Erfüllung dieser Pflicht zu verschaffen, sondern auch aus der dem Gericht gern. § 2 Abs. 1 Buchst, b GVG obliegenden Aufgabe des Schutzes und der Förderung des sozialistischen Eigentums. Nicht die formale Zustimmung eines Fachministeriums, sondern die Erforschung der objektiven Wahrheit über die anspruchsbegründenden Behauptungen des volkseigenen Klägers gewährt eine reale Garantie für die möglichst umfassende Wahrung der Belange des Volkseigentums bei Abschluß eines Vergleichs. Es wäre zu wünschen, daß eine künftige Gesetzgebung diesen Vorrang der Wahrheitserforschung vor Parteidispositionen über einen das Volkseigentum unmittelbar berührenden Streitgegenstand klar ausspricht. Daneben treten in der Praxis Fälle auf, in denen die weitere Beweisführung dem klagenden Rechtsträger aller Voraussicht nach sehr schwierig und zudem auch kostspielig und in ihrem Ergebnis für den Beweisführer von vornherein zweifelhaft erscheint. Diese Fälle hat die „Anleitung für den Zivilprozeß“ offenbar im Auge, wenn sie zum Schluß ihrer oben angeführten Bemerkungen einen Vergleichsabschluß befürwortet. In der Tat wäre es hier eine Überspitzung und könnte im Endergebnis nur zum Schaden des Volkseigentums auslaufen, wenn man eine Fortsetzung des Urteilsverfahrens um jeden Preis fordern würde, wo doch im Falle eines Vergleiches eine im bisherigen Verfahren entstandene Beweisgebühr fortfällt (§ 23 GKG). Hier muß dem klagenden Staats- oder Wirtschaftsorgan ein angemessener Spielraum eigenverantwortlicher Entscheidung darüber belassen werden, ob ein für das Volkseigentum annehmbarer Vergleich nicht doch der weiteren Durchführung des streitigen Verfahrens vorzuziehen ist. Die volkseigene Prozeßpartei vor einer derartigen Entschließung zu beraten, ist nicht nur Aufgabe des Gerichts, sondern auch des gern. § 20 StAG im Verfahren mitwirkenden Staatsanwalts, dem sich hier ein dankbares Arbeitsfeld eröffnet. Der Zustim- 592;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen haben zu gewährleisten, daß die Aufgaben- und Maßnahmenkomplexe zur abgestimmten und koordinierten Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlas-sens und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels. Im engen Zusammenhang damit ergibt sich die Notwendigkeit der allseitigen Klärung der Frage er ist wer? besonders unter den Personen, die in der Regel in der bisherigen Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit als inoffizielle Mitarbeiter ihre besondere Qualifikation und ihre unbedingte Zuverlässigkeit bereits bewiesen haben und auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit, ihrer gesellschaftlichen Stellung und anderer günstiger Bedingungen tatsächlich die Möglichkeit der konspirativen Arbeit als haben. Durch die Leiter ist in jedem Fall zu prüfen und zu entscheiden, ob der Verdächtige durch den Untersuchungsführer mit dieser Maßnahme konfrontiert werden soll oder ob derartige Maßnahmen konspirativ durchgeführt werden müssen. Im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens besteht, in dem feindlichen oder anderen kriminellen Elementen ihre Straftaten zweifelsfrei nachgewiesen werden. Ein operativer Erfolg liegt auch dann vor, wenn im Rahmen der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren und der Klärung von Vorkommnissen verschiedenen Bereichen der bewaffneten Organe festgestellten begünstigenden Bedingungen Mängel und Mißstände wurden in Zusammenarbeit mit der und den die führenden Diens teinheiten. Gewährleis tung der Sofortmeldepflicht an die sowie eines ständigen Informationsflusses zur Übermittlung neuer Erfahrungen und Erkenntnisse über Angriff srichtungen, Mittel und Methoden des Klassengegners Sicherheitserfordern isse, Gefahrenmomente und Schwerpunkte zu erkennen und zu eren; eine immer vollständige Kontrolle über Personen und Bereiche suszuübon, die im Zusammenhang mit den Ursachen und Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen besonders relevant sind; ein rechtzeitiges Erkennen und offensives Entschärfen der Wirkungen der Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen geführt; werden. Die in der gesellschaftlichen Front Zusammenzuschließenden Kräf- müssen sicherheitspolitisch befähigt werden, aktiver das Entstehen solcher Faktoren zu bekämpfen, die zu Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen bei Bürgern der einzudringen und Grundlagen für die Ausarbeitung wirksamer Geganstrategien zum Kampf gegen die Aktivitäten des Gegners zu schaffen.

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