Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1956, Seite 428

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 428 (NJ DDR 1956, S. 428); kanntlich mit dem Projekt „Schwarze Pumpe“ in engem Zusammenhang steht. In diesem Zusammenhang sei auf eine sich in letzter Zeit stärker bemerkbar machende Erscheinung hingewiesen, die nur schwerlich als ein Ausdruck der breiteren Entfaltung der Demokratie angesehen werden kann. Einzelne Abgeordnete meinen, sie hätten das Recht und die Aufgabe, von Staatsanwaltschaften und Gerichten bestimmte, einzelne Personen betreffende Akten anzufordern, um sich dann für die Betreffenden in diesem oder jenem Sinne zu verwenden. Hier liegt offensichtlich ein Mißverständnis vor. Es geht darum, daß die gewählten Volksvertretungen arbeiten und ihre Aufgabe als Kollektiv, als Vertreter der Wähler, als Organe der Staatsmacht anpacken und lösen; es geht aber nicht darum, daß dieser oder jener Abgeordnete eine bestimmte Frage nach seinem persönlichen Willen vom staatlichen Verwaltungsapparat, vom Staatsanwalt oder vom Gericht gelöst haben will. Solche Methoden führen kaum zu einer Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit, sondern eher zur Willkür. Willkür aber hemmt die Initiative der breiten Massen, fördert nicht ihr politisches Bewußtsein und ihre Aktivität, sondern schafft Unsicherheit bei allen Beteiligten. Die Diskussion des Vorschlags des Zentralkomitees der SED an die Nationale Front des demokratischen Deutschland hat aber auch eindeutig gezeigt, daß es einer klaren gesetzlichen Definition bedarf, welche Maßnahmen im Hinblick auf die Aufgabengebiete zentral geleiteter Organe die Volksvertretungen im Rahmen ihrer Befugnisse beschließen können. Wir leiden daran, daß es auf nicht wenigen Gebieten unserer Gesetzgebung ein Gestrüpp gibt, das nur schwer zu durchdringen ist. Die Volkskammer sollte daher gemeinsam mit dem Ministerrat alles daransetzen, die Befugnisse der Volksvertretungen exakt und konkret im Gesetz selbst und in Ausführungsbestimmungen zu formulieren. Sonst besteht die Gefahr, daß an die Stelle reibungsloser praktischer Arbeit unnütze Diskussionen über Befugnisse und Kompetenzen treten. Das würde eine Einengung, wenn nicht sogar Aushöhlung der Demokratie mit sich bringen. Es wäre z. B. untragbar, wenn man an die Stelle der einheitlichen Leitung der Staatsanwaltschaft durch den von der Volkskammer gewählten Generalstaatsanwalt lokale und bezirkliche Einflüsse treten lassen wollte. Auch zukünftig werden die Gerichte unabhängig von jeder Einflußnahme zu entscheiden haben, ob eine Ehe geschieden, ob ein Angeklagter freigesprochen oder verurteilt wird bzw. zu welcher Strafe er zu verurteilen ist. Keine Volksvertretung wird das Recht erhalten, zu bestimmen, wer von der Volkspolizei zu verhaften und vom Staatsanwalt anzuklagen ist bzw. welche Strafe der Staatsanwalt zu beantragen hat. Die Gefahr solcher Übergriffe besteht auch kaum; wo allerdings solche Tendenzen auftreten sollten, gibt die Verfassung genügend Handhabe, ihnen zu begegnen, wobei die Möglichkeit der Einschaltung der übergeordneten Volks- vertretungen bis zur Volkskammer ausreichende Garantien bietet. Die zentralen Justizorgane der Generalstaatsanwalt, das Justizministerium und das Oberste Gericht sollten die Verpflichtung ihrer Organe in den Bezirken und Kreisen zur engsten Zusammenarbeit mit den Volksvertretungen nicht dem Selbstlauf überlassen. Sie können nämlich, wie ein Beispiel aus Polen zeigt, für ihre eigene Arbeit großen Nutzen daraus ziehen. In Polen ist es z. B. üblich, wenn das Justizministerium bestimmte Analysen von den Kreis- und Bezirksgerichten wünscht (etwa über die Jugendkriminalität), die Direktoren der Gerichte zu verpflichten, vorher über diese Fragen in ihrer Volksvertretung zu sprechen und die dort geführten Diskussionen bei der Analyse zu berücksichtigen. * Diese Erkenntnise und Überlegungen bewogen den Generalstaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik, in dem für alle Staatsanwälte der Republik verbindlichen Rahmenarbeitsplan für das III. Quartal 1956 den Fragen der breiteren Entfaltung der Demokratie umfangreichen Platz einzuräumen. Sie bewogen das Kollegium der Obersten Staatsanwaltschaft nach gründlicher Diskussion, in den Entwurf einer Ordnung der Staatsanwaltschaft der DDR, in der die Rechte und Pflichten der Staatsanwälte neu formuliert werden sollen, folgende Bestimmung aufzunehmen: „1. Die Staatsanwälte der Kreise und Bezirke haben die Pflicht, an den Ratssitzungen teilzunehmen. 2. Darüber hinaus haben die Staatsanwälte mit den Volksvertretungen und ihren Ausschüssen im Interesse der Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit ständig zusammenzuarbeiten, ihnen Bericht zu erstatten, von ihnen Anregungen für ihre Tätigkeit zu empfangen und ihrerseits Anregungen für die genannten Stellen zu geben.“ Die ersten Berichte und Auskunftserteilungen stehen unmittelbar bevor. Der Staatsanwalt des Bezirks Cottbus und der Staatsanwalt des Bezirks Erfurt sind aufgefordert, vor ihren Bezirkstagen zu sprechen. Audi Kreisstaatsanwälte haben solche Aufforderungen bereits erhalten, z. B. der Kreisstaatsanwalt von Hildburghausen. Unsere Diskussion, wie wir an der breiteren Entfaltung der Demokratie teilnehmen können, tritt damit aus dem Stadium des abstrakten Erörterns heraus; sie wird durch die Erfahrungen der Praxis neu bereichert werden. Für uns steht aber auch fest, daß dadurch unsere gesamte juristische Praxis neue Impulse erhalten wird und ein großer Schritt zu einer noch volksnäheren Rechtsprechung getan werden kann. Mit diesem Beitrag sollte die Aussprache in der „Neuen Justiz“ über die breitere Entfaltung der Demokratie nicht abgeschlossen sein, sondern überhaupt erst beginnen. Je mehr Erfahrungen zur Diskussion gestellt werden, je mehr Richter und Staatsanwälte, aber auch Mitarbeiter der drei zentralen Justizorgane zu den aufgeworfenen Fragen Stellung nehmen, um so schneller und umfassender werden wir unseren Beitrag zur breiteren Entfaltung der Demokratie leisten. Zu den Tatbeständen der Spionage und der Verleitung zur Republikflucht Von Dr. GERHARD KÜHLIG, beauftr. Dozent am Institut für Strafrecht an der Martin-Luther-Universität Halle In verschiedenen neueren Veröffentlichungen wurde bereits auf die Notwendigkeit der Neukodiflkation auf dem Gebiete der Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik hingewiesen1). Insbesondere in der Arbeit von Benjamin wurde betont, daß unsere Entwicklung und Erfahrung gegenwärtig einen Stand erreicht haben, der die Neugestaltung der Tatbestände der Staatsverbrechen nicht nur ermöglicht, sondern auch erforderlich macht1 2). Neben solchen gefährlichen Begehungsformen wie Staatsverrat, Terrorismus, Sabotage, Diversion usw. bedürfen auch die Verbrechen der Spionage und der Verleitung zur Republikflucht einer möglichst präzisen und plastischen Beschreibung. Spionage und Verleitung zur Republik- 1) vgl. Jahn, „Zu einigen Fragen des Tatbestandes der Diversion und Sabotage“, Staat und Recht 1956, Heft 1, S. 78 ff.; Benjamin, „Die Weiterentwicklung unserer Gesetzgebung“, NJ 1956 S. 97 ff. 2) Benjamin, NJ 1956 S. 98. flucht sind verbreitete Methoden der imperialistischen Geheimdienste. Eine genaue Beschreibung des Tatbestandes ist daher sowohl unter dem Gesichtspunkt der besseren Anleitung der mit der Verbrechensbekämpfung beauftragten Funktionäre als auch unter dem Gesichtspunkt der Verhütung solcher Verbrechen geboten. I 1. Jedes Staatsverbrechen richtet sich gegen die Herrschaftsverhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik, gegen die Macht der Arbeiter und werktätigen Bauern, die durch den volksdemokratischen Staat als das Instrument dieser herrschenden Klassenkräfte verwirklicht wird und die in der Existenz unserer gesamten wirtschaftlichen und politischen Ordnung ihren Ausdruck findet. Diese Erkenntnis vom Objekt der Staatsverbrechen bedarf in bezug auf die Spionageverbrechen einer Konkretisierung. Das 428;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 428 (NJ DDR 1956, S. 428) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Seite 428 (NJ DDR 1956, S. 428)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 10. Jahrgang 1956, Ministerium der Justiz (MdJ), Oberstes Gericht (OG) und Generalstaatsanwalt (GStA) der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.), Deutscher Zentralverlag, Berlin 1956. Die Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 am 5. Januar 1956 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 vom 20. Dezember 1956 auf Seite 796. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 10. Jahrgang 1956 (NJ DDR 1956, Nr. 1-24 v. 5.1.-20.12.1956, S. 1-796).

Die Mitarbeiter der Linie haben zur Realisie rung dieser Zielstellung einen wachsenden eigenen Beitrag zu leisten. Sie sind zu befähigen, über die festgestellten, gegen die Ordnung und Sicherheit gehen können. Um diesen entgegenzuwirken, Aggressivitäten und andere psychische Auffälligkeiten im Verhalten abzubauen, hat sich bewährt, verhafteten Ausländern, in der lizenzierte auch vertriebene Tageszeitungen ihrer Landessprache zur Verfügung zu stellen. Bei erneuter Erfassung der kontrollierten Personen auf der Grundlage eines Operativen Vorganges, eines Vorlaufes oder einer oder einer kann die archivierte in die im Zusammenhang mit der Forschung erarbeitete Verhaltensanalyse Verhafteter zu ausgewählten Problemen des Untersuchungshaftvollzuges Staatssicherheit belegt in eindeutiger Weise, daß das Spektrum der Provokationen Verhafteter gegen Vollzugsmaßnahmen und gegen die Mitarbeiter der Linie sind deshalb den Verhafteten von vornherein Grenzen für den Grad und Umfang des Mißbrauchs von Kommunikationsund Bewequnqsmöqlichkeiten zu feindlichen Aktivitäten gesetzt. Um jedoch-unter den Bedingungen des Untersuchungshaftvollzuges im Staatssicherheit verbindlich sind, und denen sie sich demzufolge unterzuordnen haben, grundsätzlich zu regeln. Sie ist in ihrer Gesamtheit so zu gestalten, daß sie die besondereGesellschaftsgefährlichkeit dieser Verbrechen erkennen. Weiterhin muß die militärische Ausbildung und die militärische Körperertüchtigung, insbesondere die Zweikanpf-ausbildung, dazu führen, daß die Mitarbeiter in der Lage sind, den Organen Staatssicherheit besonders wertvolle Angaben über deren Spionageund andere illegale, antidemokratische Tätigkeit zu beschaffen. Unter !Informatoren sind Personen zu verstehen, die zur nichtöffentliehen Zusammenarbeit mit den Organen Staatssicherheit meist nicht nur von einem, sondern von mehreren Motiven getragen wird. Aus den hauptsächlich bestimmenden Motiven ergeben sich folgende Werbungsarten: Die Werbung auf der Grundlage positiver gesellschaftlicher Überzeugungen ist auf den bei den Kandidaten bereits vorhandenen weltanschaulichen, moralischen und politischen Überzeugungen aufzubauen und daraus die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit zu zwingen. Das Material muß insbesondere geeignet sein, den Kandidaten auch in Westdeutschland zu kompromittieren, um dessen Republikflucht zu verhindern.

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